Der Haushalt und die Bundeswehr

Zur Dokumentation: Die Aussagen in der heutigen Bundespressekonferenz zum interessanten Thema Bundeswehrreform und Haushalt. Irgendwie scheint mir da noch ein wenig Arbeit nötig?

Es treten auf: Der stellvertretende Sprecher des Verteidigungsministeriums, Kapitän zur See Christian Dienst; Regierungssprecher Steffen Seibert und der Sprecher des Bundesfinanzministeriums, Martin Kreienbaum.

Dienst (zur Reform der Bundeswehr): Meine Damen und Herren, zu der aktuellen „Spiegel“-Ausgabe und der Meldung „Merkel zürnt Guttenberg“ möchte ich ausführen, dass diese Meldung jeglicher Grundlage entbehrt. Der Minister ist nicht zum Rapport ins Kanzleramt zitiert worden, und es hat auch kein Vier-Augen-Gespräch mit der Bundeskanzlerin gegeben. In dieser Hinsicht ist die Meldung komplett falsch.

Frage: Bezogen auf diese Meldung beziehungsweise die Diskussion um den Sparbeitrag des Verteidigungsministeriums geht meine Frage in erster Linie an Herrn Seibert und an Herrn Kreienbaum: Wie ist es denn jetzt mit den Sparverpflichtungen, die das Verteidigungsministerium eingegangen ist? Bestehen die Kanzlerin und der Bundesfinanzminister darauf, dass die in den kommenden Jahren eingehalten werden, oder gibt es ein Entgegenkommen? Gibt es möglicherweise sogar eine Anschubfinanzierung, wie sie sich der Verteidigungsminister wünscht?

Kreienbaum: Ich beantworte Ihre Frage gern. Der Minister hat sich am Wochenende schon zu diesem Punkt geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass im Koalitionsausschuss verabredet worden sei, dass für die Reform der Bundeswehr eine Personalstärke von bis zu 185.000 Mann vorgesehen ist, und dass dort auch ausdrücklich bestätigt worden sei, dass die schon im Juni verabredete mittelfristige Finanzplanung weiterhin gelten soll und Einzelheiten dann bei der jeweiligen jährlichen Haushaltsaufstellung vereinbart werden sollen.

Zusatzfrage: Darf ich gleich nachfragen, was das bedeutet? In welchem Verhältnis steht die Klärung von Einzelheiten zum Bestand der mittelfristigen Finanzplanung?

Kreienbaum: Die mittelfristige Finanzplanung wird ja die Grundlage für die Aufstellung des Haushalts 2012 sein. Wir werden im nächsten Jahr, wie Sie wissen, mit dem so genannten Top-down-Verfahren beginnen – es wird also eine deutliche Umstellung im Haushaltsaufstellungsverfahren geben  –  und werden dann, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, Ende Februar beziehungsweise Anfang März mit dem sogenannten Eckwertebeschluss mit der Aufstellung des Haushalts 2012 beginnen. Wir werden dann sehen, welche Annahmen für den konkreten Haushalt 2012 zu Grunde gelegt werden, sowohl auf der Einnahmeseite als auch auf der Ausgabeseite.

Frage: Herr Seibert, Herr Dienst, hat es denn ein Gespräch zwischen Frau Merkel und Herrn Guttenberg in der letzten Woche gegeben? Wenn ja, was war der Inhalt dieses Gesprächs?

STS Seibert: Es hat meines Wissens im Umfeld der Kabinettssitzung am vergangenen Mittwoch Gespräche gegeben. Das ist aber auch vollkommen normal. Mit Sicherheit ging es auch in der Vorbereitung der Sitzung des Koalitionsausschusses am Donnerstag, die sich mit der Frage der Bundeswehrreform befasst hat, um eben diese Frage und die Umsetzung.

Dienst: Ich kann Ihnen aus der Sicht von Minister zu Guttenberg nur entgegnen: Ja, es hat die Kabinettssitzung geben. Es ist durchaus üblich, am Rande der Kabinettssitzung miteinander zu sprechen –   ich müsste jetzt das Echo von Staatssekretär Seibert geben  –  , und mit Sicherheit ist eben auch im Rahmen des Koalitionsausschusses miteinander gesprochen worden. Aber dazwischen gab es keine Extra- oder Sondergespräche.

Zusatzfrage: Bedeutet die Aussage, dass die Personalstärke der Bundeswehr bis zu 185.000 Mann betragen soll, dass sie womöglich am Ende eine geringere Stärke haben kann, sodass man dann wieder im Rahmen der mittelfristigen Finanzplanung landen würde?

Dienst: Es ist so, dass der Minister immer gesagt hat, dass das von ihm dargelegte, sicherheitspolitisch abgeleitete Minimum außerhalb der gesamtstaatlichen Aufgaben wie der Flugbereitschaft, der Sportförderung und Ähnlichem bei den berühmten 163.500 Mann liegt. Alles, was darüber hinaus auch durchaus politisch festgesetzt wird, bedarf dann einer entsprechenden Finanzierung oder Gegenfinanzierung. Von daher ist die Formulierung „bis zu 185.000“ natürlich in dieser Hinsicht bewusst gewählt worden.
Es ist auch völlig normal, dass sich die Personalstärke der Bundeswehr aus dem Haushaltsgesetz rekrutiert. Es ist ein Mechanismus, der schon im Grundgesetz festgelegt worden ist, dass eben das Parlament über den Haushalt die Stärke der Streitkräfte regelt.

Frage: Herr Kreienbaum, bedeutet das, was Sie jetzt sagen, nämlich dass man sich das im Laufe der Haushaltsaufstellung anschauen muss  –  unabhängig vom Verfahren der Haushaltsaufstellung, ob nun Top-down oder Bottom-up oder was auch immer die Fachterminologie wäre  –  , dass es jetzt möglicherweise abweichend von der mittelfristigen Finanzplanung möglich ist, dass das Verteidigungsministerium zur Erfüllung seiner Aufgaben oder zur Umsetzung der Reform mehr Geld bekommt, als bisher oder ursprünglich vorgesehen war?

Kreienbaum: Ich glaube, die Sachlage ist relativ klar. Ich hatte vorhin schon den Minister damit zitiert, dass die mittelfristige Finanzplanung weiterhin gilt. Die mittelfristige Finanzplanung bezieht sich  –  jetzt muss ich wieder auf den Begriff Top-down zu sprechen kommen –   sowohl auf das Einsparvolumen insgesamt, zu dem wir durch die Schuldenbremse gezwungen sind, als auch  –  heruntergebrochen –   auf die jeweiligen Einzelpläne. Daraus ergibt sich alles Weitere.

Mein Hinweis auf den Eckwertebeschluss, der im Februar oder März des kommenden Jahres beschlossen werden wird, bezog sich darauf, dass bis dahin möglicherweise auch noch einmal aktualisierte Zahlen oder Prognosen zur Einnahmesituation vorliegen werden, sodass man dann im Konkreten wird sehen müssen, wie die Zahlen aus der mittelfristigen Finanzplanung, die aus heutiger Sicht zu Grunde gelegt werden, dann im Frühjahr 2011 ausschauen werden. Aber ganz grundsätzlich gilt: Es ist im Koalitionsausschuss vereinbart worden, dass die mittelfristige Finanzplanung weiterhin gilt.

Zusatzfrage: Wenn ich Sie richtig verstehe, heißt das: Wenn es auf der Einnahmeseite eine
positive Veränderung gibt, dann gibt es auch mehr Geld zu verteilen, möglicherweise auch an das Verteidigungsministerium.

Kreienbaum: Der Hinweis bezog sich darauf, dass diese einzelnen Punkte im Frühjahr beschlossen werden, und zwar auf Basis der dann vorliegenden Annahmen und Daten. Wir haben jetzt Annahmen vorliegen, die auf die mittelfristige Finanzplanung zurückgehen, und die gelten weiterhin. Das sind die Daten, die uns jetzt zur Verfügung stehen, und sie gelten weiterhin. Wenn sich im Frühjahr aufgrund einer veränderten Einnahmesituation Abweichungen ergeben sollten, wird man das natürlich etwas aktualisiert einarbeiten müssen. Deswegen ist es jetzt zu früh, um schon über den konkreten Eckwertebeschluss zu reden, in dem dann das konkretisiert werden wird, nach dem Sie fragen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, wenn ich jetzt die Äußerungen von Herrn Dienst beziehungsweise von seinem Minister richtig verstehe, dann sagt er: Wir haben mit 163.500 Mann kalkuliert, aber es gibt den politischen Willen, die Bundeswehr nicht so weit auf diese Zahl einzuschrumpfen, sondern eine höhere Zahl zu wählen, und dafür braucht man mehr Geld. – Sieht die Bundeskanzlerin das genauso? Ist man sozusagen politisch über die Grundannahmen hinausgegangen und wird deshalb auch mehr Geld zur Verfügung stellen müssen?
Herr Dienst, im laufenden Jahr 2011 wird es nach dem Beschluss, die Wehrpflicht zum Juli auszusetzen, möglicherweise irgendein Attraktivitätsprogramm oder Maßnahmen geben müssen, um diese Delle durch den Rückgang der Wehrpflichtigen auszugleichen. Ist dafür irgendetwas vorgesehen, und gibt es irgendwelches Geld, das in der ersten Jahreshälfte oder im Laufe des Jahres zur Verfügung gestellt werden kann, um Nachwuchs auf freiwilliger Basis zu gewinnen?

STS Seibert: Es gibt den politischen Willen der Bundesregierung, der Bundeswehr die Personalausstattung zu geben, die sie braucht, um ihrer sicherheitspolitischen Aufgabe, das Land zu sichern und unsere Bündnisverpflichtungen zu erfüllen, nachzukommen. Nun ist die Überzeugung, dass dies mit bis zu 185.000 Soldatinnen und Soldaten inklusive einer gewissen Anzahl von freiwilligen Wehrdienstleistenden zu erreichen wäre. Außerdem gibt es den politischen Willen, an der mittelfristigen Haushaltsplanung festzuhalten. Dies wird man in den kommenden Jahren miteinander in Abgleich bringen müssen.

Dienst: Hinsichtlich der Frage, die Sie an mich gestellt haben, ist zu sagen, dass die Aussetzung der Wehrpflicht natürlich ein Attraktivitätsprogramm erfordert. Das ist auch so vorgesehen. Die Finanzierung des Attraktivitätsprogramms im nächsten Jahr wird im Rahmen des laufenden Haushalts zu erbringen sein, und das ist auch möglich, da die Wehrpflicht entsprechend zum 1. Juli ausgesetzt werden wird und die prognostizierten Mittel dann eben in die Attraktivitätsförderung einfließen können. Der Gesamtumfang des Pakets ist Bestandteil der entsprechenden Gesetzgebung, die für den freiwilligen Wehrdienst eingeleitet worden ist und die aller Voraussicht nach am Mittwoch ins Kabinett gehen wird.

Frage: Herr Seibert, wenn der zuständige Minister aufgrund von Expertisen seines Hauses zu dem Ergebnis kommt, dass eine Bundeswehr mit 163.500 Leuten groß genug ist, wieso
kommt dann überhaupt die Zahl 185.000 ins Spiel?

STS Seibert: Es wäre natürlich besser, das Verteidigungsministerium in Vertretung des zuständigen Ministers danach zu fragen. Aber ich denke, der zuständige Minister hat sich den Argumenten aller Seiten geöffnet und kam dann schließlich mit den anderen zusammen zu dem Schluss, dass die Zahl von bis zu 185.000 Soldaten eine anzustrebende sei.

Dienst: So ist es. Die Zahl 163.500 ist das absolute Minimum dessen gewesen oder ist es nach wie vor, was man braucht, um überhaupt einen einigermaßen sicherheitspolitisch verantwortbaren Betrieb der Bundeswehr zu gewährleisten. Der Minister hatte schon, als diese Zahl veröffentlicht wurde, im Sommer gesagt, dass das wirklich das absolute Minimum sei, er sich aber durchaus vorstellen könne, dass die endgültige Zahl höher liegen werde. Dann hat es den breiten parlamentarischen und außerparlamentarisch-politischen Diskurs innerhalb der Parteien zu diesem Thema gegeben, und dabei wurde eine Bandbreite eröffnet, die dann von durchaus mehr als 200.000 bis hin zu 163.500 reichte. Letztendlich ist nun die Zahl „bis zu 185.000“ unter der Maßgabe festgelegt worden, dass es, um allen Bündnisverpflichtungen und auch allen Eventualitäten im Bereich des Heimatschutzes, also der Katastrophenhilfe, nachzukommen, für die Bundesrepublik Deutschland angezeigt ist, Streitkräfte so aufzustellen, dass man eben nicht in jeder Situation gleich „auf Rand genäht“ dasteht.

Frage: Wer hat das mit den 185.000 gegenüber den 163.500 denn jetzt eigentlich erfunden? Ist es aus Ihrer Sicht eine Entscheidung des Verteidigungsministers gewesen, über diese Minimumzahl hinauszugehen, oder ist das eine Konzession der Bundesregierung an die Fraktionen, die Parteien, die Opposition oder an wen auch immer gewesen, vielleicht auch an die Kommission, die eingesetzt worden ist? Wer ist sozusagen der Verantwortliche für die Festlegung dieser Zahl 185.000?

STS Seibert: Das ist eine innerhalb der Bundesregierung einmütig erarbeitete Zahl, die nun die Haltung ist, mit der die Bundesregierung in das Gesetzgebungsverfahren und in das Parlament geht.

Frage: Lässt sich denn, Herr Dienst, das Volumen dieses Attraktivitätsprogramms schon grob beziffern?

Dienst: Man muss ja eine Gesamtschau anstellen. Es gibt zum einen das Programm, das an der Einführung des freiwilligen Wehrdienstes hängt    das kann man monetär belegen beziehungsweise muss es hinterlegen    , und es gibt natürlich auch attraktivitätssteigernde Maßnahmen im sogenannten Präsenzkörper, also bezüglich der Soldaten, die wir haben, und vor allem der Zeitsoldaten, damit sie sich weiter verpflichten und weiterhin bereit sind, letztendlich Berufssoldaten zu werden. Das Verhältnis zwischen Berufs- und Zeitsoldaten muss geändert werden. Es muss wesentlich mehr Zeitsoldaten geben, da wir, wie gesagt, in Zukunft eben auf die Wehrdienstleistenden verzichten müssen. Insofern sind viele Zahlen und Betrachtungen im Umlauf, und man wird sehen, wie sich das, wie man so schön sagt, in Zukunft überhaupt materialisieren wird. Das sind mit Sicherheit Beträge, die sich im mittleren dreistelligen Bereich bewegen werden.

Frage: Herr Seibert, wenn das jetzt eine einhellig innerhalb der Bundesregierung erarbeitete Zahl ist, wer haftet denn jetzt sozusagen für die Mehrkosten, die dadurch entstehen?

STS Seibert: Ich glaube, ich habe das vorhin beantwortet. Die Bundesregierung hält    der Bundesregierung gehört natürlich auch der Verteidigungsminister an    an ihren mittelfristigen Haushaltsplanungen und auch an den verabredeten Sparzielen fest. Darüber wird nun zu reden sein.

Dienst: Der Minister hat sich am Freitag im Nachgang zu der Sitzung des Koalitionsausschusses auch selbst entsprechend geäußert und gesagt: „Wir müssen jetzt natürlich auch erst einmal im Ministerium selbst Kreativität an den Tag legen.“ – Das ist natürlich immer ein sehr schlanker Ansatz bei allen Problemen oder Herausforderungen, die sich einem stellen. Aber in der Tat wird man in alle Bereiche hineingehen müssen und sozusagen alle „Nischen“ ausräumen müssen, in denen der eine oder andere noch seine „hobby horses“ untergestellt hat. Erst dann, wenn man das ganze Geld, das wir jetzt schon zur Verfügung haben, entsprechend zweck- und sinnstiftend neu verteilt haben wird, können wir darüber reden, was vielleicht zusätzlich nötig wäre.