Train as you fight?

Die große Leistungsschau des Deutschen Heeres, die Informationslehrübung (ILÜ, jährlich wechselnd zwischen Munster/Bergen – Nord – und Hammelburg – Süd) läuft derzeit auf den Truppenübungsplätzen Munster und Bergen. Zum Ablauf gibt es Sonderseiten bei deutschesheer.de. (am kommenden Donnerstag wird sich Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg die Lehrübung (teilweise) anschauen Auch Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hatte einen Besuch geplant, den aber aus Termingründen abgesagt.)

Augen geradeaus! war am (gestrigen) Montag in Munster und vor allem auch beim (interessanteren) zweiten Teil der ILÜ Nord 2010, der Gefechtsübung mit scharfem Schuss in Bergen. Neben den Fotos die Dinge, die mir aufgefallen sind:

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Die Panzerhaubitze 2000 im – wie die rote Flagge anzeigt – scharfen Schuss

1. Ein Grundsatz von Streitkräften, die in scharfen Einsätzen sind, lautet: Train as you fight – übe auch so, wie du kämpfst. Dazu ist das Deutsche Heer derzeit nicht wirklich in der Lage – weil das Material dafür fehlt: Bei beiden Vorführungen sah ich gerade mal einen – älteren – Dingo, keinen Wolf MSA, kein Fahrzeug vom Typ Eagle IV. Die wenigen, die es im Inland gibt, werden alle für die einsatzvorbereitende Ausbildung gebraucht und können nicht für die gut zwei Wochen der ILÜ (incl. Vorübung und Generalprobe) aus dieser Ausbildung herausgezogen werden. Auch der Bewegliche Arzttrupp (BAT) auf dem Transportpanzer Fuchs, der an der Tribüne in Munster vorbeirollte, war ein nicht für den Afghanistan-Einsatz geeignetes Modell, zudem, im Unterschied zur Einsatzrealität, unbewaffnet. Ein Sanitäts-Fuchs mit Lafette war nicht verfügbar.

2. Afghanistan, Afghanistan, Afghanistan. Der derzeit wichtigste Einsatz der Bundeswehr prägt die Wahrnehmung. Wenn es irgendwie ging, wurde darauf verwiesen, dass sich Gerät in der Mission am Hindukusch bewährt habe – sei es die Panzerhaubitze 2000, sei es die Rakete Milan (in Afghanistan wird diese Waffe ebenfalls mit großem Erfolg gegen Schützengruppen eingesetzt), ja selbst der Spürfuchs der ABC-Abwehrtruppe (obwohl mir nicht ganz klar ist, was der in Afghanistan macht) oder der Pionierpanzer Dachs (In Afghanistan kann er auch eingesetzt werden, um Lehmmauern einzureissen). Der ISAF-Einsatz ist die Benchmark des Heeres, so scheint es.

3. Was (noch) nicht in Afghanistan im Einsatz ist, wird gerne als wünschenswert oder nötig gesehen. Wie der Kampfpanzer Leopard, dessen scharfe Schüsse auf eine für Afghanistan typische Lehmmauer demonstriert wurden. Und Leos waren genug da.

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Oder, natürlich, der Kampfhubschrauber Tiger.

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Tiger über dem Truppenübungsplatz Munster

Überhaupt, der Tiger. Darauf wartet die Truppe sehnsüchtig (wenn ich das richtig mitbekommen habe, war die Ansage in Munster, dass 2012 mit dem Einsatz des Helikopters (des deutschen Modells, die Franzosen fliegen ihren anders ausgelegten Tiger bereits in Kandahar) am Hindukusch gerechnet wird.

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Kampfhubschrauber Tiger, Schützenpanzer Marder: Warten auf den scharfen Schuss

Nach diesem ILÜ-Besuch bin ich da noch ein bisschen skeptischer. Nicht nur, weil sowohl über Munster als auch über Bergen nur ein Exemplar des Tiger kreiste (dessen farblich andere Tail Number klar machte, dass das Gerät noch nicht der Truppe gehört).

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Sondern auch, weil bei der Übung mit scharfem Schuss alles auf eben diesen scharfen Schuss einer HOT-Rakete vom Tiger wartete – der dann, so die Ansage, aus Sicherheitsgründen nicht stattfand. Das hätte mich dann nicht gewundert, wenn ich nicht schon vorher gehört hätte, dass der Kampfhubschrauber bei der Generalprobe am vergangenen Freitag tatsächlich scharf geschossen hat. Die Diskrepanz hat mir keiner so richtig erklären können…

4. Es wird wieder gekämpft bei der ILÜ. Panzer- und Panzergrenadierkompanien treten zum Angriff an. Das Heer sagt selbstbewusst, dass es zwar auch friedensunterstützende Maßnahmen leisten kann, aber das Gefecht der verbundenen Waffen beherrscht (ein Begriff, der lange nicht so im Vordergrund stand). Und bereitet seine Soldaten auf die breite Spanne zwischen dem hochintensiven Gefecht und der Stabilisierung danach vor.

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Panzergrenadiere beim Wechsel der Kampfweise: Absitzen vom Schützenpanzer Marder für den Häuserkampf

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Panzergrenadiere nehmen das „Heidedorf“

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Treffer der 20-Millimeter-Maschinenkanone des Schützenpanzers Marder

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Die Feldjäger fahren zur Stabilisierungsoperation im „Heidedorf“ vor

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Verwundeten-Evakuierung (MedEvac) mit der Bell UH1-D

Für die betagten Leichten Transporthubschrauber des Typs Bell UH 1-D scheint es übrigens noch genügend Flugstunden zu geben, davon machte das Heer bei seiner Leistungsschau ausgiebig Gebrauch. Wenn auch neben dem Tiger als künftige Heeres-Helikopter zwei Exemplare des NH-90 einschwebten…

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Allerdings bin ich mir nicht so ganz sicher, ob der als Demonstrations-MedEvac-Heli eingesetzte NH-90 tatsächlich auch die MedEvac-Ausstattung an Bord hatte. Schließlich war auch das Rote Kreuz am Rumpf erkennbar nur schnell ans Fenster geklebt worden…
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Ach ja, die schon aufgeworfene Frage nach den Gewehren, G3 oder G36: Alles, was ich erkennen konnte, waren G36. Aber da in Bergen scharf geschossen wurde, kam ich natürlich nicht so nah ran wie bei der Vorübung. Wo es ziemlich viel G3 gab, wie man auf diesem Bundeswehrbild sehen kann.