Deutsche Brigade in Litauen: ein paar Merkposten
Nach der überraschenden Ankündigung von Verteidigungsminister Boris Pistorius, eine Litauen zur Unterstützung zugesagte Bundeswehr-Brigade dauerhaft in dem baltischen Land zu stationieren, bleiben viele Details noch offen. Zum Mitplotten ein paar Merkposten:
Pistorius hatte seine Ankündigung Ende Juni beim Besuch einer Übung mit dafür verlegten deutschen Truppenteilen in Litauen gemacht, bei der auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg anwesend war. Damit kam die Bundesregierung dem Drängend Litauens nach; allerdings geht die Bundeswehr damit erstmals die Verpflichtung zu einer Stationierung im Ausland ein, die anders als die bisherigen Auslandseinsätze zum Beispiel in Afghanistan oder Mali nicht von regelmäßigen Rotationen ganzer Kontingente geprägt ist.
Die jüngsten Entwicklungen:
• Litauen sagte in dieser Woche zu, zur Infrastruktur nicht nur für die Truppenstationierung, sondern auch für das soziale Umfeld beizutragen. Das litauische Fernsehen zitierte aus einem TV-Auftritt von Staatspräsident Gitanas Nausėda am (gestrigen) Montag:
“We have made such a promise and it is our commitment as the host nation to create conditions that are maximally acceptable to the German side, because they, in this case, choose to allocate a large part of their combat power to Lithuania,” he told an LRT TV program.
Lithuania will spend “a significant amount of money” to host the German brigade, according to Nausėda.
“We will also allocate it to social infrastructure projects if needed,” the president said.
• Bei einem Besuch in Litauen kündigte Generalinspekteur Carsten Breuer Ende August an, die Planungen für dieses Leuchtturmprojekt der Zeitendwende würden bis zum Jahresende abgeschlossen, so dass mit der Implementierung Anfang 2024 begonnen werden könne:
• Nach einem Bericht des Spiegels von Anfang September (hinter Paywall) sind allerdings bislang recht wenige Soldaten und Soldatinnen bereit, für eine längere Stationierung nach Litauen zu gehen. Bei einer Umfrage in den entsprechenden Einheiten habe nur ein Fünftel angegeben, freiwillig in dem baltischen Land eingesetzt zu werden.
Das weiter nach Entwicklung wird sich sicherlich in den nächsten Wochen ergeben.
(Archivbild: Stoltenberg, Nausėda und Pistorius, v.l., am 26. Juni 2023 auf dem Truppenübungsplatz Pabrade in Litauen – Thomas Imo/photothek.net)
Hoffentlich baut LTU auch die Unterkünfte nach deutschem Standard (Stube 2000) (und andere Gebäude – WaKa. z.B.); nicht, daß man diese sonst nicht abnehmen und belegen bzw. nutzen kann 😎
@ Cecil und Nicolo
Bei 4.000 Dienstposten wird doch etwas für Sie dabei sein – keiner von den „Jammerlappen mit Vollkaskomentalität“, der Ihnen in die Quere kommt, da müssten Sie doch heilfroh sein. Die bleiben in der Etappe, Sie gehen an die Front, da ist doch jeder an seinem Platz.
Ein Hörsaalleiter im Süddeutschen beklagte einmal, seine Generation sei um ihren Krieg betrogen worden – vielleicht haben Sie ja Glück und es trifft sie nicht dasselbe Schicksal!
Also, wenn ich als alter weißer Mann und Veteran, der noch in regelmäßigem Kontakt mit französischen „Besatzungstruppen“ war, mal was hinzufügen darf:
1.) Wenn man dauerhaft stationieren will, muss die komplette Infrastruktur für Familien bereits vor Ort sein, bevor man in größerem Umfang verlegt.
2.) Das kann man so planen und umsetzen, dass die Wohnungs-Infrastruktur selbst nach Ende der Stationierung noch für die einheimische Bevölkerung nutzbar ist, wie das in meinem Heimatdorf und der nahegelegenen Industriestadt nach Abzug der FRA Truppen der Fall ist.
3.) Wenn diese Infrastruktur wirklich funktionsfähig ist, gibt es auch für viele der berufstätigen PartnerInnen Verdienstmöglichkeiten vor Ort und im Umfeld.
4.) Erfahrung in solchen Vorhaben besteht z.B. bei FRA und US, nur müssen wir (wie GER immer) natürlich das Rad wieder neu erfinden.
5.) Das ist mit dem üblichen Getrödel der beteiligten Behörden und Dienststellen naturgemäß schwierig.
Sehr guter Beitrag! Alle organisatorisch-verwaltungstechnischen Fragen wurden im Prinzip schon vor zig Jahrzehnten von zahlreichen unserer Verbündeten beantwortet. Allein die Amerikaner haben wohl eine sechsstellige Anzahl von Soldat:innen inklusive Familien im Ausland stationiert. Davon lässt sich lernen – die jeweiligen Standortkommandeure in Deutschland bieten z.B. BW-Planern sicherlich gerne Praktika an …
Die BW braucht also bei der Feinplanung kein Neuland betreten. Entscheidender ist der politische Überbau, der das Engagement gesellschaftlich breit vermittelt. Wenn man sich z.B. die einfältige „Taurus“-Debatte anschaut muss man Angst haben, dass die Truppe in Litauen maximal gedrosselte Wummen mitbekommt, damit auch keiner nur in Versuchung kommt auch nur einen Zentimeter über die Grenze zu schießen.
@Zivi a.D.
… Reparationen stimmen so nicht ganz: Die Summe wurde mit dem Londoner Abkommen halbiert und nur die verbleibenden knapp 15 Mrd Mark in sehr überschaubaren Raten abgestottert.
Welcher dieser mit Geld überhäuften Staaten hat oder hatte offiziell Krieg mit der Bundesrepublik Deutschland? Mir scheint der ein oder andere Gefechtsbericht in den Geschichtsbüchern der BRD zu fehlen.
Ich hätte jetzt noch den Friedensvertrag des zweiten Weltkriegs in die Runde geworfen, aber der schafft es ja nicht Mal als Vertragstitel den eindeutigen Terminus „Friedensvertrag“ zu tragen. Was soll mir das sagen, es scheiterte an Dolmetschern die den Begriff hätten übersetzen können in Englisch, Französisch und Russisch?
[Die OT-Spielerei beenden wir jetzt. T.W.]
@ Stephan Forster et al.
„die NATO“ und auch einzelne NATO- Mitgliedslaender brechen keine Vereinbarungen mit Russland ueber Osterweiterung der NATO , Stationierung von Truppen und so, weil es eben diese Vereinbarungen gar nicht gibt. . Das von Forster verlinkte Papier des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages belegt das, die Kernaussagen sind sogar fett gedruckt. Kernaussage: alle Ueberlegungen der NATO, wo welche Truppen stationiert werden, liegen im Ermessen der NATO, und sind durch das jeweilige Sicherheitsumfeld bedingt. Nun ja, Russland hat 2014 die Ukraine ueberfallen, und 2022 mit der full-scale invasion noch einen draufgesetzt, also wurden und werden die Planer der NATO taetig und planen die Stationierung auf Grund der politisch-strategischen Vorgaben aus. Alles voellig richtig, legal und legitim.
Und nein, das fuehrt nicht zur Eskalation, weil Putin ja selbst entscheidet, ob er sich provoziert fuehlt oder nicht, je nachdem wie er es gerade braucht.
@ Pham Nuwen
Leider wird die Bundeswehr niemandes Rat annehmen. Das Rad wird wieder neu erfunden und alles wird amateurhaft, verspätet und viel zu teuer bereit stehen.
Mal ein Beispiel aus der zivilen Welt:
im August 2011 wurden die Fundamente für einen Baumarkt gegossen. Im April 2012 wurde er ERÖFFNET. Alles hat tadellos funktioniert. Es geht
Zur Frage der Osterweiterung der NATO eine Literaturempfehlung:
Mary E. Sarotte
Not One Inch: America, Russia, and the Making of Post-Cold War Stalemate
(Henry L. Stimson Lectures)
Das Buch erscheint diesen September auch auf Deutsch:
Sarotte, Mary Elise:
Nicht einen Schritt weiter nach Osten.
Amerika, Russland und die wahre Geschichte der Nato-Osterweiterung.
[Habe mit ihr gesprochen neulich, und das Thema haben wir für den Podcast im Auge. T.W.]
@Grimes
„Das Rad wird wieder neu erfunden und alles wird amateurhaft, verspätet und viel zu teuer bereit stehen“.
Sie lesen zu viel schlechte Comics.
Ich hoffe jedenfalls, es wird vernünftig geplant und ein Verband aufgestellt, der sich an den litauischen Bedürfnissen orientiert.
Die Komplett-Verlegung einer in Dtschl. bereits existierenden Brigade wäre schwer zu vermitteln.
was ich täte, wenn ich König…
* Neuaufstellung einer schweren Brigade, mit zwei dt. Kampfbataillonen (Panzer + Panzergrenadiere),
* Prüfung ob nicht deutsch/litauische Brigade mit mgl. Integration der bestellten litauischen Leoparden als 2. PzBt.
* Deutschland stellt Gerät, binationales Personal
* Kampfunterstützer vollausgestattet und angepasst an mögliche Lage (Aufklärer, Pioniere, Logistik und Artillerie)
* weiterhin ein rotierendes Bataillon.
@Auchmal, warum keine bestehende Brigade verlegen?
Das Personal für eine weitere Brigade wächst nicht auf Bäumen und wir müssen nun mal der Realität in’s Auge sehen.
Die Rolle als Frontstaat in der NATO haben wir an Polen und das Baltikum abgegeben. Dazu gehört auch das es nun an uns ist anderen den Schutz zu gewähren in der Form in der wir ihn 40 Jahre genossen haben. Und zwar durch die Stationierung von eigenen Kampftruppen. Mag zwar dem einen oder anderen MdB nicht gefallen weil es Arbeitsplätze in seinem Wahlkreis kosten wird. aber auch das gehört dazu der Realität ins Auge zu sehen.
@Auchmal:
Woher nähmen Sie denn als König denn das Personal für die Aufstellung und logistische Unterstützung einer neuen, schweren Brigade? Die Zeiten, als die Rekrutierungsbeamte in Kneipen Betrunkenen eine Münze mit Ihrem königlichen Antlitz in den ausgegebenen Wein plumpsen ließen, sodass diese armen Teufel dann am nächsten Morgen mit fiesem Kater in der Kaserne oder an Bord eines Kriegsschiffs erwachten (das Küssen einer Münze mit dem Konterfei des Fürsten galt als Treuebekenntnis und Zustimmung zur Ableistung von Wehrdienst), sind lange vorbei.
Die Herstellung einer begrenzten Aufwuchsfähigkeit zum Ausgleich von im Kampf prognostizierten Verlusten ist doch heute schon eine schier monumental scheinende Aufgabe.
Mal ganz ehrlich: Per ordre de mufti lässt sich sowas nicht bewirken. Die zu bohrenden Bretter bleiben dick und lang.
@Auchmal
Wäre ich König, würde ich
– In Abstimmung mit unseren FRA Freunden die DEU/FRA Brigade auflösen
– Den DtA der Brigade als Kern der Brigade nach LTU verlegen.
Ist aber eine zu naheliegende Lösung, daher 0% Realisierbarkeit.
@PzH2000
Ich halte es nicht für sinnvoll, eine Brigade der mittleren Kräfte in Litauen zu stationieren. Die Mobilität soll ja schnelles Nachrücken ermöglichen. Eine schwere Brigade ergänzt die litauischen Streitkräfte doch eher und erspart deren Heranführung.
Das die Dt/Frz Brigade so wie sie ist, strukturell wenig Sinn macht, da stimme ich Ihnen zu.
@Metallkopf
Die ursprüngliche Planung für eine neue Struktur sah weitaus mehr Neuaufstellungen vor (Btl für NL Brigade, Btl für Dt/fr Brigade, Art für leichte Division …) Der Personalmangel ist ja auch nicht generell, sondern betrifft „höher qualifizierte“ DP ja mehr.
Eine Brigade mit ein oder zwei PzBtl wäre vom Personalbedarf geringer als eine Brigade mittlerer Kräfte.
@Flo
Mir geht’s eher um die Akzeptanz der Soldaten, bereits geleistete Investitionen in Standorte in Dtschl. und aufgrund der Bedingungen in Litauen wird sowieso nur eine sukzessive Verlegung/Aufstellung möglich sein. Also kompanieweise Aufstellung und Ausbildung, dann Verlegung und Aufstellung von Btl.
Ich halte es auf jeden Fall für sinnvoll, Ausrüstung und Struktur an die litauischen Bedürfnisse anzupassen.
Was macht Sinn? Daraus sollte dann durchaus eine Brigade entstehen, die nicht der „Standard-Struktur“ entspricht.
Ach eigentlich ist es doch simpel. Für eine neue Brigade gibt es nicht ansatzweise genug Personal also muss man sich zwischen drei Optionen entscheiden….
1) eine bestehende Brigade verlegt geschlossen nach Litauen.
2) es wird eine „neue“ Brigade geformt und man bedient sich dafür bei anderen bestehenden Brigaden und schustert sich eine zusammen.
3) nur das Führungselement wird neu aufgestellt und auch nur diese Dienstposten werden dann fest in Litauen stationiert, der Rest der Brigade wird dann nach bisherigem Konzept als Rollerendes Kontingent entsendet.
Variante 3 hätte den Vorteil das man nur wenige hundert Dienstposten besetzen müsste die mit Familie über Jahre ins Ausland gehen. Der Rest würde dann halt wie bisher für wahrscheinlich je ein halbes Jahr kommandiert und man könnte halt alles Großgerät vor Ort lassen so das die Soldaten nur mit persönlicher Ausrüstung anreisen.
Zuhause könnte man dann dann zu einem System kommen das Ergenzungstruppenteile dann in Langzeit Wehrübungen die Batalione vertreten.