Erhöhte Alarmbereitschaft für Norwegens Streitkräfte: Deutsche Marine hilft bei Sicherung von Infrastruktur

Nach der Ankündigung Norwegens, angesichts des direkten Nachbarn Russland die Bereitschaft seiner Streitkräfte vor allem zum Schutz der kritischen Infrastrukturen zu erhöhen, hat die Deutsche Marine ihre Beteiligung an der Seeraumüberwachung vor der norwegischen Küste angekündigt. Unter dem Dach der NATO solle ein besseres Lagebild in der Region erstellt werden, sagte Marineinspekteur Vizeadmiral Jan Kaack.

Norwegen hatte Anfang der Woche die höhere Einsatzbereitschaft ab 1. November ausgerufen. Hintergrund sind unter anderem erkannte mutmaßliche russische Spionageaktivitäten, zum Beispiel durch die Festnahme russischer Staatsbürger, die mit Drohnen Infrastruktureinrichtungen aufgenommen hatten. Dabei ging es auch um maritime Einrichtungen:

The Norwegian Armed Forces have already increased their presence and patrolling in the vicinity of critical offshore and onshore infrastructure. The Home Guard will continue to assist the police in protecting critical infrastructure onshore. (…)
Ensure a continued overview and presence in our maritime areas. Protection of oil and gas installations in the North Sea is a high priority.
Full situational awareness in Norwegian maritime areas in the north is another priority task. The Norwegian Armed Forces are re-prioritising parts of their daily activities to focus on maritime surveillance in particular, with increased operational availability on vessels and air forces. This will be done in close cooperation with our allies. There is also considerable allied activity in our immediate areas.

Dass sich die Deutsche Marine daran beteiligen will, war bereits vergangene Woche bekannt geworden. Aus dem Bericht des norwegischen Rundfunks NRK vom 26. Oktober:

Drei deutsche Fregatten bleiben in norwegischen Gewässern, um die Marine nach einer Übung in Nordnorwegen zu unterstützen. Auf Andøya in Nordland findet derzeit die deutsche Militärübung „Heimdall“ statt. (…) An der Übung nehmen drei deutsche Fregatten teil: Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern.
Nun bietet die Deutsche Marine an, die Schiffe in norwegischen Gewässern bleiben zu lassen, um norwegische Öl- und Gasanlagen zu patrouillieren. (…)
„Wir haben nach den Explosionen in der Ostsee sehr schnell Unterstützungsbekundungen von Verbündeten erhalten, und wir haben die Bereitschaft in der Nordsee verstärkt. Dann haben wir Gespräche mit Verbündeten geführt, darunter Deutschland, und ich freue mich sehr, dass wir nach dieser Übung mit mehreren deutschen Fregatten in der Nordsee jetzt deutsche Unterstützung bekommen können, sagte [Verteidigungsminister Bjørn Arild] Gram zu NRK.“

Das deutsche Marinekommando hatte vergangene Woche auf Anfrage hervorgehoben, es gehe um Beiträge zum Lagebild bei An- und Abmarsch bei den Übungen, zu denen die Bundeswehr ohnehin in der Region unterwegs sei. Marineinspekteur Kaack erklärte dann am (heutigen) Donnerstag, also nach der norwegischen Ankündigung des höheren Bereitschaftsstandes:

Die Deutsche Marine beteiligt sich an der Überwachung des Seegebietes im Nordflankenraum, mit dem Ziel die dortige kritische maritime Infrastruktur zu schützen.
Nach den Vorfällen an den Gaspiplines Nord-Stream 1 und Nord-Stream 2 erfüllt die Deutsche Marine die Zusage des Bundeskanzlers Olaf Scholz, Norwegen, Dänemark und Schweden beim Schutz kritischer maritimer Infrastruktur zu unterstützen. Hierzu gehören unter anderem Ölplattformen, Seekabel und Pipelines.
„Zur Verbesserung des Lagebildes auf See hat die NATO die Koordination des Lagebildaufbaus vor allem im Seegebiet vor der norwegischen Küste übernommen. Die Deutsche Marine beteiligt sich im Rahmen von Passagen von und zu Seemanövern in diesen Gebieten, aber auch mit wiederkehrenden Flügen mit der P-3C Orion vor der norwegischen Küste“ erklärt der Inspekteur der Marine, Vizeadmiral Jan C. Kaack.
Derzeit befindet sich ein Schiffsverband der Deutschen Marine, bestehend aus den Fregatten „Rheinland-Pfalz“, „Mecklenburg-Vorpommern“, „Schleswig-Holstein“ und dem Einsatzgruppenversorger „Berlin“ im Seegebiet.
„Die Deutsche Marine in norwegischen Gewässern steht für das Versprechen der NATO ‚Einer für alle und alle für einen'“, betont Kaack.
Für das Manöver „JFSE Heimdall“ und „Vision 2022“ sind die Einheiten mit knapp 700 Soldatinnen und Soldaten in See. Zusätzlich beteiligen sie sich am Lagebildaufbau zum Schutz der kritischen maritimen Infrastruktur in norwegischen Gewässern. Weiterhin starten die P-3C Orion regelmäßig zu Überwachungsflügen in der Region. Auch die von der NATO koordinierte „Very High Readiness Task Force Maritime“ (VJTF M) unter Beteiligung der Deutschen Marine patrouilliert dort.

Bei den Absprachen spielte dann offensichtlich auch ein in der NATO nicht unbekannter deutscher Beamter eine Rolle: Detlef Wächter, seit dem Sommer deutscher Botschafter in Oslo, war zuvor politischer Direktor des Verteidigungsministeriums in Berlin und hatte laut NRK-Bericht auch die deutschen Kriegsschiffe in der Übung besucht. Das deutsche Interesse ist dabei nicht allein die Unterstützung eines Verbündeten – die Lieferung von Öl und Gas aus Norwegen hat für West- und Mitteleuropa nach dem Wegfall russischer Lieferungen hohe Bedeutung.

Am Rande bemerkt: die Deutsche Marine macht vor Norwegen etwas , was sie in heimischen Gewässern nicht darf, jedenfalls nicht im nationalen Rahmen. Der Schutz von Bohrplattformen oder Windparks in deutschen Territorialgewässern, aber auch in der Ausschließlichen Wirtschaftszone, ist Sache der Bundespolizei. Die hat zwar inzwischen Kanonenboote mit 57mm-Geschützen, aber nicht die weitreichenden Aufklärungsmöglichkeiten wie die deutschen Kriegsschiffe.

(Foto: Der Seaking-Hubschrauber des Einsatzgruppenversorgers Berlin vor der norwegischen Ölplattform ‚Troll‘ – Sven Fetzer/Bundeswehr)