Green on Blue: Misstrauen inklusive

Im August vergangenen Jahres stand ich in einem nüchternen Hangar am Rande des Flugfelds von Herat in West-Afghanistan an drei Särgen, die mit einer spanischen Flagge bedeckt waren. Zwei spanische Soldaten und ein ziviler, ebenfalls spanischer Übersetzer waren wenige Stunden zuvor in Qal-i-Naw in der Provinz Badghis gefallen – als ein afghanischer Polizist das Feuer auf sie eröffnete. Sehr schnell hieß es, der Afghane habe zuvor Streit mit dem afghanisch-stämmigen Übersetzer gehabt. Die beiden Soldaten hätte er gar nicht töten wollen, die hätten zufällig daneben gestanden.

Der heutige Vorfall auf dem militärischen Teil des internationalen Flughafens von Kabul, bei dem amerikanische ISAF-Soldaten ums Leben kamen (die Meldungen sind derzeit noch uneinheitlich, von sechs, dann wieder von acht US-Soldaten und einem zivilen ISAF-Contractor ist die Rede), klingt ähnlich. Ein afghanischer Soldat, nach den Berichten ein 50-jähriger Pilot, habe nach einem Streit das Feuer eröffnet.

Die Angriffe von afghanischen Uniformträgern auf ISAF-Soldaten haben in den vergangenen Wochen eine beunruhigende Zahl erreicht. Sieben solcher Angriffe allein seit Januar meldet AP unter Berufung auf die internationale Schutztruppe, und gerade die Deutschen erinnern sich an den Zwischenfall vom 18. Februar im OP North in Baghlan, als ein Afghane innerhalb des Stützpunkts drei Bundeswehrsoldaten erschoss.

Noch bedrückender ist allerdings eine andere Rechnung. Seit März 2009, heißt es in Agenturberichten unter Berufung auf ISAF, habe es 20 solcher Vorfälle mit insgesamt 36 Toten gegeben. Das Erschreckende: Nur die Hälfte dieser Vorfälle sei auf eingeschleuste Aufständische zurückzuführen, die sich in der Uniform afghanischer Soldaten oder Polizisten Zugang zu gesicherten Bereichen befanden. Die anderen zehn Angriffe kamen von offensichtlich echten Soldaten und Polizisten, die aus irgendeinem Grund durchdrehten – combat stress, Streit mit einem ISAF-Soldaten, persönliche Gründe, über die nichts Näheres bekannt ist.

Nun gab es natürlich auch Vorfälle, bei denen ISAF-Truppen das Feuer auf afghanische Kameraden eröffneten (wie die Deutschen bei Kundus im vergangenen Jahr) oder Luftangriffe nicht die Stellung von Aufständischen, sondern die der Afghan National Army trafen. Blue on Green heißt so etwas im NATO-Jargon, Feuer auf befreundete Truppen – ein feiner Unterschied zum Blue on Blue, dem irrtümlichen Feuer auf die eigenen Kräfte. Schlimm genug für die Zusammenarbeit, und auf der ruht ja die Hoffnung auf eine Übergabe in Verantwortung, die in wenigen Jahren den Abzug der internationalen Truppen ermöglichen soll.

Doch was heute in Kabul wieder passiert ist, dieses Green on Blue, ist aus einem anderen Grund fatal. Schon die Fälle, in denen Aufständische sich eine afghanische Uniform besorgten und ausländische Soldaten töteten (was unter anderem durch ein Verbot des Verkaufs von Uniform- und Ausrüstungsteilen zumindest eingeschränkt werden soll), sorgen für genügend Misstrauen unter den ISAF-Soldaten. Dagegen könnte man sich, vielleicht, durch bessere Sicherheitsvorkehrungen, eine genauere Überprüfung von afghanischen Soldaten und Polizisten, bessere – biometrische – Systeme der Zugangsberechtigung schützen.

Aber ein rundum überprüfter und als zuverlässig eingestufter Afghane, der nach einem Streit oder unter Stress durchdreht und seine Waffe in die falsche Richtung dreht?

Vielleicht liegt es bisweilen daran, dass ISAF – wie auch immer wieder betont wird – keine Besatzungsarmee ist. Aber sich gerade in den kleinen Dingen manchmal so verhält. Vielleicht müssen sich die ISAF-Kommandeure auch mal genauer anschauen, wie das Verhältnis ihrer Soldaten zu den Afghanen, mit denen sie zusammenarbeiten, konkret aussieht.

Vielleicht so wie in diesem Bericht, in dem eine US-Kollegin die Friktionen zwischen US-Soldaten und Afghanen auf einem Flugplatz in Jalalabad beschreibt (danke für den Leserhinweis!):

Afghan choppers do not fly at night; the pilots have no night-vision goggles and must be on the ground before dark. We were instructed to be there at 4:15 and we made it with seconds to spare. The Afghan drivers who had escorted us off the base were waiting to take us out to the helicopter pad.

Then the U.S. army sergeants guarding the gate decided that we did not have the proper clearances. With decreasing patience, we explained that we had only minutes to make our chopper; that this was, in fact, an ANA base, not an American one, and that Afghan military personnel were waiting to escort us to the aircraft.

“Sorry, I have orders,” said a young soldier, whose nametag was not displayed. He had a wispy moustache and a breezy manner, and was not at all swayed by our growing desperation. “It’s just our friggin’ protocol, ma’am,” he explained.

The Afghan soldiers were frankly angry, and not shy about showing it.

“Tell them this is our base, and we are waiting for you,” one of them begged Ayazi, who is Afghan-American and speaks English, Dari and Pashto fluently.

That message held no water for the Americans.

“Let me get this straight,” I said to a young man who identified himself as “Three-striper Herbet.” ”Is this an Afghan base or an American one?”

“Technically, an Afghan base,” he said sulkily. “Ma’am.”

“But the Afghans have no control over it?”

“That’s right.”

The Afghans waiting for us were getting restless. One of them said he was a pilot by training, but had opted out when he saw how Americans treated their Afghan counterparts.

“I’d rather be a driver and work with my own people,” he said grimly.