Ukraine/Russland/NATO: Russische Kampfjets gegen US-Drohne – der Überblick am 14. März 2023

Am Rande des anhaltenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat es einen neuen und potenziell gefährlichen Zwischenfall gegeben: Eine US-Drohne stürzte über dem Schwarzen Meer ab – nach US-Angaben von russischen Kampfjets gestreift, nach russischer Darstellung durch fehlerhafte Flugmanöver. Ein Überblick am 14. März 2023:

Den Zwischenfall am (heutigen) Dienstagmorgen meldete das US-Militär am Abend. Aus der Mitteilung der U.S. Air Forces Europe, verbreitet vom U.S. European Command:

Two Russian Su-27 aircraft conducted an unsafe and unprofessional intercept with a U.S. Air Force Intelligence, Surveillance, and Reconnaissance unmanned MQ-9 aircraft that was operating within international airspace over the Black Sea today.
At approximately 7:03 AM (CET), one of the Russian Su-27 aircraft struck the propeller of the MQ-9, causing U.S. forces to have to bring the MQ-9 down in international waters. Several times before the collision, the Su-27s dumped fuel on and flew in front of the MQ-9 in a reckless, environmentally unsound and unprofessional manner. This incident demonstrates a lack of competence in addition to being unsafe and unprofessional.
“Our MQ-9 aircraft was conducting routine operations in international airspace when it was intercepted and hit by a Russian aircraft, resulting in a crash and complete loss of the MQ-9,” said U.S. Air Force Gen. James B. Hecker, commander, U.S. Air Forces Europe and Air Forces Africa. “In fact, this unsafe and unprofessional act by the Russians nearly caused both aircraft to crash.”
“U.S. and Allied aircraft will continue to operate in international airspace and we call on the Russians to conduct themselves professionally and safely,” Hecker added.

Das russische Verteidigungsministerium bestreitet dagegen, dass seine Kampfjets für den Absturz der Drohne verantwortlich seien. Die Mitteilung des Moskauer Ministeriums:

Am Morgen des 14. März dieses Jahres wurde der Flug einer amerikanischen MQ-9-Drohne in Richtung der Staatsgrenze der Russischen Föderation über dem Schwarzen Meer in der Nähe der Halbinsel Krim von Luftraumüberwachungsgeräten der russischen Luftwaffe entdeckt.
Der Flug der Drohne erfolgte mit ausgeschalteten Transpondern und verletzte die Grenzen des für eine spezielle Militäroperation eingerichteten, allen Nutzern des internationalen Luftraums mitgeteilten und gemäß den internationalen Normen veröffentlichten Bereichs der vorübergehenden Luftraumnutzung.
Um den Eindringling zu identifizieren, wurden Kampfflugzeuge der diensthabenden Luftverteidigungskräfte in die Luft geschickt. Infolge eines scharfen Manövers gegen 9.30 Uhr (Moskauer Zeit) geriet die MQ-9-Drohne in einen ungelenkten Flug mit Höhenverlust und prallte auf die Wasseroberfläche.
Die russischen Kampfflugzeuge setzten keine Bordwaffen ein, kamen nicht mit der Drohne in Kontakt und kehrten sicher zu ihrem Heimatflugplatz zurück.
(Übersetzt mit deepl.com)

Das unbemannte System der US-Luftwaffe ist unter der Bezeichnung Reaper bekannt, aus den bewaffneten Einsätzen solcher Drohnen zum Beispiel in Afghanistan. Dass die USA russischen Piloten vorwerfen, ihre – auch bemannten – Flugzeuge zu bedrängen, auch bei legalen Operationen im internationalen Luftraum, ist nicht neu. Das russische Vorgehen gegen solche Aufklärungsflüge der NATO über dem Schwarzen Meer traf im vergangenen Jahr auch schon mal britische Flugzeuge – auch wenn die Regierung in London später bemüht war, einen Vorfall nicht hochzuspielen: Ein russischer Kampfjet hatte in der Nähe einer britischen Maschine eine Rakete abgefeuert. Das sei, so erklärten dann die Briten, ein technischer Fehler gewesen.

Die USA waren nach dem Vorfall vom heutigen Tag ebenfalls vorsichtig und erhoben nicht den Vorwurf, die Drohne sei vorsätzlich zum Absturz gebracht worden. Allerdings erklärte das US-Militär, es sei mit dem russischen Verhalten ganz offensichtlich darum gegangen, das unbemannte Aufklärungssystem von seinem geplanten Kurs abzubringen. Interessant ist in diesem Zusammenhang die russische Aussage (siehe oben), die zwar nicht von einer Verletzung des russischen Luftraums spricht – aber den Vorwurf erhebt, die Drohne sei in eine für die spezielle Militäroperation (das russische Wort für den Angriffskrieg) zeitweise gesperrte Zone eingedrungen.

Nun ging der Zwischenfall zwar insofern glimpflich aus, als keine Besatzungen eines US-Militärflugzeugs betroffen waren. Dennoch ist es das bislang folgenreichste direkte Zusammentreffen der Streitkräfte Russlands und der USA in der Kriegsregion. Die US-Regierung hob das sehr schnell auf eine diplomatische Ebene, bestellte den russischen Botschafter in Washington ein und protestierte gegen das Vorgehen – also ein deutlich anderer Kurs als eine militärische Antwort.

Ergänzung: Der Zwischenfall war natürlich auch Thema im Medienbriefing des Pentagon, dabei blieb einiges offen. Unter anderem lehnte Sprecher Brigadegeneral Pat Ryder jede Antwort auf die Frage ab, ob die Drohne bewaffnet war. Das Transkript zum Nachlesen hier.

Es mag Zufall sein, aber am heutigen Dienstag gab es umgekehrt auch bei der Identifizierung russischer Flugzeuge eine neue Entwicklung: Im so genannten Baltic Air Policing der NATO über Estland, Lettland und Litauen startete erstmals eine gemeinsame Alarmrotte mit einem deutschen und einem britischen Eurofighter zu einem scharfen Einsatz. Nach Angaben der Luftwaffe identifizierten und eskortierten sie zwei russische Militärflugzeuge, die ohne Transponder im internationalen Luftraum über der Ostsee unterwegs waren. Die Bundeswehr und die Royal Air Force hatten auf der estnischen Airbase Ämari vor gut einer Woche ihre gemeinsamen Flüge aufgenommen.

Die Niederlande kündigten unterdessen erstmals eine Lieferung von Kriegsschiffen an die Ukraine an. Zwei Minenjagdboote der niederländischen Marine sollten dazu beitragen, die Gefahr durch Seeminen im Schwarzen Meer zu verringern, sagte die niederländische Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren bei einem Besuch in der Ukraine. Bemerkenswert auch: Ebenfalls von den Niederlanden soll die Ukraine M3-Schwimmbrücken erhalten – ein in der NATO nur knapp vorhandenes Gerät.

Der Vollständigkeit halber das britische Intel Update:

In recent weeks, Russian artillery ammunition shortages have likely worsened to the extent that extremely punitive shell-rationing is in force on many parts of the front.
This has almost certainly been a key reason why no Russian formation has recently been able to generate operationally significant offensive action.
Russia has almost certainly already resorted to issuing old munitions stock which were previously categorised as unfit for use.
A presidential decree of 03 March 2023 laid down measures for the Ministry of Trade and Industry to bypass the authority of the managers of defence industries who fail to meet their production goals.
Russia is increasingly applying the principles of a command economy to its military industrial complex because it recognises that its defence manufacturing capacity is a key vulnerability in the increasingly attritional ‘special military operation.’