„Zeitweiser“ Vier-Sterne-General erzielt gegen frühere Ministerinnen Erfolg vor Gericht

Der frühere deutsche NATO-General Erhard Bühler hat vor Gericht einen Erfolg gegen das Verteidigungsministerium errungen – und damit auch gegen seine früheren Chefinnen Ursula von der Leyen und Annegret Kramp-Karrenbauer: Das Bundesverwaltungsgericht entschied, dass die Ministerinnen den Offizier nach einer verkürzten Abordnung auf ein NATO-Kommando nicht vom Vier- zum Drei-Sterne-General wieder herabstufen durften.

Bühler hatte Ende Mai 2019 den Posten des Befehlshabers im NATO Joint Forces Command Brunssum in den Niederlanden angetreten und war dafür, wie für diese Stelle üblich, zuvor vom Generalleutnant zum General befördert worden. Allerdings hatte die damalige Ministerin von der Leyen bereits vor der Versetzung nach Brunssum im April 2019 entschieden, dass der General nicht die volle Amtszeit im NATO-Kommando dienen sollte, sondern nur für ein knappes Jahr. Zudem wurde er nur für diese Zeit zum Vier-Sterne-General befördert; nach der Rückkehr nach Deutschland im März 2020 wurde er als Drei-Sterne-General in den Ruhestand geschickt.

Von der Leyen hatte mit ihrer Entscheidung nicht nur auf die öffentliche Wahrnehmung von Bühlers Rolle im Zusammenhang mit umstrittenen Beraterverträgen im Ministerium  reagiert, die auch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigten, sondern ebenso auf seinen Umgang als Abteilungsleiter mit der Kostenexplosion bei der Instandsetzung des Segelschulschiffs Gorch Fock. Mit der Befristung und der Benennung eines Nachfolgers bereits zu Bühlers Amtsantritt hatte die Ministerin deutlich gemacht, dass sie nicht vorbehaltlos hinter dieser Versetzung auf den NATO-Posten stand. Ihre Nachfolgerin Kramp-Karrenbauer, die im Juli 2019 das Ministerium übernahm, änderte an dieser Entscheidung nichts.

Auf Beschwerde Bühlers entschied der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig am (heutigen) Dienstag, dass dieses Vorgehen des Ministeriums rechtswidrig war. Der Senat hatte dazu den früheren Generalinspekteur Volker Wieker, den aktuellen Generalinspekteur Eberhard Zorn sowie den früheren Staatssekretär Gerd Hoofe als Zeugen gehört.

Aus der Mitteilung des Gerichts*:

Der 1. Wehrdienstsenat hat heute dem Antrag eines Generalleutnants a.D. auf Feststellung der Rechtswidrigkeit seiner letzten dienstlichen Versetzung stattgegeben. Der Generalleutnant a.D. ist vom Mai 2019 bis März 2020 als Befehlshaber eines NATO-Kommandos in Europa auf einem Generalsdienstposten (B 10) eingesetzt worden und hat in dieser Verwendung vorübergehend den Dienstgrad General geführt (sog. „temporary rank“). Seine Hoffnung, dort vom Generalleutnant („Drei-Sterne-General“) zum General („Vier-Sterne-General“) befördert zu werden, hat sich nicht erfüllt. Vielmehr ist er mit Verfügung vom 11. März 2020 vom Allied Joint Force Command in Brunssum (Niederlande) nach Berlin auf eine mit B 9 dotierte Position zurückversetzt und später als Generalleutnant in den Ruhestand verabschiedet worden.
Diese Versetzung war rechtswidrig. Der 1. Wehrdienstsenat hat durch Vernehmung mehrerer hochrangiger Zeugen – insbesondere des früheren und gegenwärtigen Generalinspekteurs der Bundeswehr und des ehemaligen Staatssekretärs – die Umstände aufgeklärt, die zur Auswahl des Antragstellers zum Befehlshaber des NATO-Hauptquartiers in Brunssum geführt haben. Danach ist er im Frühjahr 2018 in einem Auswahlverfahren unter Berücksichtigung mehrerer Generalleutnante nach Eignung, Leistung und Befähigung im Sinne des § 3 Abs. 1 SG und des Art. 33 Abs. 2 GG mit dem Ziel der Beförderung ausgewählt worden. Eine hinreichend begründete Auswahlentscheidung, die den Dokumentationsanforderungen des Prinzips der Bestenauslese entsprochen hätte, liegt zwar nicht vor. Der Dienstherr kann sich aber auf diesen von ihm selbst verschuldeten Formmangel im Verhältnis zum ausgewählten Bewerber nicht berufen. Vielmehr muss er die Auswahlentscheidung gegen sich gelten lassen und kann den ausgewählten Bewerber, der eine Anwartschaft auf eine Beförderung erworben hat, nicht ohne Weiteres wieder auf einen Dienstposten mit geringerer Dotierungshöhe versetzen.
Die Versetzung vom März 2020 war auch nicht ausnahmsweise deswegen zulässig, weil die ursprüngliche förderliche Auswahlentscheidung im April 2019 einvernehmlich in eine reine Querversetzung abgeändert worden wäre. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist damals zwar bei einem Gespräch mit der Verteidigungsministerin die Dauer der Verwendung im NATO-Hauptquartier einvernehmlich von drei Jahren auf elf Monate verkürzt worden. Hingegen ist ein Ausbleiben der Beförderung nicht besprochen worden. Eine Umwandlung der förderlichen Auswahlentscheidung in eine vorübergehende höherwertige Verwendung wurde auch nicht verfügt. Lediglich soweit der Antragsteller die Angabe der voraussichtlichen Verwendungsdauer in seiner Versetzung nach Brunssum angegriffen hat, blieb sein Antrag ohne Erfolg.

(BVerwG 1 WB 29.21 – Beschluss vom 06. September 2022)

*In der Mitteilung des Gerichts wird zwar der Name des Generals nicht genannt; die Umstände – insbesondere die Versetzung nach Brunssum, die Dauer des Kommandos dort etc. sind jedoch eindeutig.

(Archivbild 7. Mai 2019: Bühler – bereits als Vier-Sterne-General – wird beim Besuch des U.S. Army Europe Headquarters in Wiesbaden von US-Generalleutnant Christopher Cavoli empfangen – Robert Sekula/U.S. Army Europe)