Rotes Meer: Aussagen zu möglichem deutschen Einsatz

Zur Marine-Operation Prosperity Guardian, mit der unter US-Führung Handelsschiffe im Roten Meer vor Angriffen aus dem Jemen geschützt werden sollen, gibt’s in Deutschland noch keine Entscheidung über eine mögliche Beteiligung. Die Aussagen der Bundesregierung dazu in der Bundespressekonferenz am (heutigen) Mittwoch.

… von Christian Wagner vom Auswärtigen Amt, Oberst Arne Collatz für das Verteidigungsministerium und Regierungssprecher Steffen Hebestreit zum Nachhören:

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Das Transkript dazu:

Frage: Ich möchte gerne das schöne Thema „Rotes Meer“ aufmachen und beginne mit einer Frage an das Auswärtige Amt. Da ja, wie wir vom BMVg gehört haben, eine Anfrage der USA auf eine Beteiligung an der Operation Prosperity Guardian in dem für Mandate zuständigen AA geprüft wird, welche völkerrechtlichen Grundlagen werden für ein solches Mandat betrachtet?

Wagner: Vielen Dank. Vielleicht noch einmal zum Komplex: Sie beziehen sich ja auf die Angriffe der Huthis aus dem Jemen auf zivile Handelsschiffe im Roten Meer, die wir ja von Anfang an und immer wieder mit klaren Worten verurteilt haben. Wir haben das gestern auch noch einmal im Rahmen der G7, der EU und der NATO getan. Das Statement finden Sie auch bei uns auf der Homepage. Wir befinden uns mit unseren europäischen und den amerikanischen Partnern im Austausch über das Thema, wie man diese Angriffe in Zukunft vereiteln kann. Dazu gehört eben auch die Frage einer möglichen Beteiligung an der von Ihnen genannten Operation. Da laufen jetzt die internen Prüfungen. Ich kann jetzt auf dieser Bühne und an dieser Stelle nicht über etwaige Mandatsbeteiligungen spekulieren.

Collatz: Vielleicht kann ich ergänzend etwas beitragen. In der Berichterstattung wird ja vereinzelt der Eindruck erweckt, die deutsche Marine hätte keine Kräfte, um zu dem Ziel der Operation etwas beizutragen. Das kann ich nur als falsch darstellen. Sie können auf unsere Seiten schauen. Wenn ich hier auf den Fregattentyp 124 schaue ‑ das sind ja die „Hessen“, die „Hamburg“ und die „Sachsen“ ‑, dann ist er auch genau mit dem Schwerpunkt der Luftverteidigung designt worden, um einen Verband zu schützen. Sie könnten das also tun. Im Militärischen ist es eben gute Gepflogenheit, sie dahin zu stellen, wo sie gebraucht werden, wenn es denn im Politischen einen Auftrag dafür gibt. Das ist vielleicht manchmal etwas schmerzhaft für die Besatzungen, wenn sie gerade aus einer anderen Verpflichtung kommen. Aber ich wollte nur deutlich machen, dass es Möglichkeiten für die Marine gibt, hier zu unterstützen.
Ergänzend dazu: Es muss ja nicht immer diese eine Fähigkeit sein, die im Fokus steht. Es hilft ja nichts, wenn dort nur Zerstörer und Fregatten aufgerufen werden, sondern es geht auch immer um Logistik, um Führung, um Aufklärung und andere Fähigkeiten, die bereitgestellt werden können. Dieses Gesamtpaket muss natürlich auch abgesprochen werden und, wie Herr Wagner eben ausgeführt hat, dann auch mit dem Parlament besprochen werden, wenn es denn so angezeigt ist.

Hebestreit: Vielleicht kann ich dann auch noch ergänzen, dass es natürlich aktuell eine große Bedrohung für die zivile Schifffahrt in dem Gebiet durch die Huthis gibt und insbesondere die Aufforderung an den Iran ergeht, seine „proxies“, wie es auf Neudeutsch so schön heißt, aufzufordern, das zu unterbinden, zu unterlassen. Das hat gravierende Auswirkungen auf den Welthandel, das hat gravierende Auswirkungen auf die Sicherheit auf diesen Schiffen, und das ist nicht hinnehmbar.

Zusatzfrage: Ich erspare Herrn Collatz die Frage, wie viele F124-Schiffe einsatzbereit sind, insbesondere die „Sachsen“ nach dem Einbau des VLS.
Aber ich habe eine Frage an Herrn Wagner. Ich möchte natürlich nicht internen Beratungen des Auswärtigen Amtes in irgendeiner Form vorgreifen. Mich würde nur interessieren, wie Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes für eine solche Mission erfüllt werden könnte.

Wagner: Bevor ich hier auch in Anbetracht der Zeit in längere Vorträge darüber abgleite, was die verfassungsrechtlichen Grundlagen für Auslandseinsätze der Bundeswehr sind ‑ das könnten Sie im Übrigen wahrscheinlich sogar noch viel besser als ich ‑, prüfen wir das jetzt intern und werden dann, wenn wir zu dem Entschluss kommen und wenn die Entscheidung gefasst werden sollte, dass wir uns an dieser Mission beteiligen, auch darüber informieren, auf welcher Grundlage und mit welchem Mandat wir dem Bundestag das dann vorschlagen werden.

Frage: Gibt es eigentlich einen Anspruch für deutsche Schiffe, die zivile bzw. kommerzielle Schifffahrt, auf freie Fahrt durch das Rote Meer? Können diese Schiffe von Reedereien nicht woanders entlangfahren, damit sie nicht militärisch geschützt werden müssen?

Hebestreit: Ja, sie können woanders entlang fahren. Das tun sie im Augenblick auch, nämlich einmal um Afrika herum. Die Schiffsreise dauert damit, glaube ich, knapp zwei Wochen länger.

Zusatzfrage: Und? Warum ist das dann ein Problem, anstatt jetzt die militärisch dort ‑ ‑ ‑

Hebestreit: Wie sagte es der Kollege Wagner eben: Mit Blick auf die Zeit, Herr Kollege, klären wir die Grundlagen des Welthandels dann vielleicht zu einem anderen Zeitpunkt, auch, dass die Zeit und die Kosten, die damit einhergehen, Auswirkungen haben.
Aber ich glaube, im Augenblick ist so: Es gibt sozusagen ein Recht auf Sicherheit, und es gibt die Freiheit der See, auch auf hoher See. Wenn das bedroht wird, dann ist die Weltgemeinschaft aufgefordert, solche Bedrohungen zu verringern.

Wagner: Vielleicht kann ich etwas mit Blick auf die Nationale Sicherheitsstrategie ergänzen, die sich diese Regierung ja auch gegeben hat und in der ja auch noch einmal klar definiert wird, dass die Sicherheit Deutschlands nicht nur militärisch eng gefasst wird, sondern halt auch eine wirtschaftliche Komponente in anderen Politikfeldern hat. Mit Blick auf Lieferketten, mit Blick auf Handel, mit Blick auf sozusagen deutsche Exporte und Importe ist das natürlich letztlich auch eine sicherheitspolitische Frage.

Frage: Herr Collatz, weil ich es anders als der Kollege nicht weiß: Wo sind denn die drei 124er-Fregatten? Eine kommt ja, glaube ich, wenn ich das richtig weiß, gerade aus einem NATO-Einsatz in der Ostsee zurück. Die anderen beiden, war mein letzter Stand, sind in der Werft, oder?

Collatz: Zwei sind derzeit klar zum Gefecht. Eine ist in der Werft, richtig.

Zusatzfrage: Weil der Kollege das schon angesprochen hat, habe ich noch eine konkrete Nachfrage. Es gibt ja noch das EU-Mandat für die Anti-Piraterie-Mission Atalanta. Dazu gibt es jetzt auch verschiedene Vorschläge aus dem parlamentarischen Raum, dass man das nutzen könnte. Das wird meines Wissens auch innerhalb der EU diskutiert. Die Spanier haben ja auch gesagt, sie bräuchten ein internationales Mandat. Ist das aus Sicht der Bundesregierung rechtlich ein gangbarer Weg?

Wagner: Das ist sicherlich eine der Optionen, die da auf dem Tisch liegen. Insofern ist das auch Gegenstand unserer Gespräche.

Frage: Ich habe auch noch eine Detailfrage an Sie, Herr Collatz. Sie sagten jetzt, zwei seien klar zum Gefecht, die „Hessen“ und die „Hamburg“, wenn ich das richtig verstehe. Wie lange würde es denn dauern, wenn Sie jetzt das Go erhalten, bis die dort ankommen? Könnten die jetzt also überhaupt zeitnah dahin kommen?
Noch einmal politisch gefragt, Herr Hebestreit: Es wurde gestern ja auch schon aus Regierungskreisen zitiert. Es hieß, es gehe um ein bisschen mehr als nur eine Prüfung, sondern man erkenne auch die Notwendigkeit, hier tätig zu werden, und unterstütze den US-Ansatz. Ist das auch etwas, das Sie so sagen würden, also dass jetzt nicht nur geprüft wird, ob überhaupt, sondern dass man grundsätzlich schon bereit ist und sagt, dass man es machen will und jetzt nur noch prüft, wie man das umsetzt? So habe ich das gestern in den Medienberichten verstanden.

Hebestreit: Wenn ich jetzt ‑ nach einer Stunde und 20 Minuten ‑ die Zeit nutzen würde, mir auch noch aus Regierungskreisen getätigte Aussagen zu eigen zu machen, dann würde es hier noch länger dauern. Ich glaube, wir haben zu dem Fall alles gesagt, was wir von dieser Stelle aus zum jetzigen Zeitpunkt dazu sagen können. Wir haben klar gesagt, dass wir jetzt prüfen, ob es eine Option gibt, dass sich auch die Bundesrepublik daran beteiligen könnte. Jetzt sind wir im Hypothetischen. Dann ist das eine Parlamentsarmee. Das heißt, es bedarf dazu eines Bundestagsmandats, und darüber würde dann letztendlich der Bundestag entscheiden. Wir schauen jetzt, ob es einen rechtlichen Rahmen gibt, und wir schauen, was es logistisch an Möglichkeiten gibt. Das gilt es abzuwarten, und einer solchen Prüfung würde ich auch nicht vorgreifen. Grundsätzlich gilt, und das versuchte ich auch mit meinen Worten deutlich zu machen, dass die Aufforderung an diejenigen geht, die im Augenblick die internationalen Handelsrouten bedrohen und Leib und Leben von Seeleuten aufs Spiel setzen, das zu unterlassen.

Collatz: Zu Einzelsystemen kann ich natürlich keine Stellung nehmen. Zeitlinien, wie Herr Hebestreit ausgeführt hat, sind hypothetisch.

Frage: Herr Hebestreit, war das Thema denn heute auch Gegenstand in der Kabinettssitzung? Wie könnte man so etwas angesichts der kommenden Feiertage dann relativ schnell doch noch beschließen?

Hebestreit: Das war jetzt kein Tagesordnungspunkt in der heutigen Kabinettssitzung. Insofern kann ich dazu nichts beitragen. Die Regierung ist ja grundsätzlich immer handlungsfähig. Wenn man dazu käme, so etwas jetzt sehr zeitnah absolvieren zu müssen, dann gäbe es immer noch den Umlaufbeschluss ‑ das ist dann ein technischer ‑, im Rahmen dessen das Kabinett auch beschließen könnte, wenn das denn nötig wäre. Aber auch dann kämen wir an den Punkt, dass der Bundestag einen solchen Beschluss ja auch noch treffen müsste, und das ginge dann nur in Sitzungswochen.

Zusatzfrage: Das Mandat könnte man sich ja auch noch nachträglich einholen. Wäre das ausgeschlossen?

Hebestreit: Auch das wäre dann Teil der Prüfung. Ich weiß, dass das nur in Ausnahmefällen möglich ist, und dafür gibt es gewisse Grundlagen, die erfüllt sein müssen. Ich bin zwar inzwischen Erfahrungsjurist, aber so weit wage ich mich da nicht vor.