Ramstein: Waffen für die Ukraine – ein Sammler am 20. Januar 2023

Auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz (KORREKTUR!) findet am (heutigen) Freitag ein Treffen der so genannten Ukraine-Kontaktgruppe statt. Rund 50 Nationen, die meisten aus der NATO, beraten dabei über weitere Unterstützung für das angegriffene Land, insbesondere mit Waffenlieferungen. Ein Versuch, mit einem Sammler einen – sicherlich unvollständigen – Überblick über die Vielzahl der Einzelmeldungen zu behalten:

• Das Treffen beginnt um 10 Uhr mit einem Statement des US-Verteidigungsministers Lloyd Austin (hier soll es einen Livestream geben). Eine Pressekonferenz von Austin und US-Generalstabschef Mark Milley ist für 16.30 Uhr avisiert (hier der Livestream), sehr wahrscheinlich wird sich auch der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius gesondert äußern.

• Leopard und Abrams: Die Frage, ob die Ukraine Kampfpanzer aus westlicher Produktion erhalten soll, nimmt seit Tagen einen wesentlichen Raum in der Debatte über die weitere Unterstützung ein. Mehrere Länder, die Leopard-Kampfpanzer aus deutscher Herstellung nutzen, haben ihre Absicht zur Lieferung erklärt. Die Bundesregierung hält sich mit einer klaren Postitionierung bislang zurück, ist aber doppelt gefordert: An Deutschland richtet sich nicht nur die Frage eigener Abgaben dieser Gefechtsfahrzeuge, sondern auch die Frage nach der erforderlichen Exportgenehmigung für lieferwillige Länder.

Am vergangenen Mittwochabend hatte es die Meldungen gegeben, Bundeskanzler Olaf Scholz mache eine deutsche Zustimmung zum Leopard-Export davon abhängig, dass auch die USA ihre Abrams-Kampfpanzer liefern (was die USA ablehnen und dafür technische Gründe nennen). Nachdem die Bundesregierung zu diesen Meldungen 24 Stunden lang geschwiegen hatte, nahm am (gestrigen) Donnerstagabend der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius dazu Stellung. Er bestritt in der ARD, dass es eine solche Verbindung gebe:

Lieferungen deutscher „Leopard“-Panzer an die Ukraine hängen nach Angaben des neuen Bundesverteidigungsministers Boris Pistorius nicht von gleichzeitigen Lieferungen amerikanischer Kampfpanzer an das Land ab. „Ein solches Junktim ist mit nicht bekannt“, sagt der SPD-Politiker im ARD-Brennpunkt.
Auf die Frage, ob Deutschland auch ohne Beteiligung der USA Kampfpanzer liefern werde, sagt er, dies erörtere Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit mit dem US-Präsidenten Joe Biden.

Sehr wahrscheinlich wird es dazu in Ramstein eine Aussage geben.

• Die USA gaben, weitgehend erwartet, am Donnerstagabend (Ortszeit Washington) ein neues umfassendes Paket mit Waffenlieferungen für die Ukraine bekannt. Auf der Liste stehen weiterhin keine Abrams-Kampfpanzer, dafür aber unter anderem Stryker-Radschützenpanzer:

Today, the Department of Defense (DoD) announces the authorization of a Presidential Drawdown of security assistance to meet Ukraine’s critical security and defense needs. This authorization, which is valued at up to $2.5 billion, is the Biden Administration’s thirtieth drawdown of equipment from DoD inventories for Ukraine since August 2021. It contains hundreds of armored vehicles, critical support for Ukraine’s air defense, and other important capabilities including:

Additional munitions for National Advanced Surface-to-Air Missile Systems (NASAMS);
Eight Avenger air defense systems;
59 Bradley Infantry Fighting Vehicles (IFVs) with 590 TOW anti-tank missiles and 295,000 rounds of 25mm ammunition;
90 Stryker Armored Personnel Carriers (APCs) with 20 mine rollers;
53 Mine Resistant Ambush Protected Vehicles (MRAPs);
350 High Mobility Multipurpose Wheeled Vehicles (HMMWVs);
20,000 155mm artillery rounds; 
Approximately 600 precision-guided 155mm artillery rounds;
95,000 105mm artillery rounds;
Approximately 11,800 120mm mortar rounds;
Additional ammunition for High Mobility Artillery Rocket Systems (HIMARS);
12 ammunition support vehicles;
6 command post vehicles;
22 tactical vehicles to tow weapons;
High-speed Anti-radiation missiles (HARMs);
Approximately 2,000 anti-armor rockets;
Over 3,000,000 rounds of small arms ammunition;
Demolition equipment for obstacle clearing;
Claymore anti-personnel munitions;
Night vision devices;
Spare parts and other field equipment.

The Kremlin’s most recent air attacks against Ukraine’s critical infrastructure again demonstrate the devastating impact of Russia’s brutal war in Ukraine. This package provides additional NASAMS munitions and Avenger air defense systems to help Ukraine counter a range of short and medium range threats and bolster Ukraine’s layered air defense. The 59 Bradley IFVs included in this package, together with the 50 Bradleys previously committed on January 6, and the 90 Stryker APCs will provide Ukraine with two brigades of armored capability.

• Im Hinblick auf das Treffen in Ramstein vereinbarten mehrere NATO-Länder am gestrigen Donnerstag auf der estnischen Militärbasis Tapa die so genannte Tallinn Pledge, eine umfangreiche Unterstützungszusage an die Ukraine. Ein wenig verwirrend ist, dass es – vom britischen Verteidigungsministerium veröffentlicht – eine Fassung dieser Erklärung mit neun Unterstützerländern gibt, ohne Deutschland. Das estnische Verteidigungsministerium veröffentlichte eine Fassung mit elf Ländern, einschließlich Deutschland. Die Frage, was da gilt, ist nicht so ganz einfach zu klären – es scheint so zu sein, dass ein deutscher Vertreter bei dem Treffen dabei war, aber die Erklärung – noch? – nicht gezeichnet hat. Auch da gibt’s vielleicht heute mehr Klarheit.

Zur Sicherheit die beiden Fassungen als Sicherungskopie:
20230119_Tallinn_Pledge9-nations
20230119_Tallin_Pledge_11-nations

• Am Donnerstagabend hatte die Bundesregierung ihre Liste der militärischen Unterstützungsleistungen für die Ukraine aktualisiert (hier der Stand vom 19. Januar). Neu auf der Liste:

Gelieferte militärische Unterstützungsleistungen:
107 Grenzschutzfahrzeuge* (zuvor: 95)

Militärische Unterstützungsleistungen in Vorbereitung/Durchführung:
2 Luftraumüberwachungsradare*

(mit * gekennzeichnete Lieferungen kommen von der Industrie)

Die beiden Luftraumüberwachungsradare hatte die Firma Hensoldt in Ulm bereits am Mittwoch angekündigt:

Der Sensorspezialist HENSOLDT liefert zwei weitere seiner Hochleistungsradare TRML-4D zur Stärkung der ukrainischen Luftverteidigung. Im Rahmen eines Auftrags im Wert eines zweistelligen Millionenbetrages werden die beiden Radare bereits in den nächsten drei Monaten geliefert. Zum Jahreswechsel hatte HENSOLDT bereits vier TRML-4D-Radare als Teil der Flugabwehrsystems IRIS-T SLM für die Ukraine unter Vertrag. (…)
TRML-4D verwendet die neueste AESA-Radartechnologie (Active Electronically Scanned Array) mit mehreren digital geformten Strahlen. Es ist in der Lage, verschiedene Arten von Luftzielen zu erkennen, zu verfolgen und zu klassifizieren, wobei der Schwerpunkt auf kleinen, schnellen und niedrig fliegenden und/oder manövrierenden Marschflugkörpern und Flugzeugen sowie Hubschraubern liegt. Es gewährleistet die schnelle Erkennung und Verfolgung von etwa 1.500 Zielen in einem Radius von bis zu 250 km.

• Zur mit Spannung erwarteten Entscheidung, ob die Ukraine Leopard-Kampfpanzer aus deutscher Produktion erhalten soll, gibt es – keine Entscheidung. Die Aussagen des deutschen Verteidigungsministers dazu in einem gesonderten Eintrag hier.

(Voraussichtlich Zusammenfassung nach Pressekonferenz Austin)

(Foto: Verteidigungsminister Boris Pistorius am 20.1.2023 mit der Flugbereitschaft auf dem Weg nach Ramstein – Foto Luftwaffe)