Lesestoff: Estland geht von russischer Bereitschaft zur Konfrontation mit der NATO aus
Russland verstärkt nach Einschätzung des estnischen Auslandsgeheimdienstes seine Truppen an den Grenzen zu den baltischen Staaten und dem neuen NATO-Mitglied Finnland. Moskau richte sich offensichtlich auf eine militärische Auseinandersetzung mit der Allianz in den nächsten zehn Jahren ein.
Der Auslandsgeheimdienst (Välisluureamet) legte am (heutigen) Dienstag seinen jährlichen Bericht vor (auch auf Englisch). In der Übersicht unter dem Titel Internationale Sicherheit und Estland 2024 werden vor allem die Auswirkungen einer geplanten russischen Militärreform analysiert, die sich vor allem auf den Norden Europas auswirken könnte.
Eine der Kernaussagen in dem Bericht:
The objectives of Russia’s military reform reflect the leadership’s vision of the resources required for the conflict with Ukraine and prolonged confrontation with the West.
Russia presents its military reform as a response to NATO’s expansion, probably anticipating a possible conflict with the alliance within the next decade.
Russia’s goal is to achieve military dominance in the Baltic Sea region. For Estonia, Russia’s military reform entails a significant increase in Russian forces near the Estonian border in the coming years.
Die Konsequenzen sind aus Sicht des estnischen Dienstes, dass ungeachtet der generellen Bemühung um eine Verstärkung der russischen Streitkräfte die Hauptanstrengungen gegen den Westen gerichtet sind: If Russia manages to implement the reform, NATO could face a Soviet-style mass army in the next decade. Der ganze Abschnitt im Kontext:
Although Russia plans to strengthen all strategic directions, including organising naval infantry brigades into divisions and establishing five regional artillery divisions, the highest priority for force generation lies in the Western strategic direction and Ukraine. The Kremlin is preparing for a prolonged conflict with Ukraine, necessitating additional armies and army corps (3rd and 40th Army Corps, 18th Army and 25th Army), for which dozens of new manoeuvre, combat support and combat service support units are being formed.
The second priority region is the Finnish direction, where Russia’s military posture was minimal until Finland’s recent accession to NATO. Russia plans to create the 44th Army Corps, likely based in Petrozavodsk, to address this. This formation will probably be built around at least two or three manoeuvre units with around a dozen fire support and combat support units.
The growth of Russian military capabilities in Estonia’s vicinity in the Leningrad and Pskov Oblasts primarily results from the potential transformation of existing units into divisions. According to one possible scenario, the personnel strength of Russian land forces and airborne troops in the Estonian direction may nearly double from approximately 19,000 before 24 February 2022. The extent to which these units will achieve combat readiness depends on Russia’s ability to recruit, train and retain contracted service members.
The success and timeline of Russia’s military reform will be largely determined by the course of the war in Ukraine. If Russia manages to implement the reform, NATO could face a Soviet-style mass army in the next decade. This army is likely to be technologically inferior to NATO allies’ defence forces in most areas, except for electronic warfare and long-range strike capabilities. However, its military potential would be significant, owing to its size, firepower (including artillery and numerous inexpensive combat drones), combat experience and reserves. Defending against a possible conventional attack from such an army would require allied defence forces and defence industries to be significantly more prepared, capable and better-stocked with ammunition and materiel than they currently are.
@AoR
Was ist Ihr „Plan B“. Wie soll es weitergehen, wenn die Ukraine verliert? Oder wollen Sie sich darauf versteifen, dass das was nicht passieren darf auch nicht passieren kann?
Ist das nicht ein bisschen arg unflexibel?
@Schlammstapfer:
Dann steht Russland vor demselben Problem wie die USA im Irak oder Afghanistan: Den konventionellen Krieg gewonnen, aber eine unwillige bis feindliche Zivilbevölkerung, welche die neuen Umstände sabotiert.
@someone
Genau so sehe ich das auch. Die russischen Streitkräfte haben einfach nicht die Manpower um die gesamte Ukraine zu besetzen. Selbst wenn die russische Föderation nur auf die Gebiete konzentireiert die es besetzt bzw. annektiert hat, ist das immer noch viel Fläche, die es zu sichern gilt.
Täuscht euch da mal nicht. Wenn Kiev fällt, werden Millionen in Richtung West fliehen, der Rest wird sich arrangieren. Den restlichen zivilen Widerstand wird Putin brutal ausradieren. Kostprobe gab’s ja wieder am Wochenende mit Nawalny. Man kann sich auch gerne Tschetschenien in Erinnerung rufen. Da gab es nach dem brutalen Krieg keinen Widerstand mehr. Putin’s Minimalziel ist nach meiner Auffassung eine 800 km tiefe Aufmarsch und Verteidigungszone von der Ostsee bis ans Schwarze Meer, über das Baltikum, Belarus und die Ukraine. Der einzige, der die Zeitenwende begriffen hat ist Putin, er gibt Gas!
@Schlammstapfer: Plan B ist das Konfrontations-Szenar der Esten. Plan A wäre, den Krieg aus Plan B zu gewinnen, bevor er in greifbare Nähe kommen könnte / bzw. dorthin geredet wird.
@Tomcat: Ich teile Ihre Einschätzung nicht, dass Putin der einzige sei, der die Zeitenwende „begriffen“ hat. Er ist der einzige, der als autokratischer Despot „mal eben“ entscheidet, ob z.B. NAWALNY umgebracht, 1.000 Pz hergestellt werden oder die 44. Brigade vor Finnland disloziert wird. Wie „nach der Münchner Konferenz / folgend Abkommen 1938“ ist auch heute in den Demokratien klar erkannt, nicht nur im BALTIKUM und POLEN (da war das schon vor 2014 glasklar und auch in Richtung „Westen“ formuliert, wurde jedoch geflissentlich hier negiert), wer und was das aktuelle Problem ist.
Ich stimme Ihnen in der Kriegsflüchtlingsfrage zu. Vor einer Woche wurde offiziell von in solchem Szenario erwarteten zusätzlichen zehn Millionen UKR-Vertriebenen berichtet. DEU hat 2022 2,1 Mill. Flüchtlinge, davon ca. 1 Mill. UKR, aufgenommen und versorgt. Zum Vergleich : USA knapp 26.000. Und wir hätten im Fall des Falles weitere Vertriebene aus der UKR aufzunehmen. Der Kostenansatz DEU 2023 hierfür liegt bei knapp 28 Milliarden €. Also deutlich mehr als die Hälfte des regulären EP 14. M.E. sind diese Aufwendungen den Verteidigungsausgaben zuzurechnen, da ein direkter Zusammenhang mit Rüstungsausgaben – auch anderer Länder – besteht…
@someone: Der Verweis auf die Historie und die Flexible Response hinkt nun aber insoweit, als die sowjetische Armee, einschließlich der Streitkräfte der Warschauer Paktstaaten ausweislich des Gebarens der Sowjetunion in der Berlin-Blockade wie auch der anschließend zutage tretenden, sowjetischen Interventionsstrategie in der DDR, Ungarn, der Tschechoslowakei und später dann in Afghanistan bei den westlichen Militärplanern natürlich zwangsläufig zu der Besorgnis geführt hat, dass aufgrund der konventionellen Übermacht des Warschauer Pakts irgendwann ein offener konventioneller Schlagabtausch drohen könnte, mit dem (seinerzeitigen) Ziel, den Kommunismus in ganz Europa zu verbreiten und den freien Westen hinter den „eisernen Vorhang“ zu zwingen.
Anzeichen dafür, dass Russland selbst realistisch Gefahr laufen könnte, zum Ziel eines Angriffs der NATO zu werden, der auf territoriale Eroberungen gerichtet wäre, werden ja nicht einmal im russischen Staatsfernsehen ernthaft kolportiert. Die Darstellungen der „Bedrohung“ durch die NATO bleiben eher ungefähr und abstrakt. Wo Vorwürfe vereinzelt konkreter werden, stellt das offizielle Narrativ das von Ihnen angeführte Argument diametral in Frage, wenn Putin (z.B. 2014) behauptete, der Westen wolle „Russland zerschlagen“, weil es „zu stark“ geworden sei. Much butthurt, I sense there.
In short: Man will in Moskau nicht akzeptieren, dass ehemalige Vasallen, Satelliten und Marionettenstaaten sich durch die Bank hinweg verlässlichere und wirtschaftlich lohnendere Freunde und Verbündete suchen, und legt auf die historisch bereits belegte imperialistische Aggression und Rücksichtslosigkeit nochmal einen drauf.
Russland isoliert sich damit quasi immer weiter selbst und beschwert sich anschließend drüber, dass keiner mehr mit ihm als bevorzugter Partner vorlieb nimmt.
@AoR und TomCat
Haben Sie mal darüber nachgedacht, warum die russische Regierung im Zusammenhang mit dem NATO Beitritt der baltischen Staaten niemals irgendwelche roten Linien verletzt gesehen hat? Und warum sie zwar über den NATO Beitritt der Finnen gemault haben, aber dies für die russische Regierung und ihre sowjetischen Vorgänger in früheren Jahren niemals wirklich ein Thema war?
Da hängt mit der Geographie der Region zusammen. Karelien, die Grenzregion Russlands zu Finnland besteht im wesentlichen aus Sumpf, dichten Wäldern und Einöde. Der einzige Krieg zwischen Finnen und Russen war ein Winterkrieg, weil Fahzeuge und vor allem schwere Fahrzeuge da im Sommer gar nicht durchkommen. Finnland aus russischer Sicht keinen Krieg wert und Karelien war aus finnischer Sicht keinen Krieg wert und so hat man sich geeinigt und Jahrzehntelang in guter Nachbarschaft und zum beiderseitigen Vorteil gelebt.
Russland ist in seiner Geschichte zweimal von europäischen Mächten angegriffen und in Bedrängnis gebracht worden. Von den Franzosen unter Napoleon und dem deutschen Reich unter Hitler. Napoleons Armee zog im wesentlichen durch das Gebiet des heutigen Belarus. Die Reichswehr griff zwar auf breiterer Front an, aber der größte Teil und das schnellste Vorankommen erfolgte auf dem Gebiet der heutigen Ukraine. Auf dem flachen und trockeneren Boden des „Ukrainischen Schilds“ und des „Donezbeckens“.
Im Norden der Ukraine behinderten die Pripjetsümpfe schon immer das vorankommen von Invasioren und noch weiter nördlich findet sich auf dem Gebiet von Estland und Lettland gibt es noch mehr Sumpf. Die Esten haben zudem diesen großen und irre langen Peipus See als Grenze zur russischen Föderation und die Narwa. Aus russischer Sicht drohte aus dieser Regieon einfach keine Gefahr. Auch nicht als diese Staaten zu NATO Migliedern wurden. Das Gelände eignet sich einfach nicht für einen Krieg mit mechanisierten Kräften.
Auf das Flachland der Ukraine blickt die russische Regierung dagegen, so wie wir, zur Zeit des ersten kalten Krieges, auf das Fuldagap geschaut haben.
Gegen einen Angriff aus dem Westen napoleonischen Stils schützt Belarus als Puffer.
Den 800 km Puffer auf ukrainischem Boden stellen die Russen gerade her. Oder sie versuchen es zumindest.
Natürlich ist der Angriff der russischen Föderation „unjustified, illegal and brutal“ und „seriously violates international law, including the UN Charter.“ Aber „unprovoked“ war dieser Krieg eben nicht.
@Schlammstampfer: Sie konstruieren eine 800km Pufferzone zwischen dem angriffskriegführenden russischen „Reich“ und den NATO-Staaten. Das machen Sie in einer für mich fehlerhaften, die tatsächlichen geografischen Gegebenheiten vollkommen ausblendenden Lagebeurteilung. Der Oblast Kaliningrad liegt als Stachel, wie einst Berlin (West), von „Feinden“ umklammert mitten im NATO-Gebiet. Und sogar die Ostsee ist nun zu 95% NATO-Meer… Ob Menschenfreund Putin sich 800km nach Osten zurückzieht zwecks „Pufferzone“?
@Schlammstapfer: Ich kann das den Ukrainern nur ganz schwer vermitteln. Also dass die bombardiert werden wegen der Güte geographischer Karten in RUS Planungsstäben.
@Schlammstapfer:
„Aber „unprovoked“ war dieser Krieg eben nicht.“
Der Krieg begann mit der Absetzung eines prorussischen ukrainischen Präsidenten 2014!
Ein Prager Frühling 2.0 sozusagen. Da war von EU-Vollmitgliedschaft oder gar NATO-Mitgliedschaft noch lange keine Rede.
@Schlammstapfer: Sie mögen Recht haben hinsichtlich der operativen Möglichkeiten für mechanisierte Kräfte, die in weiten Teilen ostwärts des Bug nicht ideal sind.
Sie täuschen sich fundamental hinsichtlich der Motive Russlands und insbesondere Putins. Man kann es sich ersparen, die sehr zahlreichen Quellen aufzuzählen, die auf die Motivlage hinweisen. Es ist eine unserem heutigen westlichen Denken sehr fremde, aber ernstzunehmende „Mission“, einstige Bedeutung und territoriale Ausdehnung wieder zu erlangen. In diesem Sinne war der Überfall auf die UKR in der Tat nicht „unprovoziert“. Was es nicht besser macht ….
Und das macht es gefährlich für uns.
@Thomas Becker
„Sie mögen Recht haben hinsichtlich der operativen Möglichkeiten für mechanisierte Kräfte, die in weiten Teilen ostwärts des Bug nicht ideal sind“.
Sie haben beide nicht recht.
Weil es für mechanisierte Kräfte ostwärts des Bug „nicht ideal ist“ stieß die Heeresgruppe Süd zwischen Juni und Oktober 1941 in ihre strategischen Ziele von Dnepr und Kiew, dem Donezbecken und Odessa erfolgreich vor.
Mit mechanisierten Kräfte wohlgemerkt, die (bespannte) Infanterie folgte, teilweise auch zu Fuß.
Kurz, gerade in diesem Operationsgebiet empfiehlt sich ein Blick in Deutsche Kriegsgeschichte.
@ Heiko Kania
Wenn man ein Zitat nutzt sollte man die Quelle angeben. Mein Fehler. Sorry.
Zitat (Tom Cat 19.02.2024 um 10:24 Uhr):“Putin’s Minimalziel ist nach meiner Auffassung eine 800 km tiefe Aufmarsch und Verteidigungszone von der Ostsee bis ans Schwarze Meer, über das Baltikum, Belarus und die Ukraine.
Da kamen also die 800 km her. Wie groß die Sicherheitszone werden wird, an der die Russen gerade arbeiten, dass wird von der Widerstandskraft der Ukrainer abhängen und von der Motivation der Russen. Ich schätze mal, das werden wir sehen.
Die Ostsee ist kein NATO-Meer! Die Ostsee ist nach internationalem Recht eine Seeschifffahrtsstraße und die steht auch den Russen offen. Strategisch betrachtet war die Ostsee für russische Regierungen, wegen der Vereisung im Winter und der, unter dänischer, norwegischer und schwedischer Kontrolle stehenden, Meerengen von Kattegat und Skagerrack, schon immer problematisch. Ob Finnen und Schweden zur NATO dazukommen ist, im Vergleich dazu, Pille-Palle.
Zitat:“Man kann es sich ersparen, die sehr zahlreichen Quellen aufzuzählen, die auf die Motivlage hinweisen.“
Ach ja? Ich finde da vor allem widersprüchliche Information und vor allem, sagen wir mal „westlich gefärbte“ Interpretation. Ansonsten ist es uns beiden nicht gegeben, in Putins Kopf zu schauen.
@AoR
Da haben Sie recht. Allerdings hätte den Ukrainern (und uns) ja auch schon lange mal jemand erklären müssen, warum die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine von der russischen Regierung seit 2008 laut als rote Linie definiert wurde, während die, zu diesem Zeitpunkt bereits bestehende, enge Zusammenarbeit zwischen Finnland und der NATO keine entsprechende Reaktion in Moskau ausgelöst hat und warum eben auch der Beitritt der Balten zur NATO für die russische Regierung keine rote Linie war.
Ich habe eine, wie ich meine, plausible Erklärung angeboten. Die im wesentlichen auch die Rolle Georgiens als Puffer zwischen der NATO und Russland erklärt. Ich denke, dass ‚ich damit nicht so falsch liege aber vielleicht äussern sich ja die Herren Masala und Sauer mal dazu.
@Force B
Zitat:“Der Krieg begann mit der Absetzung eines prorussischen ukrainischen Präsidenten 2014!“
Das ist historisch falsch. Der Konflikt (nicht der Krieg) begann mit dem, von der damaligen US-Administration (Herr Biden war Vizepräsident und Patricia „Fuck the EU“ Nuland Botschafterin) orchestrierten, bewaffneten Aufstand (Euro-Maidan) und dem Putsch gegen einen demokratisch gewählten, ukrainischen Präsidenten. Einem Präsidenten, der die Ukraine neutral halten und gute Beziehungen sowohl zur EU und zur russischen Föderation haben wollte.
Liebe Leute, wir, „der Westen“, haben der russischen Regierung (und nicht nur dieser) jeden Grund gegeben, in der NATO ein Militärbündnis von Staaten zu sehen, die sich überwiegend einen feuchten Kehricht um internationales Recht scheren, wenn es ihren eigenen nationalen Interessen im Weg steht.
Bevor nun wieder jemand dieser Sichtweise aus Reflex widerspricht. Ruft euch einfach alle jene, nicht durch UN Resolutionen gedeckten, „Interventionen“ des „Westens“ und seiner Verbündeten der letzten 40 Jahre ins Gedächtnis (und deren Begründungen) und denkt daran, welche furchtbaren Folgen diese „Interventionen“ bis heute für die Bevölkerungen der betroffenen Länder haben (Serbien, Irak, Libyen, Afghanistan, Syrien). In keinem Fall wurden die, mit den Begründungen für die Einsätze verbundenen, Versprechen eingehalten.
[Huhu, Meinung ist Meinung, aber die Versuche, diese Plattform für prorussische Propaganda zu nutzen, die stellen wir jetzt unverzüglich ein. Ich denke, das ist deutlich genug. T.W.]
@Schlammstapfer:
Kein Krieg sondern ein Konflikt, aha. Dann ist das jetzt bestimmt eine Spezialoperation. Geschenkt…
Für Ihre sonstigen, nicht unbegründeten Überlegungen gilt dennoch eine alte lateinische Rechtsweisheit:
Ex iniuria ius non oritur. – Aus Unrecht entsteht kein Recht!
@Schlammstapfer:
– „Russland ist in seiner Geschichte zweimal von europäischen Mächten angegriffen und in Bedrängnis gebracht worden. Von den Franzosen unter Napoleon und dem deutschen Reich unter Hitler.“
Nein! Hier können Sie sich ins Thema einlesen: https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Milit%C3%A4roperationen_Russlands_und_der_Sowjetunion
@Schlammstapfer:
Vereinfacht: Ein Staat ist eine von Menschen mal mehr mal weniger freiwillig gemeinsam gestaltete Organisation mit mal mehr mal weniger freiwillig gesetzten geographischen Begrenzungen zur inneren Selbstgestaltung um „das Beste“ daraus zu machen. Auf die innere Gestaltung folgt / geht einher die Kontaktaufnahme zu Aussenstehenden Organisationen im Sinne des „Besten“.
Deklarieren sie einen Staat als „Puffer“ so beschneiden sie sowohl dessen inneren wie äußeren Gestaltungsspielraum wobei der Wille anderer Organisationen die Rahmenbedingungen setzt.
Dieser Zustand steht der UN Charta und dem Völkerrecht, dem Axiom der Selbstbestimmung wie auch der territorialen Integrität alleine schon potentiell diametral gegenüber.
Hinzu kommt, dass aussenstehende Organisationen um den Puffer buhlen. Die einzige Möglichkeit des betroffenen Staates besteht darin, sich auf die Seite der Außenstehenden Organisationen zu schlagen, die „dem Besten“ am nächsten kämen. Durch den Puffergedanken werden Fragen demnach nur gestundet, Fragen die der Würde eines betroffenen Volkes nahe stehen.
Die Ukraine hat sich frei entschieden, kein Puffer zu sein. Ein Puffer der aufgrund NATO-Russland Grundakte eh obsolet ist/war. Wäre ich Ukrainer und würde am Telefon als „Puffer“ bezeichnet, würde ich auflegen. Die Ukraine hat am Maidan weit vernehmbar aufgelegt und möchte eine Westbindung: „Erzählen sie das dem Kollegen Ton, Herr Putin!“
Also dieses Gerede von „Pufferzonen“ ist ja extrem nervig! Wenn ich meinen Nachbarn nicht mag, kann/werde ich dann irgendwie eine Pufferzone einziehen? Welcher Staat soll als Pufferzone für irgendwen dienen?
Es gibt immer noch das Konzept des „europäischen Hauses“, und da gibt es keine Pufferzonen, und sie sind auch garnicht notwendig. Diese Denkweise ist einfach nur gaga…
Danke, VG, NG.
@ Schlammstapfer sagt: 19.02.2024 um 16:04 Uhr. Leider habe ich nicht die Zeit, die zahlreichen Sachfehler in der Verklärung Russlands einzeln zu verbessern. Die Aussagen zu Finnland sind fachlich teilweise grotesk. Ich empfehle die Lektüre von Standardwerken zur russischen Geschichte, einer Reihenfolge von mehr als zwei Dutzend imperialen Eroberungskriegen Moskaus oder Kabinettskriegen zur Stärkung der russischen Position in Europa seit dem frühen 18. Jahrhundert. Und ja, zwischendurch auch ZWEI !! Angriffskriege gegen Russland: 1812 durch Napoleon und 1941 durch Hitler. Aber vermutlich werden Sie auch behaupten, dass das Russische Reich von 1914 aus der freiwilligen Unterwerfung und Freundschaft zu Moskau der Polen, Finnen, Armenier, Georgier, Ukrainer, Tataren, Usbeken, Tadschiken, etc. etc. etc. entstanden ist. Das moderne Russland seit dem 18. Jahrhundert war und ist ein eurasisches Kolonialreich.
Mir scheint:
1) Dass Estland sich von RUS bedroht fühlt ist in der gegenwärtigen Situation das Normalste von der Welt. Das muss aber schon zum Zeitpunkt des NATO Beitritts gegolten haben. Haben sich denn die ganzen Strategen im NATO-Hauptquartier nie überlegt, wie man die baltischen Staaten im Zweifelsfall effektiv verteidigt? Wir haben einen Vertrag zur kollektiven Verteidigung unterschrieben. Die Esten fordern zu Recht ein, daß wir nun dringend klären, wie wir diesen denn umzusetzen gedenken.
2) Pufferzone: wie bereits geschrieben wurde die Verteidigung des moskauer Reichs über die letzten 220 Jahre drei Mal durch die Länge der Nachschubwege durch die Gebiete der heutigen Ukraine und Weißrussland wesentlich erleichtert / ermöglicht. Und wer sagt, daß die NATO / „der Westen“ / die USA / die Europäer keinen Angriff auf Russland planen, der hat zwar für heute Recht. Vergisst aber, dass die USA sehr wohl den Irak aus nichtigen Gründen einfach so angegriffen haben. Und dass wir uns alle vor 20 Jahren gar nicht vorstellen konnten, dass Russland die Ukraine angreifen würde. Selbstverständlich muss ein Imperium wie Russland langfristig denken.
3) Es ist vollkommen irrelevant, was irgendwann im Hinterzimmer oder bei Sonntagsreden gesprochen wurde. Vertraglich wurde NICHT festgelegt, dass die NATO sich nicht nach Osten ausdehnen darf. Das ist bei Weitem nicht der einzige handwerkliche Fehler der Gorbatschow-Regierung. Können wir das Thema wer-hat-wann-was-gesagt endlich mal lassen?
4) Ich hätte alle Kommentatoren, die sich hier mit pro-westlicher Propaganda durch den Hausherren nicht zur Ordnung rufen lassen müssen, gerne gesehen wenn Kuba im Jahre 1960 dem Warschauer Pakt beigetreten wäre. Da hätten die US-amerikanischen Präsidenten aber gesagt: „Herzlichen Glückwunsch zur freien Ausübung ihres Rechts auf Bündniswahl“.
5) Wenn Deutschland seine Armee und seine staatliche Organisation und seine Wirtschaft auf einen Stand bringt, dass sie effektiv „kriegstüchtig“ sind, dann wird Deutschland automatisch zu einer Bedrohung für seine Nachbarn. Bevor wir die Esten effektiv unterstützen können, müssen wir das Misstrauen der Polen tiefgreifend beseitigen. Wird die effektive Verteidigung des Baltikums also zum Kollateralschaden des Umstands, dass die deutsch-polnische Aussöhnung nie so stattgefunden hat wie die deutsch-französische? Die Welt ist kompliziert!
@Schlammstapfer
Keine deutsche Webseite!
https://meduza.io/en/feature/2024/02/20/the-collective-west
Die ganze Debatte kann man auf einen Punkt bringen: Solange eine deutsche Regierung „DIESE russische Sicherheitsinteressen“ anerkennen würde, würden die östlichen Nachbarn Deutschlands zu Staaten eingeschränkter Souveränität erklärt. Wer also A sagt = „russ. Sicherheitsinteressen/Pufferzone“ muss auch B sagen = Ablehnung des Selbstbestimmungsrechts dieser Völker. Damit wären wir in den internationalen Beziehungen wieder in dunklen Zeiten angekommen und die Ähnlichkeit mit dem Hitler-Stalin-Pakt wäre reiner Zufall. Länder als Objekte der Großmächte und nicht freie Subjekte. Definition von Interessenzonen in Osteuropa. Es ist erschreckend, wie die radikalen Ränder des Parteienspektrum diese freiheitlichen Grundsätze des Völkerrechts verraten.
@Baumbart zu Punkt 5: Ein starkes Deutschland ist dann keine Bedrohung für seine Nachbarn, wenn es durch kluge Politik Vertrauen aufbauen und erhalten kann. Ende der 1980er Jahre hatte das deutsche Heer eine Kriegsstärke von fast 60 Brigaden und bekam bei NATO – Inspektionen immer bessere Bewertungen und die Technik erlebte einen „Ausstattungshöhepunkt“ durch Zulauf neuer Systeme. Trotzdem hatten die europäischen Nachbarn 1990 das Vertrauen in Deutschland, dass es seine Abrüstungsverträge einhalten würde und nicht vertragsbrüchig (!) aus NVA und Bundeswehr eine über 600.000 Mann Friedensarmee als politisches Druckmittel bauen würde. Man hätte ja die drei-vier Jahre bis zum Abzug der Westgruppe der Truppen abwarten können und dann auf alle vertraglichen Bildungen sch… können. Zum Vergleich: 1914 hatte das Kaiserreich mit 840.000 Man nicht so viel mehr Mann unter Waffen und Vertrauen in Europa gab es nicht. Also: Vertrauen ist entscheidend, sicher auch Kontrolle bzw. heute offene Kooperation, aber nicht alleine Zahlen.
@Baumbart:
– „4) Ich hätte alle Kommentatoren, die sich hier mit pro-westlicher Propaganda durch den Hausherren nicht zur Ordnung rufen lassen müssen, gerne gesehen wenn Kuba im Jahre 1960 dem Warschauer Pakt beigetreten wäre. Da hätten die US-amerikanischen Präsidenten aber gesagt: „Herzlichen Glückwunsch zur freien Ausübung ihres Rechts auf Bündniswahl“.“
Hm, wo fängt man nun an…
1.) Der Warschauer Pakt, ähm, Vertrag (tut mir leid, bin Kind des Kalten Krieges wenn auch zwei Jahre nach Ihrem Wunschtermin geboren) war ausdrücklich ein Bund europäischer Staaten,
2.) 1960 waren die kubanischen Revolutionäre noch vollauf damit beschäftigt ehemalige Feinde (Anhänger Batistas) wie ehemalige Mit-Revolutionäre zu verfolgen und zu bekämpfen (etwa die ehemalige kommunistische Partei Partido Socialista Popular, deren Führer Anibal Escalante ins Moskauer Exil ging).
3.) Castro und seine Anhänger verachteten den sowjetischen Marxismus und betrachteten ihn als dekadet. 1960 war er nur an wirtschaftlichen Beziehungen mit der Sowjetunion gelegen.
4.) Ohne die Schweinebucht hätte Castro wohl nicht in Moskau um Militärhilfe in Form von Luftabwehrraketen gebeten, was dann nach einigen Irrungen und Wirrungen in der Kuba-Krise gipfelte.
5.) Auch danach gab es anscheinend keinerlei Bemühungen dem Warschauer Vertrag beizutreten und erst 1972 trat Kuba dem RGW bei.
Soviel zur Fahradkette.
– „5) … Wird die effektive Verteidigung des Baltikums also zum Kollateralschaden des Umstands, dass die deutsch-polnische Aussöhnung nie so stattgefunden hat wie die deutsch-französische? Die Welt ist kompliziert!“
In der Tat, die Aussöhnung mit unseren ehemaligen Kriegsgegenern und sonstigen Opfern war und ist eine sehr komplizierte Sache.
Zwei deutsche Staaten die genauso in unterschiedlichen Blöcken existierten wie die ehemaligen Kriegsgegner; wie soll man da gleichzusetzende Formen der Aussöhnung finden?
Als Achtjähriger habe ich den Kniefall Willy Brandts in Warschau nicht vollständig verstanden, aber gefühlt dass das richtig war.
Das die Polen jetzt wieder Angst vor uns bekommen sollen halte ich für irrwitzig, nach meiner Warnehmung haben die gerade Angst das sie uns die Arbeit abnehmen müssen weil wir eben nicht kriegstüchtig sind!
@tomcat:
Eine erneute Flüchtlingswelle würde ich auch erwarten. Allerdings nicht, dass Putin den Widerstand brechen könnte. Die Ukraine ist flächenmäßig größer als Frankreich und selbst Stalin, sicherlich nicht zimperlich, brauche über zehn Jahre, um die Ukraine unter vollständige Kontrolle zu bringen. Inklusive des Mordes an Bandera in München. (Nein, ich möchte keine Diskussion über seine Person beginnen, sondern nur festhalten, dass selbst die Sowjetunion auf dem Höhepunkt ihrer Macht sich schwer damit tat, in der Ukraine ihre Herrschaft durchzusetzen.).
Darüber hinaus erfuhren die Menschen in der Ukraine nun über drei Jehrzehnte Eigenstaatlichkeit, während es bei den Aufständen zuvor immer nur kurze Episoden waren. Diese Erfahrung lässt sich nicht ungeschehen machen, was eine eine Wiedereinverleibung oder ein Satellitenstatus für diesesLandes erschwert.
Tschetschenien ist imo kein gutzer Bezugspunkt, da es mit nur einer Millionen Einwohnern sogar noch kleiner als das Baltikum ist und die tschetschenischen „Landsknechte“ immer noch aktiv sind. Sei es unter Kadyrow oder Isis. Ich halte ein Erweiterung der Nato auf den Kaukasus nebenbei für eine ziemlich schlechte Idee. Osteuropa allein ist schon anstrengend genug.
(Fyi: https://www.bbc.com/news/world-middle-east-25151104)
@metallkopf:
Ich denke da stumpfer oder mechanischer: Wenn Putin sagt, dass die Kasachen die neue Gefahr für Russland sind, wird die russische Armee Truppen an die kasachische Grenze verlegen. Wenn er Eisbären zur Gefahr erklärt, wird sie auf Eisbärenjagd gehen. Nun hat er erklärt, dass Westen/Baltikum/Nato eine Gefahr ist, somit verlegt die russische Armee nach Westen.
@someone:
Ja, es hängt alles davon ab, welche Parole der (oder die) Machthaber im Kreml vorgibt/vorgeben. Das einfache Volk ist an die eigene Ohnmacht längst gewöhnt und weiß, dass es nach Strich und Faden belogen wird. Also goutiert man tendenziell jeden Unsinn, solange es im Laden noch фарш für die Пельмени gibt und der Vodkanachschub nicht stockt.
Aber das macht es ja nicht realistischer, dass die NATO Russland tatsächlich angreift. Selbst im Irakkrieg war es ja ausdrücklich nicht die NATO, sondern eine bunt gemischte Koalition, die freilich von den USA angeführt wurde. Aber diese Gleichsetzung USA = NATO existiert ja nur in manchen Köpfen, die auch ansonsten wenig differenziert denken.
Das Gleiche (Denken von Gestern) gilt auch für die überkommene Einteilung der Welt in „Einfluss-“ oder „Interessenssphären“. Das ist so Februar 1945… Oder wie Bundespräsident Joachim Gauck schon 2014 sagte: „Der Widerstand Russlands gegen eine Annäherung der Ukraine an die Europäische Union hat uns mit Denk- und Verhaltensmustern konfrontiert, die wir auf unserem Kontinent für längst überwunden hielten. Was wir heute erleben, ist altes Denken in Macht- und Einflusssphären – bis hin zur Destabilisierung fremder Staaten und zur Annexion fremder Territorien“
Deutschland sollte sich – wie mMn jeder Staat – mit allem, was es hat, gegen eine solche rückwärtsgewendete Entwicklung stemmen. Freundschaftlich und diplomatisch, wo nur irgend möglich, aber eben auch durch Militärhilfe oder eigene Intervention, wo nötig. Allein aber schon die deutsche Geschichte zwischen 1945 und 1991, während der die Grenze der „Interessenssphären“ mitten durch unser Heimatland verlief, und wo die Folgen dessen bis heute andauern, muss hierzu in besonderer Weise ermahnen.
@Metallkopf
Zitat:“Aber das macht es ja nicht realistischer, dass die NATO Russland tatsächlich angreift.“
Stimmt. Allerdings wird die Idee eines Einsatzes von Truppen aus westlichen Staaten nicht mehr völlig ausgeschlossen.
Zitat AP vom 27.02.24: „Putting Western troops on the ground in Ukraine is not ‘ruled out’ in the future, French leader says“ (selber googeln aus bekannten Gründen).
Da frage ich mich doch, ob das wieder nur Macron ist, der da sich da vordrängelt, oder ob das noch von anderen Regierungen erwogen wird.
Natürlich würde dann die NATO nicht offiziell Russland angreifen. Aber ich halte es schon für sehr gewagt zu glauben, dass man in Russland für so feinsinnige Unterschiede empfänglich ist.
In dem Augenblick, in dem Soldaten aus Mitgliedsstaaten der NATO mit russischen Truppen im Gefecht sind, wird sich die Ausweitung des Krieges nicht mehr verhindern lassen. Damit wird das Worst Case Scenario immer wahrscheinlicher.