Mehr als 400 Menschen von der Bundeswehr aus dem Sudan ausgeflogen (Update: neue Feuerpause)
Die Bundeswehr hat bei ihrer Evakuierungsmission im Sudan mehr als 400 Menschen aus dem von Kämpfen erschütterten afrikanischen Land ausgeflogen. Am Montagabend verließ eine Maschine mit mehr als 100 Personen einen Militärflugplatz nahe der Hauptstadt Khartum. Die Operation soll zwar fortgesetzt werden, unklar blieb aber, wie lange das angesichts eines absehbaren Endes der Feuerpause zwischen den beiden verfeindeten militärischen Gruppierungen im Sudan noch möglich ist.
Der Flug der Luftwaffe am Montagabend war der vierte der Luftwaffe. Am Sonntag und Montag waren bereits mit drei Flügen der Militärtransporter vom Typ A400M der Bundeswehr mehr als 300 Personen ausgeflogen worden, jeweils zur Hälfte deutsche Staatsbürger und Bürger anderer Staaten. Wie viele Deutsche sich noch im Land aufhalten, ist allerdings unklar: Einige wurden mit Evakierungsflügen anderer Nationen ausgeflogen, andere haben sich Konvois wie dem der Vereinten Nationen an die Küste angeschlossen.
Die Bundeswehr kündigte an, die Evakuierungsmission nach Möglichkeit fortzusetzen. Allerdings machte Außenministerin Annalena Baerbock in Berlin deutlich, dass die Möglichkeiten für diese Flüge zunehmend schwinden. Eine zwischen den beiden Kriegsparteien, der sudanesischen Armee auf der einen und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) auf der anderen Seite vereinbarte Feuerpause zum Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan läuft am heutigen Montagabend aus. Damit werde die Fortsetzung der Mission mehr als ungewiss, sagte die Ministerin.
Verteidigungsminister Boris Pistorius verwies darauf, dass die Evakuierungsflüge von der sudanesischen Luftwaffenbasis Wadi Seidna nördlich der Haupstadt Khartum nur mit Zustimmung der sudanesischen Armee möglich geworden seien. Unter anderem habe das der direkte Kontakt von Bundeswehr-Generalinspekteur Carsten Breuer mit dem sudanesischen Armeechef Abdel Fattah al-Burhan bewirkt. Der faktische Staatsschef habe mit seiner Genehmigung die beschränkungsfreie Nutzung des Flughafens ermöglicht. Der Militärflugplatz war auch von anderen Nationen für ihre Evakuierungen genutzt worden.
Die Pressekonferenz von Baerbock und Pistorius zum Nachhören:
Die Bundeswehr will nicht nur die Flugzeuge und rund 1.000 Soldaten, die für den Einsatz auf der jordanischen Luftwaffenbasis Al Azrak stationiert wurden, für mögliche weitere Evakuierungsflüge vorerst in Bereitschaft halten. Zusätzlich wurde der Einsatzgruppenversorger Bonn, eines der größten Schiffe der Deutschen Marine, aus der EU-Überwachungsmission Irini im Mittelmeer herausgenommen und ins Rote Meer entsandt. Das Kriegsschiff soll – wie auch die Schiffe anderer Nationen – vor dem sudanesischen Hafen Port Sudan für eine eventuelle Abholung von Deutschen bereitstehen, die auf dem Landweg in die Hafenstadt geflüchtet sind.
Die Vereinten Nationen kündigten unterdessen an, dass sie trotz der anhaltenden Kämpfe ihre Mission im Sudan fortsetzen und für eine friedliche Beilegung des Konflikts arbeiten wollten. Der Chef der Mission und UN-Sondergesandte, der Deutsche Volker Perthes, verlegte dafür sein Büro nach Port Sudan und will im Land bleiben.
Update: US-Außenminister Antony Blinken kündigte am Montagabend eine neue Feuerpause im Sudan an, die um Mitternacht in Kraft treten solle:
Announcement of Nationwide Ceasefire in Sudan
Press Statement
Antony J. Blinken, Secretary of State
April 24, 2023
Following intense negotiation over the past 48 hours, the Sudanese Armed Forces (SAF) and the Rapid Support Forces (RSF) have agreed to implement a nationwide ceasefire starting at midnight on April 24, to last for 72 hours. During this period, the United States urges the SAF and RSF to immediately and fully uphold the ceasefire. To support a durable end to the fighting, the United States will coordinate with regional and international partners, and Sudanese civilian stakeholders, to assist in the creation of a committee to oversee the negotiation, conclusion, and implementation of a permanent cessation of hostilities and humanitarian arrangements in Sudan. We will continue to work with the Sudanese parties and our partners toward the shared goal of a return to civilian government in Sudan.
Hätte die BW ihre Beteiligung an der Operation Atalanta nicht fälschlicherweise beendet bzw zuvor nicht aus Schiffsnotstand nicht nur noch Seeaufklaerer entsendet, dann hätte die BW schon ein Kriegsschiff vor Ort. Stattdessen muß jetzt erst ein Einsatzgruppenversorger in Marsch gesetzt werden, den man schon vor Tagen hätte entsenden können. Vor allem sollte die BW erkennen, dass die Konzentration auf Bündnisverteidigung falsch ist, weil es in Afrika immer wieder zu Kriegen kommen wird und dafür immer wieder Einsätze in Afrika notwendig sein werden.
@Closius, was eine Mandatsarmee ist, ist Ihnen aber schon klar oder? Nicht die Bundeswehr beendet Ihre Beteiligung an Operation sondern die Bundesregierung. Die Antwort können sie übrigens Deckungsgleich auf den 2. Teil Ihres Kommentars legen. Ich zitiere hier gern die Bundeszentrale für politische Bildung:“Zentrale Norm ist dabei Art. 87a GG mit seinem ersten Satz: „Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“. Damit ist zum einen klar gestellt, dass der Bund für die Armee verantwortlich ist und nicht die Länder. Zum anderen wird als Hauptaufgabe der Bundeswehr die Verteidigung definiert. Diese umfasst sowohl die Verteidigung Deutschlands (Landesverteidigung) als auch die Bündnisverteidigung auf der Grundlage des NATO-Vertrages. Jedenfalls ist die Bundeswehr defensiv auszurichten.“
Och nööö…
Bitte jetzt nicht wieder irgendwelche „Grabenkämpfe“ zwischen „LV/BV“ und „Einsatz“armee“ (die (Nat. Volks-)“Armee“ hatten „wir“ doch 1990 abgeschafft, und angesichts nur der tatsächlichen Stärke, bringt der InspH ja nun auch wirklich kein Heer in „Armeestärke“ auf´s Gefechtsfeld…):
„Der Bund stellt Streitkräfte zur Vtdg auf…“
Und in der ja nun wohl unumstritten „globalisierten“ Welt mit dt. Beziehungen, wirtschaftlich-politischen Verflechtungen „überall“, MUSS ein „souveräner Staat“ (diese „Diskussion“ bzgl „Beitritt…“ vs „Wiedervereinigung“ und den entsprechenden Folgen und dem, was wir nun davon haben, will ich jetzt u hier auch nicht thematisieren…) mit seinen Streitkräften halt für „alles“ gerüstet sein! Auch wenn ein ehem. BP für seine Äußerung (sinngemäß), Streitkräfte seien auch zur Sicherung von Handelswegen einzusetzen, „aus dem Amt gejagt“ wurde, sollte das mittlerweile als Selbstverständlichkeit unumstritten allgemeine Akzeptanz finden!
Und das „sowas“ nicht mehr die alleinige Aufgabe des BGS/der Bundespolizei in Form der GSG 9 ist, wurde im pol. Diskurs beschlossen, dafür Spezial- und spezialisierte Kräfte der Bw aufgestellt bzw auch dazu ausgebildet.
@Closius
1. Atalanta zu beenden, war richtig. Die Piraterie am Horn von Afrika ist zurückgegangen und stellt kein außergewöhnliches Problem mehr dar.
2. Dass die Konzentration auf die Bündnisverteidigung falsch sei, ist eine krasse Behauptung angesichts der Tatsache, dass Russland den größten europäischen Landkrieg seit 1945 entfesselt hat und russische Regierungsangehörige sowohl Deutschland als auch seinen Verbündeten wie Polen explizit drohen.
3. Einsätze in Afrika sind aus deutscher Sicht schwerlich notwendig. Einsätze wie in Mali oder Niger sind Alibi-Veranstaltungen ohne konkreten Nutzen.
4. Was wollen Sie eigentlich? Die Evakuierung deutscher Staatsbürger funktioniert doch, sogar besser als etwa die britische Aktion, die derzeit in den englischen Medien verrissen wird.
Ich habe mir alles zum Thema milEvakOp einmal in Ruhe durchgelesen. Es gab Lob aber auch kritische Stimme zur Fähigkeit Deutschlands MilEvakOp durchzuführen.
Ich schätze es auch so ein, dass Deutschland nur in der Lage ist kleine MilEvakOp durchzuführen, in einem Umfeld welches nahezu sicher ist, so dass man eine Abholung Geretteter durchführen kann.
Deutschland ist nicht in der Lage, sich mit militärische Mitteln bei solch einer Operation durchzusetzen. Dabei denke ich noch nicht einmal so sehr an die Kräfte am Boden, sondern an die großen Dinge.
Solche können z.B. sein, Aufklärung, Lufttransport und Luftunterstützung. Um die Dinge beim Namen zu nennen, die nationalen Fähigkeiten sind nur zum Teil dazu in der Lage. Insbesondere, wenn im Krisenland die Partein Luftwaffe, Marine und Flugabwehr nutzen, um ggf. eine Evakuierung aus dem Landesinnerenzu verhindern. Ähnlich ist die Lage bei Evakuierungen über Häfen, oder ausschließlich über Land. Auch eine Szenarion, dass deutsche Kräfte allein, ohne Unterstütung von regionalen Kräften im Land oder auch multinationalen Partnerm einen Flugplatz in Afrika nehmen und halten, scheint doch weit entfernt von der Realität.
Zur konkreten Lage, es ist wieder eine 3 tägige Waffenruhe möglich, verhandelt durch die USA, wieder die USA. Die USA sind ein starker player in diesem Land. Über Jahre wurden politische aber auch militärische Verbindungen geknüpft. Klar ist für mich auch, dass die derzeit genutzte Infrastruktur das Ergebnis des US Einflusses ist, z.B. der militärische Flugplatz, von dem fast alle multinationalen Flüge abgingen. Gesichert wurde dieser vermutlich nicht durch Deutschland. Es ist zu lesen, dass es die Streitkräfte Sudans waren. Der mehrfach genannte GI hat vermutlich auschließlich ermöglicht, dass die vorherige Ablehnung des sudanesischen Militärs für deutsche Kräfte aufgehoben wurde. Anderen Nationen wurde offenbar schon lange vorher das Recht zur Nutzung erteilt und das wurde bereits vor dem Einsatz deutscher Kräfte genutzt. Man konnnte ja verfolgen, wie und wann andere Nationen aktiv wurden.
Laut französischen Medien spielen neben den USA auch französische Kräfte eine große Rolle.
Für Deutschland blieb und bleibt die Aufgabe einer gesicherten Abholung und die Organisation für das Erreichen des Flughafens. Das wurde offenbar gut gemacht. Doch es war und ist für mich eher eine logistische Herausforderung. Transportplanung Luft, später See.
Obwohl der Kräfteansatz in Jordanien ein deutlich größerer ist als für Afghanistan 2021, es ist im Grundsatz vergleichbar. Andere schaffen den Rahmen, Deutschland holt ab.
Die USA haben weitere 72 Stunden Waffenstillstand herausgehandelt. Offensichtlich haben sie eine starke Position und starke Druckmittel. Unterstützt hat auch Saudiarabien.
Frau Baerbock ruft zur Waffenruhe auf. Richtig aber wenig wirksam. Die USA haben es geschafft. Es setzt die Kette von US Maßnahmen seit einigen Tagen fort.
Interessant ist die beabsichtigte landesweitet Waffenruhe. Das lässt u.a. auch darauf schließen, das es noch andere Möglichkeiten der Evakuierung gibt. Land, See.
Die UN hat umfangreiche Planungen, zum Teil ist die Umsetung angelaufen.
Zahlreiche private Sicherheitsunternehmen behaupten, Evakuierungen für Unternehmen oder Einzelpersonen zu unterstützen oder selbst durchzuführen. Manche wollen das vermeintlich mit Hubschraubern durchführen. Vorstationiert in Nachbarstaaten oder gar aus dem Land.
Frankreich hat seine Luftevakuierungen abgeschlossen. Die Koordinierung der Flugbewegungen übernimmt nun Deutschland von Frankreich. Was dazu gehört ist nicht ganz klar. Frankreich hatte sehr frühzeitig starke Sicherungskräfte vor Ort.
Deutschland hat neben Deutschen auch eine Vielzahl von Bürgern anderer Länder evakuiert. Ca 400 aus ca.20 Ländern.
Wie die internationale Kooperation organisiert wurde ist noch nicht ganz klar. Es zeichnet sich eine Führungsrolle der USA ab, diesmal mit weniger militärischen Kräften vor Ort, sondern durch starkes Agieren im Hintergrund. Absprachen werden binational getroffen, insbesondere mit den Nationen, welche Staatsbürger evakuierten. United States Africa Command spielte für den Operationsraum eine Schlüsselrolle.
weitere spannende Hintergründe zum Einsatz gibt es bei SuT online
„MilEvakOp im Sudan – Bundeswehr veröffentlicht Details zum Einsatzverband“
Diesmal stellt wohl das Fallschirmjägerregiment 26 die Einsatzkräfte (in Afghanistan war es das Fallschirmjägerregiment 31)…
außerdem hat man wohl noch robustere Mittel (Wiesel 1 MK + MELLS (Feuerunterstützung) + Mungo leicht gepanzerte Transportfahrzeuge) nach Jordanien verlegt… um auf alles vorbereitet zu sein
@Closius
Es gibt weltweit rund zwanzig Kriege und andere militärische Konflikte. Sollen wir, wie die USA, rund um den Globus Stützpunkte unterhalten?
Ich freue mich jedenfalls darüber, zu lesen, dass bei der Bundeswehr auch mal was funktioniert. Auch die Kooperation mit den Partnern funktioniert offenbar auch problemlos.
Was den Sudan anbetrifft, so wird dieses Land wohl leider ein Hotspot bleiben.
@closius
das heißt die BW sollte an jedem Ort der Welt ein Schiff stationieren für den Fall, dass man zeitnah irgendwo eine EvakOp machen muss? Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Auch nur im das nördliche Afrika abzudecken wird man ein paar zusätzliche Schiffe brauchen.
Aber man kann immer was zu meckern finden. Jetzt läuft da offensichtlich eine EvakOp in einem sehr volatilen Umfeld und offensichtlich läuft die gar nicht so schlecht. Von daher herzliches Danke an alle Betiligten und kommt gut heim!
Wir erinnern uns, die Operation Atalata war die Bekämpfung der Piraterie im Golf von Aden. Die Anzahl der Überfälle konnte auf 0 gedrückt werden. Eine dauerhafte Präsenz der Marine dort war nicht mehr notwendig. Was soll an dem Konzept der Bündnisverteidigung falsch sein? Diese Partner sind auch hier im Einsatz gewesen. Warum sollte es Sinn machen, dass die BW außerhalb der NATO Grenzen ihr eigenes Ding macht?
@obibiber
Ausreichend dargestellt bei die materielle Vorsorgedes EinsVbdEvakOp. Interessannt die Bewertung der Führungsverantwortung beim DivKdr DSK.
https://soldat-und-technik.de/2023/04/streitkraefte/34634/milevakop-im-sudan-bundeswehr-veroeffentlicht-details-zum-einsatzverband/
Einen Gegensatz LV/BV zu PSO gibt’s natürlich nicht. Wer LV/BV drauf hat, kann den Rest auch. Die Fähigkeiten bestehen. Allein die Konzentration auf Bündnisverteidigung ermöglicht z.B. den Materialaufwuchs.
[Da viele Spaß dran haben, die immer gleichen Links erneut zu posten: Wenn ihr über ESuT/Soldat und Technik-Artikel debattieren wollt, macht das doch bei denen. T.W.]