Lesestoff fürs Wochenende: Europa ohne USA – was würde gebraucht?

Seit dem vergangenen Wochenende ist es eben keine nur noch theoretische Frage mehr: Was müssten die Europäer tun, um einen Wegfall von US-Streitkräften in Europa auszugleichen? Da empfiehlt sich als Lesestoff fürs Wochenende eine Studie des Kiel(er) Instituts für Weltwirtschaft. Spoiler: Es wird nicht nur teuer, sondern auch verdammt schwierig.

Die am (heutigen) Freitag veröffentlichte Untersuchung nimmt einen Wegfall von US-Präsenz und Einsatzbereitschaft in Europa nicht nur für den aktuellen – wackeligen – Frieden ins Visier. Sondern ausdrücklich auch für den Fall, dass es einen russischen Angriff auf die europäischen NATO-Staaten gibt. Dazu aus der zentralen Passage:

Derzeit gehen die Militärplaner der NATO davon aus, dass im Falle eines russischen Angriffs auf ein europäisches NATO-Land die in Europa stationierten 100.000 US-Truppen rasch um bis zu 200.000 zusätzliche US-Truppen aufgestockt würden.  … Allerdings ist die Kampfkraft von 300.000 US-Truppen wesentlich größer als die gleiche Zahl europäischer Truppen, die sich auf 29 nationale Armeen verteilen.  …
Europa, einschließlich des Vereinigten Königreichs, verfügt derzeit über 1,47 Millionen aktive Militärangehörige, aber die Effizienz wird durch das Fehlen eines einheitlichen Kommandos reduziert. … Daher steht Europa vor der Wahl: entweder die Truppenstärke um deutlich mehr als 300.000 Mann zu erhöhen, um die Zersplitterung der nationalen Streitkräfte auszugleichen, oder Wege zu finden,
die militärische Koordination rasch zu verbessern.

Unterm Strich, listen die Autoren auf, wären rund 50 zusätzliche Brigaden nötig, mit mindestens 1.400 neuen Kampf- und 2.000 Schützenpanzern. Das wären zwar Zahlen, die die Bundeswehr im Kalten Krieg schon mal hatte – aber derzeit eben nicht mal eben neu be- und aufstellen könnte.

Im Vergleich zu den praktischen Personal- und auch Materialproblemen wirkt da die finanzielle Seite fast schon simpel. Erst recht angesichts dieses Vergleichs: Ökonomisch ist das relativ zur Wirtschaftskraft der EU überschaubar, die zusätzlichen Kosten liegen nur bei circa 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der EU. Das ist weit weniger, als etwa zur Krisenbewältigung während der Covid-Pandemie mobilisiert werden musste, sagt Prof. Guntram Wolff, Mitautor der Analyse und Senior-Fellow am Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Die ganze Studie zum Nachlesen hier, die Zusammenfassung hier.

(Foto: A U.S. Army M270A2 Multiple Launch Rocket System assigned to 1st Battalion, 77th Field Artillery Regiment, 41st Field Artillery Brigade moves across the training field at sunrise during a dry-fire exercise on Grafenwoehr Training Area, Bavaria, Germany, Feb. 8, 2025 – U.S. Army photo by Pfc. Carlos Marquez)