Bundeswehr stellt Ausbildung von Peshmerga im Nordirak vorläufig ein (m. Nachtrag)

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Angesichts der unklaren politischen und vor allem militärischen Lage in den Kurdengebieten des Nord-Iraks hat die Bundeswehr ihre Ausbildungsunterstützung für die kurdischen Peshmerga-Kämpfer vorerst eingestellt. Bereits am vergangenen Freitag habe Generalinspekteur Volker Wieker eine entsprechende Anweisung erlassen, teilte der stellvertretende Generalinspekteur Vizeadmiral Joachim Rühle am (heutigen) Montag den verteidigungspolitischen Obleuten der Bundestagsfraktionen mit.

Aus Rühles Schreiben:

Nach wie vor sind die Meldungen aus der Region teilweise widersprüchlich und nur bedingt überprüfbar.

Vor dieser insgesamt unklaren Lage hat der Generalinspekteur der Bundeswehr am 13. Oktober 2017 entschieden, die Ausbildung für die kurdischen Peschmerga im Rahmen der Ausbildungsunterstützung Nord-Irak zunächst ruhen zu lassen. Die Bundesregierung verfolgt die Lage vor Ort weiter intensiv und im engen Kontakt mit unseren internationalen Partnern. Alle Seiten sind dazu aufgerufen, eine weitere Es- kalation der Lage zu verhindern.

Derzeit gibt es keine Veränderung der Sicherheits- und Bedrohungslage für das deutsche Kontingent. Die Sicherheit der deutschen Soldatinnen und Soldaten im Nord-Irak ist unverändert gewährleistet und genießt höchste Priorität.

Zwischen der irakischen Zentralregierung in Bagdad und den Kurden, die über eine teilweise Autonomie innerhalb des Irak verfügen, gibt es seit einem Referendum für eine Unabhängigkeit der Kurden zunehmend Spannungen. Am Montag übernahmen irakische Sicherheitskräfte und mit ihnen verbündete schiitische Milizen die Kontrolle über die kurdisch geprägte Stadt Kirkuk, die allerdings außerhalb der eigentlichen kurdischen Autonomieregion liegt. Die Berichte über Auseinandersetzungen dabei sind widersprüchlich.

Der Bundestag hatte die Ausbildungsmission zuletzt im Januar dieses Jahres verlängert. Zusammen mit Ausbildern anderer europäischen Nationen sind dort im Rahmen der internationalen Anti-ISIS-Koalition rund 150 deutsche Soldaten im Einsatz.

Nachtrag 18. Oktober: Die Ausbildungsmission bleibt ausgesetzt, das Mandat soll aber verlängert werden – dazu in der Bundespressekonferenz am 18. Oktober der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Jens Flosdorff, und Regierungssprecher Steffen Seibert:

Frage: Ich frage zu einem Konflikt, der sich zumindest mit der Verlängerung des Militäreinsatzes im Irak ergibt.

Die Bundeswehr hat, wenn ich das richtig sehe, die Ausbildung der Peschmerga zunächst eingestellt. Bedeutet das zum einen, dass man sagt: Wir wollen nicht länger beide Seiten des Konflikts, die Zentralregierung und die Peschmerga, ausrüsten, die dann in Kirkuk oder anderswo gegeneinanderstehen?

Gibt es zum Zweiten irgendwelche Anzeichen dafür, dass in diesem irakischen Konflikt auch deutsche Waffen eingesetzt worden sind?

Flosdorff: Um mit der zweiten Frage zu beginnen: Dazu haben wir keine Erkenntnisse.

Die Ausbildung ist vor dem Hintergrund, dass es zunächst widersprüchliche Meldungen über das Geschehen im Raum Kirkuk gab, ausgesetzt worden. Wir hatten das Thema auch am letzten Freitag in der Bundespressekonferenz. Freitags findet keine Ausbildung statt. Samstags fand auch keine Ausbildung statt. Es ging um die Entscheidung, ob man für diese Woche, solange sich die Lage nicht geklärt hat, die Ausbildung wieder aufnimmt. Es wurde die Entscheidung getroffen, temporär auszusetzen, bis man weitersieht.

Deutschland hat immer klargemacht, dass es bei aller Unterstützung – es sind bei Weitem nicht nur Waffen und Ausrüstungsgegenstände, mit denen Deutschland im Irak unterstützt – immer auch darum geht, die Einheit des Iraks zu erhalten und dass explizit Waffen und Munition, die geliefert wurden, ausschließlich für den Kampf gegen den IS gedacht und so zu verwenden sind. Das ist uns wiederholt und immer wieder versichert worden, und wir haben auch keine Anhaltspunkte dafür, dass wir daran zweifeln müssen.

Ganz wichtig ist es, dass die beiden Parteien jetzt aufeinander zugehen, dass es wieder zu Gesprächen kommt. Wir werden die Lage von Tag zu Tag analysieren und in ganz enger Abstimmung mit den Verbündeten – wir sind ja nicht alleine dort, sondern befinden uns in der breiten Koalition Counter-Daesh – das weitere Vorgehen immer wieder abwägen und dann entscheiden, wie es weitergeht.

StS Seibert: Ich darf kurz noch etwas zu dem hinzufügen, was Herr Flosdorff gerade richtig gesagt hat. Ich denke, man sollte, wenn man jetzt über die vorläufige oder temporäre Aussetzung dieser Ausbildung spricht, nicht vergessen, dass dieses deutsche Engagement vor Ort einen sehr wichtigen Beitrag zum erfolgreichen Kampf gegen den sogenannten IS geleistet hat.

Zusatzfrage: Sehe ich es also richtig, dass die temporäre Aussetzung noch andauert? Sie hatten ja gesagt, sie dauere zunächst über das Wochenende. Sie dauert noch an, und es wird sozusagen praktisch täglich oder mehrmals wöchentlich geprüft, ob und unter welchen Bedingungen man sie wiederaufnehmen kann? Richtig?

Flosdorff: Ja, das ist völlig richtig. Es gilt, was ich dazu gesagt habe. Wie Herr Seibert jetzt auch sagte: Im Irak sind Tausende ausgebildet worden, nicht nur Peschmerga, sondern auch andere Sicherheitskräfte.

Ich möchte auch noch einmal – mir kommt das in der Presseberichterstattung ein bisschen zu kurz – daran erinnern, unter welchen Umständen damals die Unterstützung aufgenommen worden ist. Da war im Jahr 2014 der drohende Völkermord an den Jesiden, der Vormarsch des IS, der IS stand kurz vor Bagdad. Den Peschmerga ist es auch dank der deutschen Ausrüstung und Ausbildung gelungen, den Vormarsch des IS aufzuhalten, nicht nur die eigene Bevölkerung, ungefähr 5 Millionen Menschen im Nordirak, zu schützen, sondern auch ungefähr 1,5 Flüchtlingen vor dem IS Schutz und Obdach zu bieten. Das ist eine große Leistung, die wir auch jetzt nicht vergessen sollten. Deswegen noch einmal der Appell an beide Seiten im Irak, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, auf friedlichem Wege zu schlichten und einen Ausgleich aller Interessen zu finden.

Adebahr: Ich darf kurz einhaken. Die Position, die wir deutlich gemacht haben, hat der Bundesaußenminister auch in einem Telefonat mit dem Premierminister Haider al-Abadi nochmals zum Ausdruck gebracht und deutlich gemacht, dass Eskalation alle Seiten schwächt, dass man jetzt dazu kommen muss, diese Fragen im Dialog miteinander zu lösen, und dass es aus unserer Sicht keine militärische Lösung für innerirakische Spannungen gibt. Insoweit ist unsere Kommunikation sehr klar und sehr deutlich.

(Archivbild März 2016: Peschmerga üben taktische Zeichen in der Kaserne in Bnslawa/Erbil – Bundeswehr/Andrea Bienert)