Problem Rüstung: Fünf von 18 Entwicklungsprojekten im Plan
Von 18 großen deutschen Rüstungsprojekten, die sich in Entwicklung und Erprobung befinden, laufen derzeit gerade mal fünf (i.W.: 5) planmäßig. Von 64 großen deutschen Rüstungsprojekten, die in der Beschaffung sind, sind 31 nicht im Plan. Diese doch irgendwie erschreckenden Zahlen hat das Verteidigungsministerium heute auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag einräumen müssen. Dabei geht es um Vorhaben, die ein Auftragsvolumen von mehr als 25 Millionen Euro haben und deshalb jeweils einzeln vom Parlament gebilligt werden müssen.
Leider hat das Ministerium nicht, wie von dem Linken-Verteidigungsexperten Paul Schäfer und seinen Fraktionskollegen verlangt, mal Projekt für Projekt aufgelistet, wo ein Rüstungsvorhaben aus dem Ruder gelaufen ist – was die Kosten oder die Zeitplanung oder beides zusammen angeht. (Mal sehen, ob das erneut nachgefragt wird.)
Die Antwort ist noch brandneu, deshalb habe ich mal einige Fragen der Drucksache 17/2928 vom 14. September und die heutigen Angaben der Bundesregierung zusammengestellt:
1. Wie viele Rüstungsprojekte der Bundeswehr mit einem Auftragsvolumen
von über 25 Mio. Euro befinden sich derzeit (Stand August 2010) in der Ent-
wicklungs-, Erprobungs- und Produktionsphase (bitte für jedes Projekt unter
Angabe des Datums des ursprünglichen Vertragsabschlusses, der damals ver-
einbarten Projektlaufzeit und der damals vereinbarten Gesamtkosten sowie
der jetzigen Zeit- und Kostenkalkulation)?
Zu 1.: Es befinden sich derzeit 18 Projekte mit einem Auftragsvolumen grüßer 25 Mio € (betrachtet wurde der parlamentsrelevante Vertrag) in der Entwicklungsphase. Die Entwicklungsphase schließt die Erprobungsphase mit ein. Die Produktionsphase wird nicht der Entwicklungsphase zugeordnet.
2. Wie viele Rüstungsprojekte der Bundeswehr mit einem Auftragsvolumen von
über 25 Mio. Euro befinden sich derzeit (Stand August 2010) in der Beschaf-
fungsphase (bitte für jedes Projekt unter Angabe des ursprünglichen Vertrags-
datums, der damals vereinbarten Projektlaufzeiten und der damals vereinbar-
ten Gesamtkosten und Stückzahlen sowie der jetzigen Zeit- und Kostenkalku-
lationen und der aktuellen Stückzahl)?
Zu 2.: Es befinden sich derzeit 64 Projekte mit einem Auftragsvolumen größer 25 Mio € (betrachtet wurde der parlamentsreife Vertrag) in der Beschaffungsphase.
3. Welche der in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 genannten Vorhaben verlau-
fen gemäß des Initiierungsvertrages hinsichtlich der vereinbarten Kosten, der
Stückzahl, der Projektlaufzeit und des Auslieferungszeitraums?
Zu 3.: Von den 18 Entwicklungsprojekten verlaufen fünf Projekte planmäßig hinsichtlich Zeit- und Finanzbedarf des parlamentsrelevanten Vertrages.
Von den 64 Beschaffungsprojekten verlaufen 33 Projekte planmäßig hinsichtlich Zeit- und Finanzbedarf des parlamentsrelevanten Vertrages.
4. Bei welchen der in der Antwort zu den Fragen 1 und 2 genannten Vorhaben ist
dies nicht der Fall?
Welche Gründe waren jeweils dafür ausschlaggebend, und welche Modifika-
tionen bei den Kosten, den technischen Vorgaben, der Stückzahl sowie dem
Auslieferungszeitraum sind deswegen erfolgt (bitte aufgeschlüsselt nach den
einzelnen Vorhaben)?
Zu 4.: Von den 18 Entwicklungsprojekten verlaufen 13 Projekte nicht planmäßig in Bezug auf den parlamentsrelevanten Vertrag. Die Unplanmäßigkeit liegt im Wesentlichen in technischen Problemen und einer auftragnehmerseiten Unterschätzung der Komplexität begründet, was zu Verzögerungen in der Entwicklung führt.
Von den 64 Beschaffungsprojekten verlaufen 31 Projekte nicht planmäßig in Bezug auf den parlamentsrelevanten Vertrag. Die Unplanmäßigkeit liegt im Wesentlichen in technisch bedingten Lieferproblemen begründet, was zu Lieferverzögerungen führt. Kostensteigerungen sind vor allem in den Fällen zu verzeichen, bei denen der Auftraggeber Leistungserweiterungen und Stückzahlerhöhungen gegenüber dem Ursprungsvertrag beauftragt hat, die in den meisten Fällen den laufenden Einsätzen geschuldet sind.
Da bleibt doch noch viel Raum für Nachfragen. Nicht nur, um welche Projekte es sich im Einzelnen handelt (wie schon in der Kleinen Anfrage gefordert). Sondern zum Beispiel auch, warum für Kostensteigerungen nur Leistungserweiterungen und Stückzahlerhöhungen als Gründe angeführt werden – dass man mehr bezahlen muss, wenn man mehr verlangt, ist ja schon klar. Aber in der Vergangenheit schien es mir doch, als sei das eine oder andere Projekt nicht deswegen teurer geworden, weil die Bundeswehr mehr bestellt hätte?
Das Problem haben wohl alle „westlichen“ Ländern. Das liegt zumindest teilweise an der Monopolisierung der Entwicklung durch Auftragsvergabe an einzelne Unternehmen. Haben die den Vertrag erstmal in der Tasche können die dann die Projektkosten fast nach Belieben hochschrauben (siehe F-35 JSF, FRES in UK).
Mehr Entwicklung (und damit Sachverstand) im eigenen Hause in Form von BW eigenen Entwicklungsteams mag da ein Ausweg sein. Die eigentliche Produktion kann dann ausgeschrieben werden.
Die aufgezeigten Tatsachen (unabhängig von den konkreten Einzelprojekten) haben noch eine weitere Dimension: Die unterirdischen Projektmanagementleistungen der Auftragnehmerseite. In Deutschland kommt dann noch die Trennung zwischen Bedarfsträger (Truppe, Nutzer) und Bedarfsdecker (Rüstungsbereich, BWB, IT-Amt, Wehrtechnische Dienststellen) hinzu.
Denn da wird gemauschelt, gemauert, totgeprüft, sondergefordert und geändert, dass es nur so kracht. Ein fertiges Vorhaben würde ja bedeuten, dass man (angesichts fehlender Neuanfänger). Schuld sind alle – denn verspielte wehrtechnische Ingenieure gehen hier eine unheilige Allianz mit filigran-pedantischen wehrtechnischen Bürokraten ein. Und währenddessen spielen die jeweiligen Chefs Politik und zeigen sich Powerpoints.
Traurig.
Ich denke, das sich die Trennung zwischen Truppe (Nutzer) und Bedarfsdecker (BWB etc.) nicht mehr bewährt. Das mag früher so gewesen sein, doch mittlerweile ist es ein Drama. Stellt der Nutzer Mängel fest, muss er sie gegenüber seinen eigenen Dienststellen (Logistikamt, SanAmt etc.) schon ausführlichst begründen, Diese Begründung geht dann mit einer neuen Begründung / Sachstandsdarstellung weiter und so weiter und so fort… Am Ende sitzt dann jemand im Sessel und erwidert, dass das Produkt doch das leistet, was gefordert wurde. Fazit: Nichts ändert sich und wenn etwas geändert werden sollte, geht das ja frühstens in zwei jahren ab dem Zeitpunkt X, weil die Gelder schon bis dahin schon verplant sind.
Also fahren wir weiter mit YAKs, deren Bremsen bei Beschädigung durch Beschuss blockieren und nur von außen entriegelt werden können. Um nur mal ein Beispiel der Tragweite der jetzigen Situation aufzuzeigen.
Da wäre noch eine weitere Frage interessant:
Wie viele Rüstungsvorhaben, an denen EADS beteiligt ist, laufen nach Plan und zur Zufriedenheit des Kunden?
Bietet jemand mehr als Null?
Als Zusatzfrage wäre dann noch interessant:
Wie viel Prozent der Rüstungsausgaben gehen an Vorhaben, an denen EADS beteiligt ist?
Ohne detailliert nachzuforschen biete ich weit mehr als 50 %.
Wie übersetzt man EADS inoffiziell in der Bundeswehr?
E infach A lles D eutlich S päter
oder doch
E infach A lles D eutlich S chlechter
Der Luft Luft Flugkörper IRIS-T ist m.W. das einzige Rüstungsprojekt der letzten Jahre das nicht nur pünktlich fertig wurde sondern auch noch ein klein bischchen billiger wurde als gedacht;)
Oh mann…
Der springende Punkt ist das niemand zur Rechenschaft gezogen wird. Auch wenn es das Vertragswerk ausnahmsweise einmal zulässt.
Beispiel: EADS liefert A400M nicht in vereinbarten Zeit- Kosten- und Leistungsrahmen und bekommt als Antwort vom Staatskunden auch noch eine Bonuszahlung von € 3 Mrd.
Der Staat hat schließlich auch ein wenig Nachfragekraft (Multi Mrd. Etat p.a.). Wenn die Politik wirklich wollte, könnte die Industrie zu mehr Folgsamkeit „ermutigt“ werden. Hoffe bloß, dass der neue Minister mit seine Zielen nicht einknickt oder zurückgepfiffen wird.
Naja, und wenn es so weiter geht, dann entscheidet bald nur noch die politische Stimmungslage, was die Bundeswehr an Ausrüstung benötigt. Der Anfang ist gemacht, statt um die Sicherheit im Luftraum sorgt sich die FDP um (ihre) Attraktivität. Mal sehen, ob das Projekt überhaupt die Gelegenheit bekommt, im Leistungs-, Zeit- und Kostenrahmen realisiert zu werden – und was dann draus wird …
http://www.ftd.de/politik/deutschland/:kleineres-budget-der-armee-regierung-draengt-ruestungsindustrie-zum-export/50179975.html
Meiner Erfahrung nach, haben generelle Verzögerungen bei Entwicklungsprojekten fast immer folgende Ursachen (ohne die speziellen Strukturen der BW und die besonderheit der Produkte zu berücksichtigen)
1. Der Auftraggeber besitzt nicht über die ausreichende Fachkompetenz um ein für sich gewolltes Produkt definieren zu können. Es kommt zu Angstdefinierungen oder schlicht schwammigen Forderungen. (Bei der BW scheint mir das subjektiv besonders bei den komplexen Luftfahrtsystemen der Fall zu sein)
Bsp: Dazu eine kleine Geschichte von mir. Als ich mit meiner Elektronikerausbildung fertig war, arbeitete ich in einem Firmeninternen Prüfmittelbau. Wir erhielten von einer anderen Abteilung eine spezielle Endkontrollmaschine zu entwickeln die schneller als die alten sein sollte. Also setzte man sich zusammen und Ingenieure beider Abteilungen definierten das Lastenheft. Dabei mahnte ein Experte unserer Abteilung sich nicht für die billigere Messkarte zu entscheiden, da die geforderten Prüfintervalle pro Kanal zu extrem auf Rand genäht sind. Man kann also nicht dafür garantieren das der Flankenabfall der Transistoren zuverlässig ausfällt. Da die Ingenieure der anderen Abteilung sich aber nie so intensiv mit Messkarten (und den realen Leistungen) beschäftigt haben wurde diese Warnung mit Blick auf die Kosten in den Wind geschlagen. 2 Jahre gingen ins Land, eine hochentwickelte Maschine steht in unseren Räumen. Für das Softwarepaket haben unsere Programmierer mehr als 1 Jahr gebraucht. Die Versuche zeigten, das die Maschine in bestimmten Messbereichen stark streut. Der Fehler lag bei über 100% und die Messung somit nicht verwertbar. Eine lange Fehlersuche führte zu dem Ergebniss, das der Flankenabfall der Transistoren an der Messkarte nicht schnell genug war. Die damals favorisierte teure Karte wurde für alle Maschinen gekauft und eine extrem aufwendige Softwareänderung war von nöten.
2.Auftragnehmer besitzt nicht die ausreichende Fachkompetenz. Es gibt sicher viele Firmen die einiges drauf haben. Die Frage ist immer, ob sie diesen ganz speziellen Entwicklungsauftrag auch verwirklichen können. Deshalb spezialisieren sich Firmen immer mehr, desto komplexer die Produkte werden.
Bsp: In der Firma in welcher die oben beschriebene Maschine gebaut wurde, gab es eine neue Generation von Produkten. Diese Generation war was ganz besonderes, weil es der besagten Firma gelang, die begleitende Hardware in diesem Produkt drastisch zu reduzieren und die Auflösung (also die Qualität) drastisch zu steigern. Das Wunder gelang durch einen speziell entwickelten Chip. Unser Hauptkonkurent aus Japan versuchte diesen Schritt schon 2 Jahre zuvor und scheiterte an den extrem hohen und kritischen Anforderungen dieses Chips (Stichwort Hochfrequenztechnik). Meine Firma aggierte schlauer und schaute sich ersteinmal auf dem Weltmarkt um, wo wir einen herausragenden Experten für die Chipentwicklung in der Schweiz fanden.Die Entwicklung verlief problemlos.Unsere Anforderungen waren einfach:“Baut uns diesen Chip und macht das er funktioniert.“
3.Auftragnehmer mit eine kaotischen, dezentralen, überregulierten und durch Wirtschaftsmanager bestimmten Entwicklungsabteilung können eigentlich nur scheitern.
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Wenn man die Besonderheiten der deutschen Rüstungsbeschaffung anschaut kommt nach meinem subjektiven Eindruck erschwerend hinzu:
– Die chaotische Bürokratie der BW wo jeder etwas zu sagen hat.
– Politsch gewollte Arbeitsteilung und dezentrale Entwicklung bei Internationalen Beschaffungen (NH90,Tiger etc..) wo jedes pupser Land unbedingt irgendwas beisteuern will, auch wenn diese Länder nicht die Firmen haben welche über die nötige Kompetenz für diese Produkte verfügen. (Beim NH90 ist dies meiner Meinung nach vollkommen aus dem Ruder gelaufen, der NH90 ist ein einziger Frankensteinhelikopter)
-Die Vergabe für sehr kritische Entwicklungsteile wird nicht an Experten vergeben, sondern an die Firmen welche nach der besten nationalen Wertschöpfung aussehen um bei Politikern schönen Wind zu machen, wie Vorteilhaft doch dieses Projekt für deren Wahlkreis ist.
(z.b prahlte EADS damit wie toll doch die Entwicklung für das TP400 auf europöische Konzerne verteilt ist. Ein Poltiker kann doch gar nicht anders als da zustimmen!! In Wahrheit forderten die Ingenieure von EADS die alleinige Vergabe an einen amerikanischen Spezialisten. Warum der A400M 9 Monate später seinen Jungfernflug hatte wissen wir ja inzwischen)
-Fürchterliches Vertragswerk, welches schlicht nur zum Ziel hat die Rüstungsindustrie zu subventionieren anstatt ein sinnvolles Produkt zu erhalten.
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Lösungsansatz:
-Umwandlung des BWB zu einer Abteilung für technische Betreuung und Weiterentwicklung. In dieser Organisation arbeiten Ingenieure und Militärs (gerne auch Offiziere mit den entsprechenden Studiengängen) gemeinsam an der Definierung zukünftiger Waffensysteme. Diese Abteilung hat die alleinige Kompetenz in der Definierung und Abnahme. Wenn diese Abteilung sagt das System ist „combat ready“ dann ist es so. Diese Abteilung sollte direkt dem Gi bzw. dem Generalstab unterstehen.
-Vergabe von Entwicklungsauftägen nur an Spezialisten nach vorheriger Marktsichtung.
@ Bang50
„-Vergabe von Entwicklungsauftägen nur an Spezialisten nach vorheriger Marktsichtung.“
So einfach ist das in Zeiten der EU und den deregulierten Märkten nicht. Es gibt aufwendige Regularien zu den Vergabeverfahren, die eine Ausschreibung fast notwendig machen. Militäraufträge sind ein weiterer Spezialfall in der Vergabeordnung des EG-Vertrags.
Leider funktioniert „Ihr könnt es am besten, ihr macht den Job“ nicht. Den politischen Einfluss, damit das Geld im Land bleibt, mal aussen vorgelassen.
Ansonsten gefallen mir deine Ausführungen gut. umgesetzt ewrden sie wahrscheinlich nie.
grüße Nighty
@Nighty
Ich sehe die Dinge von der technischen Seite. Was deren Umsetzung betrifft, bin ich selbst sehr pessimistisch. Von meiner Abneigung gegenüber den Eurokraten einmal abgesehen…aber das ist eine andere Geschichte ;-)
Transparenz hilft enorm.
Hier der Link zum MoD-Berichtswesen:
http://www.nao.org.uk/idoc.ashx?docId=85fb8bd9-95b8-4aab-85ed-787cd292d448&version=-1
Besonders die Darstellung auf Seite 7 ist spannend.
Wer denkt, dass die Bw das alles über die eigenen Projekte weiß?
Auch wenn es die Bw-Planer für die Neustrukturierung der Bw nicht gerne hören:
Ohne gewachsene Fachleute, die ein Waffensystem von der Entwicklung bis zur Einführung und weiter über den gesamten Lebensweg bis zur Aussonderung, betreuen, geht es nicht. Dazu muss sich aber im Laufbahnrecht von Soldaten etwas ändern !
Das bedeutet den von „Bang50“ vorgeschlagenen Lösungsweg noch zu erweitern:
Das BWB sollte mit den Rüstungs- und Nutzungsabteilungen im Logistikamt der Bw, im WaSysKdoLw usw. fusioniert werden (ich weis, Artikel 87 a und b des GG sprechen dagegen….) Diese geballte Kompetenz aus Technischen Offizieren, Ingenieuren des jetzigen BwB usw. könnte dann sowohl eine AF/Reg (eine Abschließende Funktionale Forderung für ein neues Rüstungsprojekt und eine Realisierungsgenehmigung) schreiben, das Lastenheft für den Auftragnehmer erstellen, in der Entwicklung, Erprobung, Einführung des Waffensystems von der Stunde Null an dabei sein und das Waffensystem anschließend während der gesamten Nutzungsphase betreuen.
Unser System auf Bundeswehrseite mangelt daran, dass die Kompetenzen zu sehr aufgeteilt sind !
Zitat: Bang50
„-Fürchterliches Vertragswerk, welches schlicht nur zum Ziel hat die Rüstungsindustrie zu subventionieren anstatt ein sinnvolles Produkt zu erhalten.“
Diesen Punkt kann man nicht heftig genug herausstellen. Deutschland hat keine Rüstungsbeschaffungspolitik, sondern eine Industriesubventionspolitik, die von Brüssel, vom Wettbewerbskommisar nicht beanstandet werden kann.
Streckung von Laufzeiten bei den Entwicklungsphasen
Industriebetriebe können hochspezialisierte Entwicklungsteams ( Ingenieure ) nur beschäftigen, wenn die Gelder zur Entwicklung zügig fließen, ansonsten wird auf kleiner Flamme „geköchelt“ , mit entsprechenden Problemen bei der Einführung von Wehrmaterial (Bananenpolitik = Produkt reift beim Kunden ). Das Wissen ist aber letztendlich in den Köpfen von Ingenieuren vorhanden und die müssen während des gesamten Entwicklungszeitraumes bezahlt werden.
Arbeitsbeschaffungspolitik nicht auf Kosten von Wehrmaterial !
Wie pervers Rüstungsvergaben sind, sieht man daran, dass nicht derjenige nationale Vertragspartner einen Rüstungsauftrag bekommt (z.B. für Radargerät Eurofighter) , der die größten Kompetenz in dem Fachbereich hat, sondern Derjenige, der technologisch den größten Rückstand hat, damit seine nationale Industrie mit Rüstungsgeldern aufholen kann.
Unsinnige Arbeitsteilung in Rüstungsprojekten !
Dr. Lutz Bertling von Eurocopter hat dazu ein Beispiel gegeben. Es mache keinen Sinn, dass die Software für einen neu zu entwickelten Autopiloten aufgeteilt und an zwei verschiedene nationale Auftragnehmer vergeben wird. Wie war ! In dem Flieger möchte ich nicht mitfliegen !
Es ist beim Eurofighterprogramm schon schwierig genug, wenn spanische mit deutschen Flügelhälften zu einem Flugzeug vereinigt werden müssen !
Manchmal sind die Ursachen einfach nur kurios:
Der Hubschrauber TIGER leidet an Verkabelungsproblemen, weil Kabelbäume durchscheuern. Hier ist in der Planung gepfuscht worden. Früher hat man Kabelbäume in einem 1:1 Modell aufgebaut, dimensioniert und ausprobiert. Heute macht man dies mit CAD-Programmen und da kann es eben zu Fehlern kommen. (Übereinstimmung Bildschirmmaße und Realitätsmaße).
Die Zeitschrift „Chip“ hat dies mal für die A380 Probleme untersucht. Die Auslieferung des A 380 hat sich immer wieder verzögert. Es hieß jedes Modell sei von der Verkabelung ein Unikat und deshalb dauert die Verkabelung eben länger als geplant.
Was steckte wirklich dahinter ?
Die französische Entwicklungsabteilung von EADS arbeitete mit einer speziellen CAD-Software für die Planung von Flugzeugverkabelungen in der Version 5, die Hamburger EADS Abteilung mit der gleichen Software mit der Version 4. Nun war der Unterschied zwischen der Version 4 und 5 beträchtlich. Während Version 4 noch mit der Programmiersprache „FORTRAN“ programmiert, auf UNIX Maschinen lief, war die Version 5 praktisch eine komplette Neutentwicklung mittels „C++“ und lief auf Microsoft Betriebssysteme auf PC.
In der Folge waren die erstellten Verkabelungspläne (Dateien der beiden Versionen) inkompatibel und mussten mit einem speziellen „File-Transfer-Programm“ zwischen Hamburg und Toulouse übersetzt werden. Bei diesem Vorgang wurden aber Anmerkungen des jeweiligen Entwicklers zu der Verkabelung gelöscht, bzw nicht mit transferiert. In der Folge entstand das bekannte Chaos bei der Indienststellung des A380 wegen Verkabelungsproblemen und Lieferverzug.
Im Sinne von Team-Managementprogrammen (Team-Resource-Management, TRM) kann man nun fragen, warum die Deutschen auf ihrer Version 4 und die Franzosen auf ihrer Version 5 der CAD-Software bestanden und keiner bereit war mit der Version des Anderen zu arbeiten ?
Die Zeitschrift spekuliert nun, dass die Hamburger hausinterne Finanzabteilung von Airbus nicht bereit war, die Umschulungskosten für die Hamburger Entwicklungsingenieure zur Schulung auf die neue Software, Version 5 zu bezahlen und man deshalb auf die Lösung mit dem Übersetzungsprogramm gekommen ist.
Ergebnis : 5 000 000 000 Euro (5 Mrd Euro) Verlust für Airbus aufgrund der verspäteten Markteinführung, bzw Ablieferung der bestellten A 380
Übrigens:
EADS Defence and Security Division, also der Hauptlieferant für Bw-Rüstungsmaterial hat sich seit ca. 20. September umbenannt und heißt jetzt „CASSIDIAN“
CASSIDIAN
Man hört hier und an anderer Stelle (z.B. Griephan) immer wieder den Ruf danach, dass die Bw wieder mehr Kompetenz im Rüstungsprozess übernehmen soll. Nach meiner Auffassung ist dieser Zug vor einiger Zeit abgefahren. Die Kürzungen der letzten Jahrzehnte haben insbesondere im zivilen Bereich deutlich mehr zerstört als auf den ersten Blick sichtbar. Die Kapazität ist nicht nur anhand der reinen Zahlen geschrumpft, durch die andauernde personelle Unterbesetzung gemessen am Bedarf ging auch signifikant Struktur hinsichtlich der Weitergabe von Erfahrung und Wissen verloren. Noch immer ist der Wehrtechnische Beamtenapparat deutlich überaltert und das kontinuierliche Leben von der Hand im Mund hinsichtlich der der Relation Aufgaben und Kapazität verhindert dringend notwendige Freiräume für zielgerichtete Ausbildung und Erfahrungsweitergabe.
Lange Rede kurzer Sinn alles läuft weiter daraufhin hinaus, dass die Industrie noch mehr/früher in den Rüstungsprozess einbezogen wird. Ob der derzeitige Minister die Kraft hat bzw. lang genug dieses Amt bekleiden kann, um diesen Prozess zu durchbrechen werden wir sehen.
Die Umbenennung von EADS in CASSIDIAN ist in meinen Augen wirklich bemerkenswert. Dieser Konzern hat es wirklich verstanden, dass man in diesem Land mit einem Euro Investition ins Marketing ein Vielfaches im Engineering sparen kann. So gelingt es den Konzernverantwortlichen seit vielen Jahren trotz anhaltender Leistungsunterbietung im Geschäft zu bleiben. Und schließlich sind die unzähligen Interpretationen der ehemaligen 4 Buchstaben zum Teufel. Andererseits baue ich auf die Kreativität der Menschen und freue mich auf neue Interpretationen des Namens CASSIDIAN. Mit hätte CASSANDRA besser gefallen
Meine Herren, ich bin beeindruckt. Das war eine Riesenwatsche gegen die derzeitigen Verfahren :) Jetzt müssen Sie nur noch an Macht gelangen. ^^
Man muss auch sagen das EADS nach der A400M Blamage sich stark verändert und schon verändert hat. Es sind starke nationale Absetzbewegungen zu beobachten (auch von Deutschland). Die Bereitschaft Millarden ohne Gegenleistung zu verpulfern ist bei den europäischen Politikern inzwischen auch nicht mehr sehr groß. In Zukunft wird sich EADS solche Projekte wie A400M nicht mehr leisten können. Die Zukunft wird wahrscheinlich wieder mehr nationale Entwicklungen kennen. Womit man dann auch die EU Träumerei relativieren kann. Ich gleite schon wieder ab…;-)
EADS Mitarbeiter befürchten, dass auch ihre relativ gut dotierten Arbeitsverträge mit dieser Umbenennung langfristig gefährdet seien, insbesonders wenn die Rüstungsaufträge seitens der Bw weiter zurückgehen. Also mehr als nur ein Marketingschachzug, diese Umbenennung ? !
@georg
Art. 87b steht einem einheitlichen zivil-militärischen Rüstungs-/Nutzungsamt nicht entgegen. Jeder GG-Kommentar erklärt hierzu, dass einzig das Heraushalten der Länder Motiviation für 87b ist. Sonst hätten wir nach Art. 83 eine Bundeswehrverwaltung wie im Bauwesen. Wer denkt, dass es beim 87b um eine zivile Kontrolle geht, der irrt.
Der Kommentar zu Art. 87b steht einer Neuorganisation der Zuständigkeiten keinesfalls im Wege. Die Notwendigkeit dazu wurde hier bereits mehrfach erläutert.
Über die konkrete Umsetzung und Ausgestaltung einer Reform gibt es sicherlich verschiedene Ansichten. Auch die Parteien sind sich nicht ganz sicher, in welche Richtung sie bei diesem Thema marschieren sollen.
In Teilen der Parteien gibt es die Auffassung, dass der Art. 87b das Primat der Politik über die Streitkräfte sichert.
Darüber könnte man sicherlich vortrefflich streiten, wenn man den Inhalt der Kommentare zu Art. 87b GG gelesen hat.
Regelt der Markt schon was?
Es ist zwar wohl selten endgültig nachvollziehbar, wie die Entscheidungen tatsächlich fallen, aber die zeitliche Koinzidenz muss ja nicht rein zufällig sein, wenn EADS/Eurojet gerade jetzt ordentlich was auf die Nase bekommt im Exportgeschäft
http://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/exportmarkt-indien-deutsche-ruestungsindustrie-erleidet-schlappe;2675578
ich kann mir nicht so recht vorstellen, dass alles das, was hier zusammengetragen worden ist zum Thema, nicht auch bei den Beschaffern des Auslands bekannt ist. Und dabei geht es nicht nur um EADS sondern auch etwa um unser wunderbares Marinekartell mit seinen „Leistungen“ in Sachen F124 / K 130 und was sonst so anfällt (die meisten Diskutanten hier wissen da mehr als ich).
Wenn das aber jeder relevante Nachfrrager weiß, wie hoch soll man dann noch Exporte subventionieren, um überhaupt noch Umsatz zu generieren?
Hier schlägt die Subventions- in eine Korruptionsmenatlität um weil die deutschen Lieferranten wissen, dass sie völlig straffrei jeden Blödsinn und jede Gaunerei begehen dürfen, weil hinterher ausreichend Steuergelder bereit stehen. Wenn das lang genug geübt wurde (was wohl der Fall ist), wächst die Bereitschaft gleich völlig ungeniert direkt in den Topf zu packen und abzuräumen.
Als satirische Zuspitzung könnte ich mit vorstellen: Wir leisten uns aus industrie- und beschäftigungspolitischen Gründen weiter eine Rüstungsindustrie auf Modellbahnniveau (finanziert via Epl 14) und kaufen gleichzeitig das nötigste im Ausland zusammen.
@Jugendoffizier
n.h.M. wird das Primat der Politik durch die Budgethoheit des Parlaments (Art. 87a i.v.m. Art. 110 GG) gewahrt.
@ddd
Vielen Dank für Ihren Beitrag zum Primat der Politik.
Von meiner Seite wurde dies jedoch auch nicht in Frage gestellt.
Aber wenn Sie sich die Diskussionen ansehen, die um eine mögliche Aufwertung des Generalinspekteurs gegenüber den Inspekteuren der Teilstreitkräfte und wohlmöglich einer gleichsetzung mit den verbeamteten Staatssekretären angeht, dann kann man durchaus den Eindruck gewinnen, dass hier eine Angst vor der Aushöhlung des Primats der Politik umgeht.
By the way… wir verlieren den Bezug zur Rüstung…
@jugendoffizier
d’accord.
Der Schwenk: Muss Rüstung und Nutzung getrennt sein? Nein. Das zentrale Rüstungs-/Nutzungsamt wäre hier ein Meilenstein.
„Wäre“ jedoch nur. Frei nach Willy Wimmer (ehem. ParlSts beim BMVg): „der kalte Putsch der Militärs“