„Zeitweiser“ Vier-Sterne-General erzielt gegen frühere Ministerinnen Erfolg vor Gericht
Der frühere deutsche NATO-General Erhard Bühler hat vor Gericht einen Erfolg gegen das Verteidigungsministerium errungen – und damit auch gegen seine früheren Chefinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Ministerinnen den Offizier nach einer verkürzten Abordnung auf ein NATO-Kommando nicht vom Vier- zum Drei-Sterne-General wieder herabstufen durften.
Bühler hatte Ende Mai 2019 den Posten des Befehlshabers im NATO Joint Forces Command Brunssum in den Niederlanden angetreten und war dafür, wie für diese Stelle üblich, zuvor vom Generalleutnant zum General befördert worden. Allerdings hatte die damalige Ministerin von der Leyen bereits vor der Versetzung nach Brunssum im April 2019 entschieden, dass der General nicht die volle Amtszeit im NATO-Kommando dienen sollte, sondern nur für ein knappes Jahr. Zudem wurde er nur für diese Zeit zum Vier-Sterne-General befördert; nach der Rückkehr nach Deutschland im März 2020 wurde er als Drei-Sterne-General in den Ruhestand geschickt.
Von der Leyen hatte mit ihrer Entscheidung nicht nur auf die öffentliche Wahrnehmung von Bühlers Rolle im Zusammenhang mit umstrittenen Beraterverträgen im Ministerium reagiert, die auch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigten, sondern ebenso auf seinen Umgang als Abteilungsleiter mit der Kostenexplosion bei der Instandsetzung des Segelschulschiffs Gorch Fock. Mit der Befristung und der Benennung eines Nachfolgers bereits zu Bühlers Amtsantritt hatte die Ministerin deutlich gemacht, dass sie nicht vorbehaltlos hinter dieser Versetzung auf den NATO-Posten stand. Ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer, die im Juli 2019 das Ministerium übernahm, änderte an dieser Entscheidung nichts.
Auf Beschwerde Bühlers entschied der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig am (heutigen) Dienstag, dass dieses Vorgehen des Ministeriums rechtswidrig war. Der Senat hatte dazu den früheren Generalinspekteur Volker Wieker, den aktuellen Generalinspekteur Eberhard Zorn sowie den früheren Staatssekretär Gerd Hoofe als Zeugen gehört.
Aus der Mitteilung des Gerichts*:
Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. „temporary rank“). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant („Drei-Sterne-General“) zum General („Vier-Sterne-General“) befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden.
Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen – insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs – die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen.
Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg.
(BVerwG 1 WB 29.21 – Beschluss vom 06. September 2022)
*In der Mitteilung des Gerichts wird zwar der Name des Generals nicht genannt; die Umstände – insbesondere die Versetzung nach Brunssum, die Dauer des Kommandos dort etc. sind jedoch eindeutig.
(Archivbild 7. Mai 2019: Bühler – bereits als Vier-Sterne-General – wird beim Besuch des U.S. Army Europe Headquarters in Wiesbaden von US-Generalleutnant Christopher Cavoli empfangen – Robert Sekula/U.S. Army Europe)
Heißt dann im Klartext:
Wenn man vorher schriftlich eine Herabstufung festhält und der zu befördernde Kamerad dem zustimmt, ist das dann rechtmäßig?
Hier wurde das „vergessen“ und damit ist die Herabstufung eben nicht rechtmäßig.
Wenn ja, wirft das natürlich wieder ein schlechtes Licht auf die Rechtsabteilung und deren personelle Ausstattung.
Auf welchen **** DP hätte denn Gen. Bühler zurückversetzt werden können? In der Bw ist nur der GI ein ****, alle anderen entsprechend dotierten DP sind NATO Verwendungen.
M1 er bleibt bis zum regulärem DZE in der **** Verwendung
M2 er wird nach 11 Monaten in den vorzeitigen Ruhestand entlassen
„Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor.“
Kann mir als Zivilisten das mal jemand erklären? Liest sich, als würde da auch etwas im Argen liegen, oder interpretiere ich da zuviel hinein?
Welche Rolle spielte denn Herr Bühler „im Zusammenhang mit umstrittenen Beraterverträgen im Ministerium“ und welche Verantwortung trug er im Zusammenhang „mit der Kostenexplosion bei der Instandsetzung des Segelschulschiffs Gorch Fock“?
Ich habe da wohl was verpasst.
Hat unser fleißiger Hausherr das auch schon mal eruiert?
Könnte es sein, dass Herrn Bühlers Versetzung zur NATO ein Versuch war, ihn aus der Schußlinie der Presse ‚wegzuloben‘. Frau von der Leyen selbst, wurde zur EU weggelobt als „der Boden für sie zu heiß wurde“, wegen der Skandale.
Wenn Herr Bühler sich etwas hat zu Schulden kommen lassen, war er, IMHO nicht für eine Beförderung geeignet. Skandalös ist in diesem Zusammenhang, da gebe ich Tom Cruise recht, das Versagen der Bundeswehrverwaltung.
[Schon schade, dass Sie den Links im Text oben nicht mal gefolgt sind, dann hätten Sie schon ein bisschen von dem gefunden, was der fleißige Hausherr dazu geschrieben hat. T.W.]
„Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor.“
Ab welcher Ebene wird das so gehandhabt?
Und welche Wirkung haben solche Sätze auf den unterstellten Bereich? Ich befürchte ja, dass die oberste Führung sich dieser Problematik nicht einmal bewusst ist.
Führen durch Vorbild anscheinend nicht im Personalwesen…
@ Tom Crusoe
Nein, dies wurde ja anscheinend eben nicht festgehalten.
Es wurde festgehalten/besprochen, dass die voraussichtliche Verwendungsdauer (auf unter zwei Jahre) auf dem Dienstposten in Brunssum reduziert wird. Damit war klar, dass die Beförderung nicht ruhegehaltsfähig sein würde.
Dass die Beförderung an sich jedoch im Nachhinein/Ergebnis wieder zurückgenommen werden würde, das ist offenkundig eben nicht besprochen worden und dagegen richtete sich die Beschwerde.
@Tom Cruise, das Problem dürfte eher gewesen sein das man das reguläre Verfahren zur Beförderung angestoßen hat und eine Auswahlentscheidung zu seinen Gunsten getroffen hat.
Hätte man ihn nach Nase und nicht nach Eignung dafür ausgesucht hätte er vorrübergehend eine höherwertige Tätigkeit übertragen und für die Zeit eine Zulage gezahlt bekommen, Thema durch.
@ K.B.
Als Helmut Schmidt seinerzeit den Oberstleutnant im BGS Wegener am Telefon zum Oberst im BGS befördert hat, nachdem die Landshut erfolgreich von der GSG 9 gestürmt worden war, wird das sicherlich auch nicht bestimmten „Dokumentationspflichten“ entsprochen haben. Dass hier jedoch eine Bestenauslese im Sinne des Grundgesetzes stattgefunden hat, dürfte unstrittig sein.
Bei General Bühler wurde ja ein Auswahlprozess durchlaufen, auch wenn er offenbar leidlich dokumentiert wurde – letztlich entscheidet der Minister über die Besetzung von Spitzenverwendungen. Es hat schon seinen Grund, weshalb z.B. für die Beurteilungen von Generalen andere Spielregeln gelten als für die „normale Truppe“. Dafür kann man als General auch jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden – ohne Nennung von Gründen. Hier mit dem Maßstab „Truppe“ heranzugehen, scheint vermessen.
@sakrileg: das bedeutet, dass im Hinterzimmer ausgeklüngelt wurde, wer den Posten besetzt. Schlagkräftige Argumente dabei sind, wer mit wem auf dem GenSt-Lehrgang war. Wer schon mal mit wem zusammengearbeitet hat. Wer wem noch was schuldig ist. Bei wem am wenigsten Widerstand bei ablehnender Entscheidung zu rechnen ist. Am Ende wurden dann die oben genannten Paragraphen aus dem SG runter gedruckt und fertig wars.
(sicher etwas übertrieben, aber da ist schon mehr als ein Körnchen Wahrheit drin)
„Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. “
LOL, was für eine Klatsche… Da wird sich der Prozessbevollmächtigte aber mächtig geärgert haben (oder im Vorfeld erfolglos gewarnt haben, dass die Argumentation nicht fliegen wird ;)).
@sakrileg sagt: 06.09.2022 um 19:33 Uhr
„Kann mir als Zivilisten das mal jemand erklären? Liest sich, als würde da auch etwas im Argen liegen, oder interpretiere ich da zuviel hinein?“
Mehr oder weniger. Bei so hochrangigen Auswahlentscheidungen ist eine Dokumentation mWn eher unüblich. Ich bin schon erstaunt, dass es überhaupt ein ordnungsgemäßes „Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung“ gegeben hat. Meistens ist das ja bei B9+ (zivil wie militärisch) eine sehr personenbezogene Auswahl.
@Hans Dampf sagt: 06.09.2022 um 21:41 Uhr
„Damit war klar, dass die Beförderung nicht ruhegehaltsfähig sein würde.
Dass die Beförderung an sich jedoch im Nachhinein/Ergebnis wieder zurückgenommen werden würde, das ist offenkundig eben nicht besprochen worden und dagegen richtete sich die Beschwerde.“
Und wenn ich das aus der Ferne beurteilen kann auch mit Recht. Wenn er diesen herausgehobenen DP antritt, dann soll damit auch bitte in Pension gehen dürfen (und ohne Geld, weil zu kurz). Wenn er persönlich wegen seiner Minderleistung als AL Plg nicht mehr des vierten Sterns wert war, dann hätte man ihn halt gar nicht schicken dürfen. A sagen, aber B machen geht halt nicht. Wir sind ja keine Bananenrepublik ;)
Wow. Es lebe der Rechtsstaat! Ob man B. mag oder nicht, gut, dass das jetzt gerichtlich richtig gestellt wurde.
Ich versuche mal, die Rechtslage an einem etwas einfacheren Truppenbeispiel zu erklären. Ein Oberleutnant A11 setzt sich in einer Auswahlkonferenz durch und wird auf einen kpchef Posten A12 versetzt. Etwa nach einem halben Jahr will man ihn dort nicht mehr haben und wieder weg versetzen.
Darf der kpchef dann wieder auf einen A11 Dienstposten versetzt werden?
Antwort: Nein, er darf es nicht.
@K.B., ich vermute mal das keine sauber dokumentierten Auswahlentscheidungen ab der Ebene Brigadegeneral vorhanden sein werden. Sicherlich entspricht das nicht Führen durch Vorbild. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen ab der Ebene dürften Klagen gegen solche intransparenten Entscheidungen im Endergebnis erfolglos sein.
Die Klage selber mag vielleicht zu dem Ergebnis kommen das eine Auswahlentscheidung zu wiederholen ist weil mangels Dokumentation ihr Ergbenis nich nachprüfbar ist. In der Praxis dürfte so ein Sieg vor Gericht allerdings nur bringen das man Gewissheit bekommt und schon anfangen kann sein Büro auszuräumen. Weil rechtzeitig vor der nächsten Auswahlrunde nämlich das Personalkarussell ein paar Runden dreht und einem die Versetzung in den einstweiligen Ruhestand einbringt. Und schon findet die nächste Auswahlrunde ohne einen statt.
Interesaant wird, ob er das in seinem Podcast beim MDR thematisiert. Ich höre den eigentlich gerne.
„Hans Dampf sagt: 06.09.2022 um 21:41 Uhr
Nein, dies wurde ja anscheinend eben nicht festgehalten.
Es wurde festgehalten/besprochen, dass die voraussichtliche Verwendungsdauer (auf unter zwei Jahre) auf dem Dienstposten in Brunssum reduziert wird. Damit war klar, dass die Beförderung nicht ruhegehaltsfähig sein würde.
Dass die Beförderung an sich jedoch im Nachhinein/Ergebnis wieder zurückgenommen werden würde, das ist offenkundig eben nicht besprochen worden und dagegen richtete sich die Beschwerde.“
Habe ich das als Aussenstehender richtig verstanden?
– Das Urteil ist in Sachen Ruhestandsbezüge „kostenneutral“.?
– Gen. a.D. Bühler war zu kurz auf dem 4-Sterne-Dienstposten als das es auf die Ruhestandsbezüge ausgewirkt hätte, das war nicht strittig?
– Er ist nach dem Urteil nun 4-Sterne-General im Ruhestand mit den Bezügen eines 3-Sterne-Generals?
– Es ging bei dem Prozess nur um den Status?
@Blick_in_den_Nebel sagt: 07.09.2022 um 7:55 Uhr
„Es ging bei dem Prozess nur um den Status?“
Jein. Das Vorgehen des BMVg war nicht rechtskonform, das galt es festzustellen. Und in den Sphären geht es eben nicht vorrangig um Geld, sondern eben um Macht und Prestige. Und General a.D. macht eben mehr her als Generalleutnant a.D..
Das ist für die Schlammzone nicht unbedingt nachvollziehbar.
Es ist Ausdruck der aktuellen Professionalität der Bundeswehr, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht mit so etwas befassen muss.
Ganz offensichtlich ist der Anteil der „Halbkreis-Ingenieure“ im BMVg und BAPersBw einfach zu groß. Was würde Klaus Kinski dazu sagen?
Jedenfalls kann man feststellen, dass für den hochrangigen Kameraden keine Extrawurst seitens des Gerichtes gebraten wurde.
Zwei Jahre lang Herumprozessieren für einen Sachverhalt, der sich binnen kürzester Zeit hätte klären lassen… Tja.
Immerhin ging es „nur“ ums Prinzip, und nicht um Geld, Existenz und Sicherheit.
Ich finde es gut dass wenigstens in diesem Fall jemand Frau von der Leyen zu verstehen gibt dass es so einfach nicht geht. Diese Dame hat ganz viel Porzellan zerschlagen und Menschen schlecht behandelt.
Das „Prinzip“, oder die Prinzipien welche hier so viele mehr oder minder abtun, als seien diese Dinge abhängig von der Besoldungsstufe desjenigen, der klagt, vernachlässigbar, lautet wohlgemerkt: „Gesetzmäßigkeit der Verwaltung“ und „Rechtsstaatsprinzip“.
Man lese:
Artikel 20 Abs. 3 GG: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.“
und
Artikel 19 Abs. 3 S. 1 GG: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“
Nur mal so als Erinnerung, bevor man das als Pillepalle vom Tisch wischt. Diese klaren Prinzipien, die natürlich Ressourcen und Geld kosten, und die für alle Bürger gleichermaßen gelten, sind nämlich u.a. das, was uns von autokratischen Diktaturen maßgeblich unterscheidet!
„Pio-Fritz sagt: 07.09.2022 um 9:37 Uhr
„Es ging bei dem Prozess nur um den Status?“
Jein. Das Vorgehen des BMVg war nicht rechtskonform, das galt es festzustellen. Und in den Sphären geht es eben nicht vorrangig um Geld, sondern eben um Macht und Prestige. Und General a.D. macht eben mehr her als Generalleutnant a.D..
Das ist für die Schlammzone nicht unbedingt nachvollziehbar.“
Nicht nur für die „Schlammzone“. Auch mit Sozialisierung in der freien Wirtschaft bucht man das auf das Konto „Ressourcenverschwendung“:
T.W. schrieb:
„Der Senat hatte dazu den früheren Generalinspekteur Volker Wieker, den aktuellen Generalinspekteur Eberhard Zorn sowie den früheren Staatssekretär Gerd Hoofe als Zeugen gehört.“
Die beiden Ruheständler ex-StS Hoofe und ex-GI Wieker mal aussen vor. In der aktuellen Situation mindestens ein halber Arbeitstag des amtierenden GI Zorn für eine Zeugenaussage beim Bundesverwaltungsgericht :-(
Prinzipien, Recht behalten und bekommen, Ego, Status, Verletzungen reparieren … dafür darf der Rechtsstaat schon mal das ganz große Besteck auspacken….
Andere Welt…. anderer Mindset…..
@T.W.
Danke für die Hinweise. ich hatte da auch „Zeitdruck“ und war nicht allen Links gefolgt. Informativ waren auch wie so oft die Kommentare.
Die Rolle Bühlers in der Berateraffaire bleibt, so finde ich, weiter nebulös. Im Fall des Skandals um die Kostenexplosion bei der Instandsetzung bei der Gorch Fock trägt Herr Bühler die Verantwortung als Leiter der zuständigen Abteilung. Er hat zwar persönlich sehr wahrscheinlich keine Fehler begangen, seine Mitarbeiter dagegen schon. Als Offizier des Heeres kann man vom ihm auch nicht erwarten, in maritimer Technik sachkundig zu sein. Mit einem maritimen Museumsstück, wie der Gorch Fock, wären vermutlich auch viele der Offiziere der Marine überfordert. Ich habe also Zweifel, ob Herr Bühler überhaupt in der Lage war, die Informationen aus seinem Stab zum technischen Zustand des Schiffes korrekt einzuordnen.
Bei den beschriebenen und vom Rechnungshof gerügten Vorfällen fällt es allerdings schwer, den verantwortlichen Mitarbeitern ’nur‘ Inkompetenz vorzuwerfen.
Den von Herrn Bühler genannten Zeitdruck, hat ebenfalls seine eigenen Abteilung zu verantworten. Das die Gorch Fock sanierungsbedürftig war, war der Marine ja schon länger bekannt. Wenn in der zuständigen Abteilung aber niemand ist, der sich mit der Schiffstechnik von Großseglern auskennt, dann hat man da ein Problem. Welchen Einfluss Herr Bühler auf die Zusammansetzung seines Personals hatte, vermag ich nicht einzuschätzen. Herr Bühler hätte aber selbst erkennen müssen, dass er ein Problem hat.
Seine Verantwortung ist also tatsächlich schwierig einzuschätzen.
Man kann von Bühler halten was man will, aber wer ihm nun vorwirft wegen des Themas die Justiz bemüht zu haben oder der Justiz zur Last legt sich mit sowas abzugeben hat das Prinzip Rechtsstaat irgendwie nicht ganz verstanden.
@Blick_in_den_Nebel
„Er ist nach dem Urteil nun 4-Sterne-General im Ruhestand mit den Bezügen eines 3-Sterne-Generals?“
Die Konstellation ist sicher selten, aber grundsätzlich möglich. Vizeadmiral Schönbach muss sich auch mit der Pension eines Konteradmirals begnügen mangels entsprechender Dienstzeit mit ***.
Sicherlich nichts was man bewusst herbeiführt mit einer Beförderung kurz vor Dienstzeitende, aber gesetzlich so vorgesehen das Beförderungen erst nach 2 Jahre für die Pension wirken.
@ Blick in den Nebel:
Ja, es wird diejenige (letzt erreichte) Dotierungshöhe ruhegehaltsfähig, die man mindestens zwei Jahre inne hatte. In aller Regel erfolgt eine Beförderung denn auch so zeitig, dass sie noch ruhegehaltsfähig wird, also mindestens zwei Jahre vor der Zurruhesetzung.
Insofern: ja, es ging hier offenbar „nur“ darum, in welchem Dienstgrad Herr Bühler zur Ruhe gesetzt wurde (n.m.B. nunmehr: General a.D. und nicht mehr „nur“ Generalleutnant a.D.) und nicht um das Ruhegehalt. Das wäre so oder so gleich geblieben (was an sich auch schon eine Sauerei war, wie auch die Rückversetzung auf einen niedriger dotierten Dienstposten, an sich ein Ding der Unmöglichkeit).
@Blick_in_den_Nebel sagt: 07.09.2022 um 15:19 Uhr
„Nicht nur für die „Schlammzone“. Auch mit Sozialisierung in der freien Wirtschaft bucht man das auf das Konto „Ressourcenverschwendung“:“
Tatsächlich würde ich hier @Pio-Fritz nicht zustimmen. Das Prinzip der Anerkennung der eigenen Leistung durch äußere Kennzeichnung/Hervorhebung auch jenseits der 3*** oder 4**** Ebene halte ich für ein fundamentales Prinzip von Streitkräften.
Schauen wir mal auf die Frage der OStGefr für jedermann. Viele Landser haben dies begrüßt, bis sie plötzlich feststellten, dass es jetzt ja gar nichts mehr „bedeutet“ OStGefr zu sein (außer den ca. 50,- netto zusätzlich pro Monat, was nun wirklich kaum jemand motiviert).
Oder jahrelange Kampf der Scharfschützen und der UNSOMler für ein eigenes Tätigkeitsabzeichen bzw. eine Einsatzmedaille.
Ich halte das Ansinnen von Gen Bühler für absolut kompatibel durch alle militärische Laufbahngruppen.
Für viele Soldaten ist Anerkennung der eigenen Leistung (in der Peer-Gruppe aber auch außerhalb) viel motivierender als (ausschließlich) pekuniäre Motivation. Glücklicherweise!
Das ist übrigens im Bereich der Nachwuchswerbung etwas was in vielen Staaten für Armee wirkt. Und auch die Bw hat versucht sich dies (nachrangig, aber doch vorhanden) zu nutze zu machen. „Mach was wirklich zählt!“ war nicht umsonst der claim der Werbekampagne der Bw über einige Jahre.
@ Metallkopf 07.09.2022 um 14:52 Uhr:
1+!
Schon seltsam, welches Verständnis von Gewaltenteilung und -kontrolle sich hier gelegentlich auftut…. Man kann doch nicht einfach einen GI für einen ganzen halben Tag aus dem Betrieb nehmen… sarcoff. BTW: Der Senat hatte erwogen, bei Unergiebigkeit der drei genannten Zeugen ehemalige Ministerin(nen) zu laden…. Ob das in Saarbrücken oder Brüssel genehm gewesen wäre… sarcoff. Vor Gericht sind alle gleich… (noch so ein Prinzip)
In der aktuellen Folge des Podcasts des MDR äußert er sich auch kurz zum Verfahren:
https://www.mdr.de/nachrichten/podcast/general/index.html
Warum er den Prozess angestrengt hat, wurde ja schon beleuchtet. Um im Bild zu bleiben: „Was tun, Herr General“ zieht eher als „Was tun, Herr Generalleutnant?“.
Wer immer hier „Verschwendung“ beklagt, mag die moralische Rechnung dafür an die Tür derjenigen tackern, die den Mist im Ministerium gebaut haben… oder derjenigen, welche Weisung an die ausführenden Stellen gegeben haben.
Wer klagt, trägt in der Regel auch das Risiko, im Unterliegensfalle seine eigenen und die Kosten der Gegenseite auferlegt zu bekommen. Dafür trägt der Staat selbstredend das Risiko, verurteilt zu werden, wenn seine Amtsträger rechtswidrigen Exekutivunfug treiben und der Bürger rechtzeitig und begründet Rechtsmittel einlegt.
Cindy Becker sagt: 08.09.2022 um 9:03 Uhr
Naja, das ist aber jetzt a bisserl lustig „an den Haaren herbeigezogen…“ — die Anrede lautet ja stets Herr/Frau General, egal wie viele Sterne. (So war es jedenfalls bei der Wachausbildung in meiner Dienstzeit, und ich glaube ned, dass sich das geändert hätte, damals allenfalls nicht Frau General…).
VG, NG.
@Cindy Becker:
Haben Sie mal einen Timecode für die entscheidenden Stellen im Podcast? Der ist ja doch etwas „länglich“.
@Gepard65:
Sie haben natürlich recht was die Anrede betrifft.
Ich denke was Cindy Becker meinte war eher:
Was steht auf meiner Visitenkarte?
Als was werde ich im Kreise meiner Kameraden gesehen?
Als was sehe ich mich selbst?
Werferfehler
@gapard
ganz zu beginn
@Blick_in_den_Nebel & Koffer
Als ehemaliger Mannschafter stimme ich Koffer nicht nur zu, sondern würde eher noch vermuten das ist vielleicht noch nicht zutreffend genug formuliert!
——
Kann ein Soldat nicht auf einen Dienstposten versetzt werden, der geringer dotiert ist, weil kein angemessener verfügbar ist oder seine Expertise dort benötigt wird?
@ ThoDan:
Wie man sieht, ging das ganz offenkundig – aber es war unzulässig, was jedem, der halbwegs Ahnung hat, auch hätte klar sein müssen. Jemanden einfach so, aus einer Laune heraus, degradieren (und das Gehalt kürzen) zu können, wäre ein grober Verstoß gegen das gegenseitige Treueverhältnis zwischen Dienstherrn und Soldat, unabhängig vom Dienstgrad. Ein Soldat ist ein Staatsdiener mit besonderen Pflichten, aber deswegen kein Entrechteter, der sich alles gefallen lassen muss und einer Ministerin ausgeliefert ist.
@ThoDan sagt: 08.09.2022 um 16:29 Uhr
„Kann ein Soldat nicht auf einen Dienstposten versetzt werden, der geringer dotiert ist, weil kein angemessener verfügbar ist oder seine Expertise dort benötigt wird?“
Ein Soldat kann verpflichtet werden die Aufgaben eines niedrig (oder höher) dotierten Dienstposten wahrzunehmen wenn seine Expertise hier benötigt wird oder niemand anderes zur Verfügung steht. Allerdings kann er nicht auf diesen DP versetzt werden und er kann keinesfalls seinen (v)erdienten Dienstgrad deswegen verlieren. Zumindest nicht wenn der Dienstgrad nicht nur temporär oder vorläufig verliehen wurde. Aber das dies in diesem Fall nicht gemacht wurde…
Außerdem kann ich jemand auf einen zbV/DPäK versetzen, wenn ein anderer DP freigemacht werden muss und eine Versetzung auf einen etatisierten DP nicht möglich ist (z.B. weil keiner frei ist oder weil soziale Gründe einer Versetzung auf einen freien DP entgegen stehen oder weil der Sdt gesundheitlich oder aus anderen Gründen (noch) nicht in der Lage ist den DP wahrzunehmen etc.). Aber auch das war hier nicht einschlägig.
PS und im letzteren Fall wird auch ein endgültig verliehene Dienstgrad beibehalten
@Koffer
Danke
&
@Hans Dampf
Die Frage war allgemein, von der Diskussion inspiriert aber nicht auf den Fall bezogen
@Koffer: „Ein Soldat kann verpflichtet werden die Aufgaben eines niedrig (oder höher) dotierten Dienstposten wahrzunehmen wenn seine Expertise hier benötigt wird oder niemand anderes zur Verfügung steht. Allerdings kann er nicht auf diesen DP versetzt werden..“
Da möchte ich Ihnen widersprechen. Ich wurde auf einen Dienstposten 2 Gehaltsstufen oberhalb meines eigenen Dienstgrades versetzt, da ich die Expertise besaß, die niemand in der Besoldungsgruppe hatte.
Zugegeben war es aber eine besondere Konstellation, die sicher nicht die Regel ist.
@O.Punkt sagt: 11.09.2022 um 10:10 Uhr
„Da möchte ich Ihnen widersprechen. Ich wurde auf einen Dienstposten 2 Gehaltsstufen oberhalb meines eigenen Dienstgrades versetzt, da ich die Expertise besaß, die niemand in der Besoldungsgruppe hatte.
Zugegeben war es aber eine besondere Konstellation, die sicher nicht die Regel ist.“
Ja, aber damit war dann entweder eine Beförderung (oder dauerhafte Einweisung in die entsprechende Gehaltsstufe) oder eine Runter-Sperrung des DP verbunden. Korrekt?
Ich sehe nicht wie man sie nicht befördern (oder einweisen) konnte und gleichzeitig den DP nicht (temporär) runter-zusperren.