Italien denkt über Bomber für Afghanistan nach
Die Situation der Italiener in Afghanistan ist in gewisser Weise mit der der Deutschen vergleichbar: Wie die Bundeswehr sind auch die italienischen Truppen im Westen in einer Region eingesetzt, die zunächst als relativ ruhig galt – jedenfalls beim Blick auf die heftigen Kämpfe im Süden und Osten. Die italienischen Tornado-Kampfjets, Stationierungsort Herat im Regionalkommando West, hatten deshalb auch Einschränkungen und durften höchstens ihre Bordkanonen einsetzen, aber nicht Bomben abwerfen (da endet die Vergleichbarkeit – die deutschen Aufklärungstornados, die demnächst abgezogen werden, dürfen mit ihrer Bordkanone auch nicht die Truppen am Boden unterstützen, der Waffengebrauch ist ihnen schon im Mandat untersagt).
Jetzt denkt die italienische Regierung darüber nach, die Einschränkung aufzugeben. Jedenfalls kündigte Verteidigungsminister Ignazio La Russa an, die Zustimmung des Parlaments für den Einsatz von Bomben zu suchen. Bislang hätten die italienischen Truppen das nicht gedurft, um die Gefahr ziviler Opfer am Hindukusch zu vermeiden. Doch die zunehmende Gefährdung der eigenen Soldaten und immer mehr Gefechte mit Aufständischen führten zu einer Neubewertung der Situation.
Direkt vergleichbar mit der deutschen Situation ist das ja nicht. Aber die gegensätzlichen Konsequenzen sind schon auffällig: Italien erwägt die Beteiligung an Close Air Support. Deutschland entscheidet sich für den Abzug seiner Jets, wenn mehr nötig ist als Aufklärung.
Italienische Soldaten beim Counter-IED-Training in Herat
Da die Mandatsverlängerung ja ansteht, wird wohl nicht mal KT das Thema deutschen CAS angehen. Wäre zwar m.E. eine dringend notwendige Fähigkeit, weniger aus quantitativen denn aus qualitativen Gründen, wenn die Luftwaffe nicht völlig in der Bedeutungslosigkeit verschwinden will. Aber vor dem Hintergrund, dass Teile der SPD ja „nicht Krieg führen wollen“ und die Mandatsdiskussion ganz sicher zur Beschädigung des politischen Gegners genutzt werden soll, wird „Luftwaffe bleibt – andere Fähigkeiten“ wohl nicht auf der Tagesordnung stehen.
Die Diskussion dürfte wohl vor dem Hintergrund der 4 getöteten italienischen Soldaten zu sehen sein. Von daher ist hier die Parallele zur deutschen Situation wieder gegeben.
„Wenn du dich und den Feind kennst, brauchst du den Ausgang von hundert Schlachten nicht zu fürchten. Wenn du dich selbst kennst, doch nicht den Feind, wirst du für jeden Sieg, den du erringst, eine Niederlage erleiden. Wenn du weder den Feind noch dich selbst kennst, wirst du in jeder Schlacht unterliegen.“
Deutschland scheint weder sich, noch den Feind zu kennen.
Wieder einmal zeigt sich: Deutschland ist immer noch nicht erwachsen und handelt kindlich schizophren.
In kindlicher Naivität ist man der Meinung, man könne Afghanen seinen Willen aufzwingen, ohne Zwang auszuüben. Man rennt mit hehren Zielen in einen Bürgerkrieg und überfrachtet das Kriegsziel mit sicherheitspolitisch vollkommen nebensächlichen Dingen wie Gender- Politik und Mädchenschulen.
Man will es nicht dabei belassen, „nur“ sicherzustellen, dass von Afghanistan zukünftig keine Gefahr mehr für die Sicherheit von Deutschland und seinen Bündnispartnern ausgeht.
Dafür ist man dann aber nicht dazu bereit, für seine Kriegsziele zu kämpfen. Man beschließt ein Mandat, was den Einsatz zum scheitern verurteilt. Man stellt nicht die notwendige Truppenstärke und Ausrüstung. Bomber schon gar nicht.
Man will den Afghanen sogar in kulturimperialistischer Art und Weise z. B. mit Gender- Beauftragten_innen in Kabul auch ein den dortigen Gesellschaftsstrukturen konträr widersprechendes Lebensmodell aufzwingen. Man will sich also bis ins Schlafzimmer in die Lebensweise und Belange der Afghanen einmischen.
Die für eine solch enorme gesellschaftliche Transformation notwendigen Ressourcen stellt man dann aber auch nicht zur Verfügung.
Zu verdanken haben wir diesen Kulturimperialismus Politiker_innen wie Frau Heidemarie Wieczorek-Zeul, Claudia Roth, Joschka Fischer etc.
Aber auch Frau Merkel, Herr Jung und Herr zu Guttenberg müssen sich vorwerfen lassen, daran nichts geändert zu haben.
Die größte Leistung besteht darin, den Widerstand des Feindes ohne einen Kampf zu brechen.
Änderungen von Lebensverhältnissen müssen so vonstatten gehen, dass sie für die lokalen Machthaber akzeptabel sind und als Verbesserung gesehen werden. Ein Afghane muss sich also vorstellen können, mit den zukünftigen Verhältnissen leben zu können. Änderungen an Kultur und Lebensweise müssen also langsam und höchst behutsam vonstatten gehen.
Dadurch, dass insbesondere die Deutschen den Afghanen eine andere Lebensweise aufzwingen wollen, schaffen sie sich den Feind erst selbst. Die Taliban müssen doch für Aushebungen nur durch die Dörfer gehen und sagen: „Wenn die Ungläubigen siegen, bist du nicht mehr Herr im Haus, dann haben die Weiber das Sagen!“ Und schon wird der Familienpatriarch ein paar seiner nicht so gelungenen Söhne den Taliban als Rekruten übergeben.
Selbst wenn die Luftwaffe duerfte, haette sie keine geeigneten Wirkmittel. Kleinste Einheit 1000lbs waere wohl meistens over-kill.
@Ash
Zitat: „Da die Mandatsverlängerung ja ansteht, wird wohl nicht mal KT das Thema deutschen CAS angehen.“
Vielleicht gehen ja AM oder GW das Thema Luftnahunterstützung (CAS) an, wenn das VM nicht handelt. Möglicherweise frühestens der BK bzw. VM einer neuen BR, vorausgesetzt der BT gibt seine Zustimmung. ;-))
@dallisfaction
Die Embraer EMB 314 Super Tucano / ALX wäre eine geeignete und preiswerte Lösung zur Luftnahunterstützung (nicht nur in Afghanistan).
http://media.defenseindustrydaily.com/images/AIR_AT-27_Super_Tucano_lg.jpg
Italien hat für die Luftnahunterstützung sechs Alenia Aermacchi M-346 „Master“ bestellt.
http://www.revistaaerea.com/wp-content/uploads/2009/05/m-346_15.jpg
Es mangelt ja nicht am Fluggerät. CAS kann der Tornado schon. Es mangelt an geeigneten Bomben. GBU-24 ist für Afghanistan eben too much. Und was anderes lasergelenktes gibt es meines Wissens nicht.
Ich lasse mich jedoch gerne korregieren.
Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegenteil. Ich lese gerade die Bundeswehr hat 2008 500lbs GBU-54 (JDAM) beschafft.
Mein Argument zieht also nicht….
@ Sun Tzu
Bei vielen Punkten ihrer oben angestellten Argumentation stimme ich zu, aber:
Zitat:
In kindlicher Naivität ist man der Meinung, man könne Afghanen seinen Willen aufzwingen, ohne Zwang auszuüben.
Zitatende
Können wir mit Zwang den Afghanen unseren Willen aufzwängen, ohne dass man einen Krieg gegen die Bevölkerung führt, die wir ja schützen wollen ?
Die Amerikaner hatten 7 Jahre lang überhaupt keine „Beißhemmung“. Sie haben bombardiert, Kollateralschäden verursacht, falsche Ziele, sprich „Hochzeitsfeiern“ bekämpft usw. Was war der Erfolg ?
Die Nato hat jede Menge Geld in den Krieg gepumpt, einen korrupten afghanischen Präsidenten finanziert, Warlords an die Macht gebracht, bzw kooperiert mit ihnen zum Machterhalt und den Kampf gegen die Aufständischen.
Die Nato und die Amerikaner sind verbündet mit Paktistan, die nachweislich die Taliban seit 2001 massiv unterstützt haben und noch laufend unterstützen. Wenn man Ahmed Rashid glauben darf, haben die Amerikaner 2001 im Norden von AFG sogar einem Waffenstillstand zugestimmt, so dass Pakistan über 1000 Agenten und Talibanführer nach dem Zusammenbruch ausfliegen durfte, damit sie von der siegreichen Nordallianz nicht aufgerieben wurden.
Was hat all dies bisher gebracht ?
Meiner Meinung nach wenig. Ob mit 500 Pfund-Bombe, mit Bordkanonen, mit Bodentruppen oder mit Entwicklungshilfe. Dieser Krieg ist meiner Meinung nach nicht zu gewinnen, weil
1. Die Afghanen nicht das Kämpfen aufhören werden, bis der letzte ausländische Soldat das Land verlassen hat
2. Die Kriegsökonomie mittlerweile durch eine Drogenökonmie abgelöst wurde, so dass der Krieg auch für die momentanen Machthaber eingestellt werden kann
3. Das Land sowieso über ausländische Geldzahlungen gesteuert werden kann, da es die letzten 100 Jahre von ausländischen Geld gelebt hat und alleine nicht lebensfähig ist.
Vielleicht sollte man die Drohnenstrategie auch auf Afghanistan ausweiten. Auf erkannte Gegner Feuer frei !
Ansonsten wie die Chinesen. Eine Kupfermiene für 4 Mrd $ kaufen, sie erschließen und ausbeuten ohne sich in die innerafghanischen Angelegenheiten einzumischen.
Ob diese Strategie aufgehen würde weis ich nicht, die jetzige Strategie ist aber meiner Meinung ziemlich ausgereizt und vermutlich zum Scheitern verurteilt.
Ist das auf dem Photo ein ungepanzerter Geländewagen mit Planenverdeck?
@ Georg
Zitat: „Können wir mit Zwang den Afghanen unseren Willen aufzwängen, “
Ja.
Zitat: „ohne dass man einen Krieg gegen die Bevölkerung führt, die wir ja schützen wollen ?“
Jein. Schließlich sind auch die Taliban Teil der afghanischen Bevölkerung.
Wir müssen uns fragen, was sinnvolle Kriegsziele sind und was in unserem sicherheitspolitischen Interesse liegt.
Die Vermeidung von Terrorismus und Schaffung einer öffentlichen Ordnung, die zukünftig selbstständig gegen sicherheitspolitische Gefahren vorgehen kann, ist sicherlich richtig.
Ob nun Frauenrechte, Mädchenschulen, Abschaffung des Schariarechts in Afghanistan und Gender- Mainstreaming für unsere sicherheitspolitischen Interessen von Bedeutung sind, wage ich zu bezweifeln.
Taliban müssen ja für Aushebungen nur durch die Dörfer ziehen und dem Familienpatriarch sagen „Wenn die Ungläubigen gewinnen, haben bald die Weiber das Sagen!“ und schon wird er ein paar seiner Söhne als Rekruten an die Taliban geben.
Das liegt nicht in unserem sicherheitspolitischen Interesse. Mit z. B. unverheirateten kinderlosen Gender- Aktivistinnen bringen wir Afghanen gegen uns auf. Das sollten wir uns sparen, solange es an elementaren Dingen wie Sicherheit, Infrastruktur, gesellschaftlicher Stabilität etc. mangelt.
Es ist die Politik, die dies beschlossen hat. Politiker_innen wie Heidemarie Wieczorek-Zeul und Claudia Roth haben bewirkt, dass sich das Engagement in Afghanistan nicht darauf beschränkt, für die Zukunft Gefahren für unsere Sicherheit zu verhindern, sondern dass man dort eine gesellschaftliche Transformation mit Gender- Beauftragten usw. vornehmen wollte.
In seiner gesellschaftlichen Eingriffstiefe war das, was 2002-2003 aus Deutschland politisch vorgegeben wurden, wesentlich tiefgreifender, als der durch Alliierte betriebene gesellschaftliche Umbau in Deutschland nach 1945.
Wie so oft ist deutsche Bundespolitik hier als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet.
2007 hatte ISAF 27.000 Soldaten im Land.
Heute sind es etwa 140.000.
Mit 27.000 Soldaten kann man allenfalls ein paar böse Buben jagen. Ansonsten ist das Symbolismus.
Wenn man Afghanistan effektiv befrieden will, braucht man ca. eine halbe Millionen Sicherheitskräfte. Mit etwa 150.000 bis 200.000 internationalen Profis und 300.000 ausgebildeten und bezahlten Einheimischen könnte man also etwas bewirken.
Für einen gesellschaftlichen Umbau mit Gender- Mainstreaming und sonstigen Wunschvorstellen, kann man beim Personalbedarf noch ein bis zwei Nullen dranhängen.
Nur diese einigermaßen realistische Strategie wird erst seit etwa einem Jahr gefahren. Man hat sich schon von manch sicherheitspolitisch überflüssigem Ballast getrennt, schleppt aber immer noch so einiges mit.
Billige Polemik kann darüber auch nicht hinwegtäuschen. Denn die Erfahrungen des Krieges zeigen nun mal:
– Wer Krieg führt, macht dabei Fehler. Das ist zwar tragisch und sollte tunlichst vermieden werden, passiert aber nun mal. Wer sich wegen einer fälschlicherweise bombardierten Hochzeitsgesellschaft demoralisieren lässt, sollte sich lieber gleich dem Feind unterwerfen.
– Krieg ist teurer. Noch teurer ist allerdings, wenn man in den Krieg zieht, ohne die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Dies sehen wir gerade.
– Nicht in den Krieg zu ziehen, könnte durchaus die Kosten des Krieges noch bei weitem überschreiten (Stell Dir vor es kommt Krieg und keiner geht hin – dann kommt der Krieg zu euch! Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt, und läßt andere kämpfen für seine Sache, der muss sich vorsehen: Denn wer den Kampf nicht geteilt hat, der wird teilen die Niederlage. Nicht einmal Kampf vermeidet wer den Kampf vermeiden will: Denn er wird kämpfen für die Sache des Feindes, wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat!)
– Auch die Afghanen werden sich einer starken dominanten ISAF unterordnen. Denn die Mehrheit der Afghanen arrangiert sich mit dem, der das Sagen hat und das auch durchsetzen kann. In der Vergangenheit war die ISAF mangels ausreichender Truppen machtlos. Das ändert sich gerade. Das Weglassen sicherheitspolitisch überflüssiger Eingriffe in individuelle Lebensverhältnisse macht es dabei den Afghanen wesentlich leichter, sich den neuen Machtverhältnissen unterzuordnen.
– Das Thema Drogen ist eine Folge der bisherigen Machtlosigkeit der ISAF. Weil man schwach war, legte man sich nicht auch noch mit profanen Drogenbauern an. Mit Islamisten hatte man schon genug zu tun. Das ändert sich gerade. Die Politik in Deutschland tut sich ja immer noch schwer damit, zu erkennen, dass der Standpunkt „Dogenbekämpfung ist Sache der Afghanen“ nicht nachhaltig ist. Denn offenbar ist die Vermeidung von Drogenanbau doch im sicherheitspolitischen Interesse der ISAF-Staaten.
Man kann sich auf den Standpunkt stellen, dass man eigene Werte wie Ethik, Moral und Menschenrechte über Bord wirft, Afghanistan zum Barbarenreich erklärt, regelmäßig Strafexpeditionen per Drohne o.ä. unternimmt und ansonsten hofft, dass einem sonst aus dem Failed State niemand ans Bein pinkelt. Meine Werte sind das nicht.
Bei Somalia hat man zudem gesehen: Diese Strategie funktioniert in einer globalisierten Welt nicht. Man schafft sich damit nur zusätzliche Terroristen und kriminelle, die dann z. B. die Seefahrt unsicher machen.
@Rado
Genau. Allerdings fand das Training im gesicherten Bereich am Rande des Flughafens statt…
@ Sun Tzu
Schöne Analyse, die ich teile. Wir lassen uns immer alles madig machen, nörgeln ohne Verbesserungsvorschläge herum, suchen das Haar in der Suppe und sind auch noch froh, wenn wir es gefunden haben. Insgesamt kommen wir m.E. jedoch langsam zumindest mit Teilen in der realen Welt an. Irgendwo habe ich heute einen Kommentar gelesen, dass DEU schon deswegen einen ständigen Sitz in den VN brauche, um endlich mal aus der Provinzialität deutscher Politik(er) heraus zu kommen. I hope so…
@Stefan
„Italien hat für die Luftnahunterstützung sechs Alenia Aermacchi M-346 “Master” bestellt.“
Das ist ein hauptsächlich ein Jet-Trainer. Eine leicht-bewaffnete Variante (ala Alpha Jet) ist vorstellbar, aber insgesamt das Projekt noch in der Entwicklung.
Was hier bisher noch nicht erwähnt wurde:
Italien hat (oder hatte?) in Afghanistan AMX Bodenkampfflugzeuge stationiert:
http://en.wikipedia.org/wiki/AMX_International_AMX