RC N Watch: Erneuter gezielter Luftschlag gegen Taliban-Führer im Norden
Erneut meldet ISAF einen gezielten Luftschlag gegen einen militärischen Führer der Taliban in der Provinz Baghlan. Der Taliban military senior leader mit dem Namen Fedayi sei bereits am Dienstag ums Leben gekommen, als ihn Truppen der Afghanen und der internationalen Truppen ins Visier genommen hätten. Fedayi sei bislang als Taliban-Kommandeur für den Unruhedistrikt Baghlan-e-Jadid im Norden der Provinz zuständig gewesen (wo unter anderem die Bundeswehr massiv engagiert ist und mit dem OP North eine Operationsbasis hat), durch den Druck der Truppen aber aus diesem Distrikt vertrieben worden.
Die Meldung ist bereits die zweite innerhalb weniger Tage, dass Führer der Aufständischen in Baghlan durch precision air strikes getötet wurden.
Besinnt man sich etwa auf diese alte Erkenntnis, und geht nun mit aller Härte gegen die Taliban vor?
“ Nun könnten menschenfreundliche Seelen sich leicht denken, es gebe ein künstliches Entwaffnen oder Niederwerfen des Gegners, ohne zuviel Wunden zu verursachen, und das sei die wahre Tendenz der Kriegskunst. Wie gut sich das auch ausnimmt, so muss man doch diesen Irrtum zerstören, denn in so gefährlichen Dingen, wie der Krieg eins ist, sind die Irrtümer, welche aus Gutmütigkeit entstehen, gerade die schlimmsten. Da der Gebrauch der physischen Gewalt in ihrem ganzen Umfange die Mitwirkung der Intelligenz auf keine Weise ausschließt, so muss der, welcher sich dieser Gewalt rücksichtslos, ohne Schonung des Blutes bedient, ein Übergewicht bekommen, wenn der Gegner es nicht tut. Dadurch gibt er dem anderen das Gesetz, und so steigern sich beide bis zum äußersten, ohne dass es andere Schranken gäbe als die der innewohnenden Gegengewichte.
So muss man die Sache ansehen, und es ist ein unnützes, selbst verkehrtes Bestreben, aus Widerwillen gegen das rohe Element die Natur desselben außer acht zu lassen.
Sind die Kriege gebildeter Völker viel weniger grausam und zerstörend als die der ungebildeten, so liegt das in dem gesellschaftlichen Zustande, sowohl der Staaten in sich als unter sich. Aus diesem Zustande und seinen Verhältnissen geht der Krieg hervor, durch ihn wird er bedingt, eingeengt, ermäßigt: aber diese Dinge gehören ihm nicht selbst an, sind ihm nur ein Gegebenes, und nie kann in der Philosophie des Krieges selbst ein Prinzip der Ermäßigung hineingetragen werden, ohne eine Absurdität zu begehen.“ Carl von Clausewitz
Es scheint sich ja was zu verändern. Könnte das daran liegen, dass man wieder zu klassischen Prinzipien der Kriegsführung zurückgekehrt ist? Dass die Bundeswehr selbst eine Artikelreihe mit „Vom Kriege“ übertitelt, lässt vermuten, dass der ein oder andere mal wieder in das entsprechende Buch von Clausewitz reingeschaut hat.
http://www.bundeswehr.de/portal/a/bwde/einsaetze/missionen/isaf?yw_contentURL=/C1256EF4002AED30/W28ACBJM179INFODE/content.jsp
Zudem ist es erfreulich, zu lesen, dass offenbar beschönigende Selbsttäuschung und Verleugnung der Realität auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt wird.
Wie war das noch:
„Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
Man scheint bei der Bundeswehr zu beginnen, sich selbst mit allen Defiziten wahrnehmen zu wollen und aufzuhören, den Feind zu mystifizieren. Da muss jetzt nur noch der Bundestag auch noch mitmachen. Dort reden einfach immer noch zu viele wie Blinde von der Farbe.
Selbst Matthias Gebauer, mutmaßlicher inoffizieller Pressesprecher der Anti-Nato/Anti-Amerika-Koalition, kommt nicht umhin, von Erfolgen der Nato zu reden.
Siehe: http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,724373,00.html
Im dortigen Artikel wird der Erfolg u.a. auf den massiven Einsatz der GMLRS (Mars II) zurückgeführt. Es sollen ja schon HIMARS- Werfer im RC-North gesehen worden sein.
Beginnt man also tatsächlich nun, den Krieg zu führen, statt sich zu verstecken?
Strategie ohne Taktik ist der langsame Weg zum Sieg – Taktik ohne Strategie ist nur Lärm vor der Niederlage.
Hat man etwa endlich Taktik durch Strategie ersetzt?
Dann könnte man den Krieg ja vielleicht sogar gewinnen!
Oder hat sich Claudia Roth bereits empört und auch ein Stück weit traurig geäußert, ob der armen getöteten Taliban- Führer? Hat man schon Strafverfahren gegen beteiligte Bundeswehr- Soldaten eingeleitet? Die Bundeswehr würde sicherlich wieder ganz schnell in eine fatale Bunkermentalität zurückfallen, wenn Herr Gysi, Herr Gebauer, Herr Lau, Herr Ladurner und andere mutmaßliche Protagonisten labiler Selbstaufgabe den sofortigen Rückzug fordern.
Oder etwa doch nicht mehr?
@Sun Tzu
Krieg wurde nur 2001 geführt, als die Taliban rasch von der Ernsthaftigkeit der Amerikaner überzeugt wurden und davon liefen, wenn man sie denn ließ. Ich sage nur: Container. Niemand zählte damals die Opfer.
Die Aufständischen haben in den Jahren danach aber gelernt, dass die NATO ein Papiertiger ist. Es wächst die Überzeugung, dass man sich mittelfristig durchsetzen kann. Man hat die Angst vor der Fortsetzung des Kampfes weitgehend verloren. Indem die NATO diesen psychologischen Vorteil verspielt hat, hat sie den Einsatz zu einer fast unlösbaren Aufgabe werden lassen. Ihn zurückzugewinnen würde Maßnahmen erfordern, die innenpolitisch in keinem NATO-Staat durchsetzbar wären, und die Aufständischen (wie die meisten Afghanen) wissen das genau und bereiten sich auf die Zeit nach ISAF vor.
@ SW
Auch dazu hat sich Clausewitz trefflich in seiner Dritten Wechselwirkung geäußert:
„Wollen wir den Gegner niederwerfen, so müssen wir unsere Anstrengung nach seiner Widerstandskraft abmessen; diese drückt sich durch ein Produkt aus, dessen Faktoren sich nicht trennen lassen, nämlich: die Größe der vorhandenen Mittel und die Stärke der Willenskraft.
Die Größe der vorhandenen Mittel würde sich bestimmen lassen, da sie (wiewohl doch nicht ganz) auf Zahlen beruht, aber die Stärke der Willenskraft läßt sich viel weniger bestimmen und nur etwa nach der Stärke des Motivs schätzen. Gesetzt, wir bekämen auf diese Weise eine erträgliche Wahrscheinlichkeit für die Widerstandskraft des Gegners, so können wir danach unsere Anstrengungen abmessen und diese entweder so groß machen, daß sie überwiegen, oder, im Fall dazu unser Vermögen nicht hinreicht, so groß wie möglich. Aber dasselbe tut der Gegner; also neue gegenseitige Steigerung, die in der bloßen Vorstellung wieder das Bestreben zum Äußersten haben muß. Dies ist die dritte Wechselwirkung und ein drittes Äußerstes, worauf wir stoßen.“
Wir haben es also mit einer ressourcenstarken Nato mit willensschwachen Heimatfronten und eher ressourcenarmen Taliban zu tun, die diese Schwäche möglicherweise mit Willenskraft wettmachen.
Da frage ich mich: Warum kümmern sich unsere Bundestagsabgeordneten, die unsere Soldaten in diesen Krieg geschickt haben, so wenig um die Willenskraft der Heimatfront?
Warum bekämpft man zudem noch die Willenskraft der Soldaten im Einsatz durch absurde Regularien und drohender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungsverfahren?
@Sun Tzu
„Da frage ich mich: Warum kümmern sich unsere Bundestagsabgeordneten, die unsere Soldaten in diesen Krieg geschickt haben, so wenig um die Willenskraft der Heimatfront?“
Unser System belohnt nicht den politischen Führer, der Probleme im Sinne der Staatsidee löst, sondern profillose Politikfunktionäre, die im Sinne amorpher Parteidoktrinen nicht anecken.
Ich bin übrigens kein Unterstützer des Afghanistan-Einsatzes. Es gab aber 2001 niemanden im Bundestag, der öffentlich dokumentiert das Problem in seiner realen Form (ein paar hundert feindliche Kämpfer in Afghanistan und Pakistan sowie eine unterstützende weltweite Infrastruktur aus „karitativen“ Vereinen und Moscheen in vierstelliger Personenstärke, unterstützt von den Herrschenden Saudi-Arabiens und instrumentalisiert von der Regierung Pakistans) benannt und angemessene Maßnahmen zu seiner Bekämpfung gefordert hat.
@ SW
Wie hätte man Ihrer Meinung nach auf 9/11 angemessen reagiert, so mal als Ex post Analyse?
@Sun Tzu
– Beschränkung des Einsatzes in Afghanistan auf die konsequente Vernichtung der dort präsenten AQ-Teile. Diese Aufgabe wäre leistbar gewesen. Bin Laden befand sich Ende 2001 in Tora Bora und hatte offenbar schon mit seinem Leben abgeschlossen.
– Zerschlagung der salafistischen Infrastruktur in westlichen Staaten (Moscheen, Vereine etc.). Deportation salafistischer Aktivisten in ihre Herkunftstaaten.
-Stärkerer Druck auf Pakistan zur Zerschlagung der dort präsenten internationalen Infrastruktur militanter Islamisten. Ende 2001 war die pakistanische Führung angesichts der Ernsthaftigkeit amerikanischer Drohungen offenbar gefügig.
– Stärkerer Druck auf Saudi-Arabien zur vollständigen Einstellung der Unterstützung salafistischer Strukturen im Ausland. Es ist doch pervers, dass Deutschland Soldaten nach Afghanistan schickt, aber saudische Botschaftsmitarbeiter ganz offiziell militante Islamisten in Deutschland unterstützen, ohne dass die Behörden einschreiten.
Ich bin da bei S.W. Ich war nach 9/11, wie viele Freunde der USA, auf Blutrache aus.
Und wieder finden wir das Prinzip: „Kurz und hart, statt lang und soft.“ ;)
Mittlerweile muss ich sagen, dass wir global keine signifikante Veränderung der Feindlage haben. Der „Krieg gegen den Terror“ ist ja eigentlich eine viel umfassendere Sache, als in Afghanistan Taliban abzuknallen. Das fängt bei uns zu Hause in radikalen Moscheen an. Das geht weiter in allen Ländern, von denen aus Terror unterstützt wird…
Saudi-Arabien, viele kleine Länder, in denen es solche Fraktionen gibt.
Eigentlich müsste man mit vielen Regeln brechen und sich die Hände verdammt schmutzig machen, um eben diesen erklärten Krieg gegen den Terror zu gewinnen.
Und genau das ist der Grund, warum wir kein richtiges Ergebnis herbeiführen werden.
Solange in unseren Ländern alleine keine klare Kante gezeigt wird (Verweis auf die Salafisten in Gladbach), brauchen wir uns auch nicht mehr in Zentralasien abrackern.
@ S.W. | 21. Oktober 2010 – 19:51
Das ist ja alles schön und gut, krankt nur leider an den lästigen Details und Unzulänglichkeiten der Realität.
„- Beschränkung des Einsatzes in Afghanistan auf die konsequente Vernichtung der dort präsenten AQ-Teile. Diese Aufgabe wäre leistbar gewesen. Bin Laden befand sich Ende 2001 in Tora Bora und hatte offenbar schon mit seinem Leben abgeschlossen.“
Das ist faktisch versucht worden, krankte nur leider an Umsetzungsdefiziten. Zudem hatten ja die Taliban erklärt, sie würden gemeinsam mit Bin Laden kämpfen, was zum Zusammenbruch staatlicher Ordnung führte, was eine eingesetzte Ersatzregierung nötig machte. Zudem führte ja die Beschränkung auf „Feinde jagen“ zur fehlenden Präsens in der Fläche, was wesentlich die heutige Situation geschaffen hat.
Zudem bringt ein Failed State immer wieder neue Gotteskrieger, das ist nachhaltig nur mit Nation- Building abzustellen.
„- Zerschlagung der salafistischen Infrastruktur in westlichen Staaten (Moscheen, Vereine etc.). Deportation salafistischer Aktivisten in ihre Herkunftstaaten.“
Wäre ein richtiger Schritt, der nur leider um so problematischer wird, je länger wir damit warten. Denn je länger wir uns das im eigenen Land gefallen lassen, desto mehr Aktivisten haben wir. Die diesjährigen Zahlen festgestellter deutschstämmiger Kämpfer in Afg zeigen ja, dass wir da gegenwärtig nur die Spitze eines gefährlichen Eisbergs wahrnehmen. Hier sitzen wir auf einer Zeitbombe, die dringend entschärft gehört. Offenbar sind da einige sehr erfolgreich bei der Radikalisierung bisher harmloser Muslime. Zudem beherrschen es diese Aktivisten in hervorragender Art und Weise, unter Hinweis auf die deutsche Vergangenheit die effektive Bekämpfung ihrer Aktivitäten zu verhindern.
„-Stärkerer Druck auf Pakistan zur Zerschlagung der dort präsenten internationalen Infrastruktur militanter Islamisten. Ende 2001 war die pakistanische Führung angesichts der Ernsthaftigkeit amerikanischer Drohungen offenbar gefügig.
– Stärkerer Druck auf Saudi-Arabien zur vollständigen Einstellung der Unterstützung salafistischer Strukturen im Ausland. Es ist doch pervers, dass Deutschland Soldaten nach Afghanistan schickt, aber saudische Botschaftsmitarbeiter ganz offiziell militante Islamisten in Deutschland unterstützen, ohne dass die Behörden einschreiten.“
Beides richtig, wurde beides versucht, hat beides nicht geklappt. In Saudi Arabien hatte man ja schon größte Probleme, dass der gemäßigte pro westliche Abdullah ibn Abd al-Aziz 2005 endlich fest ins Amt kam und nicht irgendein Freund der Wahhabiten.
Dass gerade Deutschland aufgrund falsch verstandener Toleranz neofaschistische Strukturen im religiösen Deckmantel wieder duldet, ist in der Tat ein Treppenwitz der Geschichte. Der neue Faschismus kommt gern im Gewand des Antifaschismus daher.
Nur wer auf solche Probleme hinweist, verliert nicht nur in der Bundesbank seinen Job.
Aus den hier erwähnten Strukturen erwächst eine militante Bedrohung für Deutschland, um nur einen aktuellen Fall zu nennen:
http://www.tagesspiegel.de/berlin/islamistische-prediger-kommen-nach-berlin/1963686.html
Darüber hinaus gibt es noch eine nichtmilitante Bedrohung. Die Militanten sind nur ein kleiner Ausschnitt des feindlich gesinnten islamischen Spektrums. Bis dieses Problem in seiner ganzen Dimension erkannt wird, werden aber wohl noch einige Jahre ins Land gehen.
Also zu der leider verpassten Chance, Al-Quaida und die damaligen Konsorten komplett zu vernichten. Es ist leider wahr. Offenbar hat die NATO (ich begrenze das bewusst nicht nur auf die USA) es verpasst, eine ausreichend hohe Anzahl an geeigneten Truppen an die richtige Stelle zu bringen. Stattdessen gab es ja eine unglaubliche Diskrepanz zwischen den einzelnen Nationen, was den Beitrag angeht. Wir waren da kein besonders positives Beispiel, wenn man vom KSK absieht. Hätte hätte hätte, nech.
Zu den Islamisten… Aufgrund der diktatorischen Regime in deren Heimatländern (Ausnahme Saudi-Arabien), können diese Leute hier freier agieren als eben dort.
Das klingt fast ulkig… Wenn sich Deutschland dabei nicht so gnadenlos blamieren würde.