ISAF erwartet 2011 keinen Rückgang der Gewalt in Afghanistan (mit Update)

(Alle gut rübergekommen ins neue Jahr? Dann bitte die Türen schließen und anschnallen, es geht unvermindert intensiv weiter:)

Die internationale Afghanistan-Schutztruppe ISAF erwartet 2011 keinen Rückgang der gewaltsamen Auseinandersetzungen am Hindukusch. Grund dafür sei vor allem die Ausweitung der Operationsgebiete der internationalen Truppen, sagte der ISAF-Sprecher, der deutsche Brigadegeneral Josef Blotz, in einem Interview der afghanischen Nachrichtenagentur Pajhwok. Die Soldaten würden sich auch im neuen Jahr zunehmend darauf konzentrieren, gemeinsam mit den afghanischen Sicherheitskräften von Aufständischen befreite Gebiete auch zu sichern. 2011 werde deshalb voraussichtlich auch schwieriger werden als das vorangegangene Jahr, sagte der deutsche General.

2010 war für die internationale Schutztruppe das bislang blutigste Jahr des Einsatzes am Hindukusch. Mehr als 700 ausländische Soldaten sind in diesem Jahr gefallen, rund 500 von ihnen Amerikaner.

Blotz verteidigte das Vorgehen der ISAF, gestützt auf Geheimdienstberichte und andere Informationen Angriffe auf Taliban und andere Aufständische zu führen, bei denen auch Zivilisten ums Leben kamen. Unter den gegebenen Umständen müssen wir uns auf jeden Bericht verlassen, da sich 90 Prozent der Informationen als zuverlässig herausgestellt haben, sagte der ISAF-Sprecher. Sollte sich jedoch herausstellen, dass eine Quelle falsche Informationen geliefert habe, werde sich ISAF darauf nicht mehr verlassen. Zahlreiche solche Informanten seien verhaftet und den afghanischen Behörden übergeben worden.

Nach den Angaben des Sprechers hat die afghanische Polizei mittlerweile eine Stärke von 280.000 Mann erreicht. In diesem Jahr werde sie voraussichtlich auf 304.000 Mann anwachsen.

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Archivbild: ISAF-Sprecher Brigadegeneral Josef Blotz bei einer Pressekonferenz am 27. Dezember 2010 in Kabul (Photo by U.S. Air National Guard Staff Sgt. Jordan Jones via ISAFmedia/flickr)

Dazu passt das AFP-Interview: Der deutsche Afghanistan-Beauftragte Michael Steiner mahnt internationalen Zusammenhalt für Afghanistan an.

Nachtrag: ISAF-Sprecher Blotz betont, er habe definitiv nicht von einer no hope for a decrease of violence gesprochen. Auf meine Nachfrage hat er mir dazu folgende Erläuterung geschickt:

1. ISAF geht es nicht um „hope“, auch nicht um Optimismus oder Pessimismus. Dadurch, dass wir mit den längst überfälligen Verstärkungen, insbesondere von US-Seite, seit Sommer 2010 Taliban in Räumen herausfordern können, in denen es Ihnen seit Jahren nicht mehr an den Kragen ging, stieg die Zahl der gewaltsamen Konfrontationen. Dieser „upturn in Violence“ war daher unausbleiblich und erwartet worden. Schliesslich durfte man nicht annehmen, dass die Taliban zum Beispiel in den Distrikten Arghandab und Panjway in Kandahar, also ihrem eigentlichen Stammland, einfach aufgeben.

Nach dieser „clear“-Phase kommen nun die Aufgaben des „hold“ (wofür jetzt in der Tat ebenfalls die notwendigen Ressourcen bereitstehen) und „build“. Diese Strategie, mit anderen Worten die Counterinsurgency Strategy, hat Hand und Fuß, ist jetzt angemessen unterfüttert und wird zu einem Absinken der Gewalt führen. Das sehen wir im vierten Quartal 2010 in den Provinzen Kandahar und Helmand, wo (nicht nur wegen der jahreszeitlichen Bedingungen!) die Gewaltstatistiken um 15 Prozent gefallen sind, in Helmand um ca. 15 bis18 Prozent in drei aufeinanderfolgenden Wochen.

2. „Gewalt“ muss im Übrigen aufgeschlüsselt werden nach Aktionen, die von den Aufständischen ausgehen und solchen, die wir aktiv, zielgerichtet ausführen. Die ganz überwiegende Mehrzahl geht von uns aus, ist also ein Zeichen unserer Initiative, gerade in den Wintermonaten, in denen wir den Druck aufrechterhalten.

Bei den Taliban-Aktionen sieht man ausserdem einen großen Unterschied zwischen „attacks“ und „effective attacks“. Mit anderen Worten: Nur etwa ein Drittel oder gar nur ein Viertel aller Taliban-Aktionen haben überhaupt eine Wirkung, z.B. im Sinne von Verlusten unsererseits oder Beeinträchtigungen unserer Operationen im weitesten Sinne.