„Als Militärs entwickeln wir bloß die Strategie“
Das gehört noch zur Petraeus-Interview-Offensive für Deutschland: Mit dem heutigen 2. Teil des Gesprächs ist das Interview in der Bild-Zeitung offensichtlich komplett (den 1. Teil siehe hier).
Dabei ist der ISAF-Kommandeur einerseits so zurückhaltend, wie es einem Soldaten gegenüber dem Primat der Politik zukommt (Als Militärs entwickeln wir bloß die Strategie. Dann ist es an den Politikern, die nötigen Mittel bereitzustellen), andererseits doch mit einem nicht zu unterschätzenden Selbstbewusstsein ausgestattet. Auf die Frage Verteidigungsminister Guttenberg ist in Deutschland zurzeit sehr beliebt. Was ist Ihr Eindruck von ihm? antwortet der US-General, ob beabsichtigt oder nicht, mit dem Selbstbewusstsein eines der mächtigsten Militärs der Welt: Wir haben uns leider noch nicht getroffen, weil sein Flugzeug kaputt ging, als er auf dem Weg zu mir war.
General David Petraeus, commander of ISAF and U.S. forces in Afghanistan gestures before the arrival of the president of the German lower house of parliament Norbert Lammert at the ISAF headquarters in Kabul, August 29, 2010. Lammert visits German Bundeswehr armed forces troops with the International Security Assistance Force (ISAF) in Afghanistan. REUTERS/Fabrizio Bensch via picapp
Ich mag da ja ziemlich allein dastehen, aber ich mag ihn nicht…mehr noch, ich misstraue ihm zutiefst.
@ Mike
Ich denke, in diesem Zusammenhang sollte man ein paar Dinge betonen, an denen deutsche Medien gern vorbeischauen.
1. Amerikanische Offiziere erfahren eine hoch qualifizierte Ausbildung, von der das deutsche Offizierskorps nur träumen kann – es sei denn, man erringt einen der wenigen Plätze z. B. in Fort Leavenworth o.ä., wie z.B. GI Wieker für seinen Generalstabslehrgang. Eine deutsche Ausbildungseinrichtung, die mit dem C&GSC vergleichbar sein könnte, ist mir nicht bekannt.
2. US- Generäle wie Petraeus haben wesentlich mehr Entscheidungsvollmachten innerhalb eines politisch vorgegebenen Korridors, als ein deutscher Verteidigungsminister. Das liegt zum einen an der sicherheitspolitischen Bedeutungslosigkeit Deutschlands, zum anderen schlicht an finanziellen Mitteln und den damit verbunden Möglichkeiten. Der Seitenhieb auf den kaputten Flieger ist dann nur Ausdruck dieser Überheblichkeit, die sich US-Offiziere aber nun mal leisten können, wenn sie das jämmerliche deutsche Fluggerät sehen.
3. US-Generäle sind es gewohnt, mit führenden Politikern zu verhandeln. Einige behaupten auf Augenhöhe, andere sagen, dass kaum ein Gesprächspartner die machtpolitische Augenhöhe eines US-Generals erreicht. Das gilt möglicherweise auch für deutsche Bundesminister.
4. Dass die Präsentation derartiger Fakten dieser Welt auf den gutmenschlichen deutschen Michel etwas verstörend wirken und nicht unbedingt Sympathien hervorrufen, kann durchaus sein. Niemand bekommt gern gezeigt, wer Koch und wer Kellner ist, wenn man selbst es geradeso zum Tellerwäscher gebracht hat…
Mit etwas selbstkritischer Lagebeurteilung wäre Deutschland schnell befähigt, seine eigene sicherheitspolitische Zwergenhaftigkeit zu erkennen und würde z. B. nicht dauernd von einem ständigen Sitz im UN- Sicherheitsrat faseln, wie das die Fehlbesetzungen an der Spitze des Außenministeriums und Kanzleramts gern tun.
Herr Wiegold schreibt:
„Dabei ist der ISAF-Kommandeur einerseits so zurückhaltend, wie es einem Soldaten gegenüber dem Primat der Politik zukommt (Als Militärs entwickeln wir bloß die Strategie. Dann ist es an den Politikern, die nötigen Mittel bereitzustellen),“
Das ist aber nicht das „Primat der Politik“ die Mittel bereitzustellen die das Militär für seine Strategie braucht.
Die große Vorgabe, der strategische Auftrag muss aus der Politik kommen. Das Militär kann dann melden was es seiner Meinung nach braucht um den Auftrag wie umzusetzen.
Die Politik genehmigt die gewünschten Mittel oder eben nicht. Der Auftrag ist unabhängig davon durchzuführen.
Hier zeigt sich die Gefahr eines Petraeus der meint (und es schafft) die U.S. Regierung unter Obama über den Tisch ziehen zu müssen. Der Mann ist eine Gefahr für die Demokratie.
@b
Öhm ich widerspreche !
In meiner Welt hat die Politik dem Militär den Auftrag ISAF erteilt.
Das diese dann die Strategie und benötigten Mittel fordern entspricht dem was General Petraeus sagt ;-)
@b
„Die große Vorgabe, der strategische Auftrag muss aus der Politik kommen. …Der Mann ist eine Gefahr für die Demokratie.“
Sie mögen offenbar schnelle und radikale Urteile, auch auf sehr begrenzter Informationsgrundlage. Mit dieser Einstellung könnten Sie glatt Kommandeur PRT Kunduz werden ;-)
Im Ernst: Ich habe die Erfahrung gemacht, dass starke Emotionen in solchen Dingen kontraproduktiv sind. Die Betroffenen nehmen zuweilen Dinge nur noch stark selektiv war und treffen dann Fehlentscheidungen.
Im Text steht nicht, dass das Militär den politischen Auftrag definieren sollte, sondern nur, dass das Militär im Idealfall den Poltiikern erklärt, wie diese ihre militärischen Ideen in die Praxis umsetzen können. Politiker, die diesen Rat nicht einholen, denken sich so etwas wie ISAF aus.
Oder sitzen im Bundestag / der Bunesregierung :-)
@Sun Tzu
Zu Nr. 1: Da muss ich Ihnen mit aller Entschiedenheit widersprechen! Die Ausbildung, die amerikanische (Heeres)Offiziere erhalten, ist – zumindets auf das CGSC (Command and General Staff Collage in Ft. Leavenworth, Kansas) bezogen – nicht „hochqualifiziert“. Darüber hinaus ist dies auch keine Generalstabsausbildung (trotz des Namens der Schule)- sowas, wie die deutsche Generalstabsausbildung kennen die amerikanischen Streitkräfte nicht (der SAMS-Lehrgang – School for Advanced Military Studies, auch in Leavenworth, soll diese Lücke schließen – dies kann ich aber nicht beurteilen). Das CGSC soll jeden amerikanischen Stabsoffizier dazu befähigen, in Stäben verschiedener Ebenen, zu arbeiten. Richtig ist, dass der Lehrgang 10 Monate dauert. Das ist, verglichen mit dem deutschen Stabsoffizierlehrgang, lang. Das liegt aber nicht in der hohen Qualität der Ausbildung, sondern u.a. daran, dass kaum ein amerikanischer Offizier akademisch gebildet ist und somit auch grundlegende Qualifikationen unterrichtet und beigebracht werden müssen. Nahezu jeder deutsche Offizier besitzt ein Hochschulstudium. Vergleichbar mit einer deutschen Ausbildungseinrichtung ist dies in der Tat nicht, da die Führungsakademie – zuständig u.a. für die Stabsoffizier- und Generalstabsausbildung – streitkräftegemeinsam ist und nicht heeresspezifisch wie das CGSC.
@b
Ihre Aussagen zum Thema „strategische Vorgaben der Politik“ sind unzutreffend! Das Verhältnis zwischen politischer und militärischer Führung stellt sich folgendermaßen dar:
Der Inhaber der Befehls-und Kommandogewalt (IBuK) als politische Führung erteilt den Streitkräften Einsatzaufträge.
Die militärstrategische Führung leitet aus den politischen Vorgaben militärstrategische Konzepte ab und koordiniert die Einsätze so, das die politischen Vorgaben erfüllt werden. Dazu gehören u. a. das Festlegen der militärstrategischen Absicht und Ziele.
Dass, wie Sie behaupten, die Politik die gewünschten Mittel genehmigt oder eben nicht, „der Auftrag aber unabhängig davon durchzuführen“ ist, kann kein ernstgemeinter Beitrag sein.
Und dass Petraeus eine „Gefahr für die Demokratie“ sei, ist ja wohl ein Witz! Eine Gefahr für die Demokratie besteht darin, dass sich unfähige Politiker leichtfertig in Kriege begeben, aber nichts von Kriegsführung verstehen. Wenn sich der Afghanistankonflikt nun bereits fast 10 Jahre dahinschleppt, dann deshalb, weil die Politik die notwendigen Mittel verweigert hat und teilweise weiter verweigert. Soldaten als „Demokratiegefährder“ hinzustellen, die unter diesen schwierigen politischen Rahmenbedingungen versuchen, ihren Job zu machen, ist unanständig.
Zu den obigen Kritiken an meiner Petraeus Kritik verweise ich auf den heutigen Bericht der Washington Post der das neue Buch von Bob Woodward (der Watergateskandal Aufdecker) beschreibt: Bob Woodward book details Obama battles with advisers over exit plan for Afghan war
Bereits der erste Satz macht klar das meine Einschätzung von Petraeus&Co als „Gefahr für die Demokratie“ durchaus zutriff.
Hier hat sich das U.S. Militär, die Pentagon Mafia, eindeutig nicht an das „Primat der Politik“ gehalten und strenggenommen Befehle verweigert.
Petraeus will anscheinend den ewigen Krieg den das Volk und die Politik gerade nicht wollen. Ich kann nur hoffen das er damit nicht durchkommt.
@b
„Frustrated with his military commanders for consistently offering only options that required significantly more troops…“
Wer die verantwortlichen Militärvertreter dafür kritisiert müsste zumindest erklären, wo er Möglichkeiten sieht, die politisch vorgegebenen Ziele mit weniger Kräften umzusetzen.
Sie unterstellen Gehorsamsverweigerung. Tatsächlich hätte ein Verstoß gegen soldatische Pflichten dann vorgelegen, wenn man auf Seiten der Streitkräfte wider besseren Wissens behauptet hätte, dass die Ziele der Politik mit weniger Soldaten umsetzbar gewesen wären. Gefälligkeitsbehauptungen dieser Art zeichneten u.a. die Führung der US-Streitkräfte vor dem Beginn der Irak-Intervention aus, und Sie wissen genau, wohin das geführt hat. „Primat der Politik“ bedeutet nicht, Illusionen von Politikern durch Falschmeldungen zu stützen.
Angesichts der bei einigen hier durchscheinenden Bewunderung für Petraeus sollte man vielleicht doch festhalten, dass dessen große Klappe inzwischen nur noch auf der Finanzierung durch das Ausland, in erster Chinas beruht. Wenn die Herren Chinesen ab der nächsten Woche aufhören sollten, ihre Kauforders für die laufenden Auktionen von US-Staatstiteln zu platzieren, dauert es allenfalls ein paar Monate, bis sich Petraeus wünschen würde, auch nur Guttenbergs kaputte Maschine zur Verfügung zu haben. Wer sich einfach mal einen Eindruck vom Tempo und Volumina des Geldpumpens zu verschaffen will, sollte sich einfach in den Kalender bei Bloomberg klicken und anschauen wie da Woche für Woche mehrmals zweistellige Milliardenbeträge aufgenommen werden.
@S.W.
Die politische Vorgabe an das Militär war es „Exit“ Pläne für Afghanistan vorzulegen. Das hat das Militär nicht gemacht.
Wenn die Politik einen Plan für Auftrag A verlangt wird aber das Miliär ausschließlich Pläne für Auftrag B vorlegt dann ist das Insubordination.
Leider hat Obama nicht den Willen gehabt das unter Kontrolle zu bringen. Er hätte Gates, Mullen und Petreaus feuern sollen.
Die neuen „Woodward-Enthüllungen“ zeigen doch nur folgendes: Die Obama-Strategie, die für Afghanistan Truppenverstärkungen mit einem Abzugstermin vorsah, war Ausgangspunkt eines politischen Streits in der Spitzenadministration des Weißen Hauses. Dabei vertrat der Afghanistan-Beauftragte des US-Präsidenten, R.Holbrooke, die Auffassung, Obamas Plan“ kann nicht funktionieren“. Der Plan entsprach nicht der sicherheitspolitischen Analyse, sondern war mit Blick auf die in den nächsten Jahren in den USA anstehenden Wahlen eher innenpolitisch motiviert. Die Verquickung innenpolitischer Ziele mit der zukünftigen Militärstrategie für Afghanistan haben auch die US-Militärs nicht widerspruchslos hingenommen. Nicht umsonst sind bereist zwei ISAF-Oberbefehlshaber abgelöst. Anders als in der deutschen Politik scheinen es amerikanische Militärs nicht widerspruchslos hinzunehmen, wenn Politiker auf Kosten der im Krieg stehenden Soldaten innenpolitische Vorteile im Machtgeschacher der Parteien erlangen wollen. Dass dadurch die amerikanische Demokratie gefährdet worden sein soll, ist schlichtweg Humbug. Die Demokratie wird vielmehr dadurch gefährdet, dass inkompetente Politiker, die um ihre Pfründe fürchten, nicht mehr sachgerecht, sondern überwiegend parteipolitisch entscheiden.
@b
Obama hat die Vorgaben bzgl. der Existrategie in den Rahmen der bisherigen Strategie gestellt: „This needs to be a plan about how we’re going to hand it off and get out of Afghanistan…“. Das impliziert doch eindeutig, dass Aufbau afg. Sicherheitskräfte, Kontrolle von Räumen etc. fortgesetzt werden sollen. Können Sie mir sagen, wie dass ohne zusätzliche Kräfte funktionieren soll? Dass Obama an diesen kaum noch zu realisierenden Zielen festhält, kann man wohl kaum den Streitkräften zum Vorwurf machen.