Die neuen Mechanismen
Der Bericht der Untersuchungskommission zu den Vorfällen auf der Gorch Fock liegt ja nun im Verteidigungsministerium vor, und natürlich ist die Frage, wie nun von Marineinspekteur und (neuem) Verteidigungsminister damit umgegangen wird. Zur Erinnerung: Der frühere Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte selbst entschieden, dass Gorch Fock-Kommandant Kapitän zur See Norbert Schatz suspendiert wird, also sein Kommando vorerst nicht ausübt.
Wird der neue Verteidigungsminister Thomas de Maizière das aufrecht erhalten, einkassieren oder das völlig der Marine überlassen? Noch wissen wir es nicht, aber diese Aussage dazu vom stellvertretenden Sprecher des Ministeriums, Kapitän zur See Christian Dienst, heute in der Bundespressekonferenz sollten wir festhalten:
Gehen Sie nicht von der Annahme aus, dass die Mechanismen, die in der Zeit von Minister zu Guttenberg gegriffen haben, auch die Mechanismen sind, die in der Zeit von Minister de Maizière greifen werden. Dieser Bericht ist deutlich auf der Ebene unterhalb des Ministers in Behandlung. Ob und wann sich der Minister damit beschäftigt, werden wir sehen.
Der Herr Dienst ist ein so unglaubliches Wiesel. Der König ist tot – es lebe der König.
Nun ja,
KzS Dienst ist schon wirklich sehr lange auf dem Dienstposten und ich halte ihm zu Gute, dass dies nicht zu 100% seine Meinung sein muss, sondern die abgestimmt wird – überdies umso mehr abgestimmt wird, je heißer das Thema ist (und GF ist heiß) … aber natürlich ist das „Wieselige“ in dem Geschäft lebensnotwendig.
Mir stößt auf, mit welcher Arroganz versucht wird, ein Thema, bei viele Augen und Ohren auf Ergebnisse hoffen und das sehr weit oben in der Wahrnehmung steht, so herunterzuspielen, als ginge es den Minister zunächst wenig an, weil es „deutlich“ unter seiner Ebene bearbeitet werde.
Und die Möglichkeit, daraus könnte sich ergeben, der Minister werde sich vielleicht damit nicht beschäftigen … hm …
Das Geschäft ist schwierig, unbestritten, aber für Offenheit, Klarheit und Gradlinigkeit bietet ein Königswechsel doch immer gute Chancen – könnte man doch nutzen.
Es den militärischen Stellen zu überlassen, ist genau der richtige Schritt, um eine Kultur der Selbstverantwortung zu etablieren. Dirigistische Übersprungshandlungen hatten wir zuletzt genug.
@Sascha Stoltenow: Grundsätzlich gebe ich Ihnen recht. Dennoch wird das so nicht funktionieren, da der Verteidigungsausschuss des Deutschen Bundestages sich morgen mit dem Bericht befassen wird. Der befasst sich aber nicht mit einer Selbstbefassung einer Kommission der Marine, sondern wird von der Bundesregierung und damit der Leitung des BMVg wissen wollen, wie sie den Bericht bewertet. Dort wird wegducken nicht funktionieren. Spätestens am Mittwoch ist es der Bericht des PStS Kossendey und am Donnerstag mit der Berichterstattung der Medien über den VA der Bericht des Ministers, wenn sich die Leitung von dem Bericht nicht distanziert. Erstaunlich fand ich gestern die Spontanbewertungen aus der Union, Teilen der SPD und der Grünen. Diese scheinen allesamt lediglich die bewertende Zusammenfassung gelesen zu haben. Der Bericht zeichnet aber ein ganz anderes Bild. Dieses ist von Herrn Gebauer (SPON) ziemlich sauber nachgezeichnet worden:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,750920,00.html
@ Sascha Stoltenow
Sie haben sehr Recht, zweifelsfrei.
Doch gibt es einen Mittelweg zwischen politischen ad hoc-Übersprungshandlungen und der sicher gewissenhaften Bearbeitung auf Ebene InspM.
Ich hoffe, dass es zu einem wirklichen Miteinander (mit einander sprechen) von politischer Leitung und militärischer Führung und zu offener, zielführender und damit gewinnbringender Kommunikation kommt. Vielleicht können so wieder etwas mehr Ruhe und geplante, überlegte Handlungen Einzug finden.
Die „Nachzeichnung“ im SPON ist mal wieder erschreckend. Ekelrituale?! Da könnte ich ja jeden Ferienlagerbetreiber verklagen – Neptuntaufen ab heute nur noch nach Vorschrift, wo war noch mal der Erlass: „Spaß, dienstlich geregelt!“
Seit kurzem ist das verbale Streicheln a la Bw ebenfalls dienstlich verordnet. Fristlose Entlassung bei sämtlichen Sprüchen die ggf. BILD-Niveau auch nur implizieren könnten. Hätte bestimmt verhindert werden können, wenn nicht dieser Alkoholmissbrauch stattgefunden hätte -> tägliche Kontrollen durch extern eingeflogene Ermittler (schließlich sitzen die alle im gleichen Boot) und saftige Strafen bei Alkoholhortung! Das was gekauft wird, wird auch ausgetrunken…basta…. Alkohol auf einer „Totenfeier“ (Zusammenhalt, Es muss weiter gehen, blablabla) gibt es schließlich im Zivilen auch nicht…., oder?
Das der ein oder andere Papst ähhhh Journalist bzw. kritische Beobachter hier gerne mal vergisst, das das Bordleben 24/7 bindet und dementsprechend Menschen! dichtgedrängt zusammenleben und ggf. auch die ein oder anderen sexuellen Gedanken, auch zum „Eulenschießen“ aufkommen könnten ist ja völlig – wie können sie nur diese rohen Soldaten- abwegig.
Ein Tag als Geselle auf einer Baustelle und die Einweisung in die FU6 kann beginnen.
Ein tragischer Unfall, eine Crew die mehr als menschlich (positiv wie negativ) reagiert, lange und überaus zähe Aufklärung – mit entsprechenden Erkenntnissen! Doch wozu locker lassen wo noch ein journalistische Gewinnmarge existieren könnte. Auf in die nächste Runde!
@Tom Weinreich
Das ist hoffentlich Ironie, bei Artikeln von Matthias Gebauer über die Bundeswehr muss man leider eher das Gegenteil von „sauber“ erwarten.
@Minotaurus: Keine Ironie. Wenn ich vergleiche, wie unsauber die vermeintlichen Qualitätsmedien (FAZ, SZ, FTD) den Bericht begleiten, ist das Gebauer/Kazim-Stück ganz sauberes Handwerk. Man muss nicht das Bw-Bild von Herrn Gebauer teilen, aber das ist schon objektiv gute Arbeit.
„Kazim“ ist der Schlüssel. Der Mann weiß aus persönlicher Erfahrung wovon er schreibt.
Ich komme auf das Zitat des Ministeriumssprechers zurück: Es ist grundsätzlich eine clevere Strategie des Ministers, sich auf den Standpunkt zu stellen, dass er nicht alles mikromanagt und Vorgänge delegiert.
Das Problem ist nur, dass das so in der politischen Realität nicht funktioniert. Wir müssen nur auf den im Verteidigungsbereich allfälligen nächsten Aufreger mit großer Presseresonanz warten, und schon wird wieder eine neue Sau durchs Dorf getrieben.
Diese Ritualisierung von (vermeintlichen) politischen Skandalen ist in den letzten Jahren immer schlimmer geworden.
@Tom Weinreich
Der Spiegel-Artikel ist, wie so oft, mehr Kommentar als Nachricht und versucht erst gar nicht den Bericht objektiv zusammenzufassen. Da der originale Bericht anscheinend nicht frei zugänglich ist, kann man die handwerkliche Arbeit von Kazim/ Gebauer im konkreten Fall schlecht überprüfen, wie auch beim Jahresbericht des Wehrbeauftragten und dem Einstellungsvermerk zum Luftangriff bei Kundus würde ich den Bericht lieber erst mal selbst lesen. In so einem Fall finde ich es legitim die Seriosität einer Quelle anhand bisheriger Arbeiten einzuschätzen, die Artikel von Herr Gebauer machen bislang auf mich den Eindruck als ob seine Bewertungen hauptsächlich ideologisch gesteuert wären und Fakten nur einen geringen Einfluss hätten. Herr Kazim scheint an die angeblichen Vorfälle andere Maßstäbe anzulegen als an seine eigenen Erfahrungen auf der Gorch Fock. (http://einestages.spiegel.de/static/authoralbumbackground/2591/segeln_buegeln_kotzen.html)
Dass man sich am Ende des Artikels zur Unterstützung der eigenen Meinung die Bildzeitung, Rainer Arnold und Herr Königshaus auswählt macht es für mich dann auch nicht besser.