Der Wehrbeauftragte und Oberzollrat Müller

Gestern abend hatte es noch nach Entlastung geklungen: Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr, hieß es in verschiedenen Medienberichten, habe keine Anzeichen für systematische Öffnung von Feldpost aus Afghanistan finden können. Nach Auswertung der Unterlagen kann aus hiesiger Sicht eine Manipulation der Umschläge/Postsendungen zumindest bis zur Übergabe im Feldpostamt an das dort zuständige Personal ausgeschlossen werden, meldete zum Beispiel die taz unter Berufung auf den bundeswehrinternen Bericht.

Für den Wehrbeauftragten Hellmut Königshaus, der nach Beschwerden von Soldaten während seiner Afghanistan-Reise Mitte Januar diese Affäre an Verteidigungsministerium und Parlament meldete, ist mit dem Bericht aber offensichtlich noch längst nicht alles geklärt. Auch nach diesem ersten Zwischenergebnis sehe er eine gewisse Berechtigung, weiterhin von systematischer Öffnung zu sprechen, sagte er bei der Vorlage seines Jahresberichts heute in Berlin.

Nach wie vor sei unstrittig, dass der überwiegende Anteil der geöffneten Briefe aus dem OP North, dem Außenposten der Bundeswehr in der nordafghanischen Provinz Bahglan, stamme. Die gelegentlich geäußerten Erklärungsversuche, da seien Briefe irgendwie falsch in eine Sortiermaschine geraten, will Königshaus nicht akzeptieren: Ich weiß nicht, ob die Sortiermaschine etwas gegen die Soldaten aus dem OP North hat. Außerdem gebe es vermutlich eine Dunkelziffer über die bislang bekannt gewordenen Fälle hinaus: Briefe, die völlig verschwinden, fallen erst mal nicht auf.

Was den Wehrbeauftragten aber zusätzlich misstrauisch macht, sind die (am Montag vom Verteidigungsministerium bestätigten) Meldungen, dass Briefe mit Speichermedien wie USB-Sticks und Speicherkarten geöffnet wurden. Warum? Auch das muss geklärt werden, verlangte Königshaus. Das sind ja persönliche Daten.

Auch wenn der Wehrbeauftragte des Bundestages das so nicht ausspricht: Weiterhin steht der Verdacht im Raum, dass Briefe geöffnet worden sein könnten, um zum Beispiel Speicherkarten mit Fotos von der Front abzufischen. Und so wie er sich heute in seiner Pressekonferenz anhörte, ist dieser Verdacht längst noch nicht ausgeräumt.

Bei dieser ganzen Affäre spielt möglicherweise auch der Zoll eine Rolle – der zwar Paketsendungen aus und nach Afghanistan kontrollieren kann (und die geöffneten Sendungen dann auch entsprechend kennzeichnen muss), aber mit normalen Briefen eigentlich nichts zu tun hat. Er habe deshalb das Bundesfinanzministerium gebeten, mal zu prüfen, welche Rechtsgrundlage es für die Öffnung von Briefen geben könnte, sagte Königshaus – der Zoll untersteht dem Ministerium von Ressortchef Wolfgang Schäuble. Auf den Speicherkarten in den geöffneten Briefen seien ja vermutlich private Fotos – und ich möchte meine privaten Fotos nicht von Oberzollrat Müller kontrolliert sehen.

Dem Wehrbeauftragten liegt nach seinen Worten auch schon eine Anfrage von Staatsanwälten vor, ob der Zugriff auf die Feldpost möglicherweise in Deutschland passierte – dann wäre es möglicherweise ein Verstoß gegen den Paragrafen 202 des Strafgesetzbuches, Verletzung des Briefgeheimnisses.

Ein Ende der Untersuchungen sieht Königshaus nicht: Ich glaube nicht, dass der Sachverhalt insoweit geklärt ist.

Nachtrag: Das Bundesverteidigungsministerium teilte zu der Frage der Speichermedien heute mit:

Für unsere Soldatinnen und Soldaten im Einsatz gibt es kein Verbot, private Speichermedien (z.B. USB-Sticks oder Speicherkarten) zu versenden.
Auf privaten Speichermedien dürfen jedoch keine dienstlichen Dateien gespeichert werden.
Darüber hinaus gelten – wie für alle Sendungen in das/aus dem Ausland – die derzeit gültigen Zollbestimmungen.