Dokumentation Bundespressekonferenz: EuroHawk/Triton, ISIS, Afghanistan, Ukraine, MEADS

Zur Dokumentation und zum (späteren) Nachlesen: Die Aussagen in der Bundespressekonferenz vom 13. Oktober zu den Themen EuroHawk/Triton, Kampf gegen ISIS, Situation in Afghanistan und ISAF-Nachfolgemission Resolute Support, Bundeswehreinsatz für die OSZE in der Ost-Ukraine und Beschaffung Taktisches Luftverteidigungssystem/MEADS. (Ich hoffe, die Textlänge zerschiesst nicht das Layout; ggf. muss ich das noch teilen.)

Es sprechen: Regierungssprecher Steffen Seibert, BMVg-Sprecher Jens Flosdorff und Außenamtssprecher Martin Schäfer.

EuroHawk/Triton

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff, und zwar zu dem, was meine Kollegen vom Blatt in der neuen Ausgabe schreiben. Können Sie mir erklären, womit eigentlich begründet wird, dass das „Euro-Hawk“-Nachfolgersystem „Triton“, vom dem ja angedacht wird, es anzuschaffen, nun sozusagen auch einer Geheimhaltung unterliegt? Wird die Ministerin, die ja angekündigt hat, mit diesen Vorgängen transparenter umzugehen, auch gegenüber dem Parlament mit dem Fall dieser Drohne transparenter umgehen, als es bislang nach Untersuchungen der KPMG der Fall gewesen ist?

Flosdorff: Ich danke Ihnen für die Frage. Das gibt mir Gelegenheit, hier auch schon gleich eine falsche Annahme klarzustellen: Diese Vorgänge sind nicht mehr als „Geheim“ eingestuft. Dieser Geheimhaltung ist vor der Veröffentlichung des Gutachtens aufgehoben worden. Wenn dem nicht so wäre, dann würde das jetzt auch gar nicht in dem Gutachten stehen. Insofern gibt es doch eine etwas widersprüchliche Berichterstattung. Es wird aus einem Gutachten zitiert, und darin stehen natürlich die ganzen Hinweise. Die Dokumentation ist so, dass die Abgeordneten diese sämtlichen Unterlagen und Zugänge nach der jetzigen Einstufung „Vertraulich“ beziehungsweise „Nur für den Dienstgebrauch“ einsehen dürfen. Es gab da also keine Probleme mit der Transparenz.

Jetzt stellt sich die Frage: Ist es in irgendeiner Form problematisch gewesen, dass Unterlagen zum Thema der „Euro-Hawk“-Nachfolge, auf die Sie hier anspielen, einmal als „Geheim“ eingestuft waren? Die externen Gutachter hatten zu jeder Zeit Zugang zu allen Informationen zum Thema „Euro Hawk“. Wenn Sie Anmerkungen der Gutachter aus dem vertraulichen Bericht zitieren, die monieren, dass es die Einstufung „Geheim“ gab, dann kann man, wenn er Ihnen vorliegt, auf Seite 1146 ff. genau nachlesen, dass sie den organisatorischen Aufwand, der ihnen durch diese Einstufung „Geheim“ aufgebürdet wurde, monieren. Sie rügen also, dass sie das nur in bestimmten Geheimzimmern einsehen durften. Sie rügen zum Beispiel, dass sie das nicht kopieren konnten, dass man das nicht vervielfältigen kann, dass man das nicht vermailen kann und dass man nur auf bestimmten Rechnern Zugriff darauf hat. Das ist klar, aber dadurch wird der Inhalt der Unterlagen jetzt nicht irgendwie verfälscht. Der Vorgang ist nach wie vor klar nachvollziehbar, und alle Informationen liegen vor. Das haben die Gutachter im Übrigen auch gar nicht in Abrede gestellt. Sie haben auch gesagt: Ihnen ist kein Problem in Bezug darauf bekannt, dass sie Hinweise darauf hätten, dass Ihnen irgendwelche Informationen nicht vorliegen oder nicht mehr zugänglich gemacht worden seien. Hierbei geht es also um eine organisatorische Frage.

Die Gutachter haben sich diesem Thema „Euro Hawk“ im Monat August gewidmet. Sie haben die Unterlagen gewälzt, mussten dann an drei unterschiedlichen Standorten – in Berlin, in Bonn und in Koblenz – wegen der Einstufung als „Geheim“ Einsicht nehmen und haben das sozusagen als für ihre Arbeit hinderlich empfunden. Als das in der Besprechung Anfang September gemeldet wurde, ist sofort von der zuständigen Staatssekretärin in Auftrag gegeben worden, dass man doch bitte noch einmal überprüfen möge, ob die Geheimeinstufung notwendig ist. Der Auftrag ist am 8. September ergangen. In der Folge ist diese Einstufung aufgehoben worden, und das Ergebnis sehen Sie: Es ist alles in dem Gutachten enthalten.

Wenn ich es gerade bei dieser Gelegenheit noch einmal sagen darf, ist in diesem Zusammenhang auch der Vorwurf der Aktenvernichtung erhoben worden. Gestatten Sie mir bitte den kleinen Exkurs an dieser Stelle: Es ist Usus, dass alle, die mit dem Geheimschutz befasst sind, wissen, dass mit einer Einstufung auch Aktenvernichtung einhergeht. Das ist aber nicht so zu verstehen, dass der Vorgang an sich und die ganze Dokumentation des Ursprungsvorgangs irgendwie vernichtet werden würden, sondern es geht um die ganzen Vervielfältigungen und Parallelvorgänge. Wenn 20 Leute damit befasst sind, dann kommt das Ursprungsdokument sozusagen in den Safe, und die anderen Vervielfältigungen werden eingesammelt und vernichtet. Es werden die Dateien auf frei zugänglichen Rechnern, die nicht geschützt sind, gelöscht, und alles kommt auf einen speziellen Rechner, der speziell geschützt ist. Das ist ein ganz normaler Routinevorgang, wie er jedes Jahr und in jedem Ministerium, das mit solchen Vorgängen befasst ist, vieltausendfach vorgenommen wird. Das ist an sich nichts irgendwie Skandalisierungsfähiges.

In diesem Bereich muss man dazu sagen, dass sich die Gutachter die Informationen angeschaut haben und keinen Anhaltspunkt dafür gefunden haben, dass irgendetwas verloren gegangen sein könnte. Es gibt klare Regeln dafür, wie man mit einer solchen Aktenvernichtung bei einer nachträglichen Einstufung umgeht. Es gibt keine Bezugsdokumente, die fehlen, und es gibt keine Beschwer in dieser Hinsicht. Insofern kann ich nicht nachvollziehen, inwiefern der Vorwurf der Vertuschung oder der mangelnden Transparenz hier aufrechterhalten werden kann.

Im Übrigen: Wenn das als „Geheim“ eingestuft ist, dann haben auch Parlamentarier jederzeit mit den damit verbundenen Restriktionen die Möglichkeit der Einsicht in solche Unterlagen. Die gehen zu einer Geheimschutzstelle, die es auch im Bundestag gibt, und können dann Einsicht in die Unterlagen nehmen. Auch da gibt es also kein Minus bei der Transparenz, lediglich bei der Handhabbarkeit. Man kann das halt nicht per Post verschicken, man kann es nicht mit einem Kurier ins Parlament schicken und der Parlamentarier kann das nicht mit nach Hause nehmen, aber die Information an sich ist für die Parlamentarier transparent vorhanden.

Um also noch einmal das Resümee zu ziehen: Es hat hier auf unterer Ebene eine Einstufung als „Geheim“ gegeben, noch im vergangenen Jahr. Als das durch die Gutachter im Zuge der Erarbeitung des Gutachtens sozusagen als ein Problem – ich sage einmal: als ein organisatorisches Problem – publik gemacht wurde, ist sofort eine Überprüfung dessen angeordnet worden, ob man das noch einmal überprüfen kann. Die Stelle, die das einstuft, ist die Herausgeberstelle, also auf unterer Ebene. Die hat das noch einmal überprüft und gesagt: Ja, aus heutiger Sicht ist das, was da gelaufen ist, nicht unbedingt als „Geheim“ einzustufen; wir können das herunterstufen. Die Folge war, dass wir das genauso im Gutachten transportieren konnten.

Zusatzfrage: In dem Exzerpt – diesen 50 Seiten, die den Journalisten in der letzten Woche, glaube ich, zur Verfügung gestellt wurden – ist ja von diesen Vorgängen überhaupt keine Rede gewesen. Hätte man da nicht im Rahmen einer Transparenzoffensive, wie sie Frau von der Leyen ja nun angekündigt hatte, zumindest einmal darauf hinweisen können, dass es durchaus Probleme bei der Abstufung von „Geheim“ auf „Nur für den Dienstgebrauch“ gegeben hat? Warum haben Sie das nicht mit einem einzigen Wort erwähnt? Warum taucht das sozusagen nur in dem 1.500 Seiten umfassenden KPMG-Gutachten auf, wie Sie es hier ja auch beschrieben haben?

Flosdorff: Es gibt zwei Gründe: Auch die Zusammenfassung, das Exzerpt des Gutachtens, ist durch KPMG erstellt worden. Das ist kein Exzerpt des Ministeriums. Wir haben eigene Papiere dazu, wie wir diesen Bericht bewerten. Auch diese Zusammenfassung ist ein Teil des Werkvertrags, dessen Einhaltung vonseiten der KPMG geschuldet war.

Noch einmal: Die Gutachter haben nur etwas moniert. Die haben Ihre Ergebnisse, Fehler und Handlungsempfehlungen für die Zukunft in dem Gutachten definiert. Die sind teilweise auch in dem Exzerpt als „beispielhaft“ oder „nicht beispielhaft“ enthalten. Das sind 1.500 Seiten. Das Exzerpt hat ungefähr 50 Seiten. Es ist klar, dass darin nicht alles enthalten ist. Für das Ergebnis ihrer Recherchen und für die Validität ihrer Urteile hat diese Geheimeinstufung auch nach den eigenen Angaben der Gutachter gar keine Folgen gehabt. Vielmehr ist es nur bezüglich der Dokumentation ihrer Entscheidungen, die in der Langfassung des Gutachtens enthalten ist, für sie organisatorisch schwierig gewesen, dass man immer wieder auf Bezugsdokumente Bezug nehmen muss, die als „Geheim“ eingestuft worden sind. Die Urteile, die in dem Exzerpt enthalten sind, sind davon also nicht betroffen. Das wird der Grund dafür gewesen sein, dass das jetzt auch nicht extra im Gutachten erwähnt wurde.

Noch einmal zu dem Zeitpunkt, zum 6. Oktober: Als das Gutachten veröffentlicht wurde, und daran wurde ja auch bis in die letzten Tage gearbeitet, war das Problem gar nicht mehr vorhanden. Die Einstufung war da schon längst zurückgenommen worden.

Zusatzfrage: Noch eine Nachfrage: Ist es ein Ausdruck von Vertrauen, wenn man neues Vertrauen in einem Bereich schaffen will – das Verteidigungsministerium mit den Rüstungsvorhaben ist ja nun einmal bekanntermaßen ein solcher Bereich -, in dem immer, sage ich einmal, versteckte, kleine Minen lagern? Jeder Minister hat damit so seine Erfahrung gemacht, und Ihre Ministerin machte diese Erfahrung nun auch. Wäre es dann nicht angemessen gewesen, darauf hinzuweisen, dass in der Vergangenheit und auch bei der Erstellung des Gutachtens durch KPMG den Prüfern aufgefallen ist, dass bestimmte Vorhaben als „Geheim“ eingestuft worden sind? Wie aus dem Gutachten hervorgeht, wurden sogar noch zehn Tage, wenn ich das richtig im Kopf habe, nachdem die Ministerin ihr Amt angetreten hat und vereidigt wurde, noch Dinge von unterer Ebene als „Geheim“ eingestuft. Wie gehen Sie denn jetzt im Ministerium mit diesen Vorgängen um? Wird noch einmal der Appell ausgesprochen, künftig anders damit umzugehen? Was ist also die Schlussfolgerung der Ministerin, was die Einstufung bestimmter Rüstungsprojekte im Ministerium als „Geheim“ angeht?

Flosdorff: Noch einmal: Grundsätzlich ist es so, dass der Verfasser und Herausgeber eines Dokuments, also derjenige, der ein Dokument verfasst – das ist üblicherweise die untere Ebene -, selbst einschätzt, wie das eingestuft wird und eingestuft werden soll. So etwas passiert jeden Tag mehrere hundert Male im Ministerium. In dem Fall, wo so etwas irgendwie öffentlich und zum Problem wird – also erst einmal nicht öffentlich, sondern erst einmal zum Problem -, und das war erst im August der Fall, als die Gutachter – – – Es hat sich ja keiner auf Fachebene vorher darüber beschwert und gesagt: Wir können mit den Unterlagen nicht umgehen, weil die als „Geheim“ eingestuft sind. Das war nämlich erst im August der Fall. Als sich die Gutachter mit dem Thema „Euro Hawk“ befasst haben, haben die das nach oben befördert. Es wurde gesagt: Ja, okay, das schauen wir uns nochmal an. – Wir haben den Auftrag der zuständigen Staatssekretärin bekommen, als sie das erste Mal davon gehört hatte. Am selben Tag wurde der Auftrag ausgelöst, wieder gegenüber der unteren Ebene, die für die Einstufung zuständig ist: Schaut euch das noch mal an. Muss das wirklich so eingestuft sein? Dann ist das noch einmal überprüft worden und zurückgenommen worden.

Man kann bei jedem Verfasser eines jeden Papiers, das im Ministerium verfasst wird, darauf vertrauen, dass die Einstufung erst einmal richtig vorgenommen wird. Es gibt keine Hinweise darauf, dass so etwas in dem gesamten Bereich generell Usus ist. Das ist hier ein sensibler Bereich. Der Rüstungsbereich ist einfach sensibel, der ganze Verteidigungsbereich ist sensibel. Da gibt es sehr, sehr viele Einstufungen.

Noch einmal: „Geheim“ ist nicht die höchste Einstufung, sondern das ist die dritte von vier Einstufungen oberhalb eines frei zugänglichen Dokuments. Wenn das der Fall ist, kann man sich das anschauen, wenn es moniert wird, wenn es auffällt. Man sollte sorgfältig damit umgehen. Es gibt im Ministerium Geheimschutzbeauftragte, die es auch in allen nachgeordneten Behörden gibt. Es ist die Aufgabe dieser Behörden, darauf zu achten, dass mit diesen Einstufungen und Instrumenten ordentlich umgegangen wird.

Entschuldigen Sie, wenn ich penetrant werde: Auch wenn es eingestuft ist, heißt das nicht, dass die zur Kontrolle befugten Parlamentarier nicht Einsicht nehmen können. Das können sie – ob das ein frei zugänglicher Zettel, ein vertraulicher Zettel, „Vertraulich“, „Nur für den Dienstgebrauch“ oder „Geheim“ ist; nur mit unterschiedlichen Auflagen.

Frage: Herr Flosdorff, da haben Sie mir, wenn ich ehrlich bin, gerade die perfekte Überleitung gebaut. Am 17. Januar gab es eine schriftliche Frage des Abgeordneten Tobias Lindner, beantwortet am 29. Januar 2014 durch Herrn Grübel, welche Nachfolgesysteme bei „Euro Hawk“ als ISIS-Träger infrage kommen. In der Antwort taucht nichts zum Thema „Triton“ auf, in gar keiner Art und Weise. Herr Lindner ist ja zum Beispiel Haushälter, und das wäre ja genau einer der kontrollierenden Parlamentarier. Wenn Sie ihm nicht mitteilen, dass dort überhaupt etwas geprüft wird, wie soll er denn dann prüfen? Es gibt auch keinen Verweis darauf, dass es eben einen geheim gehaltenen Vorgang in dem Segment gäbe, den er natürlich dann auch in der Geheimschutzstelle einsehen müsste. Wie erklären Sie das?

Flosdorff: Soweit ich das verstehe, geht es hier nicht um einen Vorgang „Triton“, sondern hier geht es um einen Vorgang Nachfolge „Euro Hawk“. Das ist nicht inhaltsgleich; ich komme gleich zur Auflösung, warum nicht.

Sie erinnern sich alle noch an die Debatten des letzten Jahres. Da gab es die Situation, dass der „Euro Hawk“, das Trägermodell, als nicht serienzulassungsreif verworfen wurde. Man hat gesagt: Wir möchten das Beobachtungssystem ISIS, das darin enthalten ist, für die Zukunft bewahren. Das heißt, es stellt sich im Anschluss sofort die Frage, welche anderen Trägersysteme – das war eine offene Prüfung – dafür infrage kommen. Dafür sind damals, auch im Januar, Vorstellungen entwickelt worden, und zwar noch unter dem ehemaligen Rüstungsstaatsekretär und einem anderen ehemaligen Abteilungsleiter.

Sie erinnern sich vielleicht auch, dass im Februar das Rüstungsboard stattfand, in dessen Zuge man sich auch mit dem Thema befasst hat. Dann ist die Zuständigkeit übergegangen und dieser Bereich ist kommissarisch durch den Generalinspekteur weitergeführt worden. Ich weiß nicht, ob Sie bei dem Hintergrundgespräch dabei waren, wo er gesagt hat: Ich bin an einem Punkt, wo wir unterschiedliche – ich glaube, es gab vier unterschiedliche Modelle, die geprüft werden, unter anderem bemannte und unbemannte Systeme, die als neue Trägersysteme infrage kommen – Systeme ins Auge nehmen. Er ist zu der zweiten Erkenntnis gelangt, dass auch ISIS nicht enderprobt ist. Der Praxistest ist noch nicht erwiesen und muss weiter bestimmt werden. Das ist ein laufender Vorgang.

Es ist nicht so, dass der Status Januar mit dem Status heute vergleichbar ist. Man nimmt natürlich in dem Moment, wo der Generalinspekteur zu dem Schluss kommt „In Passagierflugzeuge kann man das vielleicht einbauen, aber gleichzeitig sehe ich die Nachteile: Das Ding fliegt nicht so hoch, wie man sich das ursprünglich für dieses Beobachtungssystem ISIS vorgestellt hatte, es kann auch nicht so lange in der Luft stehen wie vielleicht eine Drohne. Vielleicht müssen wir noch einmal andere Varianten mit in den Blick nehmen“ – – –

Zusatzfrage: Wann konkret gab es die ersten Überlegungen zu „Triton“ und wann wurde das sozusagen bei Ihnen im Hause dann in diesen geheim gehaltenen Vorgang mit klassizifiert?

Flosdorff: Ich kann Ihnen nicht auf den Tag sagen, wann es auf welcher Ebene die ersten Überlegungen in Bezug auf „Triton“ gab. Ich kann Ihnen nur sagen, dass man in dieses Modell im Zuge der Begutachtung – deswegen haben wir die externen Begutachter auch beauftragt – in die Genese hineingegangen ist und dazu Empfehlungen ausgesprochen wurden.

Im Übrigen ist auch das Thema „Triton“, das neue Trägersystem, nicht abgeschlossen. Wir werden eine Zulassungsstudie durchführen; wir werden eine ganze Folge von Fragen, die das Gutachten aufwirft, abräumen müssen. Man wird erst am Ende wissen, ob das das Trägersystem ist oder nicht. Es kann auch sein, dass im Zuge der Überprüfungen herauskommt, dass es vielleicht irgendwelche anderen Systeme gibt. Es ist aus der Perspektive der Fachleute im Moment das Vielversprechendste, was als Trägersystem für ISIS infrage kommt.

Zusatzfrage: Können Sie nachliefern, wann denn Ihre Überlegungen zu „Triton“ – –

Flosdorff: Ich werde gerne diese Recherche ins Haus geben und Ihnen zukommen lassen.

 

ISIS

Frage: Herr Schäfer, können Sie noch einmal erklären, warum die Forderung, im Kampf gegen ISIS Uno-Bodentruppen mit deutscher Beteiligung einzusetzen, „weltfremd“ und „unrealistisch“ ist?

Schäfer: Wer hat diese beiden Adjektive verwandt? Weshalb sollte ich auf diese beiden Adjektive eingehen?

Zusatz: Ihr Chef, Herr Steinmeier.

Schäfer: Ja, hat er das so gesagt? Das habe ich so nicht bekommen. Aber er ist in Saudi-Arabien.

Ich glaube, eine Antwort auf die Frage, die heute Morgen durch Äußerungen aus der Opposition aufgekommen sind, findet sich bereits in einem Interview, das der Außenminister vorgestern gegeben und gestern veröffentlicht hat. Im „Tagesspiegel“ am Sonntag lautet eine der Fragen, die ihm gestellt wurden:

„Ist dann nicht der Einsatz von Bodentruppen notwendig?“

Da geht es genau um die Frage, die auch heute Morgen zur Sprache gekommen ist. Seine Antwort lautet:

„Kein westlicher Staat ist bereit, mit eigenen Bodentruppen in Syrien einzugreifen. Alle unsere Partner sehen das so. Das Leid der Menschen in Syrien lässt niemanden kalt, auch mich nicht. Aber wir tragen auch Verantwortung für unsere eigenen Soldaten. Wir dürfen junge Menschen nicht in einen brutalen Mehrfrontenkrieg schicken, in dem der IS die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und Dutzende weiterer Milizen miteinander kämpfen.“

Ansonsten verweise ich Sie auf die Äußerungen des Ministers heute Morgen in Dschidda. Er hat darauf hingewiesen, dass ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen in dieser Frage unrealistisch ist. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ist seit nahezu vier Jahren in der Syrienfrage mit einer einzigen Ausnahme handlungsunfähig. Es hat mehrere Versuche gegeben, im Sicherheitsrat Entscheidungen hinzubekommen, die zum Beispiel humanitäre Interventionen in Syrien leichter möglich gemacht hätten und auch manches andere. Das alles ist an dem Widerstand von zwei der fünf ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats gescheitert. Es gibt aus unserer Sicht keine Anzeichen dafür, dass das in der jetzigen Lage anders sein würde oder anders sein könnte.

Die Ausnahme, auf die ich verwiesen habe – das will ich der Vollständigkeit halber sagen -, war letztes Jahr im September eine Resolution des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen zur Beseitigung von chemischen Kampfstoffen in Syrien. Da haben die beiden ständigen Mitglieder des Sicherheitsrats, um die es geht, nämlich Russland und China, mitgemacht. Das ist ja tatsächlich auch eine Erfolgsgeschichte. Es ist uns gelungen, als gemeinsame Aktion der internationalen Gemeinschaft diese chemischen Kampfstoffe, die in Syrien vom Regime angehäuft waren, aus dem Land zu bringen und unschädlich zu machen.

Darüber hinaus gibt es aber keine Erkenntnisse, die die Bundesregierung hätte, die uns begründeten Anlass zu der Hoffnung gäben, dass es möglich wäre, den Sicherheitsrat in der zu Recht die Gemüter bewegenden Frage von Kobane und dem Umgang mit ISIS zu einer Position zu bringen, die uns hilfreich wäre.

(…)

Frage: Herr Schäfer, wie müsste denn ein Szenario aussehen, in dem der Einsatz von Bodentruppen des Westens aus Ihrer Sicht denkbar würde? Wann wäre denn, auf der Zeitschiene betrachtet, aus Ihrer Sicht so ein Zustand erreicht, wo man nicht nur militärisch etwas machen könnte, sondern tatsächlich auch zu einer politischen Befriedung danach beitragen könnte?

Zweitens. Was erwarten Sie in diesem Zusammenhang militärisch und politisch von der Türkei?

Schäfer: Ich glaube, Ihre Frage, wenn man sie ernsthaft beantworten wollte, sprengt ganz sicher den Rahmen dieser Regierungspressekonferenz. Man müsste zwischen Syrien und Irak unterscheiden. Man müsste im Einzelnen aufdröseln, in welcher Weise sich diese internationale Gemeinschaft im Kampf gegen ISIS verschrieben hat, denn eben nicht nur militärisch, sondern auch politisch, humanitär und auch bei dem eben schon angesprochenen Versuch, ISIS die Maske des rechten Glaubens vom Gesicht zu reißen. All das passiert.

Die Bundesregierung hat sich in einem sehr frühen Stadium dieses gemeinsamen Kampfes der internationalen Gemeinschaft gegen ISIS entschieden wie sie meint, dass es das Richtige ist. Dazu gehört auch, die kurdische Autonomieregion im Norden des Irak mit militärischen Ausrüstungsgütern zu unterstützen. Das wird zurzeit umgesetzt, das ist auf gutem Weg. Wir stehen auch angesichts der sich fortentwickelnden Lage weiter zu dieser Entscheidung. Sie ist nach einer sorgfältigen Risikoabwägung aus unserer Sicht immer noch die richtige.

Ihre Eingangsfrage muss ich, glaube ich, nicht beantworten. Ich kann mir zum jetzigen Zeitpunkt keine Voraussetzungen vorstellen, unter denen der Einsatz von Bodentruppen aus Deutschland ernsthaft in die Erwägungen der Bundesregierung einfließen würde.

Vorsitzender Leifert: Die Frage zur Türkei?

Schäfer: Über die Türkei haben wir an dieser Stelle schon ganz häufig miteinander gesprochen. Ich wiederhole das, was ich, was auch die Regierungssprecherin in der letzten Woche gesagt hat: Es ist ganz einfach, hier in Berlin warm und trocken zu sitzen und wohlfeile Ratschläge an die Adresse von Ankara und der Türkei zu richten. Die Türkei ist nicht nur ein wichtiger Akteur bei all diesen Spielen, sondern im buchstäblichen Sinne mittendrin. Die Türkei hat eine lange Grenze zu Syrien. Die Türkei hat eine lange Grenze zum Irak und ist in vielfältiger Weise von den Wirren und Unruhen im Mittleren Osten betroffen. Wir sind das auch, aber nicht in der gleichen unmittelbaren direkten Weise, wie das bei der Türkei der Fall ist.

Ich kann Ihnen sagen, dass Herr Steinmeier in einem regelmäßigen intensiven Kontakt mit seinem türkischen Amtskollegen ist und natürlich auch Beratungen über die Möglichkeiten eines im Rahmen der internationalen Allianz stattfindenden gemeinsamen Vorgehens stattfinden. Aber ich werde mich hier hüten und sicher für die Bundesregierung keine schlauen Ratschläge an die Adresse der türkischen Regierung geben.

Frage : Eine Frage an den Regierungssprecher. Herr Seibert, weil wir gerade über die Frage eines UN-Mandats geredet haben. Ende der Woche besteht ja für die Bundeskanzlerin in Mailand Gelegenheit, mit den führenden Köpfen der Sicherheitsmitglieder zu reden. Ist dort geplant, dass vielleicht bilaterale Treffen oder Treffen in anderer Runde stattfinden? Weiß man darüber schon etwas?

StS Seibert: Bei diesem ASEM-Gipfel wird es mit Sicherheit auch bilaterale oder multilaterale Treffen am Rande geben. Aber es liegt in der Natur dieser internationalen Konferenzen, dass ich die nicht ein paar Tage vorher bekanntgeben kann. Es ist ja bekannt, dass die Bundeskanzlerin gestern mit Präsident Putin gesprochen hat. Gegenstand dieses Gesprächs war auch ein mögliches Zusammentreffen am Rande des ASEM-Gipfels. Auch dazu kann ich Ihnen Form und Format noch nicht sagen.

Frage: Zu der Rolle Russlands hätte ich Herrn Schäfer gerne gefragt: Gab es denn Versuche, mit Russland gerade in den letzten Tagen doch noch eine UN-Resolution hinzubekommen, weil Russland und China die IS auch als Bedrohung ansehen und von daher die Streitigkeiten im Kampf gegen den syrischen Präsidenten Assad, die es vorher gab, vielleicht in den Hintergrund treten?

Zweitens. Wenn Sie Bodentruppen so kategorisch ausschließen oder sagen, dass Sie sich keine Umstände vorstellen können, unter denen Deutschland Bodentruppen stellen könnte, können Sie sich denn Umstände vorstellen, unter denen Deutschland sich überhaupt militärisch in Syrien engagiert, weil sich offenbar das Schlachtfeld im Kampf gegen IS, an dem sich Deutschland ja im Irak beteiligt, sehr stark auf Syrien ausgeweitet hat?

Schäfer: Mit Russland gibt es natürlich trotz des angesichts der Ukraine-Krise schwierigen Umfelds Gespräche auch zum Thema ISIS. Deutschland ist, wie Sie wissen, zurzeit nicht Mitglied des Sicherheitsrats und deshalb sind wir da nur Beobachter. Ich kann aber, glaube ich, guten Gewissens sagen, dass es auch in New York Gespräche in und um den Sicherheitsrat zu den Fragen gibt, die uns hier alle nicht nur in Berlin, sondern weltweit bewegen.

Das ist auch die Grundlage dafür, dass ich Ihnen guten Gewissens sagen kann, dass ich nicht erkennen kann, woher irgendjemand den Optimismus nimmt, dass eine Maßnahme gemäß Kapitel VII, also eine Maßnahme, die vonseiten des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen ausdrücklich die Anwendung von Gewalt möglich macht, auch nur irgendwie in greifbare Nähe gerückt wäre.

Zur Ihrer zweiten Frage: Wir haben es bei ISIS mit einer politischen Situation zu tun, die in vielfältiger Weise den ganzen Nahen und Mittleren Osten betrifft, gleichzeitig aber auch mit zwei Schauplätzen, auf denen die politische und rechtliche Bewertungen ganz unterschiedlich sind. Im Nordirak ist die völkerrechtliche Lage vergleichsweise einfach deshalb geklärt, weil wir es mit einer Zentralregierung zu tun haben, die ausdrücklich die internationale Gemeinschaft um Hilfe, auch um militärische Hilfe gebeten hat, die die internationale Gemeinschaft auch leistet. Die völkerrechtliche Lage in Syrien ist deshalb anders, weil das Regime von Präsident Assad eine solche Anfrage oder eine Zusage oder eine Genehmigung, die irgendwie die Möglichkeit der Nothilfe vorsähe, ausdrücklich nicht eingeräumt hat, gleichwohl das Völkerrecht nach Einschätzung derjenigen, die auch in Syrien militärisch eingreifen, dafür eine hinreichende Grundlage bietet, aber eben eine andere.

Auch militärisch ist die Lage in beiden Ländern völlig unterschiedlich. Sie haben es im Irak im Grunde mit relativ klaren Frontlinien zu tun. Da gibt es die Peschmerga, die Sicherheitskräfte der Kurden, die sich in der Nähe ihres Territoriums darum bemühen, sich auch mit der deutschen Ausrüstungshilfe der Angriffe von ISIS zu erwehren. Und dann gibt es eben die verschiedenen Sicherheitskräfte im Irak, einschließlich der förmlichen Sicherheitskräfte der Zentralregierung, die auch in einer Frontstellung zu IS stehen, wo es heftige Kampfhandlungen gibt. In Syrien ist es völlig anders. Nach einem zermürbenden, an das Ende des vierten Jahres gehenden Bürgerkrieges sind dort die Frontlinien total ausgefranst. Da gibt es zum Teil einzelne Dörfer, die gegen andere Nachbardörfer stehen; da gibt es überhaupt keine klaren, feststehenden Linien, an denen man sich orientieren könnte. Ich glaube und vermute, dass das auch einer der Gründe ist, weshalb die Militäreinsätze der internationalen Allianz, die ja auch in Syrien im Einsatz ist, auf größere Schwierigkeiten treffen, als das im Nordirak der Fall ist.

Es gibt eine weitere Fülle von Gründen, die mich unter dem Strich erneut noch einmal zu dem Urteil bringen: Ich kann mir zurzeit kein Szenario vorstellen, unter dem innerhalb der Bundesregierung ernsthaft so etwas erwogen würde.

Zusatzfrage: Darf ich noch einmal nachfragen, weil ich das entscheidende Argument nicht verstehe. Ist Deutschland jetzt Zuschauer oder ist es Teil der Allianz? Wenn es Teil der Allianz ist, müsste es sich doch eigentlich der Meinung der Länder, die ebenfalls Teil der Allianz sind und in Syrien militärisch vorgehen, was von der Bundesregierung auch begrüßt wird, anschließen oder halten Sie das für völkerrechtlich problematisch?

Schäfer: Nein. Die Bundesregierung hat dazu Stellung genommen, dass sie die völkerrechtliche Einschätzung derjenigen, die auch in Syrien militärisch eingreifen, für absolut nachvollziehbar hält. Da gibt es überhaupt keine Distanzierung. Wenn das das gewesen wäre, was Sie aus meinen Ausführungen verstanden hätten, so wäre das falsch verstanden. Ich glaube auch nicht, dass ich das gesagt habe.

Vielleicht nehme ich das noch einmal zum Anlass, Ihnen nur einen Satz aus dem gestrigen Interview des Bundesaußenministers vorzulesen, der vielleicht Ihre Fragen in diesem Zusammenhang beantwortet; ich finde es gerade nicht, dann paraphrasiere ich es. Der Minister ist ausdrücklich nicht der Auffassung, dass eine Beteiligung an den Luftangriffen derjenigen Länder, die das tun, ein Gradmesser für die Beteiligung Deutschlands oder anderer Staaten an der Allianz sein kann. Deutschland hat, bevor überhaupt über Luftschläge diskutiert wurde, bereits in einem sehr frühen Stadium des Kampfes gegen ISIS Entscheidungen getroffen, die bis heute wirken und die vor allen Dingen in der internationalen Szene ausdrücklich Respekt und Anerkennung finden.

Der Außenminister hat gesagt – auch das muss ich paraphrasieren, weil ich den Text gerade nicht zur Hand habe -: Es macht doch keinen Sinn, dass wir uns als 13. oder 14. oder 15. Staat in die Reihe derjenigen einsortieren, die da Luftangriffe fliegen, sondern es ist wichtig, dass es in dieser Allianz von über 50 Staaten eine Arbeitsteilung gibt. Diese Arbeitsteilung bedeutet, dass wir uns in ganz besonderer Verantwortung für den humanitären Teil der Arbeit, die geleistet werden muss, sehen. Auch da kann ich Ihnen sagen, dass Entscheidungen innerhalb der Bundesregierung in Vorbereitung sind, die noch einmal zeigen, wie engagiert wir sind.

Wir haben durchaus einen sichtbaren, einen nachhaltigen und einen kräftigen Beitrag zur militärischen Ertüchtigung derjenigen geleistet, die sich ISIS zur Wehr setzen, und zwar erheblich mehr, als das viele andere getan haben. Denn das, was wir den Peschmerga versprochen haben, das, was jetzt schon geliefert worden ist und weiter geliefert wird, ist ein solcher substanzieller Beitrag, und zwar ein ganz konkreter, zum Kampf gegen ISIS. Da gibt es aus unserer Sicht, die wir hier auf der Bank sitzen, überhaupt keinen Grund, sich deshalb zu verstecken oder in Bescheidenheit oder in die Defensive zu geraten, weil wir nicht bereit sind, uns an diesen Luftschlägen zu beteiligen. Im Gegenteil. Wir beteiligen uns außerordentlich aktiv und sehr viel intensiver und engagierter, als das viele andere tun.

 

Afghanistan/Resolute Support

Frage: Weil es indirekt mit ISIS zusammenhängt, würde ich eine Frage zur Ausbildungsmission der Nato und der USA in Afghanistan stellen. Herr Seibert, die Bundeskanzlerin war ja in der letzten Woche im Auswärtigen Ausschuss und hat dort vernehmen lassen, dass sie Zweifel hegt, ob diese Ausbildungsmission, die ja die afghanischen Sicherheitskräfte in die Lage versetzen soll, gegen die Taliban und andere Gruppen aktiv zu werden beziehungsweise die staatliche Stabilität zu erhalten, wie geplant schon 2016 zu Ende gehen kann. Könnten Sie mir da noch ein bisschen weiter helfen? Wie konkret sind die Überlegungen der Bundeskanzlerin, vielleicht auf die USA und auch auf andere Nato-Partner einzuwirken, darüber nachzudenken, dass man über diesen Zeitraum hinausgeht, auch, wie ich annehme, angesichts der Lage, die ISIS hervorgerufen hat und die ja nicht ohne Auswirkungen auf den afghanischen Raum bleiben wird?

In dem Zusammenhang würde ich die Frage an Herrn Schäfer richten, ob der Bundesaußenminister es vielleicht für opportun hält, über den zeitlichen Rahmen dieser Ausbildungsmission noch einmal nachzudenken.

StS Seibert: In einer Hinsicht kann ich Ihnen nicht helfen. Die Sitzungen des Auswärtigen Ausschusses des Bundestages sind nicht öffentlich und deswegen werde ich das auch hier nicht öffentlich machen. Ich kann aber grundsätzlich für die Bundeskanzlerin und für die Bundesregierung sagen, dass wir als Bundesregierung ein sehr großes Interesse an einer langfristigen politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung Afghanistans haben. Da ist vieles erreicht und einiges noch nicht erreicht. Auch darauf geht übrigens der Bundesaußenminister in seinem Interview in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ am Wochenende ein.

Nun hat der neue afghanische Präsident, Herr Ghani, zwei wichtige Voraussetzungen geschaffen. Er hat das bilateral US-afghanische Sicherheitsabkommen und er hat das Nato-Truppenstatut unmittelbar nach seinem Amtsantritt unterzeichnet. Das ist die formale Voraussetzung dafür, dass die Bundeswehr, wie sie es angeboten hat, ihre Ausbildungsmission im Norden Afghanistans durchführen kann. Die Afghanen sagen uns immer wieder, wie wichtig für sie der deutsche Beitrag, die deutsche Präsenz, die deutsche Unterstützung ist, um den Stabilisierungsprozess zu begleiten.

Nun hat die geplante Mission „Resolute Support“ noch gar nicht begonnen und deswegen ist es nicht sinnvoll, über Zeiträume zu reden. Ich kann nur sagen: Es ist uns wirklich sehr wichtig, dass das eine langfristige und dauerhafte Entwicklung in Richtung Stabilisierung ist. Wir stehen im ständigen Kontakt mit den USA, was die Ausgestaltung dieser Mission „Resolute Support“ betrifft.

Schäfer: Sie erfinden das Wort „embedded journalist“ auf eine ganz neue Art und Weise, weil Sie dahinten unter den Gästen sitzen und man Sie da erst einmal vorsichtig identifizieren muss.

Ich habe dem, was Herr Seibert gesagt hat, gar nichts hinzuzufügen, außer, dass ich sagen möchte: Es freut mich, dass Sie auch den Artikel des Ministers in der gestrigen „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ zur Kenntnis genommen haben. Dieser soll nämlich dem Ziel dienen, jetzt, nach fast einem Dutzend Jahren militärischen Engagements Deutschlands in Afghanistan, eine möglichst breite, auch eine öffentliche, auch eine Debatte im Parlament hinzubekommen, in der wir uns der Frage zuwenden: Was ist denn da schief gelaufen und was hat vielleicht doch besser geklappt, als das gemeinhin von der öffentlichen Meinung gesagt oder geschrieben wird? Das ist, wenn Sie so wollen, der Aufschlag, des Bundesaußenministers zu dieser Frage. Wenn es im Zuge etwa der bald anstehenden Beratungen im Deutschen Bundestag über ein Mandat, das es der Bundesregierung erlaubt, deutsche Soldaten in die Fortsetzungsmission „Resolute Support“ zu schicken, zu einer öffentlichen Debatte kommen kann, so wäre das ganz im Sinne von uns und ausdrücklich im Sinne des Außenministers.

Ansonsten kann ich Herrn Seibert nur beipflichten. Es gibt noch nicht einmal die Mission „Resolute Mission“, geschweige denn ein Mandat dafür aus dem Deutschen Bundestag. Jetzt bereits über dessen Ende abschließend eine Entscheidung zu treffen, geht halt nicht. Ich kann mich dem, was Herr Seibert gesagt hat, nur anschließen.

Vorsitzender Leifert: Wir sind übrigens gerne ein Teil der interessierten Öffentlichkeit und stellen auch gerne für sie stellvertretend die Fragen. Insofern ein schönes Bild dahinten.

Schäfer: Ich würde gerne noch einen Satz aus dem Interview nachtragen, der vielleicht ganz gut zu dem passt, was Herr Decker gefragt hat. Der Bundesaußenminister hat im „Tagesspiegel“ am gestrigen Sonntag gesagt:

„Zur Wahrheit gehört auch: Angesichts der Dimension und der ungeheuren Dynamik dieses religiös überformten Konflikts sind die Möglichkeiten westlicher Staaten begrenzt, die inneren Konflikte in einem islamischen Staat schnell zu beenden. Das gilt auch für uns. Ohne eine darauf ausgerichtete Haltung der Nachbarstaaten wird es nicht gehen.“

Im Grunde also ein Appell an – wie soll man das ausdrücken – die Bescheidenheit, was die Möglichkeiten eigenen Handels, zum Beispiel militärischen Handelns vor Ort, angeht.

 

Bundeswehr/OSZE-Mission Ukraine

Schäfer: Ich erlaube mir mit dem Einverständnis von Herrn Seibert Ihnen einfach nur davon zu berichten, was es über das Wochenende an Gesprächen mit der OSZE zu dieser Beobachtermission gegeben hat. Da kann ich Ihnen im Grunde nur berichten, dass sich manche der Erwartungen, vielleicht auch der Sorgen, die wir hatten, was das Ausräumen von politischen und rechtlichen Problemen im Zusammenhang mit dieser Mission angeht, bestätigt haben. Die OSZE hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es eine langjährige Tradition, aber auch ausdrücklich Teil des Mandats der zivilen Beobachtermission ist, dass es sich um etwas Unbewaffnetes handelt.

Das stellt uns vor die Frage, wie so etwas funktionieren kann, also einerseits eine nach Text und Geist der Vereinbarungen unbewaffnete Mission mit Hilfe für die Überwachungstechnik, einschließlich Drohnen, zu bestücken, andererseits aber von der aus unserer Sicht notwendigen Sicherheit des dafür zuständigen Personals – in diesem Fall auch der deutschen Bundeswehr – Abstand zu nehmen. Beides wollen wir und beides braucht es, damit eine solche Mission Erfolg haben kann. Ich kann Ihnen im Grunde nur sagen: Eine abschließende Lösung gibt es noch nicht. Die Beratungen sind vom Schweizer Vorsitz der OSZE in die Hand genommen worden. Wir erwarten, dass es im Rat der OSZE und am Rande des Rates der OSZE in den nächsten Tagen förmliche und informelle Gespräche gibt. Da sind natürlich die Ukrainer und alle anderen interessierten Parteien innerhalb der OSZE eingebunden. Ich bin aber zum gegenwärtigen Zeitpunkt leider nicht in der Lage, Ihnen schon eine abschließende Erwartung oder Prognose des Ausgangs zu geben.

Frage: Ich würde noch einmal die Frage an Herr Flosdorff weiterreichen. Wenn ich das richtig im Kopf gab, gab es – korrigieren Sie mich – eine Findungskommission der Bundeswehr in der Ukraine, die geguckt hat, ob und unter welchen Umständen man so eine Drohnenüberwachung vornehmen kann. Wenn ich es richtig im Kopf habe, hat diese Kommission festgestellt, dass es eigentlich unabdingbar ist, dass man Fallschirmjäger zum Schutz dorthin schickt.

Halten Sie das nach wie vor aufrecht, dass das sozusagen eine auch mit bewaffneten Bundeswehrkräften durchzuführende Beobachtermission sein sollte? Würden Sie von der OSZE erwarten, dass sie ihre bisherigen Positionen dazu möglicherweise ändert?

Flosdorff: Um gleich einmal mit dem Ende anzufangen: Erwartungen der Bundeswehr an die OSZE gibt es nicht. Es gibt den Wunsch der Bundesregierung – ich glaube, der gesamten Bundesregierung -, den Friedensprozess in der Ukraine zu unterstützen und alle Möglichkeiten dazu zu prüfen.

Was die Erkundungsmission angeht, so ist vor Ort – ich glaube, vom 16. bis zum 20. September, also im vergangenen Monat- eine deutsch-französische Erkundungsmission erfolgt. Diese hat die Gebiete betreten und bereist, in denen diese Mission durchzuführen wäre, und hat dort festgestellt, dass es sehr unterschiedliche Voraussetzungen gibt und dass es eine Sicherheitslage gibt, die sich von Tag zu Tag sehr unterschiedlich gestaltet und immer wieder ändert. Es gibt auch sehr schwierige Voraussetzungen, was Infrastruktur angeht, auf die man belastbar zugreifen könnte. Hier stellt sich die Frage: Gibt es dort Transportmöglichkeiten, Sanität, Wasser, Lebensmittel? Da gibt es unterschiedlichste Voraussetzungen.

Nach dieser Erkundungsmission – es war ein etwa zwanzigköpfiges Erkundungsteam – ist ein Bericht erstellt worden, und dieser Bericht ist innerhalb der Bundesregierung abgestimmt worden, aber auch Partnern zur Kenntnis gegeben worden und der OSZE übersandt worden. Wie die Lage vor Ort aktuell aussieht – und wir reden jetzt nicht über irgendetwas Statisches, sondern das ist ein dynamischer Prozess, der in der OSZE stattfindet -, muss immer wieder neu betrachtet und entschieden werden. Es war ursprünglich geplant – und das ist hier an dieser Stelle auch kommuniziert worden -, dass ein Team zur Feinerkundung bestimmte, konkrete Ortschaften vor Ort noch einmal in Augenschein nimmt, vorbereitend für den Fall, dass die politische Entscheidung fällt, diese Mission überhaupt in Gang zu setzen.

Die ganzen Voraussetzungen, die alle zusammenkommen müssen, damit es überhaupt zu so einer Mission kommt, hat mein Kollege aus dem Auswärtigen Amt ja sehr treffend dargestellt. Das müsste noch einmal intensiv betrachtet werden. Vor diesem Hintergrund kann ich den Gesprächen mit der OSZE jetzt auch nicht vorgreifen.

Soweit sich Ihre Frage auch darauf bezog, wie wichtig die Schutzkomponente bei dieser Mission ist, muss ich sagen: Das ist ein wichtiger Punkt, der in einem Paket enthalten sein muss. Wir haben dort eine Sicherheitslage, die sich von Tag zu Tag ändert. Ich habe an dieser Stelle auch schon einmal darauf verwiesen, dass wir schon einmal Beobachter militärischer Art für die OSZE gestellt habe, die dann leider für einige Tage in der Ukraine festgehalten wurden. Solche Situationen würden wir gerne für die Zukunft vermeiden.

Frage: Herr Schäfer, vielleicht können Sie noch einmal sagen – weil ich das nicht richtig verstanden haben -, worauf diese Gespräche mit der OSZE hinauslaufen könnten. Ist es eine Grundbedingung der OSZE, dass sie nur unbewaffnete Überwachungsmissionen akzeptieren wird, oder könnte es sein, dass die OSZE das deutsch-französische Angebot am Ende doch noch annimmt?

Herr Seibert, vielleicht können Sie noch einmal eine Beurteilung zum russischen Truppenabzug abgeben. Ist das etwas, was die Bundesregierung begrüßt und als Beitrag dazu sieht, dass man auf dem EU-Gipfel nächste Woche dann auch über eine Aufhebung beziehungsweise teilweise Aufhebung von Sanktionen gegen Russland reden könnte?

Schäfer: Hinter der Haltung der OSZE steckt eine politische Philosophie, die im Grund genommen so zusammengefasst werden könnte: Gerade der Umstand, dass die Beobachter unbewaffnet sind, gibt ihnen zusätzlichen Schutz; denn sie stellt deshalb für die Konfliktparteien, zwischen die sich die OSZE stellt – in diesem Fall, um eine Waffenruhe zu überwachen oder Grenzbewegungen zu kontrollieren -, eben ausdrücklich keine Gefahr dar, sondern soll eigentlich nur eine Unterstützung sein.

Nun haben wir da aber eine Situation, in der mindestens auf der Seite der Separatisten die hierarchischen Stränge und auch die Kontrolle dessen, was der eine oder andere „on the ground“ tut, schwer kontrollierbar ist. Deshalb gibt es für die OSZE eine echte Sicherheitsherausforderung, nämlich alles dafür zu tun, dass die zivilen Beobachter aus den Mitgliedstaaten – darunter auch welche aus Deutschland – nach bestem Wissen und Gewissen so sicher sind, wie sie das in einer objektiv gefährlichen Lage eben nur sein können.

Diese Philosophie, dieser Ansatz der OSZE, ist mit dem deutsch-französischen Ansatz, die Angehörigen der Streitkräfte mit Schutz zu versehen, eben relativ schwer in Einklang zu bringen.

Ich glaube, es bringt jetzt nichts, wenn wir hier eins zu eins öffentlich Ideen ventilieren. Wichtig ist aus meiner Sicht, dass Sie mitnehmen und uns auch glauben, dass wir das ernst meinen und dass wir diese Verhandlungen mit der OSZE jetzt führen. Diese Verhandlungen sind schwierig, aber eine Lösung – jedenfalls öffentlich – kann ich Ihnen noch nicht präsentieren. Wir haben auch noch keine hinter den Kulissen, sondern die Gespräche im OSZE-Rat und auch mit manchen Mitgliedstaaten der OSZE zu diesem Thema müssen erst noch zu einem guten Abschluss gebracht werden.

StS Seibert: Zu Ihrer an mich gerichteten Frage: Sollte sich der angekündigte signifikante Abzug russischer Truppen von der ukrainischen Grenze bewahrheiten, dann wäre das natürlich ein Schritt in Richtung Entspannung. Dasselbe gilt übrigens auch für die von den Separatisten angekündigte Möglichkeit, dass Experten wieder die Arbeit am Absturzort der MH 17 aufnehmen können. Aber leider wissen wir aus Erfahrung, dass es auch in der Vergangenheit schon Fälle gegeben hat, in denen vor wichtigen internationalen Treffen von russischer Seite Ankündigungen gemacht wurden, die dann nicht ganz oder nicht eingehalten wurden. Insofern muss ich aus heutiger Sicht sagen: Es zählen allein die Taten.

Ich muss auch daran erinnern, dass es natürlich um eine vollständige Umsetzung dessen geht, was die Minsker Vereinbarungen beinhalten – und da sind vonseiten Moskaus und vonseiten der Separatisten noch weitere Schritte möglich und notwendig. Es ist weiterhin notwendig, dass alle ausländischen Kämpfer und schweren Waffen abgezogen werden und dass die ukrainisch-russische Grenze gegen ein weiteres Einsickern von Waffen und Kämpfern gesichert wird. Das sind wichtige Forderungen, sodass ich aus heutiger Sicht für die Bundesregierung keine Veranlassung sehe, die derzeit herrschenden Sanktionen infrage zu stellen.

 

MEADS

Fage: Ich habe eine Frage an Herrn Flosdorff zum Thema Beschaffung: Es gibt Meldungen von Reuters, dass bei der Entwicklung von MEADS Risiken für die Beschaffung entstanden seien. Können Sie zu diesen Risiken etwas sagen?

Die Damen und Herren von MBDA in Schrobenhausen hoffen ja sehr, dass bald eine Entscheidung darüber fällt – und zwar am besten noch in diesem Jahr -, ob MEADS angeschafft wird oder auch nicht angeschafft wird. Hat die Meldung, dass es da jetzt Risiken gibt, darauf eine Auswirkung?

Flosdorff: Das Thema MEADS oder Patriot, also bodengebundene Luftabwehr, war ja Gegenstand der Untersuchung in dem Gutachten der externen Experten, die in integrierten Teams mit den Experten des Bundesverteidigungsministeriums das ganze Vorhaben noch einmal gründlich unter die Lupe genommen haben. Dabei haben sich eine Reihe von Fragen ergeben, was generell die Weiterentwicklung im Bereich Boden-Luft-Verteidigung angeht. Das betrifft also sowohl das System MEADS als auch das System Patriot. Da gibt es einige offene Fragen, die benannt worden sind, aber im Prinzip auch Aufgaben, die die Gutachter gestellt haben und die erst einmal erledigt werden müssen, bevor man zu einer endgültigen Entscheidung kommt, wie es in diesem Bereich weitergeht. Dabei geht es um rechtliche Risiken, aber auch um technische Fragen, die jetzt erst einmal geklärt werden müssen, bevor man zu einer endgültigen Entscheidung kommt. Das ist in der vorletzten Woche auch so kommuniziert worden. Diese Fragen werden jetzt intern geklärt, und dann wird man zu einer Entscheidung kommen. Einen Zeitrahmen kann ich Ihnen dafür nicht nennen.