Luftwaffenübung ‚Air Defender‘: Verbündete wollen (Abschreckungs)Bereitschaft demonstrieren

Wenn am kommenden Montag die multinationale Luftwaffenübung Air Defender über Deutschland beginnt, ist das wesentliche Ziel bereits erreicht. Weit wichtiger als die Gefechte in der Luft, die rund 250 Flugzeuge aus 25 Nationen dann simulieren, ist die eigentliche Botschaft, die hinter dieser größten Luftwaffen-Verlegung seit Bestehen der NATO steht: vor allem, wenn nicht allein mit Unterstützung der USA ist die Allianz in der Lage, innerhalb kurzer Zeit eine massive Streitmacht an den Himmel über Europa zu bringen.

Allein aus den USA werden rund 100 Flugzeuge nach Deutschland verlegt, vor allem Kampfjets. 94 davon waren nach Angaben des Direktors der Air National Guard, des US-Generalleutnants Michael Loh, am (heutigen) Mittwoch bereits eingetroffen. Das starke Engagement der US-Streitkräfte bei dieser Übung begründete die Botschafterin Washingtons in Berlin, Amy Gutmann, mit einem Zitat des ehemaligen US-Stabschefs Omar Bradley im Jahr 1951: Real security lies in the prevention of war, and today that hope can only come through adequate preparedness. (Echte Sicherheit liegt in der Verhinderung des Krieges, und heutzutage kann diese Hoffnung nur durch angemessene Bereitschaft erfüllt werden.)

Zwar hatte es in den Jahren des Kalten Krieges durchaus Luftwaffenmanöver dieser Größenordnung über Europa und auch über Deutschland gegeben. Der wesentliche Unterschied: Damals hatten die USA und andere NATO-Partner wie Kanada ihre Kampfjets in Deutschland stationiert. Die neue Qualität von Air Defender ist die schnelle Verlegung der US-Maschinen – und der Unterschied zu schon länger laufenden Übungen der Landstreitkräfte wie Defender Europe: Da wird auch die Verlegung von US-Truppen nach Europa geübt. Aber bis vor allem das Gerät wie Kampfpanzer oder -hubschrauber ankommt, dauert es Tage, wenn nicht Wochen.

Auch wenn Preparedness, Bereitschaft, sich als Begriff wie ein roter Faden durch die Pressekonferenz von Gutmann, Loh und dem deutschen Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz am Mittwoch zog: Die Übung, die von Deutschland geplant wurde und geführt wird (also keine NATO-Übung ist), wird bereits seit 2018 vorbereitet – stand also bereits unter dem Eindruck der russischen Annexion der Krim, ist aber angesichts des Vorlaufs keine direkte Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine seit Februar vergangenen Jahres.

Aber natürlich spielt dieser Krieg eine Rolle, und sei es nur in den Beteuerungen sowohl von Loh wie von Gerhartz: Air Defender is purely defensive by design, die Übung ist von vorherein defensiv angelegt, sagte der US-Generalleutnant, und sein deutscher Kollege ergänzt: Als Reaktion auf die Übung erwarte er keine verstärkte Aktion Russlands, weil es dafür keinen Grund gibt.

Die Aktionen der hunderte Flugzeuge über West- und Mitteleuropa sind so angelegt, dass nach Einschätzung der Organisatoren keine Absichten in Richtung Osten herausgelesen können. Drei zeitweise gesperrte Lufträume, in denen die Luftkämpfe stattfinden, liegen über Süd- und Ostdeutschland und über der Nordsee; hinzu kommen Übungsbereiche in Polen und Tschechien – vor allem in Tschechien sollen, anders als über Deutschland, auch US-Drohnen des Typs Reaper eingesetzt werden. Aber das Manöver vermeidet bewusst Übungsflüge und simulierte Angriffe, die in Richtung der russischen Exklave Kaliningrad zwischen Polen und Litauen gehen.

Die komplette Pressekonferenz zum Nachhören – am Ende geht es da auch um die (in deutschen Medien seit Tagen diskutierte) Frage, wie sich Air Defender auf den zivilen Flugverkehr auswirken könnte. (Vorsorglicher Hinweis: Gerhartz unterlief da, bei Minute 41:47, ein kleiner Lapsus: Die Übung wird beendet sein, wenn die Sommerferien beginnen. Und nicht etwa zeitgleich damit losgehen.)

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(Foto: v.l. US-Generalleutnant Michael  Loh, Director Air National Guard, Amy Gutmann, US-Botschafterin, Generalleutnant Ingo Gerhartz, Inspekteur der Luftwaffe, vor der Bundespressekonferenz zu Air Defender am 07.06.2023 – Nicolas Lepartz/photothek.de)