Verteidigungsministerium will Frauenanteil in der Bundeswehr auf mindestens ein Fünftel erhöhen

Mit einem umfangreichen Maßnahmenpaket will das Verteidigungsministerium die Zahl der Frauen in der Bundeswehr erhöhen und dienstliche Nachteile als Folge der Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen ausgleichen. Das Bundeskabinett billigte den Entwurf des Gesetzes zur Fortentwicklung gleichstellungsrechtlicher Regelungen für das militärische Personal der Bundeswehr, der vor allem Änderungen im Soldaten- und im Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetz vorsieht.

Nach den jüngsten veröffentlichten Zahlen für Mai dieses Jahres dienen derzeit 24.070 Frauen in der Bundeswehr, ihr Anteil an der gesamten Personalstärke beträgt damit gut 13 Prozent – allerdings gibt es einen überproportionalen Anteil im Sanitätsdienst, der bereits seit 1975 Frauen offensteht, die übrigen Bereiche seit 2001.

Im Gesetzentwurf, den das Kabinett am (heutigen) Mittwoch verabschiedete, wird das Ziel vorgegeben, in der Truppe einen Frauenanteil von mindestens 20 Prozent zu erreichen. Im Sanitätsdienst sollen Frauen als unterrepräsentiert gelten, wenn ihr Anteil unter 50 Prozent liegt. Erreicht werden sollen diese Ziele nicht nur durch eine bessere Durchsetzung der Gleichstellung von Soldaten und Soldatinnen, sondern vor allem durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst.

Unter anderem soll dafür bei Bewerbungen um einen Dienstposten gelten, dass bei gleicher Qualifikation Frauen in den Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, bevorzugt zu berücksichtigen sind, heißt es in dem Gesetzentwurf. Bei Beförderungen oder dienstlichen Beurteilungen dürfen sich Elternzeit , familien- oder pflegebedingte Beurlaubungen, die Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben oder Verzögerungen beim Abschluss einzelner Ausbildungsgänge auf Grund der Wahrnehmung von Familien- oder Pflegeaufgaben nicht nachteilig auswirken.

Für die bessere Vereinbarkeit von Familie und Pflege mit dem Dienst sollen künftig grundsätzlich Kosten für die Betreuung von Kindern oder von pflegebedürftigen Angehörigen  auf Antrag im Einzelfall erstattet werden können, wenn eine Soldatin – aber auch ein Soldat – aus dienstlichen Gründen vom regelmäßigen Dienstort abwesend sein muss. Das gilt auch für Mehr- oder Schichtarbeit in einem Krisenfall.

Der ganze Gesetzentwurf mit zahlreichen weiteren Detailregelungen ist auf der Webseite des Verteidigungsministeriums veröffentlicht (die Sicherungskopie hier: 20230726_BMVg_GleichstellungsfortentwicklungsG).

Neben den verschiedenen gesetzlichen Regelungen und der ausgeweiteten Unterstützung für Kinderbetreuung und Pflege von Angehörigen enthält das geplante Gesetz auch zwei Regeln, an denen sich sehr wahrscheinlich Widerspruch gegen die Neuregelung entzünden wird. In den Grundsätzen in Paragraph 4 wird unter anderem festgelegt:

Die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Soldatinnen und Soldaten sind so zu formulieren, dass die Gleichstellung von Frauen und Männern auch sprachlich zum Ausdruck kommt. Das Gleiche gilt für den dienstlichen Schriftverkehr.

Für die Soldatinnen können weibliche Formen der Dienstgradbezeichnungen festgesetzt werden.

(Änderung: Damit die Kommentare hier nicht zu sehr durcheinandergehen, habe ich die Bestimmung zu weiblichen Dienstgraden zum Thema eines gesonderten Eintrags gemacht.)

Ergänzung: Die Aussagen von Regierungssprecher Steffen Hebestreit und Michael Stempfle, dem Sprecher des Verteidigungsministeriums, in der Bundespressekonferenz:

Hebestreit: Frauen sind in der Bundeswehr derzeit noch unterrepräsentiert. Für die Bundesregierung sind Soldatinnen dann unterrepräsentiert, wenn ihr Anteil an der Truppe unter 20 Prozent und für den Sanitätsdienst unter 50 Prozent liegt. Ende des vergangenen Jahres lag in der Laufbahn des Sanitätsdienstes der Frauenanteil bereits bei knapp 45 Prozent, also nahe an der Sollmarke, in den übrigen Laufbahnen jedoch lediglich bei 9,5 Prozent.
Die Bundesregierung hat deshalb heute den vom Bundesminister der Verteidigung vorgelegten Entwurf eines Gleichstellungsfortentwicklungsgesetzes für das militärische Personal beschlossen. Dieser leistet damit auch einen Beitrag zur Umsetzung des Ziels des Koalitionsvertrags, die Gleichstellung von Frauen und Männern in diesem Jahrzehnt zu erreichen sowie zur Geschlechtergleichstellung im Sinne von Ziel 5 der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung beizutragen.
Ein paar Details zu dem Gesetz: Schwerpunkt des Gesetzes bildet die Novellierung und komplette Neustrukturierung des Soldatinnen- und Soldatengleichstellungsgesetzes. Mit Blick auf die veränderten rechtlichen, politischen aber auch gesellschaftlichen Rahmenbedingungen war eine Novellierung des zuletzt vor zehn Jahren angepassten Gesetzes notwendig. Ziel ist daher zunächst eine Angleichung an das Bundesgleichstellungsgesetz. Es sollen aber auch die Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Dienst für das militärische Personal verbessert werden. Außerdem werden die gesetzlichen Grundlagen geschaffen, um den Anteil der Soldatinnen in allen Bereichen der Streitkräfte, insbesondere auch in Führungspositionen, weiter zu erhöhen sowie die Rechte der Gleichstellungsbeauftragten zu stärken. (…)

Frage: Zum Gleichstellungsfortentwicklungsgesetz, wie Herr Hebestreit das genannt hat: Herr Stempfle, wie kommt man eigentlich bei den Soldatinnen auf 20 Prozent? Warum sind es nicht 25 oder 30 Prozent als Ziel?

Stempfle: Ich kann Ihnen nur das Ziel formulieren, dass wir natürlich gerne möglichst viele Frauen hätten; im besten Fall wären es dann 50 Prozent. Aber das von heute auf morgen zu erreichen, ist schwierig. Die Streitkräfte wurden für Frauen ab 2001 geöffnet. Es geht darum, in Schritten zu erreichen, möglichst viele Frauen in den Streitkräften und auch in Führungspositionen zu haben. Das geht nicht von heute auf morgen.

Zusatzfrage: Das ist ja klar. Das Ding heißt Gleichstellungsgesetz. Darum frage ich mich, warum nicht 50 Prozent als Ziel ausgerufen wird. Jetzt sind es 9,6 Prozent bei den Streitkräften, wie Herr Hebestreit meinte. Ich habe nicht ganz verstanden, wie schnell die Zahl verdoppelt werden soll. Bis wann hat man doppelt so viele Soldatinnen? Was war das Ziel?

Stempfle: Im Prinzip geht es darum, dass wir Anreize schaffen, dass sich mehr Frauen dazu entscheiden, zur Bundeswehr zu gehen. Da zählt als ein Instrument – das hat Herr Hebestreit auch schon gesagt -, dass die Stellung der Gleichstellungsbeauftragten gestärkt wird, dass sie mehr Mitsprachemöglichkeiten hat. Das ist ein Instrument. Es soll auch Verbesserungen in Bezug auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geben oder wenn es darum geht, Angehörige zu pflegen und solche Dinge. In der Summe – es handelt sich hierbei um ein Artikelgesetz – geht es einfach darum, durch viele kleine Regelungen an möglichst vielen Stellschrauben zu drehen, damit der Job insgesamt attraktiver wird.

Frage: Vielleicht können Sie eine konkrete Maßnahme nennen, wie sich die Vereinbarkeit von Beruf, Familie, Pflege verbessert. Sind konkrete Maßnahmen und Möglichkeiten im Recht für Soldatinnen – ich weiß nicht, wie es konkret heißt – verändert worden?

Zweitens. Sie habe beide die Führungspositionen genannt. Wie hoch ist bei der Bundeswehr der Anteil von Frauen in Führungspositionen?

Stempfle: Was den Anteil von Frauen in Führungspositionen angeht, muss ich die Antwort nachreichen. So viel kann ich vorab sagen: Er ist in jedem Fall zu niedrig. Er muss erhöht werden. Das ist das ganz klare Ziel.

Ansonsten geht es darum, dass finanziell Anreize geschaffen werden, damit die Ziele erreicht werden. Ich kann es Ihnen leider nicht konkreter sagen.

Zusatzfrage: Ist der Entwurf öffentlich, sodass man selber einmal hineinschauen kann?

Stempfle: Ja, klar.

(Hinweis 1: Der vom Regierungssprecher genannte Frauenanteil von knapp 45 Prozent in den Laufbahnen des Sanitätsdienstes ist nicht deckungsgleich mit dem Frauenanteil im Sanitätsdienst selbst – 8.223 von 19.876 dort bedeuten den niedrigeren Anteil von gut 41 Prozent.
Hinweis 2, vorsorglich: Erfahrungsgemäß wird dieser Themenbereich sehr emotional diskutiert; ich bitte also um sachliche Debatte und werde entsprechend moderieren.)

(Foto: Soldatin des Wachbataillons der Bundeswehr beim Empfang des australischen Premierministers Anthony Albanese im Kanzleramt am 10.07.2023 – Kira Hofmann/photothek.de)