Friedensforschungsinstitut befürchtet mehr Atomwaffen, mehr Atomkriegsgefahr
Nach Jahrzehnten der Bemühungen um nukleare Abrüstung befürchtet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI eine wieder zunehmende Aufrüstung mit Atomwaffen. Zudem sei die Gefahr eines Atomkriegs seit den schwierigsten Zeiten des Kalten Krieges nicht mehr so hoch gewesen.
Das Institut kommt in einer am (heutigen) Montag veröffentlichten Übersicht zu dem Ergebnis, dass zusammen mit der nuklearen Aufrüstung auch die Gefahr eines Einsatzes steige. Alle nuklear bewaffneten Staaten vergrößern oder modernisieren ihr Arsenal, und die meisten verschärfen die nukleare Rhetorik und die Rolle, die Atomwaffen in ihren Militärstrategien spielen, warnte Hans Christensen, der am SIPRI-Forschungsprogramm zu Massenvernichtungswaffen beteiligt ist und das Nuklear-Informationsprojekt der Federation of American Scientists leitet.
Nach der Übersicht des Stockholmer Instituts existierten Anfang dieses Jahres weltweit 12.705 atomare Sprengköpfe, von denen rund 9.440 in Militärdepots für einen Einsatz bereitgehalten wurden. Rund 2.000 dieser Atomsprengköpfe wurden (und vermutlich: werden) in hoher Einsatzbereitschaft gehalten – fast ausschließlich in Russland und den USA.
Die nutzbaren Nuklearwaffen dieser beiden Atommächte seien trotz aller Angaben zur Abrüstung praktisch in gleicher Zahl wie in den Vorjahren vorhanden, erklärte SIPRI. Die abgerüsteten Nuklearwaffen seien überwiegend veraltet gewesen und deshalb ausgemustert worden. Beide Länder hielten sich an die Obergrenzen des New START-Abkommens, das allerdings nur die strategischen und nicht die so genannten taktischen Atomwaffen umfasse.
Russland und die USA verfügen unverändert über 90 Prozent aller Atomwaffen weitweit. Allerdings seien die anderen sieben Atomwaffenstaaten – China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea – entweder dabei, ihr Arsenal zu modernisieren oder hätten das angekündigt. Wenn es keine schnellen und konkreten Schritte zur Abrüstung gebe, werde die Zahl der Atomsprengköpfe weltweit bald erstmals seit dem Ende des Kalten Krieges wieder steigen, sagte der SIPRI-Wissenschaftler Matt Korda.
Dem stünden auch die öffentlichen diplomatischen Bemühungen um eine Eindämmung der Gefahr eines Atomkireges nicht entgegen, warnte SIPRI. Zwar sei im vergangenen Jahr der Atomwaffenverbotsvertrag in Kraft getreten, ebenso wurde das New START-Abkommen zwischen Russland und den USA um fünf Jahre verlängert. Außerdem seien die Gespräche mit Iran über ein Abkommen, das die nukleare Bewaffnung des Landes verhindern soll, wieder in Fahrt gekommen.
Ungeachtet dessen hätten aber die fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats, die alle auch Atommächte sind (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich), die Modernisierung ihrer Nuklearwaffen fortgesetzt und die Bedeutung dieser Waffen betont – bis hin zu mehr oder weniger offenen Drohungen Russlands im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine. Auch hätten diese fünf Länder einhellig den Atomwaffenverbotsvertrag abgelehnt. Obwohl es im vergangenen Jahr signifikante Fortschritte sowohl bei der Rüstungskontrolle als auch bei der Abrüstung gab, scheint die Gefahr eines Einsatzes von Atomwaffen derzeit höher denn je seit den Hochzeiten des Kalten Krieges, warnte SIPRI-Direktor Dan Smith.
Im neuen SIPRI-Jahrbuch, aus dem die Einschätzung zur Lage der Atombewaffnung stammt, wird auch auf Deutschland Bezug genommen: Zwar hat die Bundesrepublik in internationalen Verträgen auf den Besitz solcher Waffen verzichtet. Im Rahmen der so genannten Nuklearen Teilhabe wäre aber die Bundeswehr gegebenenfalls beteiligt, US-Nuklearwaffen ins Ziel zu bringen.
Das Kampfflugzeug, das die Luftwaffe derzeit dafür vorsieht, ist der schon etwas ältere Tornado – und der wird, laut SIPRI, bei der geplanten Modernisierung der US-Atombomben nur noch begrenzt genutzt werden können. Die neuen Bomben des Typs B61-12 sollen sich zwar präziser ins Ziel bringen lassen und damit den nuklearen Fallout verringern; die entsprechende Steuerung lasse sich aber mit dem Tornado nicht nutzen:
The USA has completed development of the new B61-12 guided nuclear bomb, which will replace all existing versions of the B61 (both strategic and nonstrategic). (…)
Certification training by the air forces of the countries where the bombs will be based is likely to begin in 2023. The new version is equipped with a guided tailkit that enables it to hit targets more accurately, meaning that it can use lower yields against targets and thus generate less radioactive fallout.
Operations to integrate the incoming B61-12 on existing USAF and NATO aircraft continued in 2021. The USAF plans to integrate the B61-12 on seven types of aircraft operated by the USA or its NATO allies: the B 2A, the new B 21, the F 15E, the F 16C/D, the F 16MLU, the F 35A and the PA200 (Tornado).
The Tornado’s age prevents it from using the B61-12’s new guided tailkit function, and the aircraft will instead deliver the B61-12 as a ‘dumb’ bomb akin to the older B61-3s and B61-4s. Germany plans to retire its Tornado aircraft by 2030, and would require a new dual capable aircraft if it intended to remain part of NATO’s nuclear sharing mission.
Neben dem Alter der deutschen Tornado-Flotte ist das offensichtlich ein weiterer Grund für die vorgesehe Beschaffung der F-35 für die Bundeswehr.
(SIPRI-Factsheets werden nachgetragen)
(Archivbild August 2017: A KC-10 Extender refuels a B-52H Stratofortress from the 2nd Bomb Wing, Barksdale AFB, La. – U.S. Air Force photo by Louis Briscese)
Was macht eigentlich die kurzfristig abgesagte Vertragskonferenz zum Atomwaffensperrvertrag? Gibt’s dafür schon einen neuen Termin? „Irgendwann nach Russland/Ukraine“?
Gerade im Kontext des russisch-ukrainischen Krieges sieht man, dass die Atomwaffen nur dann eine abschreckende Wirkung haben, wenn sie beide Kriegsparteien besitzen.
Sie verhindern leider keinen konventionellen Krieg, wie von Befürwortern immer wieder wieder gerne behauptet, sondern lediglich einen atomaren Konflikt zwischen den Atommächten.
Wir stehen da auch mit NT nicht in der ersten Reihe und mit der späten Lieferung der F-35A ab 2027 können wir die neue Freifallbombe erst verspätet voll nutzen.
@Der Realist
Selbst Gregor Gysi hat zwischenzeitlich bekannt, dass die Ukraine wohl nicht von Russland angegriffen worden wäre, hätte sie ihre Atomwaffen nicht abgetreten (ironischerweise ebenfalls an Russland). Freilich ist auch dies eine friedensstiftende Wirkung, die die Friedensbewegung stets bestritten hat.
Wurde jemals behauptet, die atomare Bewaffnung der Länder A und B würde Land B daran hindern, Land C anzugreifen? Zunächst einmal gilt es festzustellen: Noch vor hundert Jahren hätte ein Angriff wie der Russlands auf die Ukraine fast mit Sicherheit einen Weltkrieg ausgelöst, denn das atlantische Bündnis hätte dem Expansionismus Russlands schon aus eigenem Interesse gewaltsam Einhalt geboten.
Heute hingegen laufen Land A und seine Alliierten wie auf Eierschalen, und auch die ungleich aggressivere Politik von Land B entspricht (noch?) nicht dem Eskalationsgrad, der uns seit Monaten angekündigt wird. Weder die Generalmobilisierung, noch auch der versprochene Atombombentest zum 9. Mai, haben stattgefunden. Trotz seiner widerwärtigen Rhetorik zeigt auch der Kreml Angst vor einer Eskalation.
Ich sehe nicht, dass die Situation heute volatiler wäre als während des Kalten Krieges. Im Endeffekt wird die wirtschaftliche Integration Russlands gerade teilweise rückabgewickelt, darüber hinaus scheint es aber fraglich, ob wir in puncto Konfrontation auch nur das Ausmaß der Schäden erreicht haben, die bspw. die Sowjets den Amerikanern in Vietnam zugefügt haben, oder die Amerikaner den Sowjets in Afghanistan.
Obendrein halte ich es für zweifelhaft, dass das de facto faschistisch regierte Russland des Jahres 2022 wirklich gefährlicher ist als die UdSSR, wie immer öfter behauptet wird. Der Putinismus ist nicht aus dem Nichts aufgetaucht, seine Ideologie wird auch von den Kommunisten in der Duma getragen, und selbst die KPdSU verfolgte – auch nach dem Tode Stalins – einen aggressiv nationalistischen, xenophoben Kurs.
Putin ist ein Sowjet-Apparatschik reinsten Wassers, für dessen Ansichten in Russland schon immer Raum war. Aus dem Untergang der Sowjetunion lernend, hat er eine integrative Synthese der vorherrschenden Anti-Gefühle geschaffen und einen muffigen kleinen Bunker errichtet, in den sich alle flüchten können, die Gewalt als Mittel zur Durchsetzung ihrer Ideologie, oder zum „Ruhm“ der Nation, befürworten.
Es mag scheinen, als säße er dadurch fester im Sattel – weil auf den Schultern einer breiteren Mehrheit –, aber letztendlich stellen die (bisherige) wirtschaftliche und politische Erholung Russlands nur eine Dosis Ritalin dar, die auch ihm prinzipiell abgeneigte Kräfte zum Stillhalten verleitet (oder, mangels Erfolgsaussichten, zwingt).
Putin vergleicht sich gerne mit Stalin; letzterer hat den Großen Vaterländischen beendet, ersterer die Misere der 1990er. Na und? Stalin war dennoch auf Terror angewiesen, um seine Herrschaft zu schützen, und die UdSSR ist am Ende dennoch kollabiert. Putins Lorbeerkranz wird eines Tages genauso welk sein.
All dies heißt aber auch: Wir wissen, zu welchen Rezepten wir greifen müssen, denn Putin hat keine radikal neuen Verhältnisse geschaffen, sondern versucht lediglich, die Uhr auf den 10.03.1985, 0:00 Uhr zurückzudrehen. Infolgedessen sorge ich mich persönlich nicht darum, ob wir Antworten auf Putin finden werden, sondern nur darum, ob wir Politiker wählen, die sie auszusprechen bereit sind.
Der Ukraine Krieg wird diese Entwicklung wohl beschleunigen, auch wenn der Hype um die Atomwaffendrohungen des Kremls etwas abgeebbt sind. Russland wird wohl nicht Müde damit zu drohen, sollte es eroberte Gebiete wieder verlieren.
Die Zar Putin „der Wicht“ Reden lassen die innere Verfassung Russlands immer zweifelhafter werden, aber hoffentlich gehört das auch alles zur Show.
In der Ukraine stirbt eben die Non-Proliferation.
Jeder Potentat sieht, wie Europa vor dem Atomwaffenarsenal Putins kauert und der Ukraine die Hilfe vorenthält, die sie braucht: Kampfpanzer
Jeder noch so friedliebende Staat sieht wie die Ukraine vergewaltigt wird und bei zentralen Aspekten aus Angst vor Putins Atomwaffenarsenal beinahe hilflos zurückgelassen wird.
Jeder Potentat und jeder friedliebende Staat wird nach Atomwaffen streben. Wer Non-Proliferation retten will, der rettet die Ukraine.
@AoR sagt: 13.06.2022 um 10:40 Uhr
Zustimmung.
Nur der Vollständigkeit halber der Verweis, dass Putin das Werk vollendet, welches George W. Bush 2003 im Irak begonnen hat.
Die Non-Proliferation ist bereits seit dem 2. Irakkrieg und Libyen gestorben.
Jeder Potentat sieht nach Nord Korea und dass die USA/NATO dort hilflos sind während andere gerne mal Opfer eines regime changes werden und der westliche Wohlstand trotzdem ausbleibt bzw alles noch schlimmer wie vorher ist wie zb in Libyen.
Vermutlich könnte man sogar noch weiter in der Geschichte zurück gehen als der Iran im Iran-Irak Krieg mit chemischen Waffen angegriffen wurde und die Weltgemeinschaft inkl. UdSSR und USA da mehr als zwei Augen zugedrückt hat.
Wer keine nukleare Großmacht auf seiner Seite hat ist im Zweifelsfall Opfer oder besitzt eine eigene strategische Abschreckung. Das war auch vor der Ukraine schon der Fall, nur jetzt ist es halt in der Nachbarschaft
@muck
„darüber hinaus scheint es aber fraglich, ob wir in puncto Konfrontation auch nur das Ausmaß der Schäden erreicht haben, die bspw. die Sowjets den Amerikanern in Vietnam zugefügt haben, oder die Amerikaner den Sowjets in Afghanistan.“
Es sieht ja aber nicht so aus, dass der Krieg bald zuende geht, sondern eher der Abnutzungskrieg gerade erst voll in Gang kommt.
@AoR
„Jeder Potentat und jeder friedliebende Staat wird nach Atomwaffen streben.“
Atomwaffen bauen ist gar nicht so schwer, mit fortschreitender Technisierung, können das bald Bastler in einer gut bestückten Werkstatt hinkriegen. (es gibt bereits simple Kernreaktoren aus Hobby arbeit).
Schwerer ist es, genügend waffenfähiges Plutonium dafür zu gewinnen und hierüber kann wohl noch einige Zeit die Verbreitung eingedämmt werden. Aber irgendwann brauchen wir als Menschheit echte Lösungen, damit nicht doch irgendwann mal ein Verrückter den roten Knopf drückt. Und ich denke auch, dass aktuell Putin nicht ernsthaft Atomwaffen im Erstschlag einsetzen würde.
Schon gar nicht, solange er mit Belarus zusammen Chancen auf einen zweiten Angriff auf Kiew hat. Aber in einer für ihn (persönlich) völlig aussichtslosen Lage?
Was wir derzeit sehen ist doch das Gegenteil. Sicher bist du nur mit Atomwaffen und der Bereitschaft sie bei einem Angriff auch einzusetzen. Ja, es braucht noch nichtmal den Einsatz, alleine die Drohung Putins reicht ja schon um einige westliche Politiker zu lähmen. Jedes Land, besonderes die „Bösen Buben“, wird alles tun welche zu erlangen, wenn sie noch keine haben.
ich glaube nicht, dass westliche Politiker von Putins Drohung gelaehmt sind, die sieht ja wohl jeder als (altbekannte) Psyops-Taktik die Putin und seine Schergen immer mal wieder anwenden, aber niemanden mehr beeindruckt (ausser Markus Lanz und solche, die halt immer irgendein Thema brauchen fuer ihre jeweiligen Laberrunden)
@TomCat Zweifellos! Die Doktrin der nuklearen Abschreckung Russlands und der Ukraine (hypothetisch) ist ähnlich:- die Existenz gefährdet! (Wie Putin denkt – „wir sind ein Volk und Mentalität) SIPRI haben keinen Zugang zu unseren Geheimnissen ( „die gar keine“…) aber das sich ändernde internationale Umfeld, könnten für Israel gute Gründe darstellen, eine Revision seiner nuklearen Doktrin zu erwägen.) Regards.
@K.B, Machiavelli: Internationales Recht ist eine bewegliche Masse und auch „wir“ haben dazu beigetragen, dass sie in die falsche Richtung abgleitet. Putin tritt eben die Überreste von „Ordnung“ in die Tonne. Denn je weniger glaubwürdig durchgesetzte Regeln, desto einfacher haben es Potentaten.
In Syrien hätte Obama die Chance gehabt ein hartes Exempel zu statuieren: wer ABC Waffen einsetzt spielt automatisch in einer anderen Liga und hat im Gegenschlag ABC zu erwarten. DAS wäre die effektivste non-proliferation gewesen.
Die Messe „Atomwaffenabrüstung“ ist doch längst gelesen.
Nachdem die einzige (!) Atommacht, die jemals ihre Atomwaffen abgegeben und dafür weitreichende „Garantien“ der USA bekommen hat von Russland angegriffen und trotz allem bereits vor 6 Jahren teilannektiert wurde, ist doch jedem klar, dass niemand mehr Atomwaffen abgeben oder die Forschung zur Erlangung derselben einstellen wird.
Nur Atomwaffen sichern die territoriale Unverhandelbarkeit des eigenen Landes. Punkt.
Und je „wahnsinniger“ der jeweilg Potentat/das jeweilige Regime ist, desto kürzer ist die jeweilige „Lunte“, die zum Einsatz der Waffen führen könnte.
Das ist eine allgemeine Beobachtung, die jeder Mensch dieser Welt, der Zugang zu Informationen hat, machen kann. Gut, dass SIPRI dieselben Beobachtungen gemacht hat…..
@Martin Schröder
Atomwaffen-Sperrvertrag bezeichnet ein Memorandum vom 05.03.1970. Dieses Memorandum und Vertragswerk wurde im Laufe der Jahre fortgesetzt und wurde am 31.07.1991 als START bezeichnet, Strategic Arms Reduction Treaty. Der letzte Stand ist NEW-START vom 03.02.2021,ratifiziert von den USA und Russland. Laufzeit bis 03.02.2026. Also 5 Jahre. Dann sehen wir weiter.
Hilft das Protokoll in diesen Zeiten und bei dieser Weltlage weiter.
Kleiner Trost : sowohl TW als auch ich haben diese Zeiten überlebt und sind in das atomare Zeitalter hineingewachsen. Man nimmt die Risiken wahr, lernt aber auch damit zu leben
[Wir haben zwar beide überlebt, wissen aber auch, dass der Atomwaffen-Sperrvertrag, genauer der Nonproliferation Treaty, kein Memorandum, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag ist und START was anderes, nämlich ein bilaterales Abkommen? T.W.]
Der Besitz von A-Waffen schreckt potenzielle Angreifer ab. Dieses Postulat dürfte unwidersprochen bleiben. Viele Staaten entwickeln deshalb ihre vorhandenen bzw. streben überhaupt nach A-Waffen, um ihre +/-Diktatur – egal, ob nun politisch, religiös oder kleptokratisch motiviert – zu schützen. Internationales Vertragswerk wie z.B. der Atomwaffen-Sperrvertrag usw. wird dabei negiert. Und die internationale Staatengemeinschaft hat keinerlei „robuste“ Handhabe dagegen. Wenn z.B. ISR bei Nacht und Nebel eine iranisches Atomanlage bombardiert, um die dortige Entwicklung zu bremsen, dann wird das recht schnell weltweit verurteilt. Obwohl insgeheim ein Stossseufzer „Danke“ haucht.
Leider funktioniert dies alles nicht mehr länger, denn immer neue Länder liebäugeln mit der Bombe. Und wenn RUS in Gestalt von offiziellen Politikern DE konkret mit A-Waffen droht, dann wäre eine nationale Diskussion über eigene atomare Abschreckung schnellstens angebracht, oder nicht? Und wenn – was insbesondere seit dem Abbau von Ü-Kameras im IRA vor 3 Tagen zu befürchten ist – der IRA über A-Waffen verfügt, so muss davon ausgegangen werden, dass neben Saudi-Arabien et al. insbesondere die Türkei ebenfalls die Bombe entwickeln werden. So oder so, die europäischen Länder mit DE an der Spitze haben de facto auf Dauer keine andere Möglichkeit, als selbst aus den o. g. (obsoleten) Verträgen auszuscheiden und ihre technologischen Fähigkeiten für die eigene atomare Bewaffnung – inclusive der Schaffung von geeigneten weitreichenden Trägern dafür – einzusetzen. Sich lediglich auf amerikanische, französische oder britische Kapazitäten zu verlassen – ach herrje!
[Hui, große Worte. Sie sind sich bewusst, dass Sie den 2+4-Vertrag über die deutsche Einheit als obsolet bezeichnen? T.W.]
@Der Realist
F35A ab 2027 Büchel ETSB Taktisches Luftwaffengeschwader
Bitte realistisch bleiben : kennen Sie einen deutschen Luftwaffen-Piloten, der eine solche ‚Freifallbombe‘ nach einem entsprechenden Befehl ins Zielgebiet fliegen würde? Ich auch nicht. Die Frage ist also rein akademischer hypothetischer Natur.
Die psychische Belastung ist natürlich für ein reales Einsatzszenario exorbitant hoch. Solche Themen hat die Bw bereits in den 70iger und 80iger Jahren beschäftigt. Damit startet weder ein Panavia Tornado – noch eine F35A mit einer Nuklearwaffe und einem deutschen Piloten.
Der militärisch geführte Schlagabtausch mit Nuklearwaffen dient allein Ultima Ratio dem Zweitschlag. Und dient in aller erster Linie der Abschreckung.
Kommt es dennoch einmal zum militärisch geführten Schlagabtausch mit Atomwaffen, kommt die US U-Boot Waffe, aktuell die Boote der Ohio SSBN Klasse, zum Einsatz. Davon könnten etwa 12 Boote weltweit in Rotation sein. Jedes Boot mit jeweils 24 Trident Nuklearraketen. Jede Rakete hat 17 Sprengköpfe. Bedeutet : ein Boot kann 408 Ziele im Idealfall erreichen und bekämpfen. Reichweite ca 7.800km. Treffgenauigkeit ca 10 Meter. Eine Großstadt würde damit völlig zerstört werden.
Kommt es einmal zum militärisch Schlagabtausch, den wir uns alle nicht wünschen, wird Büchel sofort ausgeschaltet durch Beschluss mit Marschflugkörper. Vielleicht nicht die beste Idee der Luftwaffe, ausgerechnet dort alle neuen F35A stationieren zu wollen.
@TW
Völkerrechtlicher Vertrag
Danke für die Präzision der juristischen Definition. Bleibt zu hoffen, dass sich die Staaten an die juristische Bindung dieses Vertrages halten würden
@T.W.: Das Dilemma für ehrliche Parteien besteht darin, sich an Verträge zu halten – um irgendwann feststellen zu müssen, dass sich der andere Vertragspartner nicht daran hält und eine Überlegenheit zu seinem Vorteil rigoros ausnutzt. Hätte ein Vertragspartner dagegen zuvor offiziell seinen Rücktritt vom Vertrag erklärt, dann wäre das juristisch gangbar. Verträge kann man offiziell kündigen.
Und was ist die Realität?
1) Das Budapester Memorandum vom 5.12.1994 sicherte der UKR die staatliche Unabhängigkeit sowie explizit die Respektierung der bestehenden Grenzen zu! Unterzeichnet u.a. von UK, USA und – um bei Ihren Worten zu bleiben: Hui! – von RUS! Wie sich RUS an seinen Vertrag hält, wird seit Anfang der 2000-er Jahre in der Ost-Ukraine, 2014 auf der Krim und seit Ende Februar 2023 in der Rest-Ukraine deutlich.
2) Mit der heimlichen Entwicklung der russischen 9M729-Cruise Missle sowie ihrer dann laut verkündeten Stationierung in Kaliningrad – und der später ebenso laut bejubelten Schlag-Reichweite bis London oder Paris (ca. 1.500km Luftlinie) – hat RUS z.B. den INF-Vertrag „obsolet“ gemacht, so dass die USA ihn 2018/2019 letztlich kündigten. Also was? Sollte INF dennoch von den USA eingehalten werden? Ein Vertrag ist eine 2- oder mehrseitige verbindliche Willenserklärung. Wenn sich nur eine Seite daran hält, ist es kein Vertrag mehr.
3) „Viele frühere Rezepte für die Weltpolitik, sei es zur Konfliktbewältigung oder zur Auflösung natürlicher Widersprüche, sind nicht mehr länger anwendbar. Sie scheitern oft, und neue sind noch nicht ausgearbeitet.“
-> Dieses Zitat stammt von Wladimir Putin von einer internationalen Konferenz in Sotchi 2017.
So klang Putin auf internationaler Bühne im Jahre 2017! Ihr Einwand mit dem 2+4- Vertrag scheint unter Würdigung der o.g. Fakten nicht akzeptabel zu sein. Deshalb habe ich ja geschrieben, ob eine diesbezügliche offene politische Diskussion nicht dringend notwendig wäre.
@T.W
Da haben Sie Dr. Frank Sauer heute bestimmt sehr glücklich gemacht. ; )
@Sandro Valecchi
„kennen Sie einen deutschen Luftwaffen-Piloten, der eine solche ‚Freifallbombe‘ nach einem entsprechenden Befehl ins Zielgebiet fliegen würde?“
Nein. Aber ich hoffe leider, alle, die dafür in die Maschinen steigen, täten das. Zumindest sollten wir das glauben. Sonst funktioniert nämlich die nukleare Abschreckung nicht und wir können Büchel dichtmachen und müssen keine F35 kaufen.
In Büchel stehen im übrigen keine strategischen Waffen sondern „taktische“. Es gab zu dem Thema eine hervorragende Folge beim Podcast.
@Bow
Das ist leider eine Falschinformation
Die erste Nuklearmacht die freiwillig auf ihre Atomwaffen verzichtet hat war 1991 Südafrika. Die hatten aber auch einen „etwas größeren“ politischen Umbruch und keine benachbarten Feinde die konventionell eine Gefahr waren.
Was die ehemaligen Sowjetrepubliken angeht, das standen auch noch neben der Ukraine Atomwaffen in Weißrussland und Kasachstan.
Jetzt zu fabulieren dass die Ukraine ihre Waffen hätte behalten sollen würde auch bedeuten dass Weißrussland und Kasachstan ihre behalten hätten. Niemand wollte damals vier unsichere Kantonisten mit Atomwaffen und in den USA hat Bush sogar versucht die Sowjetunion zu retten um das zu vermeiden.
Leider wurde in den letzten 30 Jahren das internationale Recht von so ziemlich allem Seiten missachtet, deshalb schielen jetzt immer mehr Länder zur Bombe.
Jetzt fehlt halt die Glaubwürdigkeit sich wieder darauf zu berufen, das Ergebnis kurzfristiger Politik welches uns in Zukunft noch öfters von hinten beißen wird
Bow sagt:
13.06.2022 um 17:07 Uhr
Auch wenn ich es schon ein- oder zweimal irgendwann gepostet hatte:
Nur theoretisch ist die Ukraine mit ihrer Unabhängigkeit als Standort ehemals sowjetischer Nuklearwaffen zur damals drittgrößten Atommacht der Welt geworden. Aber: Gegen die westliche Welt gerichtete Atomwaffen bei damals leerer Staatskasse langfristig warten zu müssen oder gar von Moskau zu erwarten, die Kontrolle (schwarze Koffer) über sie aus den Händen zu geben, spricht doch stark gegen die Annahme einer echten, ukrainischen Atommacht. (Mehr Infos unter https://www.dw.com/de/die-vergessenen-garantien-für-die-ukraine/a-18110670)
Wenn man so will, entsprachen die „Garantien“ des Budapester Memorandums dem Status der damaligen „Atommacht“ Ukraine…
@Militäröknonom: Nun mein Vorschlag wäre gewesen, zumindest mit den USA, GB und Frankreich mal wegen Ausbau Zweitschlagsfähigkeit U-Boot zu sprechen. Das Problem, kippt 2+4, dann freuen sich maximal die Reichsbürger, weil dann sind wir wieder ein „Besetztes Land“.
@Sandro Valecchi
„Bitte realistisch bleiben : kennen Sie einen deutschen Luftwaffen-Piloten, der eine solche ‚Freifallbombe‘ nach einem entsprechenden Befehl ins Zielgebiet fliegen würde?“
Dienen Sie?
Vom Parlament abgesegnet…Befehl und Gehorsam…nur mal so am Rande.
Ethik ist ein anderer Punkt.