Neue Feuerpause ermöglicht weitere Evakuierungen aus dem Sudan – Bundeswehr flog rund 500 Menschen aus
Eine neue Feuerpause zwischen den rivalisierenden Militärgruppierungen im Sudan hat weitere Evakuierungen ausländischer Staatsbürger aus dem afrikanischen Land ermöglicht. Die Bundeswehr flog bis zum Dienstagmorgen rund 500 Menschen aus und will ihre Evakuierungsmission fortsetzen. Großbritannien kündigte an, nach seinen Diplomaten nun auch britische Staatsbürger aus dem Land zu holen.
Am frühen Dienstagmorgen landete nach Angaben der Bundeswehr eine weitere Transportmaschine vom Typ A400M aus dem Sudan mit rund 100 Personen auf der Luftwaffenbasis Al Azrak in Jordanien, wo Deutschland einen Stützpunkt für die Beteiligung an der internationalen Anti-IS-Koalition betreibt. Es war der fünfte Flug seit Beginn der deutschen Evakuierungsoperation am vergangenen Sonntag.
Nachdem am gestrigen Montag Außenministerin Annalena Baerbock befürchtet hatte, ein Auslaufen der für das Wochenende vereinbarten Feuerpause würde weitere Abholaktionen stoppen, hatte das US-Außenministerium am späten Montagabend (sudanesischer Ortszeit) überraschend eine weitere Feuerpause der verfeindeten Parteien angekündigt. Sie sollte um Mitternacht in Kraft treten und wurde am Dienstag offensichtlich eingehalten. Damit kann der Militärflugplatz Wadi Seidna nördlich der Hauptstadt Khartum, über den die ausländischen Evakuierungsflüge laufen, weiterhin genutzt werden.
Die Spezialisten der deutschen Luftwaffe übernahmen inzwischen von den französischen Streitkräften die Aufgabe, diese Flugbewegungen zu koordinieren. Eine so genannte Air Coordination Cell organisiert nach deutschen Angaben in Zusammenarbeit mit der sudanesischen Luftraumkontrolle die Anflüge und die Slots für die Maschinen verschiedener Nationen an diesem Airfield.
Das gilt dann auch für bevorstehende britische Evakuierungsflüge: Die Regierung in London kündigte am Dienstagmorgen an, nun auch mit der Abholung ihrer Staatsbürger aus dem Sudan zu beginnen.
The UK Government is commencing an evacuation effort to help British nationals leave Sudan from today (Tuesday, April 25).
UK military flights are due to depart from an airfield outside Khartoum, supported by senior diplomats from the Foreign, Commonwealth and Development Office.
Flights will be open to those with British passports and priority will be given to family groups with children and/or the elderly or individuals with medical conditions.
Britische Soldaten waren zwar bereits am vergangenen Sonntag in Khartum gelandet und hatten eine Evakuierungsoperation gestartet. Sie galt aber allein dem Personal der britischen Botschaft und deren Familienangehörigen. Die Aktion hatte zu lautstarker öffentlicher Kritik in Großbritannien geführt, bei der kritisiert wurde, dass das Land für seine vermutlich mehreren tausend Staatsbürger im Sudan nicht aktiv werde.
(ggf. weiter nach Entwicklung)
Abermals Gratulation und Respekt allen (!) Beteiligten.
Auch wenn der „erste Versuch“ medial kläglich gescheitert ist, gibt es viele Dinge, die mich regelrecht stolz machen:
1.) Operativ wurde offenbar aus AFG gelernt: Materiell und personell ist man deutlich variabler in den Einsatz gezogen (Mungo, Wiesel, ….)
2.) Es ist interessant zu sehen, wie auch Deutschland langsam seine neue Rolle annimt und man Deutschland diese aus zugesteht.
Ohne hier zuviel sehen zu wollen: Bisher war Deutschland diplomatisch unterwegs, während die USA ihre „boots on the ground“ hatten – diesmal sind die Vorzeichen geändert. USA haben „ihre Leute“ rausgeholt – Europa macht es alleine.
3.) (Bitte nicht falsch verstehen) Es tut gut, dass Deutschland mal der ist, der bei solchen Aktionen Hilfe anbieten kann und offenbar auch gefragt wird, wenn es um MilEvac geht und nicht immer als „Bittsteller“ bei UK oder USA wahrgenommen wird.
Der einzige Wermutstropfen in meiner Wahrnehmung ist, dass Deutschland in keiner Weise zu eigenständiger strategischer (!) Kräfteverlegung in der Lage ist, sondern sich immer auf USA, UK oder die zivilen SALIS-Antonovs abstützen muss. Das schränkt die Handlungsgeschwindigkeit doch arg ein.
Zur Unterstützung wird der EGV Bonn ins Rote Meer verlegt.
[Ja, haben Sie vermutlich gestern hier gelesen.
https://augengeradeaus.net/2023/04/mehr-als-400-menschen-von-der-bundeswehr-aus-dem-sudan-ausgeflogen-neufassung/
T.W.]
M.E. kommt ein Aspekt etwas kurz. Die Evakuierung über Wadi Seidna funktioniert nur so gut, weil das sudanesische Militär mitspielt; die eine Kriegspartei, die in der Gegend offensichtlich die Oberhand hat. Die Machthaber solcher Staaten machen so etwas nicht umsonst. Entweder hat man sich auf die deutsche außenpolitische Kernkompetenz besonnen – Geld, oder es gibt einen politischen Preis, z.B. Deutschland schlägt sich auf die Seite der Regierungsarmee. Zu einer robusten Aktion, wie sie die USA demonstriert haben, ist die BW nach wie vor nicht fähig.
Nachdem ich via Facebook den Augenzeugenbericht einer Bekannten lesen konnte, die aus der Botschaft evakuiert wurde, scheint es so, als sei da vieles gut gelaufen: Frankreich hat die deutschen Botschaftsangehörigen mit nach Wadi Saydnaa eskortiert, dabei offenbar sowohl mit RSF als auch mit der sudanesischen Armee kooperiert, und wäre auch bereit gewesen, sie mit auszufliegen, falls die BW-Flieger aus irgendeinem Grund nicht hätten landen können.
Was sie dabei deutlich beto9nt hat: Das ganze war eine multinationale Angelegenheit, bei der die verschiedenen europäischen Länder sich gegenseitig unterstützt haben. Umso seltsamer erscheinen mir die Wünsche mancher hier, dass die BW offenbar alles alleine können müsste.
Zunächst einmal dürfen wir dankbar sein, dass die Lage nicht weiter eskaliert ist und die Evakuierungen (ohne GB und USA, die eine Sonderrolle einnehmen) so gut koordiniert und erfolgreich verlaufen.
Was die Kommentare zu „Deutschland ist nicht in der Lage, eine robuste Operation durchzuführen“ anbelangt:
Die Wahrscheinlichkeit, dass die Deutschland alleine durchführen würde ich als gering einschätzen und das ist gut so. Entsprechend sollte man sich dann auch – mindestens EU-mäßig koordiniert – aufstellen.
Was die Kapazität im Ernstfall anbelangt, so denke ich schon, dass die gemeinsame Schlagkraft der Luftwaffe und der DSK nicht unerheblich sind. Hängt natürlich immer davon ab, welche Distanzen vom Einsatz-Flughafen aus zu überwinden sind. Ich gebe zu bedenken, dass die Distanz nach Khartum von Dschibuti aus deutlich kürzer ist als von Jordanien aus. Die Evakuierungsoperation der USA hätte sicher anders ausgesehen, wenn sie von Jordanien aus hätte starten müssen.
Deutschland verfügt übrigens mit seinen mittlerweile 40 A400m auch über genügend – gleichermaßen strategische wie taktische – Verlegefähigkeit. Es gibt wenige Länder, die für so ein Szenario besser aufgestellt sind.
SALIS ist effizient. Das genannte Material hätte aber auch problemlos mit anderen A400ms nach Jordanien geschafft werden können. Allerdings wäre es sicher schon beruhigend, wenn zusätzlich die Beschaffung der luftbeweglichen Waffenträger bald eingeleitet würden.
@ Segestes Schon mal dran gedacht, dass das eventuell von der Politik auch nicht gewollt ist, weil man sich da den einen oder anderen Weg verbaut? Können sollte man es natürlich trotzdem. Das Vorgehen der Briten ist wohl auch nicht nur auf Gegenliebe gestoßen. Wie es aussieht, scheint es sich keine der Konfliktparteien mit den internationalen Partnern verscherzen zu wollen. Macht die Sache natürlich einfacher. Ansonsten: Gut gemacht, Kameraden!
Segestes sagt: 25.04.2023 um 10:27 Uhr
„Zu einer robusten Aktion, wie sie die USA demonstriert haben, ist die BW nach wie vor nicht fähig.“
Sie gehören offensichtlich auch zu den Menschen, die grundsätzlich etwas auszusetzen haben.
Erstmal ist DEU dort nicht alleine, es sind mehrere Staaten in der Evakuierung eingebunden. Und wie man sich diplomatisch geeinigt hat, wird man nicht in der Öffentlichkeit breittreten. Ihre Spekulation über Geld ist eben genau das – eine Unterstellung ohne Wissen.
Zweitens frage ich mich gerade, welche „robuste Aktion der USA“ Sie meinen? Doch nicht etwa die Evakuierung des Botschaftspersonals am Sonntag? Da haben vorher auch die diplomatischen Kanäle geglüht. Da frage ich mich, wo das robuster sein soll als das, was die Europäer machen. Außer das die USA auf ihre Staatsangehörigen pfeifen, die dürfen sehen, wo sie bleiben. Eventuell schaffen die es ja mit den Europäern da raus….
@Segestes:
Ich persönlich hätte nichts dagegen nur noch mit 1 „Warlord“ zu tun zu haben. Macht man in Ägypten doch auch nicht anders.
Und wenn man bedenkt welche Kriegsverbrechen die RSF begangen haben und wie diese entstanden sind und was die erst Recht vorher so getrieben haben. Nee, das können echt keine Partner sein.
Ob Burhan dann zumindest teilweise eine Demokratisierung zulässt, ist dann eine andere Frage, das Militär kontrolliert eben auch die wichtigsten Wirtschaftszweige.
PS: Wenn Burhan klug ist hält er fie Russen auf Distanz, um vom Wrsten zu bekommen was er will.
Ein Hinweis nur zur strategischen Verlegefähigkeit.
Was in eine AN-124 reingeht ist bedeutend mehr als das, was in einem A400M reingeht. Wenn man sich das vergleicht müssten 2 A00M das fliegen, was in eine A-124 reingeht. Das steht in keiner Relation zueinander, wenn man sich das Mengengerüst anguckt, welches übers Wochenende nach Jordanien geschafft wurde.
@ sakrileg
„Umso seltsamer erscheinen mir die Wünsche mancher hier, dass die BW offenbar alles alleine können müsste.“
Ja, man muss alles alleine können, sonst hat man keine richtige Armee und dann steht international als „unfähig“ da und keiner nimmt uns ernst.. Boomergeschwafel..
Gähn!