Erste Nationale Sicherheitsstrategie: „Integrierte Sicherheit“, aber (vorerst) nicht mehr Geld

Als Geburtstagspräsent für den Kanzler war es vermutlich nicht gedacht, aber exakt zu diesem Tag beschloss das Bundeskabinett die schon längst erwartete Nationale Sicherheitsstrategie – die erste seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland. Schon der Titel soll zeigen, dass nach Jahrzehnten der Weissbücher zur Sicherheitspolitik und zur Bundeswehr ein breiterer Ansatz nötig ist: Integrierte Sicherheit ist das neue Schlagwort, unterlegt mit der Absicht – oder Forderung? – Wehrhaft. Resilient. Nachhaltig.

Es geht nicht allein um Verteidigung und Bundeswehr, hob Olaf Scholz am (heutigen) Mittwoch denn auch gleich zu Beginn einer Mega-Pressekonferenz hervor, zu der er praktisch mit dem ganzen Sicherheitskabinett vom Kanzleramt zu Fuß über die Spree in die Bundespressekonferenz gekommen war. Außenministerin Annalena Baerbock, Verteidigungsminister Boris Pistorius, Bundesinnenministerin Nancy Faeser begleiteten ihn – und nicht zuletzt Bundesfinanzminister Christian Lindner. Der war nicht nur mitgekommen, damit alle Parteien in der Ampel-Koalition repräsentiert waren. Sondern auch und ausdrücklich als Deutschlands oberster Kassenwart.

Den bei allen Bedrohungen Deutschlands, auf die auf vielen verschiedenen Ebenen mit der neuen Sicherheitsstrategie eine Antwort gefunden werden soll: Das ganze muss, dafür stand dann Lindner, ohne zusätzliche Kosten ablaufen. Angesichts der erheblichen aktuellen Anforderungen an unsere öffentlichen Haushalte streben wir an, die Aufgaben dieser Strategie ohne zusätzliche Belastung des Bundeshaushalts insgesamt zu bewältigen, heißt es in dem 74-Seiten-Papier. Und der Finanzminister legte auch noch mal nach: Das berühmte Zwei-Prozent-Ziel der Nato, als Anteil der Verteidigungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt, könne in den kommenden Jahren nur im Durchschnitt erreicht werden. Alles andere bedeute Eingriffe in gesetzlich festgelegte Leistungen – oder Steuererhöhungen.

Mehr Geld für Deutschlands Sicherheit wird also frühestens ab 2025 eingeplant (das Jahr, in dem die Neuwahl des Bundestages ansteht). Aber Kern der neuen Strategie sollen ja nicht die Finanzen sein, sondern die Arbeit der gesamten Gesellschaft zur Bewältigung der sicherheitspolitischen Herausforderungen, vom aggressiven Verhalten Russlands (Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit im euroatlantischen Raum.) bis hin zum Schutz der Zivilgesellschaft vor Desinformation oder Hackern, die Krankenhäuser lahmlegen.

Das Reizthema Nationaler Sicherheitsrat, in den Debatten über die Sicherheitsstrategie vor allem von der FDP gefordert, findet sich in dem Dokument nicht wieder. Die gute Arbeit der Regierung nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine habe doch gezeigt, dass die vorhandenen Strukturen funktionierten, argumentierte die Außenministerin. Und der Kanzler schien das auch so zu sehen.

Das neue Dokument ist dann auch eher ein Arbeitsauftrag für alle, oder, wie es Scholz formuliert: Der Startschuss für unsere gemeinsame Sicherheit. Ein recht konkretes Detail allerdings findet sich dann doch noch: Ausdrücklich erwähnt wird die „Einführung militärischer Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähige Präzisionswaffen“. Die Bundeswehr wird, heißt das übersetzt, als Lehre aus dem Ukraine-Krieg – konventionelle – Kurz- oder Mittelstreckenraketen bekommen. Das wäre in der Tat etwas ganz Neues.

Die Nationale Sicherheitsstrategie gibt es hier zum Nachlesen; eine Sicherungskopie, ein Überblick über die wichtigsten Punkte und das Audio der Pressekonferenz gibt es hier.

(Foto: Vorstellung der Nationalen Sicherheitsstrategie in der Bundespressekonferenz v.l. Lindner, Baerbock, Scholz, Pistorius und Faeser – Thomas Köhler/photothek.de)