Bitte lesen: Die bitteren Erfahrungen eines traumatisierten Afghanistan-Veteranen
Diese Geschichte des Zeit-Online-Kollegen Hauke Friedrichs kann ich nur allen (vor allem den Politikern) zum Lesen empfehlen: Gefangen in der Kriegsfilm-Endlosschleife
Besonders unverständlich: Fraktionsübergreifend haben die Bundestagsabgeordneten im vergangenen Jahr verlangt, die Grenze für die Unterstützung von PTBS-Geschädigten von bislang 50 auf 30 Prozent Minderung der Erwerbsfähigkeit herunterzusetzen. Aber die Parlamentarier werden offensichtlich vom Beamtenapparat schlicht ignoriert?
Ja, das ist bitter … gerade auch vor dem Hintergrund, dass doch der jeweilig aktuelle Verteidigungsminister sich immer als große Soldatenkümmerer hinstellen.
Ich will hier das Thema „GdB“ nicht vertiefen-da sind andere Institutionen zuständig…
Allerdings stößt mir das Thema „PTBS“ immer sauer auf-denn gerade bei der Bundeswehr wird bereits im Vorfeld eines Einsatzes immer wieder auf dieses Thema aufmerksam gemacht; vor, während und nach einem Einsatz wird man wieder und wieder gelöchert und befragt, ob es nichts gibt, das einen belastet….
Auf gut deutsch: Die Bundeswehr hat mMn hier eine Institution geschaffen, die den Soldaten geradezu einredet, das sie „krank nach Hause“ kommen / gekommen sind.
Dazu kommt noch, das Untersuchungen des U.S. Army Research Center zu diesem Thema eindeutig zu belegen scheinen, das PTBS deutlich seltener auftritt, wenn die Soldaten entsprechend vorbereitet in die Einsätze gehen (psychisch, aber AUCH physisch)….
Hier scheitert die Bundeswehr (mal wieder), versucht sie doch auch hier wieder alle „gleichzuschalten“ und durch die gleiche einsatzvorbereitende Ausbildung….Hier ist DRINGEND nachzubessern!
@huey:
Ihre Kritik, dass den Soldaten geradezu eingeredet wird kann ich nicht nachvollziehen.
Im übrigen sind die Aussichten, auf Gesundung oder zumindest Linderung erheblich besser, je früher ein Betroffener sich Hilfe sucht. Genau darum geht es bei dieser Sensibilisierung im Rahmen der Einsatzvorbereitenden Ausbildung zusätzlich zu dem Anteil, der zumindest diejenigen im Vorfeld aus den Einsätzen rausnimmt, die erkennbar ein hohes Risiko aktuell haben.
Das Grundproblem ist jedoch ein anderes. Bei vielem was sicher gar nicht mal schlecht läuft gibt es eine ganze Reihe von Fällen die mit den bestehenden Strukturen der Versorgung nicht annähernd angemessen gelöst werden können.
Woran liegt das? Zum einen daran, dass zuviele unterschiedliche Stellen „mitreden“, Verfahren, die weniger einfach gelagert sind sich zu lange hinziehen, durch Personalwechsel immer wieder auf neue Grundlagen gestellt werden und von vorne aufgerollt werden. Doch: Ohne abschliessend anerkannte Wehrdienstbeschädigung hängt die Versorgung in der Luft. Verbunden mit diesen Unsicherheiten ist nicht nur sozialer Abstieg, sondern auch die Tatsache, dass der zusätzliche Druck eine „erfolgreiche“ Therapie erschwert.
Letztlich kosten die dahingeschleppten Fälle den Staat ein vielfaches dessen was mit evtl etwas mehr Unsicherheiten in der Feststellung behaftete schnellere Verfahrensweisen uns alle Kosten. Dieser sicher etwas zynischen Betrachtungsweise muss aber auch entgegengesteltl werden, dass hier der Staat auch seiner Verpflichtung aus §31 Soldatengesetz nicht nachkommt, die ihn wie folgt verpflichtet: „(1) Der Bund hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl des Berufssoldaten und des Soldaten auf Zeit sowie ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses, zu sorgen…“
Dies ist insbesondere schon deshalb nicht hinnehmbar, weil oft gerade die betroffenen Kameraden, trotz ihrer Erkrankung, trotz ihrer Frustration und berechtigten Wut sich massiv für ihre Mitmenschen einsetzen, engagiert sind, sich einbringen.
Es gibt also viele gute Gründe hier endlich dafür zu Sorgen, dass hier keiner mehr durch das soziale Netz fällt. Unabhängig davon wie man zum Einsatz steht und unabhängig davon, ob denjenigen zu Beginn ihrer Verpflichtung klar war, dass sie sich dem Riskio von Tod und Verwundung aussetzen werden. Für den geleisteten und erfüllten Diensteid dürfen sie nach geltender Gesetzeslage darauf Vertrauen, dass unser Land seine Fürsorgepflichten erfüllt. Bisher tut der Dienstherr dies allerdings nicht ausreichend.
Man darf jetzt nicht die Dinge durcheinander schmeißen.
Die Kritik von Huey halte ich zwar für etwas reflexartig, aber nicht falsch.
Dennoch muss das Thema wirklich ernst genommen werden und wir sollten nicht den individuellen Fall mit dem Gesamtbild verwechseln.
Der hier beschriebene Protagonist macht nicht unbedingt den Eindruck einer Mimose, der sich etwas einredet oder völlig unvorbereitet war. Eine PTBS kann ja eigentlich jeden treffen und ist wie eine Verwundung zu behandeln. Da ich kein Psychologe bin, kann ich über PTBS kaum etwas sagen… Ich hab einen Bekannten, der im Spätsommer 2008 mit 263 in Kunduz war… Der Junge ist kurz nach seinem Einsatz wegen einem platzenden Luftballon erstmal untern Tisch gesprungen ^^ Keine Ahnung, ob er es jetzt verarbeitet hat. Hilfe oder eine psychologische Untersuchung gab es damals wohl noch nicht.
Wie auch immer. Es gibt einen Unterschied zwischen „drüber reden“ und vor allem miteinander reden und „drauf fixieren“.
Es gibt in der Ericksonschen Hypnotherapie die Theorie, dass ein immer wiederholendes Zurückkehren in die traumatischen Erfahrungen der Vergangenheit, wenn überhaupt in einem sehr langsamen Heilungsprozess mündet. Nach seinen Erfahrungen / Theorien hat das Unbewußte (oder die einzelnen Ichs in ihrer Gesamtheit) bereits Lösungen parat oder findet einen Weg, der das allgemeine Wohlbefinden erhöht bzw. eine vergleichsweise schnelle Heilung ermöglicht.
Wobei natürlich richtige Vor- und Nachbereitung auf Einsätze und den offenen Umgang mit möglichem Töten-müssen und Sterben-können als Voraussetzung zu sehen sind.
@huey:
schon einmal Todesangst gehabt ?
Wir waren noch nicht ganz aus der Senke heraus, als es einen
ohrenbetäubenden Knall gab und ein Feuerball uns umhüllte. Von diesem Moment an, habe ich nur
noch instinktiv gehandelt und alles schwarz-weiß gesehen. Weil meine Trommelfelle durch die
Druckwelle komplett zerstört waren, konnte ich zudem nichts mehr hören. Ich tastete nach Laza, der
ja eben noch neben mir stand. Plötzlich hatte ich einen abgerissenen Arm in der Hand! Mein Herz
raste, mein Magen fuhr Fahrstuhl, alles drehte sich in meinem Kopf wie in einem Karussell und ich
war schlagartig auf den Beinen. Überall lagen Körperteile herum. Schemenhaft sah ich einen Körper
reglos am Boden liegen. Das musste mein Buddy sein. Wie von Sinnen lief ich los, packte ihn an der
Schulter und riss ihn auf die Beine. Es folgte ein knappes „Komm weg hier!“ und schon verloren wir
uns, auf der Suche nach Deckung, wieder aus den Augen. Uns beiden war klar, dass noch genügend
Plastiksprengstoff in der Grube lag, um den Fußballfeld-großen Sprengplatz zu pulverisieren. Ich
schleppte mich zu einem Fahrzeug und versuchte einen klaren Gedanken zu bekommen. Alles an mir
war voller Blut und ein Kamerad, der mich fand, wollte mich verbinden. Das Blut stammte aber nicht
von mir, sondern von jemandem, den es hinter mir zerfetzt hat. An der Verwundeten-Sammelstelle
wurde ich neben einem Kameraden abgelegt, der im Sterben lag. Die Bauchdecke war aufgerissen
und die Gedärme quollen heraus. Dieser Anblick, der unbeschreibliche Geruch des Todes und die
Schreie dieses Kameraden bereiten mir noch immer schlaflose Nächte. Meine Kenntnisse der Ersten
Hilfe reichten hier nicht. Hilflos sah ich ihn sterben. Mir war zu dem Zeitpunkt noch nicht klar, wie es
um mich stand. Aber ich wusste durch meine Vorausbildung, dass die Verwundeten nach Kategorien
zusammengelegt werden und nach Dringlichkeit oder Hoffnungslosigkeit mit einem Filzstift einen
Buchstaben auf die Hand gemalt bekommen. Panisch suchte ich meine Hände nach dem
verhängnisvollen Zeichen…..
und jetzt erzähle du mir, wie ich darauf vorbeiten soll, verbrantes Menschenfleisch, abgerissene Köpfe,Arme ,Beine, Torax usw. Meschen die neben einem qualvoll sterben, weil der Unterleib fehlt !
und noch was , die Bundeswehr hat eines richtig gemacht, man hat uns in der truppe gelassen und 10 Jahre (vergessen uns zu therapieren). Der Fehler war dann, uns zu entlassen.
Mein Buddy/Waffenbruder lebt inzwischen von Hartz4 und ich weiß ab Juni nicht, wie es weitergehen soll !
schönen Abend,
ach und mir ist es völlig egal, wie hoch der HSV gegen München verliert, denn ich weiß , was es heißt seine WÜRDE zu verlieren !
Robert Sedlatzek- Müller
@julia münkemüller: Bedeutet dies ein gezieltes Rückversetzen (unter Hypnose) in die traumatische Situation oder geht es um ein langsames Aufarbeiten durch viele Gespräche über einen langen Zeitraum? Letzteres würde ja auch die gesamte Umwelt des Patienten durch Zuhören und Empathie zu einem wesentlichen Bestandteil eines Heilungsprozesses werden lassen, während bei ersterem eigentlich nur der Hypnotherapeut die Schlüsselfigur wäre.
@ Steiner
Erickson sah sich als Hypnotherapeut nur als Wegweiser, die Lösung kam immer vom Unbewußten des Patienten. Kommuniziert in Trance. Teilweise ohne dass der Therapeut Kenntnis hatte von Problem und Lösungsweg. Manchmal war/ist auch der Klient vorerst unwissend bzgl der Lösung. Aber das muss nicht die Regel sein.
Gezieltes Rückversetzen unter Hypnose (Altersregression), wie Sie es andeuten, wäre nach meiner laienhaften Einschätzung beim PTBS eher kontraindiziert, da sich an die Traumata auch im wachen Zustand erinnert wird. Eher müsste das Unbewußte eine Möglichkeit finden, mit dem noch existenten Streß umgehen zu können, ihn beseitigen oder umlenken.
Langsames Aufarbeiten mit wiederholtem Rückkehren in die negativen Erinnerungen wird von Milton Erickson eher als kontraproduktiv angesehen. Eine wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang “ Was macht die Situation, Umstände, Empfindungen besser?“. Oftmals wird auch der Versuch des „Refraiming“ durchgeführt. Also aus negativen Situation eine positive Teilbilanz ziehen. Und wenn einem gar nichts einfällt, kann man einfach feststellen: „Wer weiß wozu es gut ist/war“ und irgendwann weiß man es….
Danke Robert.
@huey
„Auf gut deutsch: Die Bundeswehr hat mMn hier eine Institution geschaffen, die den Soldaten geradezu einredet, das sie “krank nach Hause” kommen / gekommen sind.“
Ich habe den Eindruck, dass es mittlerweile auch eine gesellschaftliche Erwartung gibt, dass man grundsätzlich „traumatisiert“ zurückkehrt, wobei jede charakterliche Veränderung (darunter z.B.. der Wunsch nach Ruhe und Zurückgezogenheit) hier z.T. schon als Beleg für „Traumatisierung“ gilt.
Der Großteil der Thematisierung der Erfahrungen von Soldaten in der Öffentlichkeit behandelt mittlerweile PTBS bzw. was man dafür hält, und unseriöse Hochstapler (ich will das Geschlechterthema und die Frage, warum die Bundeswehr hier nicht rechtzeitig hart durchgegriffen hat jetzt nicht ausführen) haben das Thema ja erfolgreich in einer dramatischen Form popularisiert, siehe u.a. http://www.faz.net/s/RubFC06D389EE76479E9E76425072B196C3/Doc~E798AE033B0D04EFE9A09AE3F4839A256~ATpl~Ecommon~Scontent.html).
Da Soldaten als Opfer in der Öffentlichkeit durchaus positive Anerkennung finden, steigt zudem die Motivation, das Thema offensiv in die Öffentlichkeit zu tragen und eine gewisse Kultur des emotionalen Exhibitionismus und der Opferwahrnehmung zu pflegen. Damit meine ich ausdrücklich nicht jene schwer geschädigten Kameraden, die es zum Glück nur in kleiner Zahl gibt, und die jetzt für angemessene Versorgung kämpfen müssen. Ich meine damit u.a. die Öffentlichkeit, die Soldaten nur als Opfer respektieren will, aber nicht in einer soldatischen Rolle, und jene Teile der Bundeswehr, die sich darauf einlassen.
Man könnte die Frage stellen, ob Soldaten der Bundeswehr im Einsatz stärker belastet werden als Feuerwehrleute und Rettungssanitäter in Deutschland, die täglich mit Tod und Verwundung umgehen, aber auf eine Kultur der Opferwahrnehmung verzichten. Macht das diese Einsatzkräfte vielleicht stärker und belastbarer? Vielleicht könnte man ja mal recherchieren, wie sich die Zahl von PTBS-Fällen z.B. beim KSK gestaltet. Folgt man verbreiteten Vorstellungen, dann müsste dort ja jeder Soldat irgendwie traumatisiert sein, was aber nicht der Fall zu sein scheint. Woran liegt das, und was kann der Rest der Bundeswehr daraus lernen?
Ich wiederhole: Dies soll alles kein Vorwurf an tatsächlich betroffene Soldaten sein, von denen ich einige persönlich kenne. Diese berichteten aber auch davon, dass sie aufgrund der allgemeinen Dramatisierung des Themas unnötige Ängste entwickelten, für den Rest ihres Lebens geschädigt zu sein. Sie erfuhren dann aber meist, dass der Mensch auch psychisch durchaus belastbar ist und vieles mit etwas Zeit verarbeiten kann. Und es wird m.E. höchste Zeit sich daran zu gewöhnen, dass es Teil soldatischer Normalität ist, beschossen oder angesprengt zu werden, und dass dies (meist unterhalb der Schwelle dauerhafter Schädigung) nicht spurlos an einem vorbeigeht. Es ist eben kein „Job wie jeder andere“.
Was ich damit sagen will: Im legitimen Interesse, für die angemessene Versorgung der kleinen Zahl schwer geschädigter Kameraden zu kämpfen, sollte man nicht der Versuchung anheimfallen, in der Bundeswehr eine Kultur der Opferwahrnehmung zu pflegen. Das Ergebnis wäre möglicherweise eine Bundeswehr, die nicht besser mit Belastung umgehen kann, sondern schwächer und verwundbarer wird. Die Bundeswehr muss aber darauf vorbereitet sein, auch mit wesentlich größeren Belastungen als den gegenwärtig in Afghanistan erlebten routinemäßig fertigzuwerden.
Welche Erfahrungen gibt es über mögliche Prävention unmittelbar nach der Rückkehr aus dem Einsatz? Soweit mir bekannt, entwickelt sich eine PTBS -wie der Begriff schon ausdrückt- post-traumatisch.
Hintergrund meiner Frage sind eigene Erfahrungen in der Arbeit mit Kindern/Jugendlichen im Wald (primär im Rahmen der Umweltbildung). Gerade junge Menschen mit Traumata (Trennung der Eltern bis hin zu Mißhandlung und schwerstem sexuellen Mißbrauch) haben auf den Kontakt mit freier Natur (Stille, natürlicher Tag/Nachtrhythmus, Begegnungen mit wilden Tieren) teilweise unglaublich positiv reagiert. Vielleicht gäbe es da auch Möglichkeiten/Chancen für heimkehrende Soldaten, die präventiv einer PTBS entgegenwirken.
Aus den Erzählungen meiner Großväter, meines Vaters, von anderen Kriegsteilnehmern aber auch von den Frauen aus meiner Familie weiß ich, daß diese ähnlich furchtbare Ereignisse durchlebt haben, wie sie von unseren aus dem Einsatz zurückkommenden Soldaten berichtet werden (mein Großvater mütterlicherseits war als 16jähriger Kriegsfreiwilliger mit einem Jägerbataillon bei Verdun, meine Mutter erlebte mit 11 Jahren die Belagerung von Kolberg). Dennoch hat keiner von ihnen Symptome einer PTBS entwickelt. Albträume, eine tiefe Prägung durch die Geschehnisse, Erfahrungen, die noch in meine Generation hineinwirkten – ja. Aber nicht die typischen „flashbacks“.
Gibt es irgendwelche Studien, die sich mit möglichen PTBS bei ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht beschäftigen? Van Creveld hat hierzu einige interessante Aussagen gemacht, die sich bei anderen Autoren ähnlich finden. Demnach scheint es aus der Kriegszeit keine Unterlagen zu geben, da die deutsche Militärpsychologie sich strikt weigerte, ein Krankheitsbild a la „shell shock“ oder „battle trauma“ anzuerkennen (das könnte evtl. mit dem von orontes „Opferwahrnehmung“ benannten Phänomen zusammenhängen).
Vielleicht ist es nicht nur die Unfähigkeit der (Militär)Bürokratie, die zur Ausbildung einer PTBS führt, sondern auch die Unfähigkeit der Mitmenschen, mit Traumatsierten angemessen umzugehen.
Grundsätzlich gehe ich einmal (naiver Weise?) davon aus, daß die menschliche Psyche mit der Traumabewältigung nicht grundsätzlich überfordert ist, dazu funktioniert die Evolution schon zu lange (und zu gut) und das Leben auf diesem Planeten war zu allen Zeiten lebensgefährlich und auch brutal.
Deshalb muß es Wege geben, die heilsam sind. Wir sollten alles versuchen, um diese zu finden. Auch wenn sie vielleicht jenseits unseres üblichen Verständnisses von Therapie liegen (Trance, Hypnotherapie, Arbeit mit dem Unbewußten).
Und vor allem müssen wir wirksamere Präventionsmethoden entwickeln, damit zur Belastung durch den Einsatz nicht noch die verzehrende Unsicherheit über ein mögliches Versagen der Fürsorge des Dienstherren und der Gesellschaft gegenüber unseren Veteranen tritt.
@ Steiner
…habe Ende des Monats nächste Fortbildung im Hypnose-Curriculum. Werde mich erkundigen, auch nach möglichen Therapeuten….
Ich bestreite nicht, das es PTBS gibt-und auch nicht, das es Fälle gibt, in denen diese Störung krankhafte Formen annimmt.
Aber die Vielzahl an Fällen, mit denen die Bundeswehr (angeblich) konfrontiert wird (obwohl nur ein winziger Bruchteil der Soldaten wirklich in Gefechten gestanden hat), ist schon verblüffend….
Wenn sogar Soldaten „aus der Etappe“, die nie das Lager im sicheren Jugoslawien verlassen haben, hinterher an PTBS und/oder „burn out“ Syndrom leiden, dann läuft etwas gewaltig falsch-im System……
@ huey – ja etwas läuft gewaltig falsch im System. Es betrifft uns alle und es fängt nicht erst mit dem Eintritt in die Bundeswehr an.. Aber das würde jetzt wirklich den Rahmen dieses Blogs sprengen.
Also der Vergleich zwischen dem Phänomen PTBS in der Wehrmacht und der Bundeswehr ist mir auch schon aufgefallen. Es besteht in der Tat der Eindruck, damals wären relativ wenig Soldaten traumatisiert gewesen. Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob man so etwas, bei einer so löchrigen Faktenlage, behaupten kann. Zum einen gibt es den großen zeitlichen Abstand, zum anderen die mangelhafte Erfassung (wegen Weigerung) durch das damalige System und schließlich die Andersartigkeit der Situation und der Bedingungen im Hinblick auf die Verhältnisse in der Truppe und der Gesellschaft.
Wir sollten nicht vergessen, dass viele ehemalige Soldaten bis ins hohe Alter nie über ihre schrecklichen Erlebnisse gesprochen haben. Wie zum Beispiel Heinrich Severloh (bekannter MG-Schütze Omaha Beach), ein Verwandter eines Freundes, der erst im fortgeschrittenen Alter angefangen hat, seine Erlebnisse an den Stränden der Normandie „rauszulassen“. Man kann also eigentlich nicht behaupten, dass die Leute damals resistenter waren, als heute. Ich weiß auch nicht, ob meine Großmutter ihre Erlebnisse während der Flucht aus dem Osten verarbeitet hat, oder sich einfach nur eine Art Ausweichverhalten angeeignet hat, welches nun Teil ihres Wesens ist und somit nichts auffällt.
Ich denke einfach, dass die freiwerdenden Kräfte des modernen Krieges, der kollektiven Brutalität (vor allem bei sehr „schmutziger“ Kampfweise) und der modernen Waffen, die des Menschen schnell übersteigen und dies auch nachhaltig möglich ist. Somit ist es meiner Meinung nach natürlich unablässig, die Fälle individuell zu prüfen (was mit Sicherheit das ist, was die Bundeswehrbürokratie vermeiden will, weil es Arbeit bedeutet) und es ist absolut unerlässlich, sich um die traumatisierten Soldaten (wie der hier beschriebene Fall) zu kümmern. Und zwar bis sie entweder geheilt oder ausreichend hergestellt sind. Dazu gehört die ganze Gesellschaft, was sicherlich das Hauptproblem ist.
Die Männer und Frauen, die die Flagge tragen, müssen gehalten werden.
„Verdrängen“ von traumatischen Erlebnissen ist durchaus sinnvolles, heilendes Verhalten des Unterbewußtseins. Eine Stufe höher, im Sinne von traumatischer (falls man hier im Komparativ überhaupt sprechen kann bzw. den Superlativ nutzen müßte) wäre dann vielleicht die Bewußtseinsabspaltung mit mehreren ggfs auch unabhängig voneinander agierenden Persönlichkeiten.
Ich bin fest davon überzeugt, dass Körper und Geist uns nur soviel zumuten, wie wir in der Situation / Lebenslage aushalten können (vielleicht ein kleines bißchen mehr, um unsere Grenzen zu erweitern).
Den Mut, das Verantwortungsbewußtsein und das Engagement, was Herr Sedlatzek – Müller mit jedem Atemzug an den Tag legt, zeigt das Potential an Innerer Stärke und Würde, die ihm innewohnen. Sie lassen mich voller Bewunderung über ihn und seine Kraft staunen und für uns Menschen hoffen.
@ niklas: Man muß hier deutlich trennen zwischen Trauma und PTBS. Traumatisiert waren alle, die den Krieg erlebt haben, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Verdrängt wurde vieles, was später wieder „hoch“ kam.
Für meine Mutter war es nach ihrer Pensionierung ein tiefes Bedürfnis, ihre Erlebnisse und die Ereignisse in und um Kolberg mit ihrer noch lebenden Tante, die damals mehrfach vergewaltigt wurde, noch einmal durchzugehen. Mein Vater hat unmittelbar nach der Wiedervereinigung seinen damaligen Fähnrichsvater von der Kriegsschule in Dresden aufgesucht, um ihm für sein Verhalten -keine Meldung wegen „Wehrkraftzersetzung“ (obwohl der Fähnrichsvater auch NSFO war!)- zu danken.
Also: Traumata waren/sind zweifellos vorhanden und haben lebenslang gewirkt. Was ich aber nirgends gefunden habe, sind Hinweise auf die für PTBS typischen „flashbacks“, bei denen die/der Betroffene sozusagen real in das traumatische Geschehen zurückfällt, eben die „Endlosschleife“. Diese wären in der Nachkriegsgesellschaft zweifellos aufgefallen, denke ich, da die übliche Verdrängung hier nicht wirkt. Zumindest ansatzweise wäre medizinische Hilfe wohl versucht und damit auch dokumentiert worden.
Daher beschäftigt mich schon die Frage, ob evtl. Prävention stattgefunden hat, die als solche gar nicht wahrgenommen wurde und die Antwort wiederum könnte auch uns weiterhelfen.
julia münkemüller hat im übrigen sicher recht, was ihre Einschätzung der Leidensfähigkeit und der Selbstheilungskraft des Menschen betrifft.
Herrn Sedlatzek-Müller und allen anderen Betroffenen ist zu wünschen, daß sie bei aller Belastung durch ihr Leiden und all der Enttäuschung über die Trägheit und Gleichgültigkeit der Bürokratie nicht den Glauben an sich selbst und ihre Sache verlieren. Haltet durch!!
Wenn diese Armee und das Land, dem sie dient, es nicht schaffen, den eigenen Veteranen die Fürsorge und Anerkennung zuteil werden zu lassen, die sie sich mit ihrem Opfer verdient haben, dann haben wir bereits jetzt jeden Konflikt verloren, an dem wir beteiligt sind oder noch sein werden – egal wieviel „Erfolge“ errungen, wieviel „Lametta“ verteilt und wieviel Blech von den politisch Verantwortlichen geredet wird…
Beim PTBS scheint es verschiedene erfolgsversprechende Therapieansätze zu geben. Sowohl bei der Deutschsprachigen Gesellschaft für Psychotraumatologie http://degpt.de/ als auch bei EMDRIA http://www.emdria.de/ werden nur Therapeuten in die Therapeutenliste aufgenommen, die von Supervisoren empfohlen werden. Wie mir ein aktiver Traumatherapeut berichtete, wird anfangs am Stoppen von den Flashbacks gearbeitet und am Spannung (Aggressivität) regulieren. Den Patienten wird beigebracht, wie sie erstmal die Erlebnisse“ wegschieben“ können, um sie irgendwann später zu bearbeiten (als Film umzubauen) um sie dauerhaft „wegzuschieben“.
Die Bundeswehr soll über die Bundespsychotherapeutenkammer eine Liste erhalten haben, in der die zur Verfügung stehenden Therapeuten für Traumabehandlung aufgeführt sind.
Die Deutsche Gesellschaft für Hypnose hat auf ihrer Homepage auch eine Therapeutenliste http://dgh-hypnose.de/con/home&Nr=332 mit einzelnen Behandlungsspektren aufgeführt.
Aufgrund der fachgebietübergreifenden Ausbildungsmöglichkeiten, scheinen sich die einzelnen Fachrichtungen (hier Psychotherapie und Hypnose u.ä.) stetig aneinander anzunähern, bzw. einzelnes voneinander zu übernehmen.