Die deutsche Fremdenlegion kommt nicht

Das hat am Wochenende für ein bisschen Aufsehen gesorgt: In Deutschland lebende Ausländer, so eine Überlegung aus dem Verteidigungsministerium, sollten freiwillig Dienst in der Bundeswehr leisten können. Ehe die Wellen zu hoch schlagen: die deutsche Fremdenlegion wird es wohl nicht geben. Diese Überlegung konzentriert sich auf EU-Ausländer – und vielleicht noch Ausländer aus einigen anderen Staaten wie der Schweiz, mit denen es Abkommen über die Anerkennung von Berufsabschlüssen gibt.

(Ich kann es gerade nicht finden, aber es gibt wohl ein EuGH-Urteil, dass die Freiheit der Berufswahl in der EU auch auf die Streitkräfte bezieht?)

Und, danke für den Leserhinweis!, die öffentliche Aufregung kommt reichlich spät… Hatte doch schon die Strukturkommission, auch Weise-Kommission genannt, im Oktober vergangenen Jahres vorgeschlagen:

… und die Einbeziehung Staatsangehöriger aus anderen EU-Staaten. Letzeres wird ermöglicht durch die Weiterentwicklung einer schon bestehenden Option des Soldatenrechts sowie die Vergabe der deutschen Staatsbürgerschaft an EU-Bürger zur Ermöglichung einer Ableistung eines freiwilligen Wehrdienstes. Des Weiteren ist zu prüfen, ob auch Staatsbürgern aus NATO-Staaten der Zugang zur Bundeswehr eröffnet werden kann.

Jedenfalls, zur Klarstellung die Erläuterung von BMVg-Sprecher Steffen Moritz heute in der Bundespressekonferenz:

FRAGE: Herr Moritz, eine Frage zum Maßnahmenpaket zur Steigerung der Attraktivität des Dienstes in den deutschen Streitkräften: Könnten Sie uns einmal sagen, wie das einzuordnen ist? Ist das ein Vorschlag? Ist das ein Konzept? Ist das bei Ihnen intern so etwas wie Beschlusslage? Ist das Meinung des Ministers? Wie ist das zu bewerten?

MORITZ: Dieses Maßnahmenpaket wurde im Koalitionsvertrag sowie auf Beschluss des Verteidigungsausschusses im Ministerium auf Fachebene angefertigt und ist durch Staatssekretär Wolf so, wie es vorliegt und wie es auch seinen Weg in die Presse gefunden hat, abgesegnet worden. Es geht jetzt darum, jede einzelne Maßnahme für sich zu bewerten und dann darüber zu entscheiden, ob und in welcher Form diese Maßnahmen umgesetzt werden.

Eine der Maßnahmen ist die, die Sie ansprechen, also die Frage, ob man die Streitkräfte auch für den Dienst für nicht-deutsche Staatsangehörige öffnet. Auch diese Frage wird im Moment im Ministerium geprüft. Es gibt noch kein endgültiges Ergebnis. Die Frage, ob eine solche Maßnahme eventuell nur für EU-Ausländer zugelassen wird oder am Ende gar nicht, ist noch nicht entschieden.

ZUSATZFRAGE: Zum Verständnis: Es gibt den Auftrag des Verteidigungsausschusses für dieses Papier. Das Ministerium legt dieses Papier vor, aber es ist noch nicht über die einzelnen Punkte befunden. Das, was man dem Verteidigungsausschuss vorgelegt hat, ist noch keine verbindliche Mitteilung des Ministeriums, sondern nur eine ungefähre Vorstellung dessen, was möglich wäre.

MORITZ: So war auch das Verständnis dieses Pakets. Es wird also keine Gesamtumsetzung, kein Paket im Sinne von abgeschlossenen Maßnahmen geben, die in einem bestimmten Zeitraum umgesetzt werden, sondern es werden einzelne Maßnahmen umgesetzt, auch durchaus zeitlich unterschiedlich. Das hängt zum Beispiel damit zusammen, dass einige Maßnahmen größere finanzielle Auswirkungen haben und andere Maßnahmen weniger.

FRAGE: Herr Moritz, in diesem Paket wird offenbar darüber nachgedacht, die Bundeswehr für in Deutschland lebende Ausländer zu öffnen. Warum gib es diese Überlegung? Glaubt man, sonst nicht die 15.000 Freiwilligen zum Dienst verpflichten zu können? Wie soll das umgesetzt werden? Reicht es, den entsprechenden Passus im Soldatengesetz etwas weiter zu interpretieren der Passus lässt das in Einzelfällen schon zu oder müsste das Gesetz geändert werden?

MORITZ: In dem Maßnahmenpaket ist der Passus enthalten, dass für eine solche Einführung eine gesetzliche Änderung ohne Zweifel notwendig wäre. Ich habe eben schon ausgeführt, dass insbesondere noch keine Entscheidung getroffen ist, ob und wenn ja, in welchem Umfang man überhaupt die Bundeswehr dafür öffnet. Es ist eine Möglichkeit, die im Rahmen eines solchen Maßnahmenpakets geprüft wird.

ZUSATZFRAGE: Wäre das eine generelle Öffnung? Ich beziehe das auf die Äußerungen von SPD und Grünen, die das prinzipiell unterstützen, aber mahnend darauf hinweisen, dass es für junge Türken natürlich ein Problem sein könnte und einen speziellen Vertrag mit der Türkei benötigen würde. Weiterhin ist eine Sorge der Grünen, dass man Söldner aus dem Ausland anziehen könnte. Soll das eine generelle Öffnung sein? Oder wird über spezielle Passus nachgedacht?

MORITZ: Ohne, dass es schon ein Ergebnis gibt, wird im Haus im Moment mehr die Öffnung für EU-Ausländer und Länder geprüft, mit denen es Verträge für die Anerkennung von Berufsabschlüssen gibt.

FRAGE: Herr Moritz, welche Länder wären das in Sachen Anerkennung der Berufsabschlüsse?

MORITZ: Ich kann beispielsweise die Schweiz nennen. Es gibt mit Sicherheit eine Zusammenstellung, die ich allerdings nachreichen müsste.

ZUSATZFRAGE: Haben Sie einen Überblick, wie groß das Potenzial dieser EU-Ausländer mit nicht deutschem Pass hier in Deutschland sein könnte? Wie viele Menschen könnte das betreffen?

MORITZ: Es gibt im Moment keine Erhebung. Das sind die ersten Überlegungen. Man wird diese Maßnahme wie die anderen 82 Maßnahmen, die in dem Maßnahmenpaket aufgeführt sind im Einzelnen prüfen, bewerten und dann entscheiden, ob und in welcher Form man sie umsetzen wird.

FRAGE: Herr Moritz, ich meine gelesen zu haben, dass sich diese Überlegungen auf nicht deutsche Inländer bezögen. Ist das falsch?

MORITZ: Ja. Es geht um die Frage, welche Staatsangehörige überhaupt infrage kommen. Das sind die Inländer mit einer EU-Staatsbürgerschaft.

ZUSATZFRAGE: Oder die, mit denen es diese Abkommen über die Anerkennung der Berufsabschlüsse gibt?

MORITZ: Ja.

ZUSATZFRAGE: Das kann also auch ein Nicht-EU-Ausländer sein, der in Deutschland wohnt?

MORITZ: Wenn es denn einen solchen Vertrag in Sachen Anerkennung der Berufsabschlüsse gibt. Ich kann nur sagen, dass das im Moment der Stand ist, der fachlich auf Referatsebene als einzige Möglichkeit geprüft wird, die überhaupt bestünde. Es ist noch nicht klar, ob man das am Ende überhaupt umsetzen wird.

ZUSATZFRAGE: Wie ist der Stand der Nachwuchsgewinnung unabhängig von diesem Paket? Normalerweise wäre zu diesem Zeitpunkt ja klar, welche jungen Männer zum 1. Juli für den Dienst in den Streitkräften zur Verfügung stehen. Das fällt nun weg. Gibt es einen Überblick, wie viele Rekruten freiwillig im Sommer zur Verfügung stehen?

MORITZ: Die Abfragen laufen gerade. Ich kann Ihnen im Moment noch keine endgültige Zahl nennen. Die Zahlen werden erst in den nächsten Wochen zur Verfügung stehen.

FRAGE: Herr Moritz, bis wann wird das Ministerium entscheiden, ob die Bundeswehr für Nicht-Deutsche geöffnet wird? Wer entscheidet zum Schluss?

MORITZ: Das Parlament. Es gibt gesetzgeberischen Handlungsbedarf. Es wird einen Vorschlag geben, ob man diese Maßnahme, die jetzt auf Fachebene geprüft wird, umsetzt oder nicht. Dann wird es innerhalb der Bundesregierung eine Abstimmung geben, ob man, wenn man so weit ist, entsprechende Gesetzesänderungen auf den Weg bringt.

ZUSATZFRAGE: Das heißt also, dass eine Überlegung, bis zur Sommerpause ein entsprechendes Gesetzgebungsverfahren abzuschließen, im Haus vorhanden ist? Oder heißt das, dass man im Ministerium erst einmal prüft und dann sehen wird, ob man bis zum Herbst zurechtkommt?

MORITZ: Das hieße, dass man über den achten Schritt redet, bevor man überhaupt den ersten gegangen ist. Insofern: Lassen Sie uns erst einmal abwarten, welche Maßnahmen dieses Maßnahmenpaketes überhaupt auf den Weg gebracht werden und welche sich nach einer weiteren Prüfung als sinnvoll erweisen, sodass man sie überhaupt weiter verfolgt. Dazu gehört natürlich, wie Herr Siebert richtig gesagt hat, die Frage: Wer kommt da überhaupt in Betracht, macht es überhaupt Sinn, diesen Aufwand zu betreiben. Man wird also schauen, ob es aus grundsätzlichen Erwägungen überhaupt sinnvoll ist, eine solche Maßnahme zu verfolgen, und dann wird man darüber entscheiden.

ZUSATZFRAGE: Bis wann wird diese Entscheidung getroffen bzw. bis wann ist es sinnvoll, diese Entscheidung zu treffen?

MORITZ: Es gibt im Moment keinen Zeitplan für dieses Maßnahmenpaket, weil, wie gesagt, die Maßnahmen einzeln und nicht in einem Paket umgesetzt werden; deshalb kann ich Ihnen im Moment keine Termine herunterdeklinieren.

FRAGE: Herr Seibert, ist die Kanzlerin diesem Gedanken schon nähergetreten, und was hält sie gegebenenfalls davon?

STS SEIBERT: Wie Herr Moritz gerade sagte, sind wir jetzt bei Schritt eins von acht möglichen. Die Kanzlerin ist da noch nicht eingestiegen, hält sich ab jetzt aber auf dem Laufenden.

FRAGE: Herr Moritz, habe ich das richtig verstanden, dass Nichtdeutsche in die bereits bestehende Struktur der Bundeswehr integriert werden würden, oder denkt man darüber hinaus auch daran, Einheiten nach dem Vorbild der Fremdenlegionen zu bilden, die es beispielsweise in Frankreich und in Spanien gibt und die zum Großteil im Ausland eingesetzt sind? Oder ist das noch viel zu früh gedacht?

MORITZ: Ja, das ist viel zu früh gedacht. Solcherlei sportliche Überlegungen hat, glaube ich, selbst im Ministerium noch niemand angestellt. Es geht erst einmal um die grundsätzliche Frage: Wäre eine solche Entscheidung sinnvoll ja oder nein und sollte man sie weiter verfolgen? Sie wissen, dass nach dem Soldatengesetz in Ausnahmefällen, wenn es eine Notwendigkeit gibt, schon heute die Möglichkeit besteht, Nichtdeutsche zu den Streitkräften zuzulassen. Man hat von dieser Ausnahme in der Vergangenheit relativ selten Gebrauch gemacht. Im Rahmen des Attraktivitätsprogramms ist jetzt die Überlegung aufgeworfen würde: Wäre es sinnvoll, diesen Schritt im Hinblick auf die Streitkräfte zu gehen? Diese Frage ist als einer von 82 Punkten in dem Maßnahmenkatalog aufgeführt und wird jetzt weiter geprüft. Alle weiteren Fragen, die Sie jetzt stellen, sind darin im Moment noch gar nicht enthalten. Ich kann mir, ehrlich gesagt, persönlich auch nicht vorstellen, dass es einmal (zu Einheiten nach dem Vorbild der Fremdenlegion) kommen würde.

FRAGE: Herr Moritz, Sie sagten eben, in der Vergangenheit sei es relativ selten der Fall gewesen, dass man diesen Passus im Soldatengesetz angewandt habe. Haben Sie einen Überblick, in wie vielen Fällen das war? Was waren die besonderen Voraussetzungen für diese Fälle?

MORITZ: Ich habe mich vorhin nur erkundigt, dass es in den letzten drei bis vier Jahren keinen solchen Fall gab. Inwieweit es in der Zeit davor in Einzelfällen dazu gekommen ist, kann ich Ihnen im Moment nicht sagen, das weiß ich nicht.