Bundeswehr stellt Territoriales Führungskommando auf – Corona-General an der Spitze
Unter dem Eindruck von Ukraine-Krieg und der Amtshilfe der Bundeswehr bei Corona-Pandemie und Katastrophen im Inland bekommen die Streitkräfte ein neues Führungskommando. An der Spitze steht ein alter Bekannter aus der Pandemiebekämpfung.
Mit einem Aufstellungsappell in der Berliner Julius-Leber-Kaserne wird am (heutigen) Montag das neue Territoriale Führungskommando der Bundeswehr in Dienst gestellt, das zum 1. Oktober seine Arbeit aufnehmen soll. Die Aufstellung des Kommandos hatte Verteidigungsministerin Christine Lambrecht im Juni entschieden. Es soll sowohl für die Aufgaben der Landesverteidigung als auch für die Koordinierung von Hilfseinsätzen der Streitkräfte im Inland zuständig sein und zudem die Logistik für Deutschland als Drehscheibe der NATO-Verbündeten koordinieren.
Das neue Territoriale Führungskommando ist damit das Gegenstück zum bereits bestehenden Einsatzführungskommando in Geltow bei Potsdam. Ausschlaggebend für die Aufstellung waren neben dem Einsatz tausender Soldat*innen in der Corona-Pandemie und bei Katastrophen wie der Überschwemmung im Ahrtal oder den Waldbränden in diesem Jahr eben auch der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, wie das Verteidigungsministerium im Juni betont hatte:
Der russische Einmarsch in der Ukraine hat die Notwendigkeit unterstrichen, die Führungsorganisation der Streitkräfte beschleunigt auf die Anforderungen der Landes- und Bündnisverteidigung auszurichten. Hierzu hat die Bundesministerin der Verteidigung, Christine Lambrecht, entschieden, die Führungsorganisation der Streitkräfte als Reaktion auf die aktuelle Sicherheitslage anzupassen: „Bislang waren die territorialen Führungsaufgaben über viele Bereiche verteilt. Zum 1. Oktober 2022 werden wir sie in einem „Territorialen Führungskommando der Bundeswehr“ in Berlin bündeln“, so die Ministerin.
Der Befehlshaber des neuen Kommandos, Generalleutnant Carsten Breuer, übernimmt damit auch die Funktion des so genannten Nationalen Territorialen Befehlshabers. Diese Aufgabe, bisher dem Inspekteur der Streitkräftebasis zugeordnet, soll künftig von Krise bis Krieg die Führung der Bundeswehr im Inland sicherstellen:
Das Territoriale Führungskommando der Bundeswehr (TerrFüKdoBw) ist verantwortlich für die operative Führung nationaler Kräfte im Rahmen des Heimatschutzes, einschl. der Amts- und Katastrophenhilfe sowie der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit. Es nimmt die Aufgaben als „Aufmarsch führendes Kommando“ für nationale Verlegungen gemäß den Planungen der NATO zur Landes- und Bündnisverteidigung wahr. Das Kommando organisiert die Verlegung alliierter Kräfte durch Deutschland in enger Abstimmung mit den NATO-Kommandos.
Zugleich soll das neue Kommando Personal für den schnellen Aufbau von Krisenstäben auf nationaler Ebene vorhalten. Als Vorbild dafür gilt der Corona-Krisenstab von Bundesregierung und Ländern, den das Kanzleramt im November vergangenen Jahres eingesetzt hatte.
Der Leiter dieses inzwischen aufgelösten Krisenstabes, der (damalige) Generalmajor Breuer, soll seine Erfahrungen aus der Koordination der Pandemiebekämpfung ebenso wie aus der Leitung des bisherigen Kommandos Territoriale Aufgaben in die neue Funktion einbringen. Mit der Arbeit an der Nahtstelle von Militär und Politik hat Breuer seit Jahren Erfahrung; unter anderem organisierte er 2016 die Arbeit am damaligen (und bislang letzten) Weißbuch zur Bundeswehr und zur Sicherheitspolitik.
Mit der Aufstellung des neuen Kommandos bekommt die Bundeswehr im Inland keine weiter gehenden Befugnisse als bisher, auch wenn das in Teilen der öffentlichen Debatte bisweilen anders verstanden wird. Wie jetzt schon richten sich die Befugnisse und die Arbeit der Bundeswehr im Inland nach den Bestimmungen des Grundgesetzes: Außer im Verteidigungs- und Spannungsfall darf die Bundeswehr nur in Amtshilfe für zivile Behörden tätig werden, die auch über den Umfang des Einsatzes entscheiden.
Ergänzung:
Der Befehlshaber des neuen Kommandos hat die Aufgaben in einem Gespräch mit bundeswehr.de umrissen, hier zum Nachlesen:
Podcast Funkkreis
Neuaufstellung Territoriales Führungskommando (Transkript)
Die Rede der Ministerin in einem vom Ministerium veröffentlichten Audio:
Die Rede von Generalinspekteur Eberhard Zorn, ebenfalls in einem vom Ministerium veröffentlichten Audio:
(Foto: Bundeskanzler Olaf Scholz mit Generalleutnant Carsten Breuer am 25. August auf dem Truppenübungsplatz Putlos, wo Scholz die Ausbildung ukrainischer Soldaten am Flugabwehrkanonenpanzer Gepard besuchte – Handout Bundesregierung/Steffen Kugler)
Die Landeskommandos werden dann aufgelöst, weil überflüssig¿?
Werden die Heimatschutzregimenter dann direkt geführt¿?
Wird es neue Unterstützungskommandos für den Hostnationsupport geben¿?
Bauen wir jetzt wieder das Territorialheer auf¿?
[Oha, sofort die Frage nach der Kästchenkunde… die Landeskommandos bleiben und werden dem neuen TerrFüKdo unterstellt. Die Heimatschutzregimenter bleiben wie bisher unter den Landeskommandos. Die weiteren Fragen haben erstmal mit dem neue Kommando nix zu tun? T.W.]
Das hatten wir doch aber schon, oder? Jedenfalls wurde das dort schon diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2022/06/bundeswehr-bekommt-neues-fuehrungskommando-fuers-inland-und-die-skb-bleibt/
[Ja. Und heute ist der Aufstellungsappell, wie oben geschrieben. Den hatten wir noch nicht, weil er heute ist. Und der Link, den Sie angeben, steht auch oben im Text. Sonst alles gut? T.W.]
Ein neues Kommando für einen verdienten General kann erstmal auch sehr gut mit älteren Stabsoffiziere und Feldwebeln seine Dienstpostenbeschreibungen und Verfahrensbestimmungen schreiben. Da herrscht gottseidank noch kein so großer Mangel. Im Zweifel wird dann halt auch, wie beim Ministerium, befohlen, dass dort „temporär“ zu unterstützen ist. Ich freue mich schon auf die ersten Befehle, die von mir Listen und ähnliches abfordern – Fehlanzeige wird nicht aktzeptiert.
Das ist genau das was wir mitten im Ukraine-Krieg brauchen: ein neues Kommando und ein Wechsel der Verantwortung…..
Für die Aufgaben, die bisher von der SKB ohne zusätzliches Personal effizient und geräuschlos mit erledigt wurden, wie Aufmarsch und Verlegung eigener Kräfte, Host Nation Support, Organisation und Transport von Waffen, Gerät, Hilfsgütern, etc. pp. stellen wir jetzt ein neues Kommando mit wer weiss wie vielen goldenen Sternen auf.
Kennt der Hausherr Einzelheiten zu Umfängen, Personal, Material, Infra, IT, etc.?
@diba
Das ist ja kein wirklich neues Kommando, sondern bestehende Kommandos/Abteilungen aus der SKB rausgelöst und neu gemischt. Da bewegt sich ( hoffentlich) nicht allzu viel Personal
Mit dem neuen TerrFüKdo wird sich der während des Corona – Einsatzes stark gewordene Drang zur zentralisierten Befehlstaktik vermutlich weiter verstärken. Ähnliches konnte ich im Ahrtal beobachten. Ich habe EXTREMES MIKROMANAGEMENT AUS BERLIN erlebt, das leider zu oft (ca. 40%) in mangelhafter Befehlsgebung im wörtlichsten Sinne führt: Mängel im Befehl, in der Billigung, weil vielfältig fehlende Kenntnisse in Berlin. Neben fehlenden Strukturkenntnissen war immer das Problem, dass bei den langen Meldewegen zum KdoTA und dazu noch den mehrstufigen Verfahren im KdoTA sich sehr oft die Lage bereits weiterentwicklet hatte, während in Berlin noch „bearbeitet“ wurde. Eine wesentliche Triebfeder des Mikromanagements ist die Panik der politischen Führung, dass irgendeine negative Sache an der Leitungsebene hängenbleiben könnte. Das neue Kommando kann – vom Auftrag her gedacht – nur erfolgreich sein, wenn die Landeskommandos an Körper und Geist „neu gedacht werden“, sowie Freiheiten und einen deutlich gestrafften, teilaktiven Unterbau bekommen. Da reicht es nicht, wenn die LKdo seit Frühjahr 2022 schrittweise befähigt werden, Truppe führen zu können. Es braucht ein neues Denken durch alle Führungsebenen hindurch.
Alle die jetzt nach neuem Wasserkopf schreien und selber einen roten Kopf haben.
Das Kommando gab es im Wesentlichen schon, e s ist das bisherige Kommando Territoriale Aufgaben. Nur eben ohne direkte Führungskompetenz. Wer den Artikel von T.W. liest, wird schlauer.
Ja, ein paar mehr Personen sind es schon, dafür werden hoffentlich die Entscheidungswege innerhalb des Kdo schneller. Nach 2 Jahren Pandemie sind eben auch Lerneffekte eingetreten.. Also alles gut!
Wie PzH2000 bereits erwähnt hat, größtenteils wird bei vielen Abteilungen im Kdo SKB das Türschild mit dem Namen des Kdos getauscht erstmal und das war es.
@diba Ja gab wohl schon die ersten Anfragen auf Ebene der 1. Führungsebene bzgl. Personalunterstützung sowie auch schon ansagen an das BAPersBw bzgl. der priorisierten Besetzung der Dienstposten für das TerrFüKdo.
Hoffe das man mit dem Kommando aus den Fehlern aus der Vergangenheit lernt aber hege da so meine Zweifel und es wird nur wieder ein neuer (alter) „Elefantenfriedhof“ werden.
„Corona-General“
Haben Herr Bloqbetreiber zu tief in die Bildzeitung geschaut? Oder wirkt hier etwa die Sicherheitshalber Blattkritik nach?
[Klasse! Endlich Kommentare zur Sache! Super! T.W.]
Alter Wein in neuen Schläuchen.
Eine umbenannte Kommandobehörde stellt überhaupt nicht sicher, dass hierzulande wichtige Infrastruktur im (hybriden) Krisenfall auch 24/7 wirkungsvoll geschützt werden kann.
Dafür fehlen tausende territoriale Verteidiger und entsprechende Waffensysteme in ausreichender Anzahl.
Nehmen wir beispielsweise das (einzige!) Marineoperationszentrum (ehemals Flottenkommando) in Glücksburg. Für dessen Schutz im Ernstfall gibt es keine vorgemerkten Kräfte. Auch Übungen zum Schutz dieser führungswichtigen Anlagen werden seit mindestens 15 Jahren mangels Masse nicht mehr durchgeführt.
@TW: „Bestimmungen des Grundgesetzes: Außer im Verteidigungs- und Spannungsfall darf die Bundeswehr nur in Amtshilfe für zivile Behörden tätig werden, die auch über den Umfang des Einsatzes entscheiden.“
Das ist so nicht korrekt. Das Grundgesetz lässt neben der zwischen allen Behörden erlaubten Amtshilfe (Art. 35 Abs. 1 GG, Unterhalb der „Einsatzschwelle“ der Bundeswehr) auch den Einsatz der Streitkräfte im Inland zu, nämlich wie richtig aufgeführt im Spannungs- und Verteidigungsfall, aber auch im regionalen und überregionalen Katastrophenzustand (Art. 35 Abs. 2 und 3 GG, in letzterem Fall entscheidet darüber die Bundesregierung ggf. auch gegen den Willen eines betroffenen Landes) und im Falle des Inneren Notstandes (Art. 87a Abs. 4 GG) Gefahr für den Bestand oder die freiheitlich demokratische Grundordnung des Bundes oder eines Landes).
[Schon klar. Es ging an dieser Stelle aber nicht darum, alle diese Möglichkeiten aufzuzeigen, sondern darauf hinzuweisen, dass sich diese Regelungen mit der Aufstellung des neuen Kommandos nicht ändern. Insofern habe ich das verkürzt dargestellt. T.W.]