Kundus-Luftangriff: Kein Disziplinarverfahren, keine Gegenüberstellung
Fast ein Jahr nach dem Luftangriff bei Kundus sind heute zwei wichtige Entscheidungen zur Aufarbeitung des tödlichen Luftschlags bekannt geworden: Dem damaligen deutschen Kommandeur des PRT Kundus, Oberst Georg Klein, wird kein Dienstvergehen vorgeworfen. Und der Bundesgerichtshof hat den Antrag der Oppositionsfraktionen im Bundestag abgelehnt, im so genannten Kundus-Untersuchungsausschuss eine Gegenüberstellung des Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg und der von ihm entlassenen Spitzenleute Wolfgang Schneiderhan, damals Generalinspekteur, und Peter Wichert, damals Staatssekretär, anzuordnen.
(Oberst Georg Klein in Kundus – Foto Andrea Bienert/Bundeswehr)
Mit der Aufarbeitung des Geschehens am 4. September 2009 bei Kundus selbst haben diese Entscheidungen nur mittelbar zu tun: Bei Klein ging es nicht um eine straf- oder gar völkerrechtliche Frage, sondern allein darum, ob seine Entscheidung zur Bombardierung der beiden Tanklaster mit den Einsatzregeln und den ISAF-Bestimmungen vereinbar war. Und die BGH-Entscheidung ist noch weiter vom Geschehen an der Flussschleife bei Kundus entfernt – hier wollten SPD, Grüne und Linkspartei den Widerspruch zwischen den Minister-Aussagen und den Aussagen von Wichert und Schneiderhan darüber klären, wann an einem Nachmittag im November 2009 welche Aussagen zu Akten über eben diesen Luftschlag gefallen sind. Also eine ziemliche Meta-Ebene.
Damit scheint allerdings das Thema der juristischen Aufarbeitung entzogen: Die Bundesanwaltschaft hatte schon im April keinen Anlass für ein Ermittlungsverfahren gegen Klein wegen eines möglichen Verstoßes gegen das Völkerstrafrecht gesehen. Die Angehörigen der Opfer erhielten Unterstützungsleistungen von der Bundeswehr. Ein Disziplinarverfahren gegen Klein gibt es nicht, selbst die Gegenüberstellung im Ausschuss findet nicht statt. Bleibt nur der Untersuchungsausschuss (zu dem sich ja der Verteidigungsausschuss des Bundestages erklärt hat). Aber wie viel Interesse wird der noch finden?
Die Kampagne gegen Oberst Klein ist noch nicht vorbei. Der Aktivist und Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck will Klein offenbar weiterhin mit juristischen Mitteln unter Druck setzen.
Kein Disziplinarverfahren, keine Gegenüberstellung und alles bleibt schön in der Dunkelheit. Ganz wie ich es erwartet habe. Man hätte ja feststellen können, dass Klein korrekt gehandelt hat (wovon ich persönlich ausgehe) und die Verantwortlichen einige Etagen höher zu finden sind. Nur so erklärt sich für mich eine solche Entscheidung. Dies wirft kein gutes Licht auf unseren Rechtsstaat.
@Stefan
Ich vermute: Guttenberg war damals unter öffentlichem Druck eingeknickt und hatte seine ursprüngliche Bewertung des Luftangriffs als militärisch angemessen ohne nähere Begründung revidiert und die Verantwortung u.a. auf Schneiderhan abzuladen versucht. Bei einer Gegenüberstellung würde er wohl in schwerste Erklärungsnot geraten.
Ich glaube zu Guttenberg ist der beste Verteidigungsminister der nach Helmut Schmidt dieses Amt bekleidet. Ich wünsche ihm viel Erfolg und das er aus der BW eine richtige zeitgemäße Armee macht.
Was den Oberst Klein angeht, ist die Sache vernünftigerweise wohl gelaufen. In Sachen Untersuchungsausschuss würde mich allerdings wundern, wenn das nicht doch noch vor das BVerfG geht. Denn wenn einer Minderheit im Untersuchungsausschuss so leicht der Weg verbaut werden kann, sind diese Veranstaltungen endgültig völlig überflüssig, weil sich die Regierungsfraktionen auch ganz formal selbst kontrollieren. Auf die Ergebnisse muss dann niemand mehr gespannt sein. Dann haben wir wieder Korruption wie zu Kaisers Zeiten.
@Stefan
Ich halte auch viel von Guttenberg, aber bei der Neubewertung der Luftangriffe hat er m.E. einen Fehler gemacht.
Guttenberg bringt (gerade in Richtung Armeeumbau) einige gute Ideen und er zeigt auch mehr Interesse an der Materie als so mancher Vorgänger. Aber man darf vor Fehlern trotzdem nicht die Augen verschließen. Mir kam es immer so vor, als wäre in einem (in der Politik auch üblichen) nervösen Hektikzustand zur einfachsten Lösung gekommen ->Den schwarzen Peter weiterschieben.
Egal wieviel positives er nochals Verteidigungsminister leistet, dass wird immer an seinem Schuh hängen. Das er nun so „locker“ aus der Sache rauskommt zeigt eigentlich nur, dass die palamentarischen Kontrollgremien unnötig Zeit und Geld verbrauchen. Rauskommen tut ja selten was, sowohl zur Verteidigung als auch zur Belastung der am Fall beteiligten.
@Stefan,
ich kann mich Ihrer Guttenberg-Bewertung aus zwei Gründen nicht anschließen. Erstens hat er die Änderung seiner Bewertung des Luftschlages inzwischen begründet. Nachzulesen im WebBlog des MdB Arnold. Demnach hat er vor dem Untersuchungsausschuss auf die Frage, welche Handlungsalternativen er denn anstelle von Klein bevorzugt hätte, geantwortet: „Nichts tun und abwarten.“ Dies zeigt, dass der Minister ein guter Politiker sein mag, dass er aber keine Kommandeur-Eigenschaften besitzt. Alleine schon die Fürsorgeverpflichtung eines Kommandeurs hätte den Entschluss, „Nichts tun und abwarten“, nicht gerechtfertigt. Dass sich zu Guttenberg damals dem politischen Druck gebeugt hat, kann man verstehen, ist aber objektiv als Schwäche anzusehen. Zweitens hat er lobenswerterweise das Lügengebäude von Herrn Jung zum Einsturz gebracht und den Konflikt in Afghanistan als „kriegsähnlich“ bezeichnet. Aber er keine auf den Krieg ausgerichteten Folgerungen aus seiner Neubewertung gezogen. Stattdessen hat er auf innenpolitischem Druck hin Kampf-Einschränkungen(caveats) zugelassen, die den Soldaten eine zusätzliche Gefährdung aufbürden, die Bündnissolidarität verletzen und dem Ansehen der deutschen Streitkräfte in Afghanistan schaden.
Den Kommentar zum aktuellen Stand des Falles in den Medien finde ich sehr passend – manchmal kommt auch was gutes von dieser politischen Seite -:
http://aussen-sicherheitspolitik.de/?p=2999