Neue Funkgeräte, kein Einbau: Viele Fragen, wenig Antworten
Auf die Frage, warum die Bundeswehr zwar die seit Jahren dringend benötigten neuen digitalen Funkgeräte bestellt hat, die aber vorerst nicht in die zahlreichen Fahrzeuge der Truppe eingebaut werden können, gibt es bislang keine richtigen Antworten. Auch in der Sitzung des Verteidigungsausschusses am (heutigen) Mittwoch, so hieß es aus Teilnehmerkreisen, blieb die Frage vorerst offen.
Am vergangenen Wochenende hatte zuerst die Welt (Artikel hinter Paywall) über das Desaster berichtet: Seitdem im Dezember vergangenen Jahres der Haushaltsausschuss des Bundestages knapp 2,9 Milliarden Euro für den Rahmenvertrag zur Beschaffung freigegeben hatte, davon 1,35 Milliarden für zunächst 20.000 Funkgeräte, wurde zwar bestellt und vom Hersteller Rohde&Schwarz in bislang vierstelliger Zahl auch geliefert – aber für den Einbau in Panzer, Lastwagen oder Führungsfahrzeuge gibt es bislang keinen Vertrag und damit auch eben nicht die möglichst schnelle Integration. Schlimmstenfalls, so heißt es aus der Bundeswehr, könnte damit die Funktionsfähigkeit der Heeresdivision gefährdet sein, die Deutschland der NATO ab 2025 zugesagt hat.
Verteidigungsminister Boris Pistorius zeigte sich am (gestrigen) Dienstag bei seiner Baltikum-Reise in Estland ziemlich verärgert: Der Auftrag ist erteilt worden im Dezember, also vor meiner Zeit. Ich wäre davon ausgegangen, dass man sich vor der Bestellung, aber mindestens mit der Bestellung Gedanken macht, wie die Integration erfolgt.
Das klingt nachvollziehbar, allerdings: Gedanken hat es im Ministerium dazu schon länger gegeben. Bereits im Dezember 2018, also vor fast fünf Jahren, hieß es im 8. Bericht des Verteidigungsministeriums zu Rüstungsangelegenheiten mit Blick auf das Gesamtprojekt Digitalisierung landbasierter Operationen (D-LBO) recht eindeutig, wenn auch im Ministeriumsdeutsch:
Die großen Herausforderungen und Risiken von D-LBO liegen wegen der
Vielzahl und Verschiedenartigkeit der zu betrachtenden mobilen Elemente sowie der Integration verschiedener Kommunikationstechnologien in der zeitlichen und inhaltlichen Strukturierung der durchzuführenden Beschaffung bei gleichzeitig dynamisch fortschreitender technischer Innovation im Bereich Digitalisierung. Vor allem geht es dabei um zeitgerechte Integration in die unterschiedlichen Plattformen, um die identifizierten Kräftedispositive unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen wie u.a. der Erhalt der Einsatzbereitschaft oder der Industriekapazität zur Plattformintegration, zeitgerecht ausstatten und umrüsten zu können.
(Hervorhebung T.W.)
Das blieb bei weitem nicht der einzige Hinweis. Im März vergangenen Jahres mahnte die Cyber-Abteilung im Wehrressort eine schnelle Musterintegration der neuen Funkgeräte in die unterschiedlichen Fahrzeuge an: Dabei ist für die Ausstattungsvariante D-LBO Basic eine Lösung mit möglichst geringem Integrationsaufwand in Bestandsplattformen, anzustreben.
Dass das nicht so schnell geht, wussten die Bundestagsabgeordneten ebenfalls seit März dieses Jahres. Wie das Ministerium im vom Haushaltsausschuss angeforderten regelmäßigen Sachstandsbericht zum Führungsfunksystem im Programm D-LBO offenlegte:
Die ersten 20 Fahrzeugfunkgeräte und 50 Handfunkgeräte wurden vertragsgemäß zum 31. März 2023 geliefert. Die Funkgeräte dienen der Durchführung von IT-Integrationsuntersuchungen und als Mitwirkung für die durchzuführenden Musterintegrationen in die für die Division 2025 relevanten Plattformen. Erste Serienintegrationen in Fahrzeuge sind erst im Nachgang geplant.
Und für diese Integration gibt es bislang noch nicht einmal einen Vertrag. Aus den Aussagen von Oberstleutnant Mitko Müller für das Verteidigungsministerium vor der Bundespressekonferenz am vergangenen Montag:
Das ist eine herausfordernde Aufgabe, die wir nur mit der wehrtechnischen Industrie gemeinsam stemmen können. Wir reden hierbei von über 25 000 Fahrzeugen in ca. 350 Fahrzeugklassen. Es ist also ein komplexes Thema, weil wir es eben nicht nur mit einer Fahrzeugklasse zu tun haben. Es geht um die richtige Anpassung für das jeweilige Fahrzeug, und das kann nur im Schulterschluss mit der Industrie erfolgen. Dafür laufen jetzt die letzten Abstimmungen mit der Industrie, damit wir die nächsten Schritte gehen können. (…) Zu weiteren Details kann ich aktuell nichts sagen, weil wir im Bereich der Integration noch im Vergabeverfahren sind. Deswegen kann ich mich zu weiteren Details zum Projekt nicht einlassen.
Die wehrtechnische Industrie, die hier gefragt ist, sind nicht die Hersteller von Funkgeräten – sondern die Hersteller der Fahrzeuge, in die die neuen Geräte eingebaut werden sollen und die dafür teilweise umgerüstet werden müssen. Offiziell mag sich aus dem Kreis der Unternehmen bislang niemand äußern. Informell heißt es allerdings, es sei schon ein bisschen erstaunlich, dass erst recht spät in diesem Sommer die Aufforderung eingegangen sei, ein Angebot für den Einbau und die Integration zu machen. Offensichtlich habe da im Bundeswehr-Beschaffungsamt die Abstimmung zwischen den verschiedenen Zuständigkeiten für den Funk und für die Fahrzeuge nicht geklappt.
Damit bleibt die Frage offen, wann es einen Vertrag für den Einbau der neuen Funkgeräte gibt – die jetzt erstmal ins Depot wandern. Schlimmstenfalls, so eine pessimistische Industrie-Einschätzung, wird nach Vergabeverfahren und Vertragsverhandlungen der Auftrag Ende kommenden Jahres erteilt. Eine einsatzbereite Heeresdivision 2025 mit funktionierendem Digitalfunk scheint dann unwahrscheinlich.
(Archivbild März 2023: Verteidigungsminister Pistorius, l., am Funk bei einem Besuch der deutsch geführten NATO-Battlegroup in Litauen)
@Küstengang01
Sorry, das habe ich wohl missverstanden.
@Alle
Spricht eigentlich was dagegen, wenn die Truppe erst mal die Handfunkgeräte erhält und damit auch die Fahrzeugbesatzungen ausgestattet werden. Zumindest bis die Einbauprobleme gelöst sind. Dann wäre die Heeresdivision, wegen der hier soviel Aufregung herrscht, erstmal versorgt und fähig mit den NATO-Partnern zu kommunizieren. Die Handfunken werden dann später im selben Tempo weitergereicht, wie der Einbau der anderen Geräte vorankommt. Wäre das als Notlösung praktikabel?
[Ehe die Debatte auf technisch falsche Gleise gerät: Es geht hier nicht primär um Handfunkgeräte für Sprechfunk, sondern um Funkgeräte, die die Daten-Anbindung für Battle Management System u.ä. ermöglichen – also wäre mit der Lösung nichts erreicht. T.W.]
@NB sagt:
29.09.2023 um 14:02 Uhr
Am Ende bleibt also das Fazit… alles Toll! Jedes Rädchen hat nahtlos ins andere geriffen… alles nur falsche Außenkommunikation. Ganz ganz viele technische Dinge die dann doch ein bisschen über- oder unterschätzt wurden.
JAWOHL – BRAVO – SUPER!
Erfolgreich abgeschlossen ist dieses Projekt erst wenn die Dinger in den Autos funktionieren!!!!!!!
P.S.
Das BeschA verwaltet mit 336 Mitarbeitern ein Haushaltsvolumen von 42,6 Millionen € und besorgt vom Panzerwagen für die GSG9 bis zum Heli und Küstenwachschiffen in Korvetten größe auch ein breites Spektrum… da hört man nicht im Quartals Takt von großen Beschaffungsskandalen…. und alleine das THW hat 13.000 Fahrzeuge in diversen Sonder- und Spezialkonfigurationen.
42,6 Millionen (??) Euro… Das erscheint unwahrscheinlich.
@Heiko Kania sagt:
29.09.2023 um 19:04 Uhr
…42,6 Millionen (??) Euro… Das erscheint unwahrscheinlich…
Das ja lediglich der Haushaltstitel für das BeschA selbst, damit die das Licht anknipsen können… Die Bundespolizei kauft z.b. für 52 Millionen dieses Jahr Fahrzeuge und gibt 61 Million für den Erwerb von Waffen und Geräten aus.
Klar kann das nicht mit den zich Milliarden Summen der Bundeswehr mithalten… dafür hat diese Behörde aber auch nur etwa 5% des Molochs in Koblenz.
Und dann noch ein kleiner Denkanstoß zum Schluss…
Die Bundespolizei hat 54.000 Mitarbeiter und ein Haushaltsvolumen von 4,73 Milliarden…. was würde Landesverteidigung kosten wenn die BPol den Job machen würde. Wahrscheinlich kämen die mit der Hälfte der Mittel aus…
OK, damit beende ich den OT hier auch. Mir geht’s halt darum das es auch im Bereich der Bundesverwaltung durchaus Behörden gibt die Material beschaffen sollen und dies halt wesentlich besser hinbekommen.
@Schlammstapfer:
Digitale Handgeräte werden in meinem Dunstkreis BW Truppe sowie NATO Truppe mittlerweile genutzt.
Ich muss auch sagen das die SEM 80/90 Familie im Betrieb durch Störgeräusche usw. auch eher Körperverletzung gleicht.
@All:
Der Rundumschlag gegen ziviles Personal war evtl. nicht gerechtfertigt, allerdings habe ich ein grundsätzliches Missverständnis wenn mir innerhalb der BW jemand was von „arbeiten“ erzählt wie außerhalb.
Habe mehrere Dienststellen erleben dürfen und mein vorheriges positives Empfinden für diesen Arbeitgeber dienen zu dürfen hat sich trotz der guten Sozialen Komponente immer mehr vertrübt. Warum ich noch nicht gegangen bin würde aber den privaten Aspekt hier sprengen.
@Küstengang01:
Vollkommen richtig und Fakt ist nunmal das mit Steuergeldern sensibler umgegangen werden sollte.
Gerade wenn sich das eine oder andere in diesem Lande zuspitzt und andere Bereiche unterfinanziert sind.
@Küstengang01 sagt: 29.09.2023 um 20:49 Uhr
„was würde Landesverteidigung kosten wenn die BPol den Job machen würde. Wahrscheinlich kämen die mit der Hälfte der Mittel aus…“
Es würde eher über kurz als Land das selbe kosten. Die BPol hat keine Gefechtsfahrzeuge, Kampfjets, Kampfschifee und auch keine Logistik, die im hochintensiven Gefecht funktioniert etc.pp
Und Beschaffung bei der BPol ist genauso Mangelverwaltung, Pleiten, Pech und Pannen wie bei der Bw auch. Fragen Sie mal Bundespolizisten nach feuerhemmender Unterwäsche oder eine aktuelle Schutzweste. Die Polizisten kaufen z.T. ihre persönliche Ausstattung selber, da wird nur kein großes Gewese drum gemacht. Kann auch nicht die Musterlösung sein. Bei Großgerät sieht es auch nicht viel besser aus.
@Pio-Fritz: Auch die Dienstgrad Struktur (= Personalkosten) ist, ausgehend vom Auftrag der BPol, eine vollkommen andere. Ausschließlich Häuptlinge…
@Pio-Fritz sagt:
29.09.2023 um 22:32 Uhr
@Heiko Kania sagt:
30.09.2023 um 12:54 Uhr
Naja eigentlich wollte ich es ja gut sein lassen….
Vergleichen wir doch Mal die Verwaltungskosten… bei der BPol betragen die 0,28% von ihrem Haushalt die Bundeswehr gibt 14,89% ihres Haushalts für die Wehrverwaltung aus.
Blick auf Freunde in der NATO hilft zuweilen auch Mal… Italien.
Vom Personal und Fähigkeitsumfang vergleichbar… die kommen mit 26 Milliarden für ihre Streitkräfte aus… und da kommen dann noch Zuschläge von 7,3 Milliarden für die Carabineri (OK immerhin 108.000 die im V-Fall als Territorialheer zur Verfügung stehen, im Frieden halt normale Polizeiarbeit machen) dazu weitere 4,3 Milliarden von anderen Resorts… so haben die Italiener ihren neuesten Hubschrauberträger die Trieste als Wirtschaftsförderung für Werften finanziert.
Unterm Strich schaffen die mit weniger etwa das selbe.
Anscheinend hat die Komplexität des Einbauprogramms zwei Hauptaspekte:
– Platz bzw. Einbauraum im Fahrzeuginneren
– Leistungsvermögen der bordinternen Stromversorgung
Bin kein Experte, daher die Frage an den hier versammelten Sachverstand:
Gilt das primär für Fahrzeuge nach Zivilstandard, oder sind auch spezifische Militärmodelle betroffen?
@T.W.
Zitat:“Es geht hier nicht primär um Handfunkgeräte für Sprechfunk, sondern um Funkgeräte, die die Daten-Anbindung für Battle Management System u.ä. ermöglichen“
So war das von mir auch nicht gemeint. Ich halte mich auf diesem Gebiet nicht für einen Experten aber wenn die Handfunk-Variante auch Datenfunk-Anbindung kann (wenn auch nur in eingeschränktem Umfang und mit eingeschränkte Reichweite), dann wäre das zumindest ein Notbehelf.
Wenn das natürlich tatsächlich nur Sprechgeräte sind, dann haben Sie recht und es ist müßig diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
@Schlammstapfer
Wie werden denn die IdZ-Geräte angebunden – die haben doch auch Datenfunk, oder nicht? Ich kenne mich da aber nicht sehr gut aus.
@ C. Wegner sagt:
29.09.2023 um 11:51 Uhr
.
„Somit gönnt sich das Funkgerät in der 2-linien-Konfiguration (vergleichbar mit dem SEM80/90 Turm) gut 400 Watt“
400 Watt zur Stromversorgung der Rechner beim Glühen der CPUs und der Kühleinheit?? Sendeleistung wird das wohl kaum sein, wäre ja irre viel?
Ist tatsächlich für alle Fzg der grosse Soveron D-Turm vorgesehen? Das kleine Soveron VR ist nicht geordert?
@Q sagt:
28.09.2023 um 20:29 Uhr
„Fragen sie doch mal nach wer die Integration machen wollte, weil er es schneller und besser kann. Die Antwort darauf wird dem einen oder anderen hier die Kinnlade runter fallen lassen.“
Wer denn?
Wir wissen alle das die Personalkosten der Bundeswehr einen großen Teil des Haushalts ausmachen.
Und wenn ich sehe, das zumindest bei uns zig Stellen (inkl. meiner) total überflüssig sind, dann lässt sich da enorm viel Geld sparen bzw. für anderes Gerät ausgeben.
Auch wenn ich sehe was man sich bei uns für Großgerät (LKW, Schlepper, SonderKfz) leistet die dann primär rumstehen oder ich den teuren Glasreiniger an der Tankstelle über DKV kaufen soll anstatt das die Dienststelle das im Großhandel besorgt…
Es ist so unfassbar viel Einsparpotenzial da ohne das die Sicherheit Deutschlands gefährdet wäre…
Aber solange Besoldungsstufen auch unter anderem damit begründet werden wie viele Schäfchen ich unter mir habe… sehe ich im Personalbereich schwarz. Das wird dann schon irgendwie begründet das die Stellen benötigt werden. Da werden dann Fachkräfte aus der freien Wirtschaft abgeschöpft die dann in der BW ihr Wochenziel am Montag Abend erreicht haben. Weil wenn die Bundeswehr eins kann: schönreden und dramatisieren.
@RoterMilan sagt:
01.10.2023 um 16:20 Uhr
…oder ich den teuren Glasreiniger an der Tankstelle über DKV kaufen soll anstatt das die Dienststelle das im Großhandel besorgt…
Lustig im Rest der Bundesverwaltung sieht es genau andersrum aus. Über DKV Karte nur wenn man unterwegs ist und z.b. das Wischwasser alle weil extrem gestreut wurde oder das KFZ so extrem verdreckt ist das eine sichere Teilnahme am Straßenverkehr beeinträchtigt ist. Ansonsten wird das alles immer schön über das KdB bestellt, viel viel billiger da.
Aha, also 67.500 EUR pro Funkgerät … Und das sollen wir glauben, ja? Vielleicht ist das wieder so eine Scheinbestellung, wo am Ende irgendwelche Sachen mitfinanziert werden, die nicht auf der offiziellen Rechnung stehen sollen …
[Aha, „wieder so eine Scheinbestellung“ – ich bin sicher, Sie haben etliche Belege für Bestellungen „wo am Ende irgendwelche Sachen mitfinanziert werden, die nicht auf der offiziellen Rechnung stehen sollen“. Bitte nachreichen. T.W.]
@ RoterMilan 01.10.2023, 16:20 Uhr
„Weil wenn die Bundeswehr eins kann: schönreden und dramatisieren.
Aber das kann die Bw doch sehr gut!
@ Küstengang01 01.10.2023, 18:05 Uhr
„…Über DKV Karte nur wenn man unterwegs … Ansonsten wird das alles immer schön über das KdB bestellt, viel viel billiger da.“
Na da gibt es aber ein deutliches Kommunikationsproblem! Beim Autofahrer kommt an: „Nutze die DKV Karte“
Wie lange lässt sich der Steuerzahler noch [wissentlich / vorsätzlich] belügen? Wann wird im real eistierenden Beschaffungsumfeld endlich endich enmal organisationsoptimierend durchgegriffen (Laufbahndegradierung nach Disziplinarprüfung / Gerichtsverfahren mindestens wegen Veruntreuung zum Nachteil des States) damit solche oder ähnliche exekutive Albträume demnächst deutlich reduziert werden. Die Beschaffungsexekutive blockieren sich sonst weiterhin selbst, und wid sich aufgrund der Arbeitsplatzgarantie für die aktuellen Stellenplaninhaber ohne gravierende, schmerzhafte Einschnitte kaum von der Spitze der Ministeialbürokratie im BMVg reformieren lassen.
Ja, möglicherweise sind bei der BW bis zu 350 Fahrzeugtypen auszustatten, wobei im Altbestand z.B. alte SEM-Funkgeräte aus den 80-Jahren „nur“ zu ersetzen wären. Also keine ganz neuen Herausforderungen, oder gar Rocket-Science.
Im Katastrophenschutz, beim THW und der Polizei mussten in tausenden, teilweise 20 – 30 Jahre alten Autos analoge Funkgeräte ersetzt werden, die ebenfalls aus den achtziger Jahren stammen, oder partiell noch viel älter waren.
Wer also hier fachlich von komplexen Vorgängen fabuliert, sollte nur noch mit der Beschaffung von genormten Bleistiften oder Kopierpapier betraut werden. An entscheidene Stellen kann oder will man nicht; bzw. benötigt selbst für einfachste Entscheidungen (aus welchem Grund eigentlich) Jahre und Jahrzehnte! Wenn andere daran „Schuld“ sein sollten, erwartet der deutsch Steurzahler die Nennung von Roß und Reiter!
Eine Unverschämtheit in der völlig versumpften und verlotterten Beschaffungsorganisation stellt die bereits seit 2015 (?) „laufende“ Beschaffungsnotwendigkeit dar (welche in der Öffentlichkeit Ende 2022 für fast jedermann nachvollziehbar für Milliarden !! endlich auf den Weg gebracht wurde), wobei die dafür „ausgewählte“ Funktechnologie in anderen Militäroganisationen seit Jahren funktionsfähig“ eingebaut ist.
Wo waren allerdings welche offensichtlich autark handelnden (mitarbeiterrelevant aufgeblasenen) Fachabteilungen (im gleichen Haus?) , welche für die Umsetzungsplanung sowie Einbaubeauftragung „zuständig“ sind,. Und im Interesse unsere äußeren Sicherheit für eine zeitnahe Inbetriebnameübergabe (an die kämpfenden Truppe) zu sorgen hätte? Wer stand hier konkret wo auf der Etappe im Weg? Sind grundsätzlich zu viele Stellen und Funktionen zeitaufwendig miteinzubeziehen? War man einkaufsentscheidend vorbereitet, oder fingen erst Ende 2022 die Einbauerhebungen bzw. Spezifikationsbemühungen an? Stellten politische Wahlkreisvergabeerwägungen eine Rolle, oder das Strippenziehen üblicher Hinterzimmerstrategen (weil milliarden im Vergabetopf?
Oder wird durch fachlich unzureichend unmittelbare Erledigungsaufsicht im Beschaffungablauf, oder organisatorisch rudimentäre Ausführungskontrolle eine Ebene darüber, nur die Anwesenheit der Sachbearbeitung bezahlt?
Sollte erneut (z.B. aus politischen oder beamtenrechtlichen Erwägungen) nach diesem krassen Beschaffungsdesaster auf ein Tabula-Rasa hinsichtlich einer inzwischen sicherheitskritisch unabdingbaren Orga- und Zuständigkeitsreform im BW-Beschaffungsunwesen verzichtet werden, dürften selbst hunderte zusätzliche Milliarden unseren Streitkräften kein besseres Kampfmaterial zumindest am St. Nimmerleinstag bescheren!
@Jupp Posipal: Berechtigte Fragen!
Vor allem zu hinterfragen wäre wohl, ob mit interner Festlegung auf die diversen Funkgeräteklassen (also Soldatenfunk, Geheim, Truppen-/Führungsfunk, HF, Satcom, Zellulare Netze) auch wirklich der Anlauf der Integrationen im BAINBw beauftragt worden war. Oder zumindest klar angewiesen. Denn jetzt kann es ja losgehen, die Gerätetypen sind alle bekannt. Liefern denn alle auch wirklich und sind die im Plan? Es ging bei der ganzen Aufregung ja alleine um die SEM-Nachfolge. Da gibt es ja noch mehr.
Im Verteidigungsausschuß der letzten Woche gab es hier wohl keine klaren Antworten, da wird jetzt in der nächsten Sitzungswoche ein Bericht zu erstatten sein. Und die hieran wohl auch ganz persönlich interessierten und motivierten Haushaltspolitiker haben gerüchteweise auch wieder einen langen Fragenkatalog ans Ministerium losgetreten. Völlig unabhängig von den eigentlichen Fachpolitikern im Verteidigungsausschuss.
Wenn ich meine dienstlichen Erlebnisse der besonderen Art der letzten vier Wochen betrachte, dann ist das Chaos im Beschaffungswesen deren Fortsetzung in größerem Maßstab. In der Luftwaffe scheint es in den letzten Jahren deutliche Verbesserungen gegeben haben, in Heer, Streitkräftebasis und zentralen Dienststellen aber nicht. Es ist ein grundsätzliches Führungsproblem von ganz oben her.
Tatsache ist und bleibt, dass die Rüstungsprozesse grundlegend überarbeitet werden müssen. Nur Personalwechsel reichen nicht. Dazu gehört auch die hier aufgetretenen Verantwortungsdiffusion.
Ich kann @Jupp Posipal sehr gut verstehen.
„Verantwortung ist unteilbar. Entscheidung und Verantwortung gehören zusammen“, so habe ich’s auch mal gelernt. Blöd nur, wenn niemand mehr was aktiv (!) entscheidet und ihm/ihr nur noch „Unterlassung“ angelastet werden kann.
Klar ist, dass man als Bürger auch eine gewisse Rechenschaft gelegt bekommen will. Da ist der Rochus nachvollziehbar.
Nur warum sollte ich als BAAINBw-Beschaffer irgendwas entscheiden? Wenn ich was falsch mache würde ich bestraft – mache ich was richtig gut, würde es nur so hingenommen (Prämien, Beförderungen, etc. – FEHLANZEIGE).
Da ist es für mich also sinnvoller nichts zu tun, als etwas zu tun und mich dem möglichen Scheitern auszusetzen.
Darüber hinaus ist es überall (zivil wie militärisch) dasselbe Problem: Logistische Prozesse werden an Schreibtischen von vorne nach hinten gedacht, statt im Lager/der Werkstatt von hinten nach vorne.
Dann fiele einem plötzlich auf, dass bei Einbau der Geräte die Halterungen fehlen.
Diese systemischen Denkfehler werden aber nie aufhören, solange man sich auf den Vorgesetzen (m/w/d) verlässt und Eigeninitiative im Zweifel karrierehemmend ist, zumal es auch sehr bequem sein kann, sich überallhin abzusicher.
Getreu dem alten Motto: Wer nichts macht, macht keine Fehler. Wer keine Fehler macht, wird befördert!
@Windlicht: Vorschriften, die das tatsächliche Funktionieren von Prozessen nachhaltig behindern, sind entweder zu strikt oder überflüssig, und gehören angepasst bzw. abgeschafft, oder sie greifen berechtigte Fragen auf, was dann die Frage nach Anpassung der Prozesse aufwirft.
Man muss als Armee auch nicht alles volldigital in der Cloud machen, bloß weil irgendwelche Heiopeis das als modern und zukunftsweisend propagieren. Im Gegenteil. Der Sinn einer Armee ist v.a., auch dann noch grundsätzlich zu funktionieren, wenn es Fallout regnet und EMP alle nichtgehärteten Systeme offline geschickt haben. Das geht gelegentlich bei vielen Diskussionen augenscheinlich gern mal vergessen.
Als Außenstehender im Beschaffungsamt fremde Unfähigkeit zu erkennen ist leicht; als Innenstehender eigene, schwierig. Daher sind Äußerungen über Fleiß, Fähigkeit und Kompetenz der Menschen dort stets mangelbehaftet, egal von welcher Seite sie kommen (und ich finde viele Äußerungen von Außenstehenden äußerst ungerecht).
Wahrscheinlich wäre es gut, ZWEI Beschaffungsämter mit demselben Aufgabengebiet zu haben. Und der Bedarfsträger (= „die Truppe“) darf sich jedes Mal aussuchen, wer seinen Auftrag ausführen wird, und sucht sich natürlich dasjenige aus, von dem er sich anhand bisheriger Erfahrung das bessere Ergebnis verspricht. Jedes Amt wird kontinuierlich anhand der erhaltenen Aufträge mit Personal ausgestattet: Auf diese Weise wird das bessere Amt organisch identifiziert und wird wachsen. Das schlechtere Amt wird schrumpfen. Und weil Personalverantwortung sich nahezu proportional auf Ansehen und Dienstpostengrade auswirkt, stehen die Ämter miteinander im Wettbewerb – und Wettbewerb führt zu Innovation und Effizienz. Es gibt einen Vergleichsmaßstab als Anreiz, stets besser zu sein. Wenn das keine Wirkung zeigen würde, fräße ich einen Besen. Und im Idealfall haben wir dann zwei sehr gut arbeitende Ämter, die sich gegenseitig zu Spitzenleistungen anspornen und nach Nachdruck nach effizienten Vorgehensweisen suchen.
Zwei Probleme habe ich dabei noch nicht gelöst / durchdacht; Kosten von Doppelstrukturen, und die „lenkenden Vorgaben“ von weiter oben.
Aus meiner Sicht hilft nur, die Beschaffungsprozesse samt Budgethoheit deutlich dichter an die Bundeswehrinternen Nutzer heranzubringen.
Ein weiterer konkreter Vorschlag: Einfach mal sofort 5 Funkgeräte pro Wagentyp an die Instandsetzer der Bundeswehr liefern und diese mal die Integration mit eigenen Mitteln ausprobieren lassen. Die besten Lösungen finden dann Eingang in die weiteren Schritte.
@F.Richter: Besser schon mal den Besen suchen.
1) Seit TdM der Bw mit der Neuausrichtung den organisatorischen Todesstoß verpasste, kann man eine dynamische Ausstattung mit Personal vergessen. Das PersAmt flüchtet sich lieber in Rechtssicherheitsesotherik, die Vorgänge bleiben liegen.
2) Eine dynamische Ausstattung mit Personal verschärft das bestehende Problem: nicht nur Kopfzahl, sondern vor allem Erfahrung zählt. Das jetzige Personalentwicklungskonzept selektiert schon viel zu viel nach Breite als nach Tiefe. Zwei Jahre hier, zwei Jahre dort, da bekommen die Menschen höchstens die Illusion einer Erfahrung. Ergebnis bekannt.
3) Limes gegen Zukunft ergibt im besten Fall zwei mittelmäßige Ämter. Begründung: Jedes Amt versucht sich zu erhalten; die Ressourcen sind begrenzt, die Verteilung erfolgt relativ zum Konkurrenten; es gibt nur einen Nachfrager und zwei Anbieter (=Monopson).
4) Etwas, was auch intern nicht bei jedem angekommen ist: Beschaffung endet nicht mit der Lieferung des ersten Exemplars. Seit 2012 sind die Beschaffer auch für die Nutzung zuständig. Einmal gewonnenes Personal kann so über Jahrzehnte (Nutzungsdauer) gebunden werden und steht für die Personaldynamik nicht zur Disposition.