„Käseglocken der Sicherheit“

Da scheint die FAZ skeptisch: „Trendwende“ in Afghanistan? überschreibt das Blatt heute den Bericht über ein Gespräch mit dem ISAF-Sprecher, dem deutschen Brigadegeneral Josef Blotz (bislang nur für Abonnenten online lesbar): Nach langer Zeit verbreitet die internationale Schutztruppe in Afghanistan wieder Optimismus und erweckt den Eindruck, als könne das Land in vier Jahren in halbwegs geordnetem Zustand an die nationalen Sicherheitsbehörden übergeben werden.

Neben der erkennbaren Skepsis an der positiven Sicht der internationalen Truppen sind die Zahlen interessant, die die FAZ ausdrücklich nicht dem ISAF-Sprecher, sondern internen Papieren zuschreibt: in der Zeit von Mitte Juli bis Mitte Oktober habe ISAF 3.438 Spezialoperationen durchgeführt und dabei 2.461 Taliban gefangen genommen und 938 Aufständische getötet. 339 Taliban-Kommandeure seien durch Gefangennahme oder Tötung ausgeschaltet worden. Dass diese Zahlen inoffiziell sind, heißt nicht, dass sie falsch sind – sondern dass die internationalen Truppen bewusst darauf verzichten, nach außen den Eindruck eines bodycount zu vermitteln.

Blotz‘ optimistische Einschätzung beruht vor allem auf den deutlich höheren Truppenstärken von ISAF und afghanischen Sicherheitskräften – neben 140.000 Soldaten der internationalen Truppen (darunter drei Mal so viele Spezialkräfte wie zuvor) rund 140.000 afghanische Soldaten und 120.000 afghanische Polizisten. Das Ziel sei, Käseglocken der Sicherheit im ganzen Land zu schaffen (nebenbei bemerkt: eine interessante, auf deutsche Verhältnisse übertragene Übersetzung der Inkspots, von den die Angelsachsen reden?).  Damit stünden so viele Truppen wie nie zuvor zur Verfügung – und parallel einen Erfolg bei wirtschaftlichem Aufbau und politischem Prozess. Allerdings: zu den Meldungen über mögliche Gespräche zwischen afghanischer Regierung und Aufständischen wollte der deutsche General offensichtlich nicht viel sagen – außer dass ISAF an der Vorbereitung dieser Gespräche nicht beteiligt sei.

Die Trendwende belegt Blotz nach FAZ-Angaben vor allem mit der Situation in Kandahar und Helmand: dort seien die Taliban deutlich geschwächt. Ob das Käseglocken-Konzept aufgeht? Bei allem Optimismus halte ich diese Einschätzung noch für etwas früh…

ISAF Spokesperson,  Afghan General Provide Operational Update

Archivbild: ISAF-Sprecher Brigadegeneral Josef Blotz am 23. Juni 2010 bei einer Pressekonferenz in Kabul (Foto Sgt. 1st Class Matthew Chlosta via ISAFmedia/flickr)