Der Kampf gegen Piraten und die toten Fischer

Die Rezepte der Industriestaaten gegen die Piraterie vor Somalia, am Horn von Afrika, wirken nach wie vor recht hilflos. Die Bekämpfung der Ursachen, nämlich ein Angehen der Lage im Bürgerkriegsland Somalia mit seiner gescheiterten Staatlichkeit, werden immer wieder gefordert – wie das passieren soll, weiß so richtig keiner, und daran wird auch eine Anti-Piraterie-Konferenz in der kommenden Woche in London vermutlich wenig ändern.

Um so bedenklicher, dass jetzt ein scheinbar probates Mittel zum Schutz von Handelsschiffen vor somalischen Piraten in Mißkredit kommt: Die Sicherung der Frachter und Tanker durch bewaffnete Sicherheitsteams, sei es vom Militär oder von privaten Sicherheitsunternehmen.

In der vergangenen Woche starben zwei indische Fischer vor der Küste des indischen Bundesstaates Kerala im Kugelhagel eines solchen Sicherheitsteams. Und was das Ganze noch schlimmer macht: Es waren nicht angeheuerte Privatleute (bei denen es in dem Gewerbe ein sehr breites Spektrum gibt), sondern Soldaten eines Vessel Protection Detachments, die die tödlichen Schüsse abgegeben haben sollen. Latorre Massiliamo und Salvatore Girone, zwei Angehörige der italienischen Marine, wurden nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters in Indien verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, als Mitglieder des Sicherheitsteams auf dem italienischen Frachter Enrica Lexie das Feuer auf ein Fischerboot eröffnet zu haben und dabei die unbewaffneten Fischer erschossen zu haben.

Nach Berichten indischer Medien droht den beiden Italienern eine Mordanklage; nicht ganz klar ist die rechtliche Lage: Nach ersten Berichten ereignete sich der Zwischenfall 14 Seemeilen vor der Küste und damit außerhalb der indischen Hoheitsgewässer, allerdings innerhalb der indischen Wirtschaftszone. Es gab offensichtlich auch langwierige Verhandlungen über eine gemeinsame Untersuchung des Zwischenfalls, bei dem Indien am Ende auf seiner Strafverfolgung bestand.

Nun liegt die Vermutung nahe, dass es nicht die ersten unschuldigen und unbeteiligten Fischer waren, die von Sicherheitsteams für Piraten gehalten, deshalb unter Feuer genommen und getötet wurden. Aber es ist der erste Fall, der eine solche Aufmerksamkeit bekommt – denn es war sehr nah vor der indischen Küste (wo die Inder, die selbst sehr robust gegen Piraten vorgehen und dabei bisweilen auch auf Unbeteiligte wenig Rücksicht nehmen, in Bezug auf ihre Souveränitätsrechte sehr empfindlich sind), und es waren sozusagen staatliche Amtsträger eines anderen Landes, die die Schüsse abgaben.

Es wird sehr interessant sein, den Fortgang dieses Zwischenfalls und seine juristische Aufarbeitung zu verfolgen. Denn das wird auch Auswirkungen auf die Bereitschaft anderer Staaten haben, bewaffnete Sicherheitsteams an Bord ihrer Handelsschiffe zu erlauben – oder selbst Polizisten oder Soldaten dafür abzustellen.