„Fortschritt in Afghanistan“: Keine Infos mehr von ISAF

Fortschritt ist ja immer auch eine Sache der Definition. Nachdem Afghanistan vor gut einer Woche formal die Verantwortung für die Sicherheit in allen Teilen des Landes übernommen hat, wird die Informationsabteilung der internationalen ISAF-Truppen jetzt auf ihre Weise der neuen Situation gerecht: Ab sofort berichtet ISAF nicht mehr selbst über Operationen des Militärs am Hindukusch, nicht über eigene und nicht über gemeinsame Operationen von internationalen und ISAF-Truppen. Die bisherigen täglichen Operational Updates des ISAF Joint Command (IJC) wurden am (heutigen) Donnerstag eingestellt:

Afghan Progress: starting today, we will no longer be publishing daily operational updates from the ISAF Joint Command. In their place, we will now share with you operational updates provided directly from the Ministry of Defense, who now take the lead in sharing news from around Afghanistan. Read on for the first MoD Operational Update!

Das klingt zunächst mal logisch – die Afghanen sind in der Verantwortung, und sollen die doch informieren. In der Praxis sieht das so aus, dass ISAF auf seiner Facebook-Seite (und nicht auf der ISAF-Webseite, die bleibt für Jubel- und Erfolgsmeldungen) eine englische Übersetzung der afghanischen Mitteilung einstellt. Die zwar am 26. Juni, veröffentlicht wurde, aber mit dem Stand vom 20. Juni erst eine knappe Woche alt ist:

Afghan Ministry of Defense
2013-06-26
ANA Operational Update, June 20th

KABUL, Afghanistan (June 20, 2013) –The ANA killed eight combatants, one enemy commander and arrested six armed extremists during operations.
ANA Special Forces conducted operations to track and arrest armed opposition groups in the Sayed Karam and Ahmad Khel districts of Paktiya province, arresting one armed enemy commander of the Haqqani Network and confiscating weapons and ammunition.
During ANA Special Forces security operations in the Pol Alam center of Logar province, six suspected extremists were arrested and one RPK-7, one AK-47, three armored vests and 1200 rounds of RPK-7 and AK-47 ammunition were recovered.
In Maiwand, Kandahar province, five armed combatants were killed, one enemy fighter was injured, and six suspected enemy extremists were arrested by ANA personnel.
In Nawa, Helmand province, ANA security operations resulted in the death of three armed extremists and the wounding of three enemy fighters.
In Ajarstan, Ghazni province, and the Ghorak district of Kandahar province Roadside bombs martyred three ANA soldiers and wounded two others.
May almighty and merciful Allah welcome our martyrs into heaven, and restore the injured to perfect health.

Was fehlt hier? Na, alles was ISAF macht. Ob und wie internationale Truppen an irgendeiner dieser genannten Operationen beteiligt waren, steht nicht dabei. Zum Vergleich: So sah das bisher aus.

Mit dem Trick, zusammen mit der Sicherheitsverantwortung auch die Informationsverantwortung an die Afghanen abzugeben, hat sich ISAF offensichtlich zugleich ihrer Informationspflicht zu Einsätzen der internationalen Truppen entledigt. Die finden also nicht mehr statt – wenn nicht die ISAF-Kommunikationsspitze beschließt, da was featuren zu wollen. Und das werden, darauf könnte ich wetten, schöne positive Meldungen sein.

Nach der Einstellung der ISAF-Statistik zu den sicherheitsrelevanten Zwischenfällen ist das nun der nächste Schritt, mit dem die internationalen Truppen ihren Informationsfluss nach draußen weiter drosseln. Wenn das so weiter geht, muss man wahrscheinlich froh sein, wenn einem überhaupt mal jemand bestätigt, dass noch ausländische Truppen am Hindukusch stationiert sind.

Die Statistik-Probleme übrigens, die auch die Deutschen plagten (und die zu einer Neuberechnung mit dem unschönen Ergebnis führten, dass es ein Viertel mehr Zwischenfälle gab als zunächst gemeldet), sind nach Einschätzung von ISAF wie der Bundeswehr darauf zurückzuführen, dass das Meldewesen der Afghanen, nun, suboptimal ist. Wie das deutsche Verteidigungsministerium vergangene Woche den Bundestagsabgeordneten mitteilte:

Nach der jüngst erfolgten Nacherfassung und Veröffentlichung der nationalen Statistik der Sicherheitsrelevanten Zwischenfälle (SRZ) für die Jahre 2010 bis 2012 hat ISAF Anfang Juni 2013 einen erneutes statistisches Fehl für die ersten vier Monate des Jahres 2013 festgestellt. Auch in diesem Fall wurde die deutlich abnehmende Belastbarkeit und zeitgerechte Verfügbarkeit der Meldungen der ANSF als eine wesentliche Ursache für die Fehlerfassung identifiziert („green reporting“). Die Generierung der Meldungen erfolgt aufgrund fortschreitender Transition inzwischen mit bis zu 70 Prozent durch die ANSF. Da die deutsche SRZ-Statistik auf der ISAF-Datenbank basiert, ist nach Abschluss der erwarteten Korrekturen durch ISAF für die ersten vier Monate 2013 eine erneute Validierung der gesamten nationalen SRZ-Statistik notwendig. Nach jetzigem Stand kann die Aufarbeitung und Veröffentlichung der SRZ-Statistik für das I. Quartal 2013 voraussichtlich erst bis Ende August 2013 erfolgen. Daher müssen alle bisher für 2013 gemeldeten SRZ als vorläufige Zahlen angesehen werden. Um bis zum Vorliegen einer validierten Datenlage keine absehbar ungenauen Statistiken zu nutzen, wird ab der kommenden Woche bis auf Weiteres auf eine wöchentliche Veröffentlichung der SRZ-Zahlen verzichtet.

Mit anderen Worten: So aktuell (und verlässlich?) sind die Zahlen der Afghanen noch nicht, deshalb gibt’s bis auf Weiteres keine Zahlen, aber die Berichterstattung über die laufenden Operationen sollten wir dennoch schon mal ihnen überlassen. Wer will das schon alles so genau wissen.

(Foto: ISAFmedia via Flickr unter CC-BY-Lizenz)