Taliban nach Bonn
Bei der nächsten großen Afghanistan-Konferenz, am 5. Dezember in Bonn (und damit zehn Jahre nach der ersten Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg bei Bonn Ende 2001) sollten die Taliban unbedingt mit am Tisch sitzen. Sagt Ahmed Rashid, pakistanischer Taliban-Kenner und Buchautor (Taliban, Sturz ins Chaos). Denn der Fehler vor zehn Jahren sei gewesen, die afghanischen Taliban nicht in die politische Gestaltung des Landes einzubeziehen. Wenn jetzt alle einig seien, einschließlich der USA, dass nur eine politische, nicht aber eine militärische Lösung am Hindukusch möglich sei, führe an der Beteiligung aller Gruppen auch der Aufständischen ebenso wie an der Beteiligung der Nachbarn Afghanistans kein Weg vorbei.
Rashid sprach heute in Berlin bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) über die Lage in Afghanistan und Pakistan, nicht zuletzt nach dem Tod Osama bin Ladens. Und gemeinsam mit Rashid saß auf dem Podium der deutsche Afghanistan-Beauftragte Michael Steiner. Der auch viel Interessantes zu dem Thema sagen kann – das aber nicht zitierbar und öffentlich darf.
Deshalb macht es wenig Sinn, die ganze Diskussion hier widerzugeben. Statt dessen stelle ich das anschließende kurze Gespräch Rashids mit Journalisten mal zum Anhören hier rein – in den zehn Minuten hat er noch mal seine Kernaussagen zusammengefasst. (Unter anderem, dass die amerikanische Aktion gegen Bin Laden den afghanischen Taliban die Chance bietet, sich von Al-Qaida zu lösen… aber auch: die nötigen politischen Gespräche mit den Taliban bedeuteten nicht, dass die Gewalt am Hindukusch schnell aufhöre. Fighting and Talking werde noch eine Zeit lang Realität bleiben.)
(Direktlink, vor allem für iPhone/iPad-Benutzer: http://audioboo.fm/boos/353028-rasheed-dgap-berlin-10may2011)
„…sollten die Taliban unbedingt mit am Tisch sitzen. Sagt Ahmed Rashid, pakistanischer Taliban-Kenner und Buchautor (Taliban, Sturz ins Chaos).“
Solange alle sich einig sind, dass die Taliban irgendwie „einbezogen“ werden sollen etc., aber ausgerechnet die Taliban anderer Ansicht sind, bleiben solche Diskussionen leider irrelevant.
Wirklich interessant wäre es darüber zu reden, warum die Verhandlungsbereitschaft in der Taliban-Führung so gering zu sein scheint. Wer davon spricht, die Taliban in Verhandlungen einbeziehen zu wollen, erweckt damit ja sprachlich den Eindruck, als würden diese nur darauf warten, bzw. als sei man selbst die stärkere Konfliktpartei, die in der Position sei, etwas anzubieten. Sowohl die Taliban-Führung als auch die sie protegierenden pakistanischen Kräfte sehen das aber möglicherweise anders, und vielleicht klingt die seit Jahren stattfindende Beschwörung von Verhandlungen für sie eher wie ein Ausdruck von Schwäche und Verzweiflung, der die eigene Wahrnehmung bestätigt, dass man sich auf der Gewinnerstraße befindet.
Bei dieser Nachricht fallen mir zwei, drei dinge ein.
1) Man könnte nun unken “im nachhinein ist man immer schlauer“. Die Rufe danach, die Taliban schon von beginn an mit an den runden tisch zu holen, waren da.
Andererseits ist genau das fragwürdig: 2) Wenn man nun anfängt mit den T in einem solchen Rahmen Gespräche/Verhandlungen zu führen, verleiht man ihnen einen gewissen Status. Ich bin mir nicht sicher ob das nicht in die falsche Richtung führt.
Die Gründe für eine Zurückhaltung der AFG Taliban bei Verhandlungen dürfte eher bei ihrem ausländischen Hauptunterstützer und „Schöpfer“ Pakistan zu suchen sein. Alles ebenfalls nachzulesen in Rashids Büchern. Also warum sollte dort jemand verhandeln, wenn absehbar ist, das aus Sicht der Taliban (und Pakistans) der ganze „Spuk“ der westlichen Einflussnahme bei guter Führung in wenigen Jahren vorbei sein könnte.
Diese Zeit zu überbrücken könnte wohl ein Motiv sein. Die (anti-westlichen) Interessen beider Hauptakteure werden sich aber kaum ändern (lassen).