Brieffreunde im OP North (2)
Nach den Meldungen über geöffnete Briefsendungen von Soldaten aus dem Afghanistan-Einsatz wirbeln Verteidigungsministerium, Bundeswehr und natürlich auch die Deutsche Post, die Hintergründe bleiben aber noch unklar. Heute hat die Bundeswehr offiziell die Deutsche Post um Unterstützung bei der Aufklärung gebeten. Aber, sagt mir ein Sprecher des Konzerns, das merkwürdige sei, dass bei der Post bislang keine Beschwerden oder Meldungen von Unregelmäßigkeiten bei der Feldpost eingegangen seien – hätte das nicht passieren müssen, wenn über Monate immer wieder geöffnete und/oder leere Briefe aus dem Einsatz ankommen?
Die Deutsche Post ist natürlich deswegen aufgeschreckt, weil das Vertrauen in das Postgeheimnis Teil ihres Betriebskapitals ist. Unklar ist ja bislang, in wessen Verantwortungsbereich so etwas passiert sein könnte. So bald ein Brief bei einem Feldpostamt oder einer Feldpoststelle abgeliefert wird, unterliegt er dem Postgeheimnis. Natürlich auch dann, wenn das Feldpostamt einen Container mit Briefen der Bundeswehr für den Transport nach Deutschland übergibt. „Das Postgeheimnis gilt für alle Teile der Transportkette“, sagt die Deutsche Post.
Ganz habe ich noch nicht verstanden, warum der Wehrbeauftragte sagt, das Öffnen von Briefen sei unter Umständen eine Straftat. Die Eingriffe ins Postgeheimnis sind gesetzlich recht genau normiert – und setzen in der Regel eine richterliche Anordnung voraus.
Es bleibt also noch viel zu klären, und ich bleibe dran.
Feldpost im RC North – hier bei den Amerikanern: CAMP MARMAL, Afghanistan — Molson Air employees look over holiday mail loaded by U.S. Army Spc. Daniel Lehigh, 20, Bethany, Mo., 387th Postal Unit, on a Molson Air Sikorski 61 helicopter at 7:15 a.m. Dec. 9, 2010 on Camp Marmal, Mazar-e Sharif Airbase. Lehigh said his unit is sending out a significantly increased amount of mail daily to various U.S. servicemembers and civilians in International Security Assistance Force’s Regional Command (North), including 1st Brigade Combat Team, 10th Mountain Division and 4th Combat Aviation Brigade, 4th Infantry Division. (Photo by U.S. Army Sgt. 1st Class Matthew Chlosta, 4th CAB PAO)
„Ganz habe ich noch nicht verstanden, warum der Wehrbeauftragte sagt, das Öffnen von Briefen sei unter Umständen eine Straftat.“
Das hängt wohl davon ab, ob die Briefe bereits unter das Postgeheimnis fallen ->§ 206 StGB.
Oder sind sie noch keine Postsendungen (noch nicht bei der [Feld-]Post abgegeben), dann unterliegen sie nur dem Briefgeheimnis -> keine Straftat
Andere Meinungen?
Ich gebe T.W. Recht, dass der Skandal im Skandal ist, dass – unabhängig vom Täter – die Führung einmal mehr versagt hat. Das Problem trat ja wohl nicht erst am Tag des WB-Besuches auf. Wenn man annimmt, das die betroffenen Soldaten sich an den KpFw und dieser sich an den KpChef gewandt haben (bei einem so wichtigen Thema höchstwahrscheinlich), dann wurde die Sache irgendwo zwischen Kdr ASB MeS und Leitungsebene des BMVg (ein solches Problem ist leitungsrelevant wg. verfassungswidriger Handlungen) liegen gelassen oder gar unterdrückt. Das die Post erst jetzt davon erfährt zeigt, das man sich ab einer bestimmten Ebene nicht darum gekümmert hat.
Innere Führung und so…
@Tom
Unter das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis fällt so ziemlich jede Art der Fernkommunikation, solange sie in der Übermittlung begriffen ist. Davor und danach ist sie immernoch vom Allg. Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG iVm Art. 1 I GG) geschützt. Rechtswidrig sind solche Eingriffe (solange nicht im Einzelfall aufgrund Gesetzes legitimiert) also in jedem Falle.
Gerade der § 206 StGB stellt aber gewisse Anforderungen an „seinen“ Täter, nämlich (grob gesprochen) mit der Übermittlung betraut zu sein. Es sind Fallkonstellationen denkbar, in denen gerade das nicht einschlägig ist. Da griffen dann idR allerdings andere Strafnormen.
Nach Lektüre der verlinkten Quelle, würde ich allerdings die folgende Theorie einbringen wollen: Der Satz, auf den Bezug genommen wird (bitte korrigieren, falls ich mich irre), lautet „Außerdem werde sich die zuständige Staatsanwaltschaft einschalten, sobald sich der Anfangsverdacht auf eine Straftat bestätige.“.
Hier geht es wohl weniger um den Verdacht, dass dort „allgemein strafbare Handlungen begangen worden sind“, denn das dürfte wohl auf der Hand liegen. Vielmehr ist der Anfangsverdacht (genaueres zum Begriff in der StPO bzw. den einschlägigen Kommentaren) ein konkreter Verdacht gegen eine bestimmte Person. Verknüpft man diese Information mit dem Tenor des Absatzes („Das klären wir vollständig auf.“), so bekräftigt der Satz lediglich das Einschalten der Strafverfolgungsbehörde, sollten __personenbezogene__ Verdachtsmomente dieses rechtfertigen. Ich verstehe das eher als ein „zeitliches“ sobald, denn als eines, das eine Bedingung beinhaltet.
Welche Straftat stellt ein Eingriff in Grundrechte dar? In der Regel keine. Dafür gibt es StGB, WStG und Co.
§ 206 StGB greift solange nicht, wie nicht eine der in Absatz 1 bis 3 genannten Personen handelt. Und der Versorger/Spieß, welcher die Briefe vom OP zum Feldpostamt bringt (analog der Bote im Lager) ist keine derartige Person.
§ 206 Abs. 4 StGB könnte einschlägig sein, aber dazu müsste sich erst ein Täter finden, der dann auch noch zugibt, den Inhalt weitererzählt zu haben.
Welche Straftatbestände wären sonst denkbar?
Eine Handlung kann rechtswidrig sein, ohne strafbar zu sein (und nur davon sprach ich, solange es sich um die Grundrechte drehte). Folgen sind in solchen Fällen, die zwar vom GG verboten, aber nicht durch StGB/VStGB/WStG/etc unter Strafe gestellt wurden, dann natürlich keine Strafe für den Täter, wohl aber u.U. zivilrechtliche Schadensersatzansprüche oder eben Amtshaftung. Aber ich denke, das geht hier zu sehr in die Tiefe…
Bei Strafnormen die erfüllt sein könnten, hätte ich nach einem schnellen Blick ins Inhaltsverzeichnis des StGB die Folgenden im Angebot:
§ 202 I Nr. 1, II StGB (Verletzung des Briefgeheimnisses)
§ 303 I Alt. 1 + 2 StGB (Sachbeschädigung, wenn das Kouvert Schaden nimmt, tritt dann aber bei Erfüllung des 202 wohl zurück)
Ansonsten im Falle der leeren Kouverts die Eigentumsdelikte (§ 242ff StGB; Diebstahl, Unterschlagung etc.)
Ansonsten kämen gerade in Sachen Spieß/Versorger u.U. noch WStG in Frage. Ich gestehe aber, dass ich gerade wenig Lust habe, dort auch noch zu suchen. ;D
Grüße!
„Welche Straftat stellt ein Eingriff in Grundrechte dar? In der Regel keine. Dafür gibt es StGB, WStG und Co.“
Korrekt, Grundrechte sind ihrer Definition nach Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat.