Niger: Pistorius sieht keine Bedrohung für deutsche Soldaten
Die Sicherheit der gut 100 deutschen Soldatinnen und Soldaten in Niger ist nach Einschätzung von Verteidigungsminister Boris Pistorius auch nach dem Militärputsch in der vergangenen Woche nicht bedroht. Es gibt keine Bedrohung der Sicherheit, auch die Versorgung ist gesichert, zitierte der Minister den Kommandeur des deutschen Lufttransportstützpunkts in der nigrischen Hauptstadt Niamey.
Pistorius äußerte sich bei einem Besuch im Bundeswehr-Karriecenter Stuttgart am (heutigen) Mittwoch. Ausdrücklich hob er hervor, dass es derzeit auch für Zivilisten keine Evakuierung aus dem westafrikanischen Land gebe. Frankreich habe lediglich mit dem Ausfliegen seiner Staatsbürger begonnen, die das Land verlassen wollten, und nehme dabei auch Deutsche mit: Von daher warten wir übrigens, wie viele andere auch, erstmal die Situation ab.
Der O-Ton des Ministers dazu:
Auf dem deutschen Stützpunkt auf der Base Aerienne 101 in Niamey, der als Drehscheibe für den Abzug der deutschen UN-Truppen aus dem benachbarten Mali genutzt wird (wenn auch derzeit wegen des Flugverbots nicht), sind rund 115 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr stationiert. Außerdem hat die deutsche Botschaft in Niger ihre Arbeit aus Sicherheitsgründen in das geschützte Bundeswehrcamp verlagert.
Nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock wurden am (gestrigen) Dienstag und am Mittwoch mit den französischen Militärmaschinen bislang mehr als 40 Deutsche aus Niger ausgeflogen. Die Ministerin dankte ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna: Diese unkomplizierte und pragmatische Zusammenarbeit in Krisenzeiten zeigt, was Europa in der Außen- und Sicherheitspolitik leisten kann, wenn wir zusammenarbeiten. Mit ebendieser Geschlossenheit und Entschlossenheit unterstützen wir als Europäische Union auch die internationalen Bemühungen zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Ordnung in Niger.
(wird ggf. ergänzt)
Es gibt zwar keine direkte Bedrohung, aber ein erhöhtes Risiko, u.a. durch den Umstand, dass der Flughafen in der Hauptstadt für kommerzielle Flüge gesperrt ist, und dass Nachbarstaaten eine militärische Intervention angedroht haben. Dieses Risiko könnte man jetzt mit vergleichbar geringem Aufwand und eigenem Risiko für die durchführenden Kräfte durch staatliche Evakuierung kontrollieren. Dadurch, dass sich der Minister gegen diese Maßnahme entschieden hat, trägt er die Verantwortung für die Folgen, falls eine Evakuierung zu einem späteren Zeitpunkt doch noch erforderlich würde und unter erschwerten Bedingungen stattfinden müsste. Die Sudan-Lage liegt erst wenige Wochen zurück, aber die mit ihr verbundenen Lehren hat man in Berlin offenbar schon wieder vergessen.
Wenn sich der Minister auf eine Bewertung des BND abstützt, dann mache ich mir große Sorgen.
Es gibt keine Bedrohung der Sicherheit, auch die Versorgung ist gesichert, zitierte der Minister den Kommandeur des deutschen Lufttransportstützpunkts…“
Versorgung, okay!
Sicherheit?
Da bin ich aber beruhigt, es zeigt wie weit wir sind. Neben der Bdl vor Ort hat der Kommandeur auch das übergeordnete operative und strategische Lagebild?
Ich wäre beruhigt wenn dies der Befh EinsFükdo sagen würde.
Mission first! Die Kameradinnen und Kameraden im Niger haben einen Auftrag, vergessen? Die sind dort nicht zum Erholungsurlaub. Ansonsten könnte man das von DHL oder UPS erledigen lassen.
Ich finde es schön ziemlich hart und aus der Ferne auch unqualifiziert, die aktuelle Lage im Niger mit dem Sudan zu vergleichen (auch was LI/LL betrifft).
Und auch ohne das Zauberwort OpSec zu nutzen, sollte man auch beim xen (ehedem twittern) erst denken, dann senden. Ja, die Spekulationen schießen ins Kraut, auch weil man im Bereich Info/ OpComm einfach schlecht ist. Aber vielleicht lernt man daraus und vielleicht ordnet man die Lage auch erstmal ruhig ein. Das fehlt in der aktuellen Diskussion völlig.
@Florian Staudte
Das tolle an einem guten Nachrichtenienst ist u.a., dass man dem die Schuld für alles geben kann und er sich nicht wehrt.
Sei es aus Inkompetenz oder Unwissenheit, wie vmtl bei Ihnen, oder um von eigenen Fehlern abzulenken, wie im Fall Afghanistan / Maas.
Der hatte ne ganze Menge verpennt, war nicht in der Lage oder Willens, die richtigen Schritte zur richtigen Zeit einzuleiten, und hat dann seine Schuld auf den BND abgewälzt. Als die deutsche Botschaft in Kabul Meldungen bzl. der Situation abgesetzt hatte und einpacken wollte, wurde das falscherweise völlig ignoriert.
Lustigerweise lag der BND mit seinen Einschätzungen größtenteils richtig. Bis auf die zur Schlagkraft und Gefechtswert der afghanischen Soldaten. Ich hatte nie mit der Ausbildung von denen zu tun, aber daß da null Inhalt da ist und keine Widerstandsfähigkeit, das war sogar mir klar.
Also sollten Sie nicht über fundiertere nachrichtendienstliche Infos verfügen, sollte man solche Sprüche vlt. unterlassen.
@ Otto
Mein Bauchgefühl und meine Lebenserfahrung lassen mich annehmen, dass auch im Niger noch die ein oder andere Überraschung möglich ist.
Seien Sie sich der Tatsache bewusst, dass ich über einen ausreichenden Einblick verfüge.
Die Rolle des BND in Afghanistan wird gerade in verschiedenen Ausschüssen des Deutschen Bundestages diskutiert. Warten wir das entspannt ab.
@MrDiversity
Mission first?
Die „Mission“ Gazelle und EUMPM der Kameradinnen und Kameraden im Niger“ ist doch eine Ausbildungsmission für die Streitkräfte von Niger. Glauben Sie wirklich, man könne eine solche Mission fortsetzen, wenn eben jene Streitkräfte einen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung verübt haben?
Natürlich gibt es einen grundsätzlichen Unterschied zur Lage in Mali. In Mali haben die Putschisten ziemlich deutlich zu verstehen gegeben, dass sie keine französichen und auch keine UN Soldaten im Land haben wollten. Der Bewegungsspielraum der Blauhelme wurde stark eingeschränkt. Bei den Putschisten in Niger gibt es das bisher nicht. Allerdings sollten wir uns nicht darauf verlassen, dass dies so bleibt. In Mali wurde die Stimmung immer aggressiver, je mehr Sanktionen die EU verhängte.
@Florian Staudte
@otto
Ein leistungsfähiger Auslandsnachrichtendienst, der politisch gesteuert und wirksam kontrolliert wird, ist für die Sicherheitsarchitktur Deutschlands ein unverzichtbares Element. (Ausrichtung an höchsten Standards für Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsschutz)
Der militärische Anteil des BND ist das permanente, „oberste Tool“ für die Bundeswehr. Neben strategischen Aufgaben unterstützt er die laufenden oder in Planung stehenden Einsätze der Bundeswehr und wirkt bei der Erstellung eines umfassenden Lagebildes und Entscheidungstools im Rahmen der Landes- und Bündnisverteidigung mit. Das ist nun insbsondere die Lage Russland. Er leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsorientierten Weiterentwicklung der Bundeswehr, indem er Kriegsverläufe als auch Einsätze anderer Streitkräfte und grundsätzliche Entwicklung im Militär- und Sicherheitsbereich mitverfolgt und analysiert.
Soweit die Theorie.
Es verbietet sich hier in die Spezifika einzusteigen, doch es bleibt der Eindruck, dass entscheidungsrelavante Informationen für Regierung, Parlament und auch Bundeswehr gar nicht oder zu spät vorlagen. Man sollte ja nicht alles glauben, was durch Presse, andere Medien aber auch im Internet veröffentlicht wird. Auch nicht was Partein so von sich geben. Befragungen des Parlaments liefern jedoch seriöse Kenntnisse. Insgesamt ergibt sich in der Zusammenschau ein Bild, dass Fragen offen lässt.
BND-Chef Bruno Kahl selbst räumte Fehleinschätzungen im Bezug auf die Entwicklungen in Afghanistan ein.
Später reiste Kahl unmittelbar vor Kriegsausbruch in der Ukraine nach Kiew, um dort „dringende Gespräche“ zu führen. Noch während seines Aufenthaltes marschierten russische Truppen in die Ukraine ein. Kahl musste mithilfe einer besonderen Truppe rückgeholt werden.
Der BND hatte nach Angaben von Bundeskanzler Scholz wohl keine Kennnis vom Aufstand der Wagner-Söldner. Die deutschen Dienste hätten das „natürlich nicht vorher gewusst“, sagte er in der ARD-Sendung Maischberger.
Dies alles mit Unkenntnis, gar Imkompetenz abzutun, wird dem Blog aber auch der Sache des Dienstes nicht gerecht.
Die USA haben 18 Geheimdienste.
Mir ist weltweit kein Auslandsgeheimdienst bekannt, der unter solchen Vorbehalten arbeitet:
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2020/bvg20-037.html
@ zahlenderBuerger
Die Ereignisse beim Besuch des Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl in Kiew um 24. Februar 2022 werden von Ihnen (bewußt?) falsch dargestellt.
Der Plan wird doch dann wohl nicht sein, mit den bisher lautstark verurteilten Putschisten zusammenzuarbeiten. Die Drehscheibe wieder in Betrieb nehmen? Ein Koffer voller Geld und wertegeleitete Außenpolitik Schnee von gestern? Wenn schon denn schon. liebe Regierung oder Beliebigkeit. Ich höre schon die Wendehälse mit Pseudogeschafel.
Bleibt die große Frage, in welchem Umfang das Außenministerium diese Einschätzungen beeinflusst. Alleine der Gedanke daran löst im mir ein noch größeres Unbehagen aus.
@eaco2009
Mit Gesinnungsethik kommt man in der Praxis nicht sehr weit, da ist schon Verantwortungsethik angesagt.
AlterOLt 03.08.2023 um 7:08 Uhr
….“@ zahlenderBuerger
Die Ereignisse beim Besuch des Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl in Kiew um 24. Februar 2022 werden von Ihnen (bewußt?) falsch dargestellt.“
Ganz eindeutig NEIN, sie spiegeln meinen Kenntnisstand wieder, es entspricht den Darstellung in den von mir genutzten, i.d.R sehr solide recherchierenden Medien.
Übrigens, wenn man mal falsch liegt, ist das nicht immer BEWUSST. Sachliche Diskussion, auch kontrovers, ist die Stärke dieses Blogs. Bitte auch die Ihre.
Anstatt mir BEWUSST direkt oder indirekt zu unterstellen, erhellen Sie uns (mich) doch bitte mit Ihren tatsächlichen Erkenntnissen. Machen Sie es einfach besser als ich und unterstützen Sie das mit Ihre Quellenangabe. Wenn immer möglich nicht mit dem Scheinargument „Daten- und Quellenschutz“. Danke!
[Ich bitte dringend darum, das jetzt nicht zu einem persönlichen Schlagabtausch werden zu lassen. T.W.]
@ eaco2009 03.08.2023 um 8:49 Uhr
Da sprechen sie etwas an, was wahrscheinlich einen Sturm der Entrüstung hervorrufen wird, im Sinne, es geht um unsere Soldaten!
Jedoch, wenn im Ausland Generäle putschen oder Polizisten Demonstranten niederknüppeln, galt und gilt: In Berlin interessiert das nur „wenn es passt“. Es gab und gibt dann doch immer mal Winkelzüge.
Es gibt gute, rein praktische Gründe für den Weiterbetrieb im Niger. Wirkt sogar clever. Doch wenn man bisher betonte Werte und Inhalte der letzten Deklerationen ernst nimmt, dann geht das eben nicht mehr.
Die von der Bundeswehr dort genutzte (wie schon seit Jahren) zivile Fluggesellschaft besitzt Routine und zeigt Flexibiltät. Auch Verbindungen/Netzwerke. Das hat sie schon bewiesen. Z.B. Algerien ist nicht optimal.Doch es ging schnell, funktioniert. Geld? Sicher. Doch der in den Sand gesetzte Mali Einsatz, einschließlich der erst vor kurzem fertiggestellten neuen Infrasrtuktur, den fast verschenkten Materialien verschlang schon so viele Millionen!
Was zählt also?
Ein allgemeiner Aspekt:
Aber an einer gründlichen Evaluierung und Überprüfung von Hilfen und Missionen hatten die Bundesregierungen (Bundeswehr) bisher kein Interesse. Der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr zum Beispiel wurde noch nicht wirklich evaluiert, trotz Drängens. Das wirkt zäh und hinhaltend.
Evaluierung (BdL) gibt es übrigens auch während (!) eines Einsatzes, einer Operation – Mali, Niger. Da lief ja wohl manches eher im Sinne einer idealistischen Bewertung.
@AlterOLt
Jetzt haben Sie mich und bestimmt auch andere aber so richtig neugierig gemacht. Wie ist es denn wirklich abgelaufen?
Uns können Sie es doch erzählen. Bleibt natürlich auch unter uns.
@ zahlenderBuerger
03.08.2023 um 9:35 Uhr
@ T.W.
Nein – kein persönlicher Schlagabtausch. Ich verwies ja darauf, bewusste Falschinformation entspricht nicht dem Geiste Ihres Blogs und ich halte mich gern daran.
AlterOLt hat sicher neue Erkenntnisse, welche uns alle der Wahrheit näher bringen. Ich korrigiere mich gern. T.W. bitte lassen sie diese Antwort zu. Auch auf die Gefahr OT-
@ Thomas Melber 03.08.2023 um 9:22 Uhr
Persönlich teile ich Ihre Auffassung. Doch die Realität ist eine andere.
Gesinnungsethik und Verantwortungsethik sind in der Theorie zwei sich ergänzende Begriffe, die auf wichtige Unterschiede hinweisen. Gesinnungsethik legt die Gesinnung eines Menschen als obersten Maßstab für das Handeln zugrunde. Verantwortungsethik dagegen legt das Hauptaugenmerk auf Erfolg und Wirkung einer Handlung. Der Begriff Verantwortungsethik bezeichnet also eine Form menschlichen Handelns oder Verhaltens, welches als Leitlinie (im Gegensatz zur Gesinnungsethik) stets die Gesamtheit der voraussichtlichen Folgen in Betracht zieht.
Die Verantwortungsethik steht damit in einem Spannungsverhältnis zur Gesinnungsethik (deren einziger Maßstab politischen Handelns, Überzeugung, der Glaube etc. ist.
Nun hat ja jeder persönlich (!) seine Meinung, seine Einstellung.
Festzustellen ist jedoch dass die aktuelle Regierung (insbesondere AA) eher der Gesinnungsethik zugetan ist. Wertegeleitete und feministische Außenpolitik, dies in bewussster Abgrenzung von interessengeleiteten Außenpolitk.
Annalena Baerbock vertritt diese wertegeleitete Außenpolitik permanent. Auch recht laut, auch recht belehrend. Auch und gerade in Afrika!
Ich halte das für verhängnisvoll. Das heißt nichts anderes, als dass ein Programm, eine Theorie in praktische Politik umgesetzt wird: Missionierung oder gar Bekämpfung der Andersdenkenden. Die europäische Aufklärung wird zum Maß des Guten für alle Menschen. Das Miteinander der Nationen wird dadurch nicht leichter. Über nationale Interessen kann man verhandeln, über Werte nicht. Es ist für mich kein Wunder, dass sich die Außenministerin in China einen Rüffel abholte. Ihr Amtskollege Qin Gang entgegnete ihren offenen Worten zum Thema Menschenrechte so: „Was China am wenigsten braucht, sind Lehrmeister aus dem Westen.“
Ein verantwortungsethisches Erwachen zur Realpolitik kann ich aktuell, gerade im AA, nicht erkennen. Dann ist auch in Krise und Krieg diesem Kompass zu folgen. Annalena Baerbocks Außenpolitik ist sonst eine Chimäre.
AA hat ja übrigens das BMVg bei der Verlängerung des Einsatzes Mali übersteuert. Man lese die Reden, man lese die Verlautbahrungen von Annalena Baerbock.
@ AlterOLt vom 03.08.2023; 7:08 Uhr
Sie sagen zu @ zahlenderBuerger :
Die Ereignisse beim Besuch des Präsident des Bundesnachrichtendienstes Bruno Kahl in Kiew um 24. Februar 2022 werden von Ihnen (bewußt?) falsch dargestellt.
Ich habe das bisher auch so gesehen, da auschließlich so gelesen. Wie ist denn ihre Version?
@Schlammstapfer
Sie meinen die Operation Gazelle, welche im Dezember 2022 beendet wurde?
Ich bezog mich auf die logistische Drehscheibe Niamey (Lufttransportstützpunkt). Dies fällt derzeit aus, aber kann sich ja wieder ändern. Wozu also Hals über Kopf dort weg, wenn es die (Sicherheits-)Lage derzeit nicht erfordert?
Ich möchte hier dann doch einwerfen, dass wir die europäische Aufklärung sehr wohl für das „Maß des Guten für alle Menschen“ halten, zumindest was die universellen Menschenrechte angeht (deshalb universell).
Dies von einer rein interessengeleiteten Außenpolitik abzugrenzen halte ich auch für fragwürdig; eher treffen hier kurzfristige auf langfristige Interessen.
Und auch die Gesinnungsethik in den Gegensatz zur Verantwortungsethik zu setzen, greift zu kurz: schön und gut das Handeln an den Konsequenzen und nicht an der Absicht zu messen, aber die Konsequenzen sind nicht immer vorher bekannt oder vorhersagbar, und da hilft es, wenn die gute Absicht die Handlungen leitet.
@Chummily d.Ä. 03.08.2023 um 12:31 Uhr
Sehr guter Beitrag! –
Das ewig Belehrenwollende in der deutschen Politik – ich habe darauf ehrlicherweise keine umfängliche Antwort. Ich verstehe auch nicht wirklich, was „feministische (Aussen-)politik“ sein oder bewirken möchte, ausser dass es eine parteienaffine Klientel erfreuen mag.
Sie hat weder in RUS, CHN noch in Afrika etwas substantiell Nachweisbares gebracht.
Gesinnungsethik als Leitmotiv ist nicht fern von Naivität oder der Sturheit eines Don Quijote – Beides führt zu nichts.
Ich vermute, dass sich bundesdeutsche Politik zudem sehr oft an personenbezogene Beziehungen („Kohl‘s Männerfreundschaften“, Steinmeier/ Lawrow, Brandt/ Breshnev, Schmidt/Giscard etc.) ausgerichtet hat. Hier wurde Politische Festigkeit an Personen geknüpft; Interessen wurden mglw. pers. Beziehungen angeglichen. Das wurde als Realpolitik verkauft.
In der Essenz, DEU Aussenpolitik ist immer noch auf der Suche.
Gäbe es keine EU- und NATO- Bindung- o je!
[Wie sind wir jetzt von der Bedrohungslage Niger bei feministischer Außenpolitik gelandet und was außer Abarbeiten an Hassobjekten soll das bringen? T.W.]
Herr Wiegold,
die AM Baerbock, das AA (für das ich arbeite) stellt kein Hassobjekt für mich dar!
Da versteigen Sie sich. Ich erlaube mir eine kritische Position.
Ich kann auch aussteigen- ok?
Es ist zwar richtig, dass hier eine Abschweifung erfolgt ist. Aber einige Aussagen können so nicht stehenbleiben. Die europäische Aufklärung ist per se etwas Positives. Sie hat aber nichts mit Gesinnungsethik, Missionierung, oder feministischer Außenpolitik zu tun, wie weiter oben vermengt.
Wir können uns an der WIE Frage zerreiben oder anerkennen das die jeder Analyse vorangestellte WAS Frage nicht abschließend beantwortet wurde. Was wollen wir eigentlich? Was sind unsere Interessen? Was wollen wir erreichen? Was charakterisiert einen gewünschten Zustand in der Zukunft? Das alles jetzt mal einfach auf den Niger bezogen…
Ein WIE der Umsetzung würde dann beinhalten von welchem Moralischen Ideal und Wertekanon das auf ein WAS ausgerichtete Vorgehen begleitet wird. Zum Beispiel durch RoE, rechtliche Rahmenbedingungen, etc…
Ob der uns dabei begleitende Kompromiss unterschiedlicher Schulen der Ethik nun als „feministisch“ oder „maskulin“, „heroisch“ oder „agil“ beschrieben wird sei dahingestellt. Warum?
Solange zentrale WAS Fragen ungeklärt bleiben wird die treffendste Bezeichnung der Außenpolitik der BRD der letzten Jahrzehnte gerne als „infantile Außenpolitik“ bezeichnet werden.
@MrDiversity
Zustimmung. Ein Abzug Hals-über-Kopf ist nicht nötig, solange die Sicherheitslage das nicht erfordert. Problematisch daran ist, dass man im AA nicht wirklich über die Fähigkeeit verfügt, den richtigen Zeitpunkt für einen Abzug zu erkennen, bevor ein Hals-über-Kopf Abzug daraus wird. Das Beispiel Afghanistan und das Beharren auf der Teilnahme an der UN-Mission in Mali bis-zum-letztendlichen-Rauswurf haben mein Vertrauen in unsere Dienste und in das Auswärtige Amt doch nachhaltig erschüttert.
Ich stimme den Aussagen zu europäischer Aufklärung und Gesinnungsethik rücksichtslos zu. Gerade, wenn man auch Niccolò Machiavelli zur Aufklärung zählt. Was man ja tut.
Der wusste doch schon: „[…] dass die Menschen entweder geködert oder vernichtet werden müssen. Für geringfügige Beleidigungen rächen sie sich; bei schwerwiegenden sind sie dazu nicht in der Lage. Jede Verletzung muss also so zugefügt werden, dass die Angst vor Rache gleichzeitig eliminiert ist.“ (Discorsi. Gedanken über Politik und Staatsführung)
Ich meine, solche Erkenntnisse sind es doch wert, in den Rest der Welt getragen zu werden. Und warum will der das eventuell gar nicht annehmen?
Boris Pistorius. …..“für den Fall der Fälle arbeiten wir weiter an Alternativen für die Rückverlegung aus Mali. Wir hoffen aber, dass das nicht nötig sein wird.“
Also dann doch Hand in Hand mit Putschisten, welche fast durch die ganze Welt verurteilt werden, denen man sogar mit Krieg droht, die den Präsidenten in Geiselhaft halten.
General Moussa Salao Barmou wird neuer „Stabschef“ der Streitkräfte? Oder doch CHOD?
Es wird behauptet, dass er mit SOF des Niger in Verbindung steht, sogar in Verantwortung für Teile war (und Ist). SOF wurde u.a. durch Deutschland über Jahre mit ausgebildet.
Droht nun Krieg im Niger, in der Region? Es gibt offensichtlich fortgeschrittene Pläne für eine mögliche militärische Intervention im Niger, abgestimmt mit den USA und vor allem Frankreich.
ECOWAS hatte den Putschisten im Niger ein Ultimatum gestellt (läuft heute ab) und mit einem militärischen Eingreifen gedroht. Vorbereitungen laufen offensichtlich auf Hochtouren und haben die rein politische Phase schon lange verlassen.
Die bisherihen Tatsachen zeigen, dass Putschisten im Niger (der Region) versuchen, die gesamte Region in ein Feld der Konfrontation zwischen rivalisierenden Mächten zu verwandeln. Ein neuer Brandeherd entsteht. Die Warnung aus Burkina Faso und Mali war deutlich: Eine militärische Intervention von ECOWAS in Niger käme einer Kriegserklärung gleich.
Die aktuellen Ereignisse in Niger wälzen jetzt fundamental vieles in der Region um. Es ist klar, dass eine der aufkommenden Fragen sehr wohl die nach dem Verhältnis zum Westen ist.
Die nigrische Junta weiß, dass nur die Unterstützung der Bevölkerung ein Schutzschild für sie sein kann. Sie hat keine andere Wahl, als sich in die gleiche Richtung wie die Putschisten in Mali und Burkina Faso zu bewegen; und so ist auch ihre Entscheidung zu verstehen, alle Verteidigungs- und Sicherheitsabkommen, die sie in den vergangenen Jahren mit Frankreich unterzeichnet hatte, zu widerrufen. Was ist mit dem Abkommen Niger – USA?
Man hört wenig vom BMVg und AA. Weder zur konkreten Lageentwicklung. >Sind unsere Soldaten noch sicher? Noch grundsätzlich > Wie steht Deutschland, das AA denn konkret zur sich entwickelten Eskalation?
@Erwinson: Und da hat Machiavelli schlicht unrecht. An schwerwiegende Beleidigung und Vernichtung erinnern sich Völker über Generationen.
Diese Lektion wird uns gerade in Afrika zuteil.
Machiavelli geht von einem Menschenbild aus welches weder Erklärungsgehalt noch Prognose erlauben, a priori auf falsche Pfade führt.
Erst das WAS, dann das WIE.
Und da ist @AoR nur zuzustimmen (und in gewissem Maß auch @Eric Hagen).
Niger ist da schon fast ein neuer Archetyp. Ich habe die Stilisierung des Landes als „Leuchtturm der Demokratie“ niemals verstanden (und ich bin seit nunmehr 22 Jahren in dem Geschäft der Entwicklungszusammenarbeit an der Schnittstelle zur Sicherheitspolitik tätig). In dieser Zeit fanden viele bizarre bis komische Einschätzungen deutscher Ministerien statt (wenn man sich die Mühe macht durch die Länderberichte zu schauen oder Quellenstudium betreibt, dann erwartet man nicht mehr, als aktuell geliefert wird im AA oder BMZ oder BMVg; btw sind andere Ministerien nicht wirklich besser – BMI, BMWi oder BMF sind ähnlich aufgestellt, was auch an ministeriellen Logiken wie auch dem immer noch existenten Juristenprivileg und der Rückkopplung in den politischen Raum liegt). Ein deutsches Bundesministerium ist halt – auch das BMZ oder das AA – meist nicht im Detail der Länder und Regionen verortet, dafür haben sie ihre Vorfeldorganisationen, die Nachrichtendienste und die Botschaften. In der Regel waren deutsche Ministerien im außen- und sicherheitspolitischen Kontext weniger normgebend oder normsetzend, das ist eine Entwicklung der letzten 10, maximal 15 Jahre. Befeuert aus dem politischen Raum, goutiert von akademischen Akteuren, Beratern und Experten – aber ohne langfristige Finanzierung oder Freiheit. Regionale Expertisen sind halt nicht – oder nur noch schwach – in den Ministerien vorhanden. Zudem … wer Ziele formuliert, wird an deren Erreichen gemessen. Wer keine Ziele formuliert, sondern Werte postuliert oder Haltung einfordert… der hat niemals Misserfolg.
Es sieht sehr danach aus, dass Frankreich unter dem Mäntelchen ECOWAS seine Interessen militärisch durchsetzen will. Ich unterstelle, mit Rückendeckung (und Hilfe?) der USA. Vermutlich erreicht man einen militärischen Sieg. Und dann? Alle dem Westen nicht ganz so zugetanen Mächte von den Islamisten über China bis Putin haben Grund zum Jubeln. Alle Reden von Beziehungen auf Augenhöhe etc. werden für den Letzten erkennbar als Propaganda entlarvt. Die Bevölkerung wird noch mehr alles Westliche ablehnen. Erleben wir den zweite Irak?
Ich bin gespannt, wie sich Deutschland positioniert; mitmachen oder verschämt zusehen, solange die Stützpunkte nicht direkt angegriffen werden.
@AoR: Schöne Ableitung. ; )
@Sehestes: @Eric Hagen hat es angedeutet. Die Fragen im Sahel würden sich mit einer Niederlage Russlands in der Ukraine z.T beantworten bzw. einfacher lösen lassen. Ein absichern europäischer Interessen im Sahel würde keine einzige Frage mit Bezug zur Ukraine beantworten. Unsere Stamina/Resilienz dort jedoch wahrscheinlich beeinträchtigen.
Wie sie herausarbeiten, hätten wir nur wieder den Schwarzen Peter. Ja Niger hat gefühlt etwas von FUBAR, aber solange wir damit „Leben“ können würde ich empfehlen mit Containment zu antworten , wenn nicht gar sehr viel hermetischeren Antworten vorzuhalten (Geld, Handel, Wühlen)
Nur hier steckt halt auch dahinter: WAS wollen wir? WAS für Prioritäten leiten sich ab?
Ist das ein Ablenkungsmanöver des Kreml?
@AoR und @Segestes: Machiavelli hat dieses Menschenbild richtig beschrieben: Aber eben für die Stadtstaaaten und Fürstentümer der nördlichen Hälfte der italienischen Halbinsel in der Frühen Neuzeit und nicht für ein afrikanisches Geflecht, das von unterschiedlichen Religionen, Kulturen, Sprachen und Ethnien geprägt ist, das rund 200 Jahre an Altlasten mit sich herumträgt. Rein kulturell betrachtet hat Machiavelli quasi über Innenpolitik geschrieben… Vielleicht ist das auch unser zentrales außenpolitisches Problem: eine historisch mangelhaft gebildete Generation der politisch Verantwortlichen in Deutschland. Da wird in vielen Reden mit schönen Überschriften gearbeitet, ohne die entsprechenden Bücher je gelesen und verstanden zu haben und ohne Kenntnisse des historischen Hintergrundes. Aus über dreißig Jahren in und mit Politik könnte ich zahlreiche groteske Beispiele beisteuern….Und diese oberflächliche „Politik des schönen Wortes“ trifft auf skupellose Interessenpolitik. Theater-Florett auf Dreschflegel…