Privat-Marine gegen somalische Piraten
Die Piratenangriffe am Horn von Afrika beunruhigen naturgemäß nicht nur die Seeleute, Reedereien und staatlichen Institutionen – sondern vor allem die Versicherungsunternehmen. Deshalb überrascht die heutige Meldung der britischen Zeitung The Independent auch nur zum Teil: Versicherungsunternehmen mit Sitz in London – im Klartext: die entscheidenden Versicherungsunternehmen der weltweiten Schifffahrt – planen eine Privat-Marine zum Einsatz gegen die Piraten vor der Küste Somalias: Insurance firms plan private navy to take on Somali pirates
Die Details klingen martialisch: 20 Schnellboote, bewaffnete Spezialisten an Bord, sollen entlang den Schifffahrtsrouten patrouillieren und den Handelsschiffen Geleitschutz geben. Also eigentlich das, was auch Aufgabe der Kriegsschiffe aus etlichen Ländern ist, die derzeit in der Region unterwegs sind.
Zwar gibt es schon Reedereien, die private, bewaffnete Wachmannschaften an Bord haben, die Piratenangriffe abwehren sollen. Aber gleich eine kleine Flotte mit 20 Booten?
Neben der Frage, wie die Kosten aufgebracht werden (der Independent spricht von zehn Millionen britischen Pfund), wird natürlich die rechtliche Einordnung einer solchen Privat-Marine und die Kooperation mit den verschiedenen Seestreitkräften ein ganz großes Problem. Denn schon jetzt ist die Koordinierung der Einsatzgruppen von Europäischer Union, NATO, der US-geführten Operation Enduring Freedom, Chinas, Russlands, Indiens, Thailands nicht ganz so einfach.Und ich habe ja begründete Zweifel, ob es wie in den alten Tagen des britischen Empires einfach reicht, wenn die Unternehmen aus der Londoner City sich mit dem Foreign and Commonwealth Office, dem britischen Außenministerium, einig werden…
Sailors aboard the French Navy ship La Somme direct a high-powered light towards a small craft off the Somali coast April 20, 2010, after a pirate attack during the night. The French command and supply ship was attacked by two small and rapid craft some 300 kilometres from the Somali coast and after a pursuit, arrested six men thought to be the pirates. Picture taken April 20, 2010. REUTERS/Marine Nationale/Handout via picapp
Einige der stärksten Militärmächte der Welt schaffen es seit Jahren nicht, eine Handvoll leicht bewaffneter Banden zu vernichten und demonstrieren statt dessen ihre Impotenz, indem sie unter unverhältnismäßigem finanziellen Aufwand und Ineffektivität sicherstellenden absurden rechtlichen Auflagen Schiffe im indischen Ozean umherkreuzen lassen. Da erstaunt es nicht, dass die Betroffenen sich nach Alternativen umschauen. Allerdings mögen private Dienstleister zwar das Risiko für einzelne Schiffe reduzieren, aber die Quelle des Problems an Land können sie nicht lösen. Sie haben daran naturgemäß auch kein geschäftliches Interesse.
Erstens das und zweitens ist es ohnehin ein Unding, dass Unternehmen, also Privatpersonen, in dieser Form Söldner engagieren dürfen, auch wenn das auch an anderen Orten passiert. Das ist in diesem Fall ja ein privater, maritimer Gefechtsverband. Wenn Regierungen das machen, ist das eine Sache. Aber in diesem Fall wird es ja ganz deutlich, dass hier am Gewaltenmonopol der Staaten vorbei gehandelt wird.
Wie oben schon angedeutet: Söldner an Bord der Handelsschiffe ist ja eine Sache. Aber mit eigenen Booten krieg ich damit irgendwie ein Problem, vor allem, weil sie in Diensten von Privatpersonen handeln.
@Niklas
Ein wie auch immer geartetes „Gewaltmonopol des Staates“ scheint vor der Küste Somalias nicht zu existieren. In internationalen Gewässern würde dieses zudem ohnehin nicht gelten.
Der Einsatz von Sicherheitsdienstleistern (die im genannten Beispiel nicht die rechtliche Definition von „Söldnern“ erfüllen) ist Folge und nicht Ursache der Probleme im Indischen Ozean und wäre prinzipiell so unproblematisch wie es z.B. die Bewachung von Kasernen durch solche Dienstleister innerhalb Deutschlands ist, und auch die Koordination mit staatlichen Kräften funktioniert andernorts und sollte kein Problem darstellen.
@ S.W.
Achtung! Nicht falsch verstehen. Es geht mir nicht um die Sicherheitsdienstleister, sondern um die, die sie konsultieren. Wenn meinetwegen die BRD einen solchen „SDL“ engagiert, auch mit eigenen Booten, habe ich damit kein Problem. Aber wenn eine Versicherung solche anheuert, mit eigenen Booten, dann finde ich das nicht so prickelnd.
Es ist für mich wiederrum etwas anderes, wenn die Kräfte nur auf den Handelsschiffen mitfahren.
Ob die Armour Group im Irak Konvois bewacht, oder ob Executive Outcomes in Sierra Leone offensive Kampfeinsätze durchführt stellt für mich auf jeden Fall einen Unterschied dar. Ob das jetzt mit dem obigen Fall vergleichbar ist, sei mal dahingestellt. Aber es besteht immer die Gefahr, dass hier Interessen von Unternehmen zu schlecht kontrollierbaren Privatoperationen führen.
Ich weiß, es ist nur der Spiegel.
http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,720136,00.html
@Niklas
Wie Sie bereits schrieben: Die Quelle ist „nur der Spiegel“, den insbesondere in seiner Online-Version Qualitätsprobleme plagen. In diesem Fall hat die Journalistin überlesen, dass die Dienstleister „escorts and fast-response vessels“ stellen wollen und somit weder „Söldner“ sind (weil es nicht um eine militärische Dienstleistung geht) , noch in einer Grauzone des Völkerrechts handeln. Das sollte alles auf Grundlage von Notwehr und Nothilfe machbar sein.
Wenn im Artikel trotzdem Völkerrechtler mit Aussagen über „bis an die Zähne bewaffnete Söldnerschiffe“ zitiert werden, so dürfte dies m.E. damit zu tun haben, dass die Journalistin das Gespräch entsprechend gesteuert hat. Offenbar wurde dem Völkerrechtler eine andere Situation geschildert als die, um die es im Independent-Artikel geht. Manche Journalisten arbeiten leider so und wissen, wie sie die Aussagen provozieren können, die sie für ihre Story brauchen.
Typisch Spiegel sind auch Sätze wie dieser: „Kritiker monieren zwar, dadurch könnte die Gewalt weiter eskalieren.“ Welche Kritiker haben dies auf welcher Grundlage geäußert? Oder hat der Spiegel hier wieder etwas nachgeholfen, damit die Meldung besser in das Klischee „Großkonzerne eskalieren Gewalt durch Söldnereinsatz gegen Opfer der Globalisierung“ passt?
Ich hab den Artikel nicht gepostet um meine eigene Aussage zu untermauern. Das wäre ja dumm, da ich selber oft genug über den Spiegel stöhne.
Sondern nur, um einfach noch was in die Diskussion mit einzuwerfen, weil ich zufällig drauf gestoßen bin, damit Sie sich dran abarbeiten können :)
Und ja, mit Sicherheit hat der Spiegel einen, sagen wir mal, „redaktionellen Konsens“, was von gewissen Dingen zu halten ist. Das scheint ja überall so zu sein.
Vielleicht wäre ein Jurist so nett und würde mich mal erleuchten, wie sich diese Situation jetzt rechtlich darstellt. Ich wiederhole. Eine Versicherung engagiert einen privaten Sicherheitsdienstleister, der eigene, bewaffnete Boote zum Schutz von Handelsschiffen in internationalen Gewässern stellen soll.
Solche privaten Bemühungen werden meiner Meinung nach zunehmen. Der Markt und das Geld dafür sind da.
Die Abwesenheit von Staatlichkeit in bestimmten Regionen wird diesen Trend beflügeln. Es gibt also in bestimmten Gegenden gar kein staatliches Gewaltmonopol das unterlaufen werden kann.
Im übrigen denke ich, daß die Lage schon eskaliert ist und nicht noch weiter eskalieren kann. Die Europäer sollten sich überlegen, wie sie sich am Horn von Afrika durchsetzen wollen.