Was lange währt: Neue Fliegerhelme für Hubschrauberpiloten (Update: Marine muss noch warten)
Ein Teil der Hubschrauberpiloten der Bundeswehr bekommt neue Fliegerhelme. Sie sollen ab August ausgeliefert werden, wie das Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) mitteilte. Die Beschaffung der neuen Ausrüstung hat sich ein wenig hingezogen: Im vergangenen Jahr wies die Wehrbeauftragte darauf hin, dass das Projekt bereits seit 2013 läuft.
Aus der Mitteilung des BAAINBw vom (heutigen) Freitag:
Die Hubschrauberpilotinnen und Piloten der Luftwaffe und des Heeres erhalten neue Fliegerhelmsysteme. Hierzu hat das Beschaffungsamt der Bundeswehr kürzlich die Firma Gentex Corporation mit der Lieferung von 1.850 marktverfügbaren Helmsystemen beauftragt. Damit ist der derzeitige Bedarf vollständig abgedeckt. (…)
Der Helm ist bezüglich Staub- und Gesichtsschutz, flexibler Wahl von Laser- oder Sonnenschutz sowie der Anbringung von Nachtsichtgeräten, individuell konfigurierbar. Der modulare Aufbau ermöglicht die flottenübergreifende Nutzung bei nahezu allen eingesetzten Hubschraubern im Heer und bei der Luftwaffe. (…)
Die neuen Fliegerhelmsysteme ersetzen die bisherigen Helme vollumfänglich. Ab August werden die ersten Helme den Hubschrauberpilotinnen und Piloten zur Verfügung stehen. In der zweiten Jahreshälfte 2024 soll die Beschaffung aller Helmsysteme abgeschlossen sein.
Zunächst stellt sich natürlich die Frage, warum zwar Heer und Luftwaffe neue Fliegerhelme für ihre Hubschrauberpiloten bekommen, die Marine aber nicht. (Die Antwort dazu unten im Update.) Und, so scheint es, es ist eine sehr langwierige Beschaffung. Aus dem im März vergangenen Jahres veröffentlichten Bericht der Wehrbeauftragten des Bundestages, Eva Högl, für das Jahr 2022 (da wird übrigens die Marine noch genannt):
Beim Besuch des Hubschraubergeschwaders 64 erfuhr die Wehrbeauftragte, dass die Beschaffung eines Fliegerhelms mit ballistischem Schutz – ein marktverfügbares Produkt und bei den US-Streitkräften seit den 1990er-Jahren in Gebrauch – bis ins Jahr 2013 zurückreicht:
Der Grund für den über zehnjährigen Beschaffungsprozess liegt nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Verfahren: Zunächst hätten die Forderungen an den Helm mit den Bedarfsträgern von Heer, Luftwaffe und Marine abgestimmt werden müssen. Nach der Projektierung inklusive der Erstellung der haushaltsbegründenden Dokumente und der Bereitstellung von Haushaltsmitteln sei das Vergabeverfahren gefolgt. Als besonders zeitraubend habe sich dann erwiesen, dass der Fliegerhelm als Luftfahrtgerät der Musterprüfung unterliege und deshalb die Durchführung einer luftfahrtrechtlichen Musterzulassung notwendig gewesen sei. Diese sei aufgrund der erforderlichen Nachweisführung für sieben verschiedene Hubschraubermuster sehr komplex und umfangreich ausgefallen. Im Oktober 2022 wurde die Musterzulassung erteilt, und ab dem dritten Quartal 2023 soll die Bereitstellung der Standardfliegerhelme für die Besatzungen folgen.
Update: Auf die Frage, warum die neuen Helme für Heer und Luftwaffe kommen, nicht aber für die Marine, antwortete mir das BAAINBw:
Die Pilot*innen der Marine tragen bei Flügen zusätzliche Schwimm- und Schutzwesten, welche in Kombination mit dem Helm die Bewegungsfreiheiten einschränken.
Daher ist in Folge der Eignungsprüfung vorerst von einer Einführung abgesehen worden, bis weitere Untersuchungen erfolgt sind.
(Undatiertes Archivbild: Der neue Fliegerhelm – Johannes Locherer/Bundeswehr via BAAINBw)
wir haben Hubschrauber? 😂
auch wieder ein Thema dass den unnötig komplizierten Beschaffungsprozess zeigt
Was ist denn da seit 2013 passiert? In dem Zeitrahmen schreiben Leute Hochschulabschlüsse. Gab’s da nichts von der Stange?
Ein wahrhaftig gutes Beispiel für eine auf „Perfektion“ ausgerichtete Beschaffungsmaschinerie, die im Schwerpunkt anhand von Vorgaben und Gesetzen ein ellenlanges procedere samt Gutachten, Vergleichsmessungen, Ausschlusskriterien und die Suche nach dem „Kinken“ bislang häufig im Detail versinkt.
Ich denke als Bw-Hubschrauberpilot weiß man nicht ob man lachen oder weinen soll.
Diskussionswürdig ist, warum unsere Marine kein neues Helmsystem bekommen soll!?
Wahrscheinlich fallen die Marinehubschrauber sowieso ins Meer und brauchen deshalb keine neuen Helme 😜.
Scherz beiseite, wenn man 11 Jahre für die Beschaffung braucht, und auch mit Marine abgestimmt, dann sollte die Marine nicht vergessen werden. Als Beschaffungswesen mal wieder furchtbar. Was bei einem NATO Staat beschafft wird, muss gut genug sein für die BW. Musterzulassung abschaffen oder von anderen Ländern übernehmen , weil wir keine Zeit in der Zeitenwende für den Unsinn haben. Notfalls muss Markt verfügbar reichen.
Was heißt denn für „nahezu“ alle Hubschraubermodelle des Heeres und der Luftwaffe?:D
Würde bei Tiger mal ein Fragezeichen dran machen oder?
Am Ende wahrscheinlich nur LUH, LKH und NH-90?
Pars pro toto für eine Bürokratie, die im Grunde nur noch um sich selbst kreist. Ein marktverfügbares Produkt, eingeführt bei NATO-Partnern seit Jahren (ja, die fliegen halt nicht dieselben Muster) … und wir leisten uns den absurden Luxus, erst einmal grundsätzlich zu prüfen, ob es denn überhaupt zu gebrauchen sei …
Anstelle eine gesetzliche oder verwaltungstechnische Regelung einzuführen, nach der unter Voraussetzungen (z.B. den hier vorliegenden, bereits erbrachter Nachweis der Lufttüchtigkeit vermittels erfolgreichem Einsatz bei anderen NATO-Partnern) vereinfachte Musterzulassungen erteilt werden können …
Die Geisteshaltung, alles absichern zu wollen, konnten wir uns noch nie wirklich leisten. Jetzt aber ganz offenkundig nicht mehr.
ein marktverfügbares bereits bei Nato Partnern eingeführtes Modell muss „nochmal zertifiziert“ werden?
Bei derart byzanthinischer Bürokratie helfen auch 100 Milliarden nicht weiter..
Die größten Blockierer der Beschaffungsprozess im BAAINBw konnte ich während meiner Tätigkeit in den Vertragsreferaten (Grüße an die L2.6) und bei den entsprechenden Referaten für die Haushaltsmittel ausmachen. Dort liegen die beschaffungsrelevanten Unterlagen gerne mal bis zu 5 Monaten…
Der modulare Aufbau ermöglicht die flottenübergreifende Nutzung bei „nahezu“ allen eingesetzten Hubschraubern im Heer und bei der Luftwaffe. (…)
Die neuen Fliegerhelmsysteme ersetzen die bisherigen Helme „vollumfänglich.“
Nahezu – vollumfänglich < 0
Und das ist seit 2013 niemanden aufgefallen? /SCNR
@Closius
„Was bei einem NATO Staat beschafft wird, muss gut genug sein für die BW.“
Auch wenn ich zustimme, daß die Beschaffung gruselig lange gedauert hat, besonders, wenn man bedenkt, daß es den Helm schon Jahrzehnte vorher gab, ist diese Aussage schlichtweg falsch.
Die Staaten haben unterschiedliches Terrain, Herangehensweisen, Traditionen, Mentalitäten usw. Desweiteren will die heimische Wirtschaft beteiligt werden. Ein gutes Beispiel (wenn auch unbeliebt anscheinend) ist Multicam. USA hat es als erstes eingeführt (die haben ja schon in Sachen multicam mit dem UCP nicht so Kompetenz bescheinigt), dann GB, und dann war irgendwie jedes Land der Ansicht, es wäre das beste, das es gäbe. Auf Spartanat gab es mal einen Tarnschemavergleich, und da zeigt es sich deutlich, das Multicam sehr hell und in vielen Vegetationen anderen Mustern unterlegen war.
Ein anderes Beispiel sind Kampfpanzer. Deutschland will Kampfpanzer, die sich gegen andere Kampfpanzer, vor allem russische und davon abgeleitete Modellideologien, durchsetzen können. Frankreich dagegen will eher Kampfpanzer, um die Kolonien zu beschützen. Auch wenn Frankreich jetzt nicht mehr so viele hat, ist das Denken weiter darin verankert.
Es wäre natürlich gut, schnell und günstig, wenn alle NATO Armeen gleiches Material hätten. Aber manchmal macht es keinen Sinn. Und manchmal geht’s halt nicht wegen unsinnigen Vorgaben.
Seit 2013? Die sind noch voll im Zeitrahmen.
@all
Warum die Marine noch keine neuen Helme bekommt, steht oben im Update.
Die marktverfügbaren Helme sind übrigens nicht modular – die Version die wir beschaffen aber schon (Stichwort „Goldrandlösung“).
Und wenn man erst kurz vor Beschaffung fragt, ob die Geräte für die Zulassung als Luftfahrtgerät eigtl. irgendwelche (vertraglich nicht vereinbarten) Nachweise benötigen, kann es dank internationaler Unterauftragnehmer auch einmal länger dauern.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die US Navy oder die US Marines keine modernen Fliegerhelme haben in ihren Hubschraubern. Eine einfache Nachfrage bei diesen hätte das Problem sicher schnell gelöst, ob die USA einen anderen Fliegerhelm für die Marine verwenden oder ob die Schwimmweste angepasst wurde an den Helm. Das Beschaffungswesen arbeitet offensichtlich weiter im Kriechtempo.
Top.
Kann man damit dann den Tiger auch bei Regen oder zu tiefen Wolken fliegen?
Wir kommen mit dieser Mentalität NIE vor die Lage, im Gegenteil, die Lage ist uns entglitten- Aus Vorbei. Herr Wiegold, Pilotinnen?! Nein, das sind flugzeuführende Personen, f(F)liegende, hahaha ist das geil….das sind Piloten! Ich wertschätze alle anständigen Menschen, aber die verhuntzung der Sprache ist unerträglich.
[Huhu, Vorschriften welche Worte der deutschen Sprache von Journalisten nicht gebraucht werden dürfen, hatten wir zuletzt vom ZK der SED, und das wollen wir nicht wieder. Übrigens wird „Verhuntzung“ als Nomen (Sachwort, Sie erinnern sich) groß geschrieben. T.W.]
Da stellt sich mir auch gleich die Frage, ob der Helm ein „Vefallsdatum“ hat, so wie der Gefechtshelm und die Gläser der Schutzbrille (die auch zum Schießen benötigt wird). Wundern würde mich das sicher nicht. In meinen 35 Jahren BW habe ich viel erlebt in dieser Hinsicht, besser geworden ist es jedenfalls nicht.
Diese „Goldrandlösungen“ führen in der schnelllebigen Technik-Zeit immer wieder zum Verwaltungswahnsinn. Und dass zivile Bestimmungen ja immer mitberücksichtigt werden müssen (hier die luftfahrtrechtlichen Bestimmungen) macht es nicht einfacher. Das Problem sind weniger die möglicherweise unflexiblem Mitarbeiter im BAAInBw, als vielmehr die komplexen Vorschriften. Diese Vorschriften gehören geändert – die Mitarbeiter dort müssen einfach mehr Ermessensspielraum haben.
Auch wenn es eigentlich off-topic ist:
@Thomas Witt – Wir können froh sein, dass wir in einem Staat leben, wo niemandem verboten ist, zu gendern, und es auch niemandem wirklich befohlen wird, eben dieses zu tun.
Manch einer in Berlin/Bonn/Koblenz will wohl nicht, dass in DEU Streitkräfte ausgerüstet werden. „Strukturelle Nicht-Angriffsfähigkeit“ eben.
Neben dem einen oder anderen General sollte Pistorius auch die Juristen nicht vergessen.
@all: Die Kommentare, zum Teil ironisch/sarkastisch, zum Teil einfach nur bestürzt vor dem Hintergrund von 11 (!) Jahren Beschaffungsprozess sind voll nachvollziehbar. Eine Möglichkeit der Erklärung neben einfach langwierigen Beschaffungsprozessen ist: bis die damalige IBUK UvdL mehr Geld für die Bw im BT „organisiert“ hatte (so um 2016) galt bei allen Ausgaben: kürzen, strecken, verhindern. Also von 2013 – 2016 passierte nur eins: Ausreden suchen, warum es länger dauert. Auch unter UvdL wurde geprüft und getestet und zertifiziert, wichtig war nur: NULL Unfälle (=schlechtes Image und ggf. Zahlung von Entschädigungsleistungen), das galt es so weitgehend, wie möglich, zu verhindern. Also kann man davon ausgehen, dass erst ab 2017/2018 so richtig ernsthaft nach einem neuen Helm gesucht wurde. Und sechs bzw. sieben Jahre für die Einführung von Luftfahrtgerät ist doch für die Bw schon fast rekordverdächtig. Beim Tiger reden wir von Dekaden!
Am Ende hoffe ich, dass der neue Helm gut ist und für die Hubschrauberpiloten der Bw einen echten Mehrwert bedeutet.
Da gibt es ein marktverfügbares Produkt, das die US Armee erfolgreich nutzt und wir brauchen elf Jahre, um es bei uns teilweise zum Einsatz zu bringen? Wer findet den Schrat?
Die Marinepiloten warten jetzt noch weitere Jahre auf ihren Helm?
Habe ich das alles richtig verstanden?
Gibt es denn wenigstens bei den „Beschaffern“ ein gewisses Schamgefühl und den Verzicht auf die nächste Beförderung?
Welche Konsequenzen beabsichtigt der Dienstherr zu ziehen?
Nett das wir gesprochen haben, oder wie bitte?
Bei so einer Nummer gibt es in der Wirtschaft den CEO und sein Team nicht mehr!
Was soll das Gebettele um mehr Geld, wenn es offensichtlich gar nicht zeitnah und zielgenau ausgegeben werden kann?
Tiger und NH 90 haben eigene Helme, die auf die Plattform angepasst sind. Der Gentex Helm wird querschnittlich genutzt. Deswegen hat er auch etliche Zubehörteile darunter drei verschiedene Sprechfunksets für die unterschiedlichen Systeme in den jeweiligen Hubschraubern. Solange ein Helm kein Mittel der primären Flugffürung ist, beschränkt sich die Nachweisführung auf Kompatibilitätstest. Die haben für diesen Helm keine drei Wochen gedauert. Allerdings hat man ein Jahr auf die Lieferung der Nachweismuster durch den Hersteller gewartet. Soviel zu marktverfügbar. Auf Haushaltsmittel wartet man auch schon mal mehrere Jahre, wenn ein Projekt keine hohe Priorisierung bekommt. Eine 25 Mio Vorlage benötigt in der Regel auch ein Jahr. Da die Marine zukünftig nur NH90 Varianten fliegt, wird sie möglicherweise die Helme für Seaking und Sealynx nicht mehr beschaffen wollen. Wie auch immer, die Inkompatibilität liegt möglicherweise an der Rettungsweste. Sie ist so konstruiert, das ein bewusstloses Besatzungsmitglied auf den Rücken gedreht wird, um nicht zu ertrinken und hebt ihn aus thermophysiologischen Gründen Kopf und Nacken aus dem Wasser. Beide Funktionen erhöhen die Überlebenswahrscheinlichkeit.
Vielleicht kann mich ein Fachmann aufklären. Ich bin etwas irritiert, warum der Helm für jeden Hubschraubertyp einzeln zugelassen werden muss. Er ist doch nicht Bestandteil des Hubschraubers.
Ich als Laie sehe das eher als persönliche Ausrüstung an. Der Hubi fliegt ja auch dann, wenn ich den Helm nicht auf hätte.
Ganz platt, mit meinem Motorradhelm fahre ich jedes Motorrad, ohne Extra- Zulassung. Mit Modulen ( Sonnen-und Antibeschlagvisierung, Gesichts- und Staubschutz). Das Kommunikationssystem ist auch gleich integriert.
Wo ist da der gravierende Unterschied? Oder ist das nur bürokratischer Wahnsinn, wie so oft?
@AoR
Zitat:“Der modulare Aufbau ermöglicht die flottenübergreifende Nutzung bei „nahezu“ allen eingesetzten Hubschraubern im Heer und bei der Luftwaffe.“
Lassen Sie mich raten. Ausgenommen sind Chinook und Hubschrauber vom Typ H145 sowie dessen Derivate.
@Pio-Fritz
Manche Helmvisiere erlauben das Einblenden von visualisierten Daten und Videobilder von zum Helikopter gehörenden Flugsystemen und Kameras. Dabei wird dann zum Beispiel eine am Kinn des Helis montierte Kamera entsprechend der Kopfbewegung des Piloten in dessen Blickrichtung gesteuert. Sowas funktioniert natürlich nur wenn es zwischen Helm und Heli einen Datenaustausch gibt.
Soviel moderne Technik wäre von unserer Bundeswehr vermutlich zuviel erwartet. Wahrscheinlich fehlen an den Helis einfach passende Stecker für das Helmmikrophon und zur Strromversorgung für das Nachsichtgerät.
Respekt, man hat also so lange daran rumgeprüft, dass im Ursprungsland bereits ein neues System in den Startlöchern steht (Rotary-Wing Advanced Tactical Helmet (RATH)) oder bereits in der Pipeline ist (im Zuge des Future Long-Range Assault Aircraft.
Wie war das noch? Ah ja: #weltklasse… ;-)
Wie lange dauern vergleichbare Beschaffungen in anderen Ländern? Ist das „Deutschland Tempo“ konkurrenzfähig?
@Pri-Fritz
Im Prinzip testet man die Kompatibilität des Helmes mit dem Luftfahrzeug. Wird die Sicht eingeschränkt? Geht man mit dem Helm irgendwo an? Ist die Elektrik (Sprechfunk/Intercom) kompatibel? Sind die Helmvisiere mit den Cockpitscheiben und den Displays/Instrumenten kompatibel? Kompatibilität der Nachtsichtfähigkeit? Usw.
Außerdem muss dem LufABw viel Dokumentation vorgelegt werden. Hier gibt es zum Beispiel auch Abweichungen zwischen dem, was der Amerikaner der Army/Navy/Air Force vorlegen muss und dem, was das LufABw sehen will. Man muss dann prüfen ob US-Nachweise anerkannt werden können oder ob bestimmte Nachweise nach DEU/EU-Vorschrift separat nachgewiesen werden müssen.
Je nachdem ob ein solches Verfahren als Direct Commercial Sales (DCS) oder Foreign Military Sales (FMS) abgewickelt wird, sind da auch noch verschiedenste Regierungsstellen mit eingebunden.
Was ebenfalls nicht trivial ist, ist die Exportkontrolle. Gerade die US International Traffic in Arms Regulations (ITAR) sind schon aufwändig.
Ich vermute auch mal, dass viele Sachbearbeiter im BAAINBw vielleicht ein oder zwei Mal in ihrer Standzeit mit DCS bzw. FMS in Kontakt kommen. Da steckt also sicher auch ein gewisser Einarbeitungsaufwand dahinter. Last but not least sind beim BAAINBw auch immer noch etliche Stellen unbesetzt.
Ob die kommenden Waffensysteme kompatibel zu den Helmen sein werden? :-)
@Pio-Fritz:
Der Helm ist Teil der Fliegersonderbekleidung (bei Eurofighter sogar eine eigene Subgroup). Fliegersonderbekleidung ist prüfpflichtig, weil sie direkt am Luftfahrzeug betrieben und Einfluss auf Lufttüchtigkeit und Verkehrssicherheit hat. Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät sind von anderen
Prüfvorschriften explizit ausgenommen (z. B. Maschinenricjtlinie) weil sie ja bereits nach dem Luftverkehrsgesetz auf Lufttüchtigkeit, Verkehrssicherheit und Luftfahrtvertröglixhkeit geprüft werden müssen.
Allgemeine Nachweise kann ein Hersteller bereits geführt haben und die werden auch im Rahmen der mutual recognition durch das LuFABw anerkannt. Nicht nachweisen kann er die Schnittstellen zu den Zielsystemen und Crews. Das sind z. B. mechanische oder elektrische Schnittstellen also Stecker oder Impedanz. Helme müssen aber auch zur sonstigen Ausrüstung passen, auch das wird geprüft. Darüber hinaus darf ein Helm beim Ausschuss nicht zum Genickbruch führen und er muss auf dem Kopf bleiben. Dafür leistet sich die Bw eigene Prüfstände (Schlitten und SAE). Das wurde hier nicht geprüft, ist auch nicht notwendig.
Man kann für einen solchen Helm eine querschnittliche Zulassung aussprechen, dann werden in der Zulassung alle Zielsysteme genannt oder den Helm in die Zulassung des Luftfahrtzeugs aufnehmen. Ziemlich viel Aufwand aber rechtssicher so wie es das deutsche Grundgesetz fordert. Die Verwaltung ist an Recht und Gesetz gebunden.
Einfach nur peinlich, vor Allem Für die SeaLynx und SeaKing Piloten der Marine. Wer schon mal mit den alten Helmen geflogen ist, der weiß, das jeder andere Helm besser wäre: Schlechter Lärmschutz (zusätzlich wird angepasster Gehörschutz im Gehörgang getragen), schwache Schutzwirkung, mittelmäßiges Intercom System, unkomfortabler Druckknopfverschluss, Anpassung an die Kopfform mit Schaumstoffkissen / Gummiband und keine abstrahlsichere Steckverbindung.
Alles Punkte, die schon seit vielen Jahren regelmäßig bemängelt werden. Und jetzt prüft man sich wieder zu Tode…. Lynx hat z.B kein BiV Cockpit, keine Schnittstellen außer Mono (einmal Stereo) Ton und Mikro… Somit dürfte die Kompatibilitätsprüfung recht überschaubar bleiben… Abgesehen davon, dass die abstrahlsichere Verbindung mittels 11-poligem Stecker schon lange gefordert wurde um die jetzt noch genutzten Adapter zu ersetzen.
Vielen Dank für die vielen ausführlichen Erläuterungen.
Ich habe daraus mitgenommen, das hier in DEU alles nochmal geprüft wird und detaillierte Dokumentationen vorgelegt werden müssen, die beim Hersteller vielleicht gar nicht vorliegen, weil niemand anderes sie bisher gebraucht hat. Das alleine dauert.
Dann ist alles viermal geprüft und dreimal abgesichert, damit auch ja nichts passieren kann. Und das obwohl der Helm anderswo schon zugelassen ist.
Im Ergebnis bürokratischer Wahnsinn mit Optimierungsbedarf, der von ausländischen Herstellern nicht bevorzugt bedient wird und auch noch Extra-Geld kostet. Andere Märkte sind da wohl einfacher zu bedienen.
@Q
Alles mögliche ist von der Maschinenrichtlinie ausgenommen. hauptsächlich, weil solche „Maschinen“ nicht der Maschinenrichtlinie entsprechen können, z.B. auch Kfz. Maschinen nach Maschinenrichtlinie dürfen eigentlich keine tödliche Gefahr darstellen, bei Autos und Luftfahrt Zeugen wird das eben akzeptiert.
Ansonsten waren andere FMS doch erheblich schneller, als das dies eine solch übertriebene bürokratische Hürde darstellen könnte.
Ich wäre ja dafür, dass jeder Hubschraubertyp seinen eigenen perfekt angepassten Spezialhelm bekommt^^ natürlich mit allen nötigen und unnötigen Zertifizierungen.
Die langen Zeiträume sind erschütternd, jedoch ein Versuch der Einordnung aus meiner persönlichen Sicht:
Wenn Partnernationen erfolgreich Wehrmaterial einführen und im Flugbetrieb nutzen und dieses Material nach militärischen Standards für einen Flugbetrieb produziert und zertifiziert ist, genügt das noch lange nicht als Nachweis für eine sichere Nutzung in der Bw.
In der Bw muss auch in einem solchen Fall alles einer Luftfahrtzertifizierung nach ZIVILEN Standards unterzogen werden. Die erfolgreiche Nutzung bei Partnernationen genügt in diesem Prozess höchstens als ein risikominimierender Faktor unter vielen. Dies führt zu Mehraufwand und auch Mehrkosten. Die Industrie reibt sich die Hände!
Entstanden sind solche Entgleisungen des Verwaltungshandelns in einer 0,00000000000000001% Risikopolitik durch zuvorderst POLITISCHE VORGABEN! Es sollte bloß nichts negatives passieren. Ja, und das wurde erreicht, in dem kaum noch was voran ging und somit eben auch kein Risiko entsteht.
Diese Herangehensweisen sind mittlerweile so tief in die DNA des Aufbaus, der Struktur der Bundeswehr und des dadurch erforderlichen Verwaltungshandelns eingewoben, dass dies NUR durch einen breiten Konsens innerhalb der gesamten Führungsebene des BMVg und angeleitet durch die politische Führung wieder zurückgeführt werden kann. Das KANN NICHT der nachgeordnete Bereich alleine erreichen (sprich die Ebene unter BMVg) und erst recht nicht einzelne gewillte Sachbearbeiter und Referenten in den unterschiedlichen Entscheidungssträngen.
Ich möchte auch in diesem Zusammenhang erwähnen, das alle Sonntagsreden bezüglich europäischer Beschaffung, Vereinheitlichung, Standardisierung, scheitern werden zuvorderst wegen überzogenen nationalen deutschen Vorgaben an das Material, die durch eben jene 30 Jahre Friedenpolitik entstanden sind. Alle Regelungen und Gesetze wurden in bester Absicht 1 zu 1 auch auf das Wehrmaterial und das resultierende Verwaltungshandeln in der Bundeswehr übertragen.
Was bei NATO Partnern erfolgreich in militärischen Fliegern genutzt wird, muss noch lange nicht den zivilen Standards der Luftfahrtsicherheit entsprechen und somit auch einfach in der Bundeswehr einzuführen sein.
Bei Wehrmaterial ausländischer Hersteller sind bei Entwicklung und Produktion maximal die entsprechenden NATO Standards oder eventuell vergleichbare nationale Standards zur Anwendung gekommen. Bei dem Fliegerhelm könnte ich mir vorstellen, dass er z.B. nach einschlägigen US MilStd Prüf- und Spezifikationsvorgaben produziert wurde.
Diese Vorgaben und Papiere/Bescheinigungen genügen u.U. aber nicht, um diesen Helm in Deutschland unter Anwendung ziviler Sicherheitsstandards der Luftfahrt zertifizieren zu dürfen. Wenn der Hersteller gewillt ist, kann er das Produkt entsprechend der deutschen Vorgabe nachzertifizieren. Nun kann es aber so sein, dass gewisse geforderte zivile Zertifikate grundsätzlich andere Produktionsprozesse und/oder deren Überwachung erfordern, was u.U. schlicht für ein militärisches Produkt so nie durch den Hersteller vorgesehen ist. Somit auch nicht eingepreist. Eine einfache „Nachzertifizierung“ nach zivilen Vorgaben wird dadurch erschwert. In Verbindung mit der 0% Risiko Vorgabe bei der Nutzung in Deutschland entsteht ein „toxischer Zustand“, der auf Arbeitsebene kaum mehr zu lösen ist.
Auch der unbedarfte Leser wird sich nun vorstellen können, welche Tiefen des Verwaltungshandelns unterschiedlichster Stellen innerhalb der Bw man durchlaufen muss, um den, letztendlich politischen Vorgaben nach Risikominimierung gerecht werden zu können.
Sollte es am Ende kein neues Produkt geben, so war eben auch keines Verfügbar welches den Anforderungen entsprach.
@Grashüpfer
Eigentlich unglaublich. Nachfrage: wozu gibt es eigentlich militärische Standards, wenn man meint zivile noch Obendrüber zu stülpen. Sind die militärischen Standards denn grundsätzlich unsicherer? Ich wüsste für viele militärischen Funktionen keinen Bedarf im zivilen., insofern macht es für mich erst einmal Sinn andere Zertifizierungen und Standards im militärischen Bereich zu haben. DIE zivilen dürfen dann aber NICHT gleichzeitig gelten.
Von Zeitenwende des Bundeskanzlers ist eigentlich fast nichts zu sehen. Ich bin mir auch nicht sicher ob Teile der SPD daran überhaupt etwas ändern wollen, Pistorius tut mir langsam etwas Leid. (bei aller Kritik an der SPD sollte man aber nicht vergessen welche Partei die letzten 25 Jahre hauptsächlich Kanzler/in und Verteidigungsminister/in stellte)
@Grashüpfer: Die „POLITISCHEN VORGABEN!“ (Fakten zu wer, wann, was… interessieren mich) zur Risikopolitik könnten interessant sein, wenn es sie tatsächlich gäbe.
Ich bin jetzt schon ein wenig verzweifelt.
Die Zertifizierung dient dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten. Die Klagen ansonsten auf Wehrbeschädigung.
Nehmen wir den Gehörschutz: Der Helm hat eine fixe Dämpfung, die hat er auch nachgewiesen. Es gibt Lärmgrenzwerte, die eingehalten werden müssen. Die sind in USA und Europa nicht notwendigerweise gleich. Wenn die Dämpfung nicht ausreicht, müssen zusätzlich Othoplastiken her (z.B. KH Tiger). Im Fall der Helme ist die Bundeswehr der Inverkehrbringer und verantwortlich dafür, das Normen eingehalten werden. Das gilt auch für jedes Kinderspielzeug, das aus China in die EU importiert wird. Es gibt da auch keine militärischen Standards, die zusätzlich zu zivilen Standards geprüft werden.
@Q
mit:
Richtlinie 2003/10/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Februar 2003 über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen (Lärm) (17. Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG),
sind die Schwellenwerte EU-weit harmonisiert. Deutschland hat praktisch keine strengeren Grenzwerte.
Die USA haben mit OSHA und NIOSH ebenfalls sehr ähnliche Grenzwerte. Z.B. muss man ab 85 db auch umfangreiche Testprogramme starten, was wohl teurer wäre als jeder Gehörschutz. (sieht Deutsches Recht auch entsprechend vor als Arbeitsmedizinische Vorsorge)
Normen sind sowieso nicht staatliches Recht, und sofern diese nicht den Vorschriften zum Inverkehrbringen etc. entsprechen, brauchen Sie diese auch nicht einhalten. Rechtsnormen sind nochmal was anderes….
PS: Bei Panzern zb bin ich sehr für funktionierende Abgasreinigung im Friedensbetrieb, aber für den Kriegsfall gibt es hoffentlich eine Taste „Es ist Krieg, Abgasreinigung ist Wurscht“. Bei Lärm sieht das dann wahrscheinlich wiederum anders aus, nicht umsonst werden immer mehr Hybrid-Systeme entwickelt.
Q sagt: 26.02.2024 um 8:47 Uhr
Lieber Q, bitte nicht verzweifeln… Danke für diesen fundierten Beitrag! Es ist natrülich einfach und beliebt und einfahc beliebt, immer schön dumpfes Bashing zu betreiben (Stammtisch) — erst bei gebührender Betrachtung des Problems kommt man halt auf die Zusammenhänge… Wobei die Bearbeitungsdauer von 11 Jahren natürlich schon „heftig“ ist, aber das ist ja leider die Tendenz in vielen Bereichen in DEU: Entweder es wird mit heisser Nadel genäht oder man versucht Probleme auszusitzen, und wenn das an mehreren Stellen einer Bearbeitungskette passiert, dann dauert es halt Jahre…
Danke, VG, NG.
Mal eine Frage zu den Helmen und dem dargestellten Bild.
1.) Kommen damit auch endlich neue Nachtsichtgeräte ?
2.) Welche Werte haben die verbauten Röhren im Durchschnitt?
3.) Was passiert mit den Helmen wie bei Tiger oder NH90? Gerade wenn man merkt, dass die neuen Geräte, eben wesentlich besser sind.
Schon gute BiV Typ Fero D52 waren oft besser als das was im Cockpit (NH90) verfügbar war, wie gestaltet sich das nun mit AN/VIS und Röhren, die weitaus mehr leisten können?
@Q: Was mich interessieren würde: Wer so lange prüft, muss doch eigentlich Dinge finden, die nicht vollständig im Einklang mit den diversen Vorgaben stehen. Gibt es denn ggfs. Hardware-Anpassungen bzw. Optimierungen am Helm resultierend daraus? Markverfügbar muss ja nicht notwendigerweise ein völlig unverändertes Standardprodukt sein. Wenn ja, hätte es wenigstens (hoffentlich) einen greifbaren Mehrwert für die Besatzungen gehabt.
@cradox:
Suchen Sie mal im Internet nach MAT Bildern (Missionsionausrüstungsträger), da können Sie ein System vorne an der Nase zum räumlichen Nachtsehen erkennen. Das wäre der Nachfolger für Tiger und NH90 gewesen. Leistungsdaten sind leider nicht öffentlich.