Deutsche Reeder wollen nur staatlichen Schutz
Das ist eigentlich das erstaunlichste Ergebnis des deutschen Piratengipfels, des Austausches mit Vertretern der maritimen Wirtschaft zum Thema „Schutz vor Piratenangriffen“ heute im Bundeswirtschaftsministerium: Die Reeder, aber auch die Vertreter der Seeleute hätten sich eindeutig gegen private bewaffnete Sicherheitstrupps auf ihren Schiffen gewandt. Eine klare Absage aller Beteiligten an private Sicherheitskräfte registrierte der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft und Parlamentarische Staatssekreätr Hans-Joachim Otto bei dem Gespräch. An staatlichem Schutz, durch Bundeswehr oder Bundespolizei, seien die Reeder dagegen nach wie vor interessiert.
Leider habe ich bislang nur Ottos Aussagen zum Piratengipfel und noch nichts von Reedern, Gewerkschaften und anderen Beteiligten wie der Seemannsmission. Aber die Linie, die der Koordinator der Bundesregierung aus dem Treffen mitnimmt, ist eindeutig: Die Reeder seien sich ihrer Verantwortung für Schiffe und Seeleute bewusst, trotzdem wünschen die deutschen Reeder einen stärkeren Schutz durch hoheitliche Kräfte.
Das wiederum, sagt der Staatssekretär, ist so einfach nicht. Für die Bundeswehr gilt das Atalanta-Mandat des Bundestages mit seinen Begrenzungen, die nicht einfach eine Mitfahrt bewaffneter Vessel Protection Detachments auf Handelsschiffen außerhalb der Nahrungsmittellieferungen des World Food Programm erlauben – eine Änderung gäbe es nur mit einem neuen Parlamentsmandat. Außerdem wäre die Deutsche Marine bei rund 700 Passagen deutscher Schiffe pro Jahr durch die Piraten-gefährdete Region schlicht personell überfordert. Ebenso aber auch die Bundespolizei, die zwar rechtlich die Möglichkeit der bewaffneten Begleitung hätte, aber im Moment jedenfalls aus logistischen Gründen nicht in der Lage sei.
Möglichkeiten der Verbesserung in der Pirateriebekämpfung sieht Otto (wie alle) langfristig nur an Land. Vielleicht etwas schneller in einer Zusammenarbeit des AMISOM-Einsatzes der Afrikanischen Union in Somalia mit den Anti-Piraterie-Operationen wie Atalanta; er jedenfalls könne sich zunächst einen Informationsaustausch, später vielleicht sogar an Land Stiche gegen dieses Piraterieunwesen vorstellen.
Ein Problem bei allen Reeder-Forderungen ist natürlich, und das führte der maritime Koordinator der Bundesregierung auch lange aus: Selbst wenn es hoheitlichen Schutz in Form bewaffneter Teams an Bord gäbe, könnten die Deutschen das nur für Schiffe unter deutscher Flagge machen. Dass die Reeder ihr zugesagtes Ziel, bis Ende vergangenen Jahres 600 Handelsschiffe unter deutscher Flagge zu haben, nicht verwirklichten, findet der FDP-Politiker Otto nicht direkt vorwerfbar: Viele finanzierende Banken verlangen den Reedern ab, dass sie jede kostensenkende Maßnahme nutzen. Aber das Bundesverkehrsministerium prüfe doch schon, ob man einer Rückflaggung unter Schwarz-Rot-Gold durch Lockerung der Vorschriften entgegen kommen könne – zum Beispiel bei den Schiffsbesatzungsvorschriften.
Das Ergebnis des Treffens, so wie Otto es schildert, lässt mich ein bisschen ratlos. Noch habe ich nicht ganz verstanden, warum die maritime Industrie bei Sicherheitsteams an Bord auf Beamten besteht. Allerdings kann ich ganz gut nachvollziehen, warum sowohl die Gewerkschaft ver.di als auch die Seemannsmission jegliche Bewaffneten an Bord ablehnen, ob mit oder ohne Beamtenstatus: Jede Eskalation auf See wirkt sich direkt auf die Seeleute aus. Obwohl die vermutlich nach den Kommandoaktionen der Malaysier und der Südkoreaner ohnehin schon da ist.
Nachtrag: Während der Gesprächsrunde am Nachmittag, berichtete Otto außerdem, habe es aufgeregte Meldungen gegeben: Gerade wird ein deutsches Schiff angegriffen! Ich habe das nicht Ernst genommen, weil es bislang weder beim IMB noch bei EUNAVFOR noch bei der NATO eine Meldung dazu gibt. Jetzt gibt es eine – aber merkwürdigerweise vom ukrainischen Außenministerium: Offensichtlich wurde heute die Beluga Nomination gekapert, ein Schiff der deutschen Beluga-Reederei.
Wie bereits angeklungen. Solange die deutschen Reeder ihre Schiffe in irgendwelchen Bananenrepubliken zu günstigsten Konditionen registrieren und sich bewusst dem deutschen Staat entziehen ist das einfach nicht drin.
Die Reeder sind für Marine statt Blackwater, weil sie weder zahlen wollen noch können. Die Jungs sind derzeit so entsetzlich pleite, dass sie den Soldaten allenfalls ein warmes Bier bieten können. Die Branche existiert nur noch Dank Stillhalteabkommen mit den Banken. 1. Chartern völlig eingebrochen (Baltic Dry steht bei 15% des Hochs von 2008), 2. Yen stieg 30% zum Dollar (Chartern werden in Dollar verdient, die Kredite meist in Yen aufgenommen) 3. eine riesiges Orderbuch ergibt fällige Bezahlung für Neubauten, während Schiffe aus dem Bestand aufgelegt werden müssen.
Schiete secht Fiete.
Klar wollen die Reeder lieber Beamte oder Soldaten,
zumal die privaten doch bestimmt nicht umsonst arbeiten würden ;-)
Ist halt viel angenehmer, die Solidargemeinschaft (der man sich ja gerne entzieht, wenns ums Geben geht) in Anspruch zu nehmen, als pro PSC (Private Security Contractor für den Glossar) ne ganze Stange Geld am Tag abzulöhnen.
Und im Zweifel appeliert man an die Erhaltung des Wohlstandes :)
Dann wird alles möglich ^^
An eine erfolgreiche „Deeskalationsstrategie“ auf hoher See mag ich nicht so recht glauben. Ich denke Abschreckung und Unberechenbarkeit haben sich da eher bewährt.
Vor 300 Jahren zumindest :)
Die Kosten für private werden afaik so kalkuliert das sie knapp unter dem liegen was die Reedereien verlieren wenn sie auf Group Transit warten. Wenn solche Angebote aber kategorisch abgelehnt werden, dann zeigt das schon recht deutlich woher der Wind weht.
@ Niklas
Ist doch immer so. Risiken soll bitteschön die öffentliche Hand tragen aber Gewinne werden privat eingestrichen.
Puh, man kommt kaum mehr hinterher. Danke für Ihr allzeit bereite Auge auf alles!
So, so: „Eine klare Absage aller Beteiligten an private Sicherheitskräfte …“ wurde registriert.
ALLER Beteiligten? Wohl nur die Teilnehmer an der Sitzung:
Reeder, Gewerkschaften, sogar die Seemannsmission (sic!).
Nur: Hat mal jemand die Seeleute gefragt?
Ich meine, die echten Fahrensleute, die im Piratengebiet unterwegs waren und sind? Nicht die „Vertreter der Seeleute“, die schon seit zig Jahren an Land auf dem bequemen Bürostuhl sitzen – und ja soooo viel Ahnung haben….
Zu den Kosten:
Auf der EUNAVFOR website hat kürzlich jemand von einer Security Firma gepostet: Für eine Begleitung von Suez nach Galle (Indien):
„55.000$ including all charges. This is not expensive and the profit margin is not that high considering the 4 guys on board have to be paid as well, hotels whilst waiting for vessel in Cairo are very expensive.“
Scheint mir auch angemessen zu sein. Aber ja, wenn ich das als Reeder vom Bund gratis bekommen kann …..
@ Janmaat.
Zu den Seeleuten: Da die meisten Besatzungsmitglieder mit Ausnahme des Kapitäns Philippinos sind, kümmert das die Reeder wohl kaum. Die machen sich eher Sorge um ihre Fracht.
Und nochmal zu den Frachtern die unter deutscher Flagge laufen.
Zur Zeit sind gerade mal 15 % der 3000 deutschen Frachter, also rund 440 unter deutscher Flagge. Und bei Mehrkosten von bis zu 400.000 Euro/Schiff im Jahr wird sich an der Situation vermutlich auch so schnell nichts ändern.
Hier nochmal der Bericht:
http://www.abendblatt.de/hamburg/article1743420/Schwarz-Rot-Streit-Konflikt-unter-deutschen-Reedern.html
Die Frage muss erlaubt sein, warum sich im Jahr Drei seit der Schaffung von EUNAVFOR Atalanta in der innerdeutschen politischen Diskussion über die weitere Vorgehensweise in Bezug auf Piraterieverhinderung & -bekämpfung noch nicht viel getan hat. Immer noch sieht die Rechts- und Faktenlage so aus, dass die gesetzliche Aufgabenstellung sowie die Eingriffsbefugnisse bei der Bundespolizei liegen; die dafür erforderlichen dicken Schiffe sind aber grau und gehören der Marine. Im ministerialen Deutsch heißt das dann immer noch „dass die Bundespolizei im Moment jedenfalls aus logistischen Gründen nicht in der Lage sei“. Dann muss man sie eben in die Lage versetzen – bei drei Jahren kann man ja kaum von einem Moment sprechen!
Ich vermisse ernsthafte Ansätze der Politik, diese Probleme zu lösen. Zumindest sind diese in der Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar. Deutschland braucht entweder eine „Coast Guard“ = Bundespolizei See, die über große Schiffe mit hoher Seeausdauer und ausreichender Technik/Bewaffnung verfügt, oder die vor drei Jahren schon einmal angedachte Kooperation zwischen Bundespolizei und Marine wird endlich in die Tat umgesetzt. Die Marine, deren Inspekteur sich über das rechtliche Dilemma gerade eben wieder geäußert hat, darf nicht weiter in einer gesetzlichen Grauzone alleine gelassen werden.
Da die Marine offenbar bald auch noch weiter verkleinert werden soll (was bei der aktuellen und prognostizierten Einsatzbelastung gar nicht nachvollziehbar ist), kann die Bundespolizei See gleich einige der grauen Schiffe übernehmen und in neuem Gewand weiterbetreiben, sonst geht bei diesem Thema künftig gar nichts mehr. Die zynischen Alternativen lauten: Lösegelder bezahlen oder andere Staaten um Hilfe bitten – wie peinlich …
Interessante Rechnung: wenn der bewaffnete Schutz einer Passage Suez-Indien durch Sicherheitskräfte an Bord 55.000 US-$ kosten würde (wie oben angegeben), wären das bei allen 700 Passagen deutscher Schiffe im Jahr also 38,5 Mio US-$. Wirklich Peanuts gegenüber der geschätzten 2 Mrd US-$, die die gesamte Marinepräsenz aller Nationen vor Ort kostet (DEU Beitrag etwa 46 Mio EUR).
Da werden Geschäftsleute (und Versicherungen) doch sicher bald der Frage nachgehen, wie lange man sich den Verzicht auf private Sicherheitsleute noch leisten können wird?
Das man für 55k bis nach Indien kommt wage ich dann doch zu bezweifeln.
Die Reeder haben hier nicht nur die Kosten im Auge, sondern wohl auch die PR. Bewaffnete Sicherheitsbegleitung gibt es nämlich längst. Die Reeder wollen eben nur nicht mit der Unterstützung von „Söldnertum“ etc. von den allzeit sachlichen deutschen Medien zitiert werden.
Welche Bundespolizei See wird denn jemals ernsthaft irgendwo in der Welt rumschippern und Schiffe schützen? Da gibt es weder in Zukunft die Schiffe dafür, noch die Polizisten noch solche die bereit sind da mitzufahren. Die bekommen nichtmal genug Ausbilder für das Kosovo und Afghanistan zusammen, da wird das nix.
@Sebastian S.:
Die 55K US-$ beziehen sich auf 4 Wachleute, also etwa 14K pro Person.
So eine Passage dauert vielleicht 1 Woche? 14K Wochenlohn ist doch nicht wenig.
Bitte nicht vergessen, dass es sich dabei nicht um Sozialversicherungspflichtige deutsche Arbeitnehmer handelt (die also etwa 70% vom brutto abziehen), sondern um Käsch-in-de-Täsch (wie man im Rheinland sagt).
Das finde ich gar nicht unrealistisch, selbst nach Abzug der „Fixkosten“.
Dafür bringen die sogar ihr Spielzeug und den Sandkasten mit ;-)
@Seestratege
Wir wollen lieber nicht in diese Feinheiten einsteigen… sonst müsste man vielleicht dagegen rechnen, dass die Herren mit dunkler Brille und großer Knarre zwar nicht in Deutschland sozialversicherungspflichtig sind, dafür aber aus ihrem Salär auch jegliche Kranken- und vor allem Unfallversicherung bezahlen müssten (die sollen für solche Arbeitsgebiete auch nicht so günstig sein)…
Herr Wiegold ich glaube eher Menschen dieses Typusses machen sich um Versicherungsfragen eher weniger Sorgen ;-)
@T. Wiegold
„…dafür aber aus ihrem Salär auch jegliche Kranken- und vor allem Unfallversicherung bezahlen müssten (die sollen für solche Arbeitsgebiete auch nicht so günstig sein)…“
Günstiger als man denkt! Manch einer zahlt privatversichert an solchen Orten weniger als in der öffentlich-rechtlichen Zwangsversicherung in Deutschland, z.B. bei https://www.vanbreda-international.com/
Ich vermute, es liegt an der eher jungen Kundschaft, deren größte Gesundheitsrisiken (Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss, Bewegungsmangel etc.) an gewissen Orten ausgeschlossen werden können.