Afghanistan-Einsatz kostete 2012 fast 120 Mio. Euro mehr als geplant
Deutschland hat im vergangenen Jahr für die Auslandseinsätze der Bundeswehr insgesamt rund 1,42 Milliarden Euro ausgegeben und damit gut 83 Millionen Euro mehr als geplant. Höhere Kosten fielen bei der ISAF-Mission in Afghanistan an, die mit rund 1,2 Milliarden Euro fast 120 Millionen teurer wurde als Anfang 2012 veranschlagt. Grund dafür sind nach Angaben des Verteidigungsministeriums der Einsatz von mehr Soldaten am Hindukusch und die gestiegenen Kosten für Treibstoff. Angesichts des bevorstehenden Endes des ISAF-Mandats 2014 wurde zwar weniger militärisches Material beschafft, die Investitionen in Anlagen in Afghanistan stiegen jedoch deutlich. Das geht aus einem Bericht für den Haushaltsausschuss des Bundestages hervor, der Augen geradeaus! vorliegt.
In dem Jahresbericht 2012 zu den Zusatzausgaben für Maßnahmen der Bundeswehr im Zusammenhang mit internationalen Einsätzen sind nur die Ausgaben enthalten, die den Streitkräften durch die jeweiligen Missionen entstehen. Grundausgaben wie zum Beispiel die normale Besoldung der Soldaten, die unabhängig davon anfallen (im Truppenjargon: Eh-da-Kosten, weil die Soldaten eh da sind), werden darin nicht erfasst.
Während die Kosten für den Afghanistan-Einsatz über das vergangene Jahr stiegen, blieben die Ausgaben für die anderen Auslandseinsätze der Bundeswehr weitgehend im geplanten Rahmen oder sogar deutlich darunter. Als zweitteuerster Einsatz folgt mit großem Abstand zu ISAF die EU-Antipirateriemission Atalanta, die 87,6 Millionen statt der vorgesehenen 101 Millionen Euro kostete. Für den KFOR-Einsatz im Kosovo gab die Bundeswehr mit 61,3 Millionen Euro rund 13 Millionen weniger aus als geplant. Die Marinebeteiligung an der UNIFIL-Mission vor der libanesischen Küste war mit 20,6 Millionen Euro sogar ein Drittel günstiger als die veranschlagten 30,3 Millionen Euro. Deutlich mehr als geplant, wenn auch im Vergleich bescheiden, zahlte Deutschland für eine Mission, an der die Bundeswehr gar nicht teilnahm: Für die NATO-Operation Unified Protector in Libyen im Jahr 2011 fielen im vergangenen Jahr für die Bundesrepublik 3,2 Millionen Euro als deutscher Anteil an – vorgesehen war gar nichts.
Bei der ISAF-Mission in Afghanistan machten die gestiegenen Betriebskosten, in der Haushalts-Systematik in den Nicht aufteilbaren sächlichen Verwaltungsausgaben erfasst, den größten Teil der Kostensteigerung aus: Statt der vorgesehen 291,4 Millionen Euro schlugen sie mit 377 Millionen Euro zu Buche. Die zusätzlichen Personalausgaben, überwiegend für den Auslandsverwendungszuschlag, stiegen gegenüber der Planung von 205 Millionen auf fast 220 Millionen Euro. Für die militärischen Anlagen am Hindukusch gab die Bundeswehr mit knapp 40 Millionen rund 19 Millionen Euro mehr als geplant aus. Dagegen blieben die militärischen Beschaffungen mit knapp 205 Millionen rund 5 Millionen Euro unter der Planung.
Auffällig ist, wie viel die Bundeswehr vor dem geplanten Ende des ISAF-Mandats und einer absehbar kleineren Nachfolgemission in Infrastrukturmaßnahmen in Afghanistan investierte. So wurden für ein Regenrückhaltebecken im Camp Marmal in Masar-i-Scharif 8,1 Millionen Euro ausgegeben, der Neubau der Stromversorgung kostete 6,1 Millionen Euro. Im Feldlager Kundus, das in diesem Jahr aufgegeben werden soll, wurden 2,1 Millionen Euro in neue Unterkunftsgebäude und 1,5 Millionen Euro in einen Neubau des Operationsgebäudes investiert. Insgesamt machten die Infrastrukturmaßnahmen für den ISAF-Einsatz knapp 40 Millionen Euro aus.
Bei den militärischen Beschaffungen gab es zwar einen leichten Rückgang gegenüber der Planung; auch hier machte aber der Anteil des Afghanistan-Einsatzes an den Gesamtausgaben mit fast 205 Millionen Euro den Hauptanteil an den insgesamt rund 210 Millionen Euro für alle Missionen aus. Größte Einzelposten für die Hindukusch-Truppe waren dabei Nachtsichtbrillen für Kraftfahrer mit 14,9 Millionen Euro und Präzisionsgewehre mit Nachtzielgeräten und Laserentfernungsmessern für 14,8 Millionen Euro. Zusammengerechnet ging allerdings auch ein erheblicher Anteil an den Beschaffungskosten in Computer- und Kommunikationsausstattung: Geräte zur Teilnahme am Afghan Mission Network, dem Computerverbund der ISAF-Truppen (6,8 Mio), Geräte für den Datenaustausch des Afghan Mission Networks mit den (deutschen) Führungs- und Informationssystemen (2 Mio), Material für den automatisieren Datenaustausch des Führungsinformationssystems des Heeres (4,6 Mio), Funkgeräte PRC117 (3,1 Mio), Satellitenkommunikationsanlagen (2,6 Mio), Ausstattung Einsatzkameratrupps (1,3 Mio) und weitere Ausgaben unterhalb einer Million Euro – allein die Verbesserung des Datenfunks durch Unterdrückung von Datenfunkgeräuschen kostete 700.000 Euro.
(Foto: Camp Marmal in Nordafghanistan – Bundeswehr/Sebastian Wilke via Flickr unter CC-BY-ND-Lizenz)
Passend dazu eine neue dreiteilige Vice Reihe: This Is What Winning Looks Like – My Afghanistan War Diary – By Ben Anderson
Wäre jetzt schon, die Zahlen mit denen für Entwicklungshilfe in Afghanistan zu vergleichen…
OT: Nicht nur TdM wird an Universitäten ausgebuht. Auch Johannes Clair (4 Tage im November) an der Uni Göttingen.
Quelle: Facebook-Auftritt von Johannes Clair
1,2 Milliarden! Wieviel schöne EuroHawk’s könnte man dafür kaufen? ;-)
…. und welche Neue Fahrzeuge hätte es gegeben ohne ISAF ?
alles hätte man nicht benötigt dann hätten wir nur noch altes Zeugs
@Alarich | 14. Mai 2013 – 20:29
Nun, neu sind diese Fahrzeuge ja auch nicht mehr, wenn sie aus Afghanistan zurückkommen. Wenn sie überhaupt zurückkommen und nicht an die afghanischen Streitkräfte verschenkt werden.
@T.W.:
DCOM ISAF erfrischend ehrlich zu Post-ISAF:
http://www.theatlantic.com/international/archive/2013/05/natos-plan-for-afghanistan-post-2014-a-stable-instability/275803/
Besonders bei MedEvac für die ANSF ab 2015 wird sich zeigen, wie ernst die Sonntagsreden zu „resolute support“ zu nehmen sind.
Unterstützung versprechen und weglaufen fällt im Krieg halt auf.
Aber die BReg weiß ja auch nicht was die bis zu 800 Deutschen ab 2015 machen sollen (siehe SpezKr). Hauptsache ne Zahl unter 1000.
@ Skalg
Wäre jetzt schon, die Zahlen mit denen für Entwicklungshilfe in Afghanistan zu vergleichen…
„Bis zu“ 430 Mio € für 2013 (siehe u.a. Handelsblatt, „Niebel sichert Afghanistan 430 Millionen pro Jahr zu“). Davon bis zu 250 Mio. € vom BMZ, der Rest wohl großteils vom AA.
(Und das wäre schon „viel“. Von 2002-2010 hat Deutschland für die zivile Entwicklung Afghanistans insgesamt rund 1,1 Mrd €. ausgegeben.)
Deutschland hat wohl zu keinem Zeitpunkt wohl viel mehr als die Hälfte der Militärausgaben für die zivile Entwicklung ausgegeben. (2008 rum lagen die Ausgaben für BW glaub um 500 Mio. €, und die Ausgaben für zivile Entwicklung um die 200 Mio. € – jetzt soi aus dem Kopf)
Wobei Geldausgeben oder Geldzusagen jetzt nicht wirklich ein Qualitätsmerkmal ist. Es fehlen von deutscher Seite schlicht die Leute, um das Geld wirklich gezielt im Sinne einzusetzen. Die GIZ macht da teils gute Arbeit (erst recht im internationalen Vergleich, aber auch da ist Murks dabei), arbeitet aber eher operativ an Einzelprojekten, und verfolgt meines Wissens nicht wirklich eine Entwicklungsstrategie. NGOs sind zwar vor Ort gut vernetzt, aber können eben auch nicht unendlich Geld umsetzen.
Von daher kommt es vor, dass angekündigtes Geld gar nicht ausgezahlt wird (das ist ja das Tolle an Fonds mit Genehmigungsprozess), einfach an irgendwelche Regierungsspitzen gegeben wird (meist über Fonds ohne Genehmigungsprozess), oder zu einem nicht unwesentlichen Teil an den deutschen Mittelstand geht. (Die Stahl-Brücken in Nordafghanistan sind da tolle Beispiele – die werden in Deutschland gefertigt und dann nach Afghanistan gebracht und dort montiert. Da kostet dann auch mal ne einfache Straßenbrücke ein paar Millionen.)