Jetzt formal: Bundeswehr-Einsatzmedaille ab November 1991
Die Bundeswehr wird künftig auch Soldaten, die vor 1995 im Auslandseinsatz waren, eine Einsatzmedaille verleihen. Die Änderung des Stichtags für dieses Ehrenzeichen wird vom 30. Juni 1995 auf den 1. November 1991 vorverlegt. Eine entsprechende Entscheidung von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die bereits im März angekündigt worden war, teilte der Parlamentarische Staatssekretär Peter Tauber am (heutigen) Donnerstag dem Verteidigungsausschuss des Bundestages mit. Die praktische Umsetzung wird nach Angaben der Bundeswehr* voraussichtlich noch bis zum Herbst dauern.
Mit der Vorverlegung des Stichtages folgte die Ministerin zahlreichen Wünschen aus der Truppe, den jahrelangen Forderungen des Wehrbeauftragten und Anträgen aus dem Parlament. Der Wehrbeauftragte hatte zuletzt darauf verwiesen, dass die entsprechenden Vorschläge seit fünf Jahren nur geprüft würden.
Laut Bundeswehr ermöglicht der neue Stichtag die nachträgliche Auszeichnung aktiver und ehemaliger Angehöriger der Bundeswehr mit bereits gestifteten Einsatzmedaillen, deren Einsatztage vor dem alten Stichtag lagen. Dazu gehören die Einsätze Sharp Guard (Seeraumüberwachung in der Adria), UNSCOM (United Nations Special Commission in Iraq), UNOMIG (United Nations Observer Mission in Georgia), MINURSO (United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara), die Sarajevo-Luftbrücke für den UN-Flüchtlingskommissar und UNHCR und die OSZE-Mission in Georgien (OSZE 1).
Für vier weitere UN-Missionen, die vor dem bisherigen Stichtag endeten, stiftete von der Leyen neue Einsatzmedaillen: UNAMIC (Oktober 1991 bis März 1992) und UNTAC (Mai 1992 bis November 1993) in Kambodscha, UNOSOM in Somalia (August 1992 bis März 1994) und UNAMIR in Ruanda (Juli bis Dezember 1994).
Bei der Verleihung der Medaillen für die lang zurückliegenden Einsätze ist die Bundeswehr auf die aktive Meldung der damals eingesetzten Soldatinnen und Soldaten angewiesen:
Da wegen des Datenschutzes keine Daten zum damals eingesetzten Personal hinterlegt sind, muss ein Antrag beim Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr an einsatzmedaille@bundeswehr.org gestellt werden.
Aktive Soldaten müssen zum Antrag für die nachträgliche Verleihung einer Einsatzmedaille eine dienstliche Erklärung einreichen. Der truppendienstliche Vorgesetzte wird die Medaille aushändigen, sobald sie durch die Verteidigungsministerin verliehen wurde. Soldaten, die bereits aus der Bundeswehr ausgeschieden sind, stellen wie ihre noch aktiven Kameraden einen Antrag, müssen aber statt der dienstlichen eine eidesstaatliche Erklärung abgeben. (…)
Sobald die Abzeichen für die nachträgliche Verleihung beschafft und die technischen Voraussetzungen für die Verleihung realisiert worden sind, wird die zuständige Abteilung im Verteidigungsministerium weitere Informationen zum Antragsverfahren herausgeben. Bis es voraussichtlich im dritten Quartal 2019 soweit ist, können keine Anträge gestellt werden.
Der neue Stichtag findet nicht durchgehend Zustimmung. So beklagte der FDP-Abgeordnete Alexander Müller, dessen Antrag im Bundestag auf Vorverlegung des Stichtags durch die Aktivität des Ministeriums dann doch überholt worden war:
Der Lösungsvorschlag der Ministerin ist keine Lösung: Ein willkürlicher Stichtag wird durch einen anderen willkürlichen Stichtag ersetzt. Damit soll zwar erstmals die Leistung der Teilnehmer des Einsatzes in Somalia gewürdigt werden. Allerdings nicht, zum Beispiel, die Leistung des Kontingents in Namibia Ende der 80er. Verdient deren Einsatz weniger Anerkennung? Haben die Betroffenen weniger geleistet als diejenigen, die nach 91 im Einsatz waren?
*Fürs Archiv: Die Mitteilung der Bundeswehr als pdf-Datei:
Neuer Stichtag für Einsatzmedaillen: Anerkennung für Veteranen
(Foto: Bundeswehr in Somalia 1993 – Archiv Helmut Harff)
Gut so.
Was mich stört „Informationen zum Antragsverfahren“, weshalb Antrag?
Die Personalverantwortlichen haben nicht fein säuberlich gelistet, unwahrscheinlich.
Das ist eine staatliche Bringschuld und muss als solche nicht beantragt werden.
Zudem, was ist mit Veteranen, die, aus welchen Gründen auch immer, an einer Beantragung gehindert sind?
Das geht besser und fast ohne Bürokratie!
Als Betroffener muss ich feststellen, was für ein Quatsch! Obwohl mir jetzt zwei Medaillen zustünden, ich müsste mal Tage zählen.
Man sieht es ja an der Reaktion von Herrn Müller, man macht es nie allen recht und es ist nie gut. Für mich hing die Wertigkeit des Einsatzes nicht an einer Medaille, ich habe meinen damaligen Beruf gerne ausgeübt. Es war mir eine Ehre.
Coole Sache! Als der bei der Landesversammlung Nord des DBwV zu diesem Vorschlag vorgetragen wurde, glaubte ich nicht dran. Damit lassen sich weitere wichtige Dinge ableiten. Die Stichtagsregelung ist schließlich auch für die Anrechenbarkeit von Einsatztagen elementar. Wollen wir hoffen, dass das BMVg auch den anderen Vorschlägen des DBwV zur Ausgestaltung einer weitgehenden Veteranenpolitik folgt. Respekt, Frau Ministerin. Eine gute Entscheidung gegen manch Beratung! Und ich kenne noch einige Haudegen, welche sich sicherlich melden. Und gerne kann der nächste Schritt dann auch gerne die 80er umfassen.
Und den Unfug mit der Gefechtsmedaille haben sie nicht geändert? Der Stichtag ist so richtig willkürlich…
Wer berät in solchen Angelegenheiten, das muss doch auffallen, vor allem da letztere eine Sonderform der ersten ist. Aber eben eine Sonderform nur für einige wenige weil ja mit Stichtag….
*kopfschütteln*
In der Tat, ein willkürlicher Stichtag wird ersetzt durch einen anderen. Frage ist wie weit man gehen will, für die Oder gab es Medaillen, für Hamburg nicht.aber wenn man sowas wie eine eigene Tradition verwirklichen will, zwingend erforderlich.
Dass keiner mehr weiß, wehr dabei war, glaube ich. Das dürfte nur in den analogen Personalakten stehen und irgendwann müssen die auch vernichtet werden. War die SDH nicht mal am Rheinufer und musste Soldaten organisieren zum Akten in die oberen Etagen tragen. Hmm noch eine Einsatzmedallie 😎
Eine gute Entscheidung! Leider gibt es auch für die Gefechtsmedaille immer noch eine Stichtagsregelung, die die Besatzungen der Tornados während „Allied Force“ ungerechtfertigt ausschließt.
@Focus
So eine Einsatzmedaille ist schließlich billig. Echte Anerkennung wäre, wenn der willkürlich gewählte Stichtag 01.12.2002 für die Anrechenbarkeit der Einsatztage aufs Ruhegehalt endlich gekippt würde. Meine Klage vor dem VG Schleswig wird seit zwei Jahren dort vertrödelt.
Vielleicht hofft der Dienstherr hier ja auf eine „biologische Erledigung“. Echt schäbig!
Wird ja auch Zeit ! Das gute Gefühl beim Lesen wird natürlich mit etwas Bürokratie versalzen.
Stichwort Stichtag: Ein Stichtag vor dem 03.10.1990 träfe eine andere Bundeswehr in einem anderen sicherheitspolitischen Umfeld. Also lassen wirs gut sein.
Blech verteilen hat Tradition, ist billig und erfordert keinen Eingriff in die maroden Strukturen.
Lieber dem DBwV ein paar Häppchen dieser Art vorwerfen, als mal richtige Bretter zu bohren (z.B. Pensionsansprüche, Besoldung von Spezialisten ohne Ranginflation, einfach auszahlbare Mehrarbeit bei Übungen trotz SAZV…).
Im nächsten Schritt tackern wir dann ein paar Orden an 80-Jährige (natürlich nur, wenn diese dem Twitteraccount des Ministeriums „followen“, denn die Personalakten dieser Leute kann und will ja keiner mehr anfassen..)
Ich halte die Entscheidung für gefährlich. Sie erzeugt den Eindruck, als könne man nachträglich alle Fehler dieser Welt heilen…
Das geht aber nunmal nicht. Im Ergebnis wird dadurch der Mensch nur noch unzufriedener…
Einige Kommentare hier weisen ja schon in diese Richtung (aber was ist mit…).
Ganz vergessen wurde die Erdbebenhilfe für Agadir/Marokko im Februar 1960, da muss unbedingt noch eine Medaille her. Achtung Ironie!
Ich wundere mich über das Selbstverständnis von einigen Kameraden. Nur weil ich meinen Job mache, brauche ich nicht jedes mal Lob, Anerkennung und Blechgebammsel.
Auch eine gewisse Bescheidenheit ist eine soldatische Tugend.
In meinen Augen eine gute und richtige Entscheidung! Und eine gute und richtige Entschei-dung wird dadurch nicht schlechter oder falsch, daß sie spät kommt und auch vielleicht nicht so umfassend ist, wie sich das der eine oder andere gewünscht hat.
Ja, es ist ärgerlich, daß die Betroffenen einen Antrag stellen müssen, weil es seinerzeit ver-säumt worden ist, die entsprechenden Daten zu archivieren. Aber wer um Himmels willen hätte denn z.B. 1992 bei der deutschen Beteiligung an UNOSOM ahnen oder wissen können, daß es einmal für solche Einsätze der Bundeswehr Einsatzmedaillen geben würde und daß man dafür dann Listen der dort eingesetzten Soldaten brauchen würde? Und vor allem: wäre es besser, eine nachträgliche Verleihung ganz zu unterlassen, nur weil man den Betroffenen nicht zumuten will, dafür einen formlosen Antrag zu stellen?
Kein aktiver oder ehemaliger Soldat muß im übrigen eine der nun für ihn in Frage kommenden Einsatzmedaillen beantragen, Pio-Fritz z.B. hat ja schon deutlich gemacht, daß er das für sein berufliches Selbstverständnis nicht braucht. Aber wem eine Medaille als Erinnerung und als wenn auch späte Würdigung „seines“ Einsatzes etwas bedeutet, der mag und wird sie beantragen und dann entweder mit Stolz an der Uniform tragen oder als Ehemaliger bei seinen persönlichen Erinnerungsstücken aufbewahren und sie vielleicht dann zusammen mit seinen Erinnerungen an diesen Einsatz auch an seine Kinder und Enkel weitergeben.
Wenn sich auch nur ein ehemaliger Teilnehmer eines der nun von der Änderung betroffenen Einsätze über die nachträgliche Verleihung einer Medaille freut, dann war das ganz für mich schon ein Erfolg.
Ob man die Rückwirkung bis in die Anfangsjahre der Bundeswehr ausdehnen soll und kann, ist eine andere Diskussion, die geführt werden sollte, aber das ändert nichts daran, daß diese Entscheidung der Ministerin aus meiner Sicht uneingeschränkt positiv zu bewerten ist.
@ Obristlieutnant: bewerte ich ähnlich.
@ Fokus: Anrechenbarkeit von Einsatztagen sehe ich auch als Folge +1
@ Stöber: wenn Sie das Magazin des DBwV lesen würden, hätten Sie sicher schon erkannt, dass Teile Ihrer Forderungen mit den aktuellen Gesetzgebungsvorhaben auf den Weg gebracht werden sollen. Stichwort ATZ für „einfache Auszahlbarkeit von Mehrarbeit bei Übungen“. Sicherlich werden Sie aber auch dann weiterhin viel zu kritisieren haben.
Ich empfinde die Maßnahme insgesamt als eine gute Maßnahme, die schon länger diskutiert wurde. Was die Bürokratie anbelangt, warte ich mal ab. Da das BMVg keinen Überblick hat bzw. der Datenbestand bzgl. der Einsatzteilnahme nicht umfassend vorhanden ist, lässt sich das Antragsverfahren wohl nicht umgehen. Und eine Veränderung von Stichtagen ist in der Politik nichts unübliches.
Mich würde in diesem Zusammenhang interessieren ob die Marineoperation „Southern Cross“ im Rahmen der Operation UNOSOM II ebenfalls als Teil von UNOSOM gilt und auch hier nachträglich Einsatzmedallien beantragt werden können ! Offiziell könnte Ich hierfür bisher nichts finden !