Dokumentation: „Ein 8. Mai wie kein anderer“ – Ansprache von Bundeskanzler Olaf Scholz
Zum Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa am 8. Mai 1945 hat Bundeskanzler Olaf Scholz an die Lehren des damaligen Krieges erinnert. Der Satz ‚Nie wieder Krieg‘ bedeute angesichts des laufenden russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, sich auf die Seite der Angegriffenen zu stellen, sagte Scholz in einer der – seltenen – Fernsehansprachen des Regierungschefs.
Zur Dokumentation der Wortlaut der Rede, die am (heutigen) Sonntagabend auch bei mehreren Fernsehsendern ausgestrahlt werden sollte:
Liebe Mitbürgerinnern und Mitbürger!
Heute vor 77 Jahren endete in Europa der Zweite Weltkrieg. Das Schweigen der Waffen am 8. Mai 1945 glich einer Friedhofsruhe – über den Gräbern von mehr als 60 Millionen Frauen, Männern und Kindern.
Millionen von ihnen sind auf den Schlachtfeldern gefallen. Millionen sind in ihren Städten und Dörfern, in Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet worden. Deutsche haben dieses Menschheitsverbrechen verübt.
Umso schmerzhafter ist es mitzuerleben, wie heute, 77 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, erneut rohe Gewalt das Recht bricht, mitten in Europa. Wie Russlands Armee in der Ukraine Männer, Frauen und Kinder umbringt, Städte in Schutt und Asche legt, ja selbst Flüchtende angreift.
Für mich ist dies ein 8. Mai wie kein anderer.
Deshalb wende ich mich heute an Sie.
Wir können nicht an das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa erinnern, ohne der Tatsache ins Auge zu sehen: Es herrscht wieder Krieg in Europa. Russland hat diesen Krieg entfesselt.
Einst kämpften Russen und Ukrainer gemeinsam unter größten Opfern, um Deutschlands mörderischen Nationalsozialismus niederzuringen.
Deutschland hat sich damals schuldig gemacht, an beiden Nationen, der russischen wie der ukrainischen.
Mit beiden streben wir seit Jahrzehnten nach Aussöhnung.
Nun jedoch will Russlands Präsident Putin die Ukraine unterwerfen, ihre Kultur und ihre Identität vernichten.
Präsident Putin setzt seinen barbarischen Angriffskrieg sogar mit dem Kampf gegen den Nationalsozialismus gleich. Das ist geschichtsverfälschend und infam. Dies klar auszusprechen, ist unsere Pflicht.
Doch damit ist es nicht getan.
Es war der militärische Sieg der Alliierten, der der nationalsozialistischen Diktatur in Deutschland ein Ende setzte.
Wir Deutsche sind dafür bis heute dankbar!
Daher konnte der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 vom 8. Mai als „Tag der Befreiung“ sprechen.
Aus der katastrophalen Geschichte unseres Landes zwischen 1933 und 1945 haben wir eine zentrale Lehre gezogen. Sie lautet: „Nie wieder!“
Nie wieder Krieg.
Nie wieder Völkermord.
Nie wieder Gewaltherrschaft.
Und doch ist es wieder passiert – Krieg in Europa. Darauf hat der ukrainische Präsident Selenskyj heute hingewiesen.
In der gegenwärtigen Lage kann dies nur bedeuten: Wir verteidigen Recht und Freiheit – an der Seite der Angegriffenen. Wir unterstützen die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor.
Das nicht zu tun, hieße zu kapitulieren vor blanker Gewalt – und den Aggressor zu bestärken.
Wir helfen, damit die Gewalt ein Ende finden kann.
Daher haben wir in den vergangenen Tagen und Wochen weitreichende und schwierige Entscheidungen getroffen – zügig und entschlossen, durchdacht und abgewogen.
Wir haben nie dagewesene Sanktionen gegen die russische Wirtschaft und die russische Führung verhängt, um Putin von seinem Kriegskurs abzubringen.
Mit offenen Armen haben wir hunderttausende Ukrainerinnen und Ukrainer aufgenommen. Hunderttausende, die vor der Gewalt in ihrer Heimat bei uns Zuflucht finden.
Hilfsorganisationen leisten erste Unterstützung, Schulen und Kitas richten Willkommensklassen ein, Bürgerinnen und Bürger nehmen Geflüchtete bei sich zuhause auf.
Für diese enorme Hilfsbereitschaft überall in unserem Land danke ich Ihnen von Herzen!
Und – wir haben erstmals überhaupt in der Geschichte der Bundesrepublik Waffen in ein solches Kriegsgebiet geschickt, in großem Umfang – und immer sorgfältig abwägend auch schweres Gerät.
Das setzen wir fort.
Ich kann mir gut vorstellen, wie sehr diese Entscheidungen viele von Ihnen bewegen.
Schließlich geht es buchstäblich um Krieg und Frieden.
Um unsere historische Verantwortung
Um maximale Solidarität mit der angegriffenen Ukraine.
Um die Sicherheit unseres Landes und unseres Bündnisses.
Diese Ziele miteinander in Einklang zu bringen – dieser Aufgabe stellen wir uns Tag für Tag.
Dass wir als Land über Fragen solcher Tragweite intensiv miteinander diskutieren, ist gut und legitim.
Zur Demokratie gehört auch, solche Kontroversen in „Respekt und gegenseitiger Achtung“ zu führen. Darauf hat der Bundespräsident in seiner Rede heute Morgen zu Recht hingewiesen.
Aus vielen Äußerungen, die ich dieser Tage höre, spricht ernste Sorge. Sorge auch davor, dass sich der Krieg ausweitet, dass der Frieden auch bei uns in Gefahr geraten könnte.
Es wäre falsch, das einfach abzutun. Solche Sorgen müssen ausgesprochen werden können.
Gleichzeitig gilt: Angst darf uns nicht lähmen.
Ich habe Ihnen geschildert, was wir tun, um Recht und Freiheit zu verteidigen in der Ukraine und in ganz Europa. Das ist sehr viel.
Und zugleich tun wir nicht einfach alles, was der eine oder die andere gerade fordert. Denn: Ich habe in meinem Amtseid geschworen, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden.
Dazu zählt, unser Land und unsere Verbündeten vor Gefahren zu schützen.
Vier klare Grundsätze folgen daraus für die Politik:
Erstens: Keine deutschen Alleingänge! Was immer wir tun, stimmen wir auf das Engste mit unseren Bündnispartnern ab – in Europa und jenseits des Atlantiks.
Zweitens: Bei allem, was wir tun, achten wir darauf, unsere eigene Verteidigungsfähigkeit zu erhalten! Und: Wir haben entschieden, die Bundeswehr deutlich besser auszustatten, damit sie uns auch in Zukunft verteidigen kann.
Drittens: Wir unternehmen nichts, was uns und unseren Partnern mehr schadet als Russland.
Und viertens: Wir werden keine Entscheidung treffen, die die NATO Kriegspartei werden lässt. Dabei bleibt es!
Dass es keinen Weltkrieg mehr geben soll – erst recht keinen zwischen Nuklearmächten – auch das ist eine Lehre des 8. Mai.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
ich kann Ihnen heute noch nicht sagen, wann und auf welche Weise Russlands grausamer Krieg gegen die Ukraine enden wird.
Klar ist aber: Einen russischen Diktatfrieden soll es nicht geben.
Den werden die Ukrainerinnen und Ukrainer nicht akzeptieren – und wir auch nicht.
Selten standen wir mit unseren Freunden und Partnern so
geschlossen und geeint da wie heute.
Ich bin zutiefst überzeugt:
Putin wird den Krieg nicht gewinnen.
Die Ukraine wird bestehen.
Freiheit und Sicherheit werden siegen – so wie Freiheit und Sicherheit vor 77 Jahren über Unfreiheit, Gewalt und Diktatur triumphiert haben.
Dazu nach Kräften beizutragen, das bedeutet heute „Nie wieder“!
Darin liegt das Vermächtnis des 8. Mai.
(Der Wortlaut wurde vom Bundespresseamt übermittelt)
So geht Führung!
Am Rande: Panzerfaust und Ausbildung Kurden ;)
Eine sehr besonnene Ansprache des Bundeskanzlers und dafür gilt ihm zu danken.
Gut, dass er sich nicht in die einreiht in diejenigen, die über alle möglichen Medien und Formate öffentlich „Waffenkunde“ betreiben. Es ist mehr als peinlich, wenn sich Mitglieder des Deutschen Bundestages laufend und nahezu immerwährend als „kundige Waffenexperten“ in den Vordergrund drängen.
Es gab mal ein Buch von John F. Kennedy mit dem Namen „Zivilcourage“. Irgendwann in den 50ern erschienen. Allein der Titel spricht für sich.
Ich habe das so gelernt: Eine Situation erfassen, sie analysieren, bewerten und daraus einen Entschluß ziehen.
Genau das vermisse ich in dieser Rede. Diese Rede war bemüht keine greifbare Aussage zu treffen. Schade.
Politiker, insbesondere Aussenpolitiker, haben die grundsätzliche Aufgabe durch reden, verhandeln und überzeugen einen Konflikt zu klären. Haben Politiker keine Worte mehr, greift der militärische Einsatz. Aktuell gilt es den gordischen Knoten aufzudröseln und ihn eben nicht mit dem Schwert zu zerschlagen. Die großen Diplomaten sind auf dem Parkett gefragt. Die Strippenzieher, die weltweit die Marionetten bewegen.
Kann mir einer erklären, weshalb sich die vereinten Nationen so beflissentlich heraushalten? Irgendwie gehen gerade alle in Deckung oder wenden sich ab. Verstehe ich nicht.
[Ihre Meinung ist Ihre Meinung. Aber weder den Besuch des UN-Generalsekretärs in Moskau und Kiew, die – selbst von Russland eingeräumten – Bemühungen um die Evakuierung von Zivilisten aus Mariupol sowie die mehrfachen Sitzungen des UN-Sicherheitsrats und den Beschluss der UN-Generalversammlung auch nur zur Kenntnis zu nehmen, geht doch ein bisschen weit. T.W.]
Leider ist Scholz ein Meister dessen, und es nervt mich jeden Tag mehr. Allein seine Verrenkungen damals in Washington, nur um nicht „Nord Stream 2“ sagen zu müssen, oder kürzlich von „Waffen mit erheblicher Wirkung“ zu reden, weil er „schwere Waffen“ nicht in den Mund nehmen wollte, waren nur noch peinlich mitanzusehen. Ich denke, dass diese Art von Reden letztlich auch die wohlwollendsten Menschen in die Politikverdrossenheit treiben.
Gute Rede, wenn auch wenig neues. Aber vielleicht genau richtig. Erinnert mich an Thirteen Days, als sich Kennedy auch nicht treiben ließ.
„Millionen von ihnen sind auf den Schlachtfeldern gefallen. Millionen sind in ihren Städten und Dörfern, in Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet worden.“
Bin ich der einzige dem was bei dem Satz auffällt und massiv missfällt? Hätte ich bei einem SPD Kanzler nicht für möglich gehalten.
Auch das „Präsident Putin“ geseiere….Ernsthaft? Immernoch so tun als wäre der Präsident eines demokratischen Russlands?
@zu alt: als Ergänzung zu TWs Kommentar sei noch auf den Raketenangriff auf Kiew verwiesen, als der UN Generalsekretär aus Moskau in Kiew eingetroffen war. Besser kann man doch nicht zeigen was man von Diplomatie, UN und Weltgemeinschaft hält, oder?
[Verstehe ihre Eingangssätze nicht. Und dass Putin der russische Präsident ist, muss man nicht mögen, aber an der Tatsache ändert das ja nichts. T.W.]
@zu alt. Offensichtlich zu alt, um sich im Internet zurechtzufinden.
141 von 193 UN-Nationen haben die Kriegsverbrechen russlands ausdrücklich verurteilt. Enthalten haben sich primär afrikanische Staaten, die es mit den Menschenrechten nicht so genau nehmen.
Nachzulesen auf https://news.un.org/en/
Zum Vergleich: Am Zweiten Weltkrieg waren „nur“ 60 Nationen beteiligt.
Das Perfide ist halt, dass russland eine Vetomacht ist.
Die Rede packte in zehn Minuten alles rein was moralisch rein mußte. und was zeitlich reinpaßte. Eine professionelle Rede an die Nation in einer unüblichen Situation. Selbst wer sich eine andere Rede wünschte muss rational betrachtet zugeben dass keine andere möglich gewesen wäre.
Hätte er die Rede nur an mich gerichtet hätte ich deutlich stärkere Betonung der kommenden Schwierigkeiten erwartet, konkret dass der Welt über den Krieg hinaus eine Hungersnot, Energiekrise und Wirtschaftskrise droht und dass dies mindestens so viel Aufmerksamkeit wie der Krieg selbst benötigt sonst werden bei diesen Krisen noch mehr Menschen als in der Ukraine um Leben, Wohl und Gut gebracht. Hingegen hätte ich es auch für Quatsch gehalten in der Rede über Kaliber und Tonnage zu reden. Interessiert Otto Normalverbraucher garnicht.
Vor dem Bundestag, vor dem Heer, vor der Industrie, vor den Verbündeten oder schlicht vor Fachpublikum darf man natürlich mehr Substanz verlangen. Und da habe ich durchaus eine hohe Erwartungshaltung, mit Plattitüden kann man bei diesem Publikum nicht punkten.
Am Rande, meine Unwissenheit mir beinahe peinlich aber meine 80jährige Mutter musste mich auf einen Youtube-Kanal für Laien-Sicherheitspolitik aufmerksam machen den ich nie vorher zur Kenntnis genommen hatte und der durchaus amüsant-lehrreich ist. „Die GROSSE AUFRÜSTUNG Europas: GEFAHR oder CHANCE? – VisualPolitik DE“ oder „Was macht die RUSSISCHE ARMEE so INEFFEKTIV? – VisualPolitik DE“ sind Beiträge die man Otto Normalverbraucher bei Fragen ohne begleitende Erklärungen hinwerfen kann. Davon abgesehen… diese Hemden! Der Typ schlägt beim Mode_un_geschmack selbst Sascha Lobo im Dunkeln noch um Längen!
Herr Wiegold, wenn das hier nicht reingehört, einfach weg damit.
Herr Wiegold, ich hätte mich vielleicht etwas umfangreicher ausdrücken müssen, wollte aber nicht zu sehr O.T. gehen.
Es geht hier nicht um meine persönliche Meinung, vielmehr um meine subjektive Wahrnehmung aus der Presse.
Die Vereinten Nationen haben sich seit Jahrzehnten schwer getan Entscheidungen zu treffen und durch zu setzen. Wir kennen das aus dem kalten Krieg, als in regelmässiger Routine sowohl die USA als auch die Sowjetunion wegen irgendwas ein Veto eingelegt hatten.
Jetzt stehen wir wieder an einem kritischen, historischen Punkt. Und es gab ja ein sehr klares, deutliches Statement vor zwei (?) Monaten. 141 Staaten haben sich der Ukraine zugewandt, 35 unentschieden und eine Handvoll dagegen. Ich weiss die genauen Zahlen jetzt nicht mehr.
Natürlich gab es seither Bemühungen. Ich will die Vereinten Nationen nicht der Untätigkeit verurteilen. Ich stelle aber bis heute eine Hilflosigkeit fest. Eine, die seit ihres Bestehens andauert. Ich stecke nicht in der Materie drin, und lese auch nicht jeden Artikel der erscheint.
Aber ich erhoffe mir von den Vereinten Nationen wiederholt ein deutliches Statement gegen das Handeln der russischen Föderation. Der Spiegel hat ja zuletzt berichtet, dass die UN ich auf einen minimal Konsens geeinigt hat.
Meine Frage war an die gerichtet, die vielleicht aus dem Alltag dieser internationalen Politik erklären können.
Wir stellen doch fest, dass man alles unternimmt, diesen Konflikt auf den europäischen Kontinent zu begrenzen. Und die westlichen Staaten in Europa sehen sich damit überfordert. Die USA werden in diesem Fall Distanz aufrecht erhalten. Die Osteuropäer verlangen mehr als gut wäre, Indien und Südamerika sind abhängig von Russland. Und China will sich partout nicht in die Karten gucken lassen.
Russland aber befindet sich in einem rückwärtsgewandten Weltverständnis. Wir leben nicht mehr in der Zeit der Blockbildung. Im Zeitalter der Globalisierung hängen wir alle voneinander ab und müssen miteinander auskommen.
Und daher wünsche (nicht verlange) ich mir von den Vereinten Nationen mehr deutliche Solidarität in so einer Krisensituation.
Russland hat einen so tiefen Graben gezogen, dass er auf Jahrzehnte nicht mehr aufzufüllen sein wird. Wozu?
Ich interpretiere das so, dass Putin eine fast panische Angst davor hat, dass der Westen ihm Land wegnimmt, das eigentlich ihm zusteht, und er will die Ukraine für dieses „familiäres“ Fremdgehen bestrafen.
Hat sich schon mal jemand gefragt weshalb Putin sich so schnell die Krim einverleibt hat? Das ging so fix, wie bei einem Dieb, der nicht möchte, dass man ihm in die Taschen guckt. Was ist dort auf der Krim? Das ist nicht nur die Schwarzmeerflotte. Da ist etwas, dass der Rest der Welt nicht sehen soll. Putin will auf Teufel komm raus nicht, dass die Ukraine sich dem Westen zuwendet.
Heute gab es auch ein G7-Statement:
https://www.g7germany.de/resource/blob/997532/2037622/9b7e172802d7f502afba8bb55527b49d/2022-05-08-g7-erklaerung-data.pdf?download=1
Weils auch im TV lief verorte ichs mal hier.
Bei Anne Will sagte gerade ein ungewohnt ruhiger Ukr. Botschafter das Brasilien wohl seine 35mm nicht abgibt (vlt verleihen…kriegste danach wieder…) und die Geparden uninterressant geworden sind.
Im Westen nichts Neues. Es klingt für mich wie das einschwören auf einen Stellungskrieg.
Mal schauen was Russland am 9. Mai verlauten lässt, welche Handlungen erfolgen.
Die Spekulationen sind ja in den letzten 2 Wochen in die Höhe geschossen…
Da Bundeskanzler Scholz durchaus auch Zugriff auf Nachrichtendienste hat, würde ich sagen… Man erwartet doch nicht viel, Stellungskrieg.
Mal gucken ob es so kommt… In 48 Stunden sind wir schlauer.
Ich finde die Ansprache sehr gelungen.
Er geht auf die deutsche Verantwortung ein, die aus unser eigenen Vergangenheit heraus noch stärker ausgeprägt ist, als bei unseren Verbündeten.
Gleichzeitig stellt er klar, dass deutsche (oder eben auch andere) Alleingänge der Situation schaden und man deshalb alle Entscheidungen sehr eng abstimmt.
Und er nimmt die Sorgen der Bürger wahr, dass der Krieg sich auch bei uns, eventuell sogar nuklear entwickeln könnte und man alles versucht, dies zu verhindern.
@ Dominik
Was genau missfällt Ihnen denn in den beiden von Ihnen zitierten Sätzen?
Der Anfang der Rede war gut.
Der Schluss liegt mir irgendwie quer: bei dem Wortpaar Freiheit und Sicherheit wird meist darauf hingewiesen, dass man nicht beides absolut haben kann. Dass wer auf auf 100% Sicherheit fährt, am Ende keine Freiheit mehr haben wird.
In den letzten 20 Jahren (“Krieg gegen den Terror”) bezog sich das auf freiwillig eingeschränkte Bürgerliche Freiheiten und dafür (vermeintlich) erhöhte Innere Sicherheit.
Hier geht es nun um äußere Sicherheit und Freiheit von Fremdherrschaft: da scheint zwischen Freiheit und Sicherheit kein Widerspruch zu bestehen.
Aber das gilt doch nur so lange, wie die Abschreckung klappt. Wenn der Krieg erst einmal ausgebrochen ist, ist es mit der Sicherheit dahin. Zur Wiedererlangung der Freiheit, muss dann auf Sicherheit erstmal verzichtet werden! Da muss man den Bürgern schon reinen Wein einschenken.
Und da ist die derzeitige Situation zwischen Ukraine und Deutschland eben unterschiedlich: die Ukraine hat bereits die Sicherheit und die Freiheit verloren, und muss jetzt um die Wiedererlangung der Freiheit kämpfen, unter Risiko des Lebens und damit der Sicherheit ihrer Bürger.
Man könnte argumentieren, das Deutschland ebenfalls auf (Versorgungs-) Sicherheit verzichtet zur Wiedererlangung des politischen Handlungsspielraums, der politischen Freiheit gewissermaßen.
Man könnte aber auch andersherum argumentieren, dass Deutschland mit seiner eher zögerlichen Haltung bisher einen Teil seiner (politischen Handlungs-) Freiheit geopfert hat, um seine Sicherheit nicht zu gefährden (= Nicht Kriegspartei werden wollen).
Einfach zu sagen: Am Ende werden schon Freiheit und Sicherheit obsiegen, verschweigt den schwierigen Prozess und den Interessenkonflikt.
Der Interessenkonflikt zwischen Ukraine und Deutschland verschwindet erst dann weitgehend, wenn Deutschland Kriegspartei wird auf der Seite der Ukraine!
Aus taktischen Gründen muss man natürlich eine geschlossene Front präsentieren, und so tun als hätte Putin keinen Hebel mehr auf unsere zukünftigen Entscheidungen. – In Wahrheit aber ist immer noch Putin am Zug. Scholz hingegen muss die die Entscheidung (Kriegspartei zu werden) aus taktischen Gründen so lange wie möglich offen halten, ein Ziehen von Roten Linien verbietet sich, gleichzeitig aber muss er sich im Geheimen Rat seines Gewissens sehr wohl darüber klar werden, wo die Rote Linie läge, und was dann Plan A und Plan B wären.
I’m Zweifelsfall fällt die Entscheidung aber eh in Washington als Reaktion auf die Aktionen Putins.
Das ist ja gerade das Dramatische, um nicht zu sagen das Tragische: zur Aufrechterhaltung unserer Ethik marschieren wir am Ende dann doch in den (gerechten) Krieg!
Und im Krieg wird am Ende (wie immer) jede noch so hohe Werte-Ethik dann doch wieder verraten: sowohl im Nebel und Getümmel des Kampfes, als am Ende bei den hässlichen Kompromissen der Friedensverhandlungen.
Die Oper ist erst zu Ende, wenn die dicke Frau singt,..
@all:
Ja, man kann Bundeskanzler Scholz vorwerfen, sich um bestimmte Begrifflichkeiten herumdrücken zu wollen. Das macht er aktuell auch bei anderen Themen – und das hat er früher schon so gemacht.
Aber: Wer hier in diesem Forum erinnert sich nicht an die Wortklaubereien seiner Vorgänger(in) bzw. der diversen Verteidigungsminister, die das Wort „Krieg“ wie die Pest mieden, als sie die ersten toten deutschen Soldaten zu beklagen hatten, die bei Auslandseinsätzen ums Leben kamen …
Das ist halt so im politischen Alltag – und sollte meines Erachtens nicht überbewertet werden.
Noch ein Satz benötigt Weiterdenken:”Einen russischen Diktatfrieden soll es nicht geben!”
Gut zu Wissen, dass man schonmal über den Frieden nachgedacht hat.
Wir stellen der Ukraine einen Blankoscheck aus. Das ist taktisch und moralisch das einzig Richtige.
Aber was bedeutet es am Ende?
Wir (er)warten, dass Putin die Weiße Fahne hisst, und alle gehen auf Start zurück? Wir (er)warten, bis beide Seiten völlig erschöpft sind, und den Willen den Kampf fortzusetzen verloren haben? Und so lange sehen wir zu, weil wir ja keine Kriegspartei werden wollen. – Natürlich sehen wir nicht zu: wir schicken Waffen, damit die Ukrainer weiterkämpfen können, so lange sie lustig sind, (und zahlen der Ukrainischen Regierung die Rechnungen mit Geld, damit wir selbst nicht mit Blut zahlen müssen.)
Am Ende, wenn alles kaputt ist, müsste man einen Kompromiss schließen: den hätte man aber auch vorher haben können, und man hätte ihn anstelle mit dem Leben der Bürger “nur” mit Kompromissen auf der politischen Ebene bezahlt, die russischen Interessen mehr Rechnung getragen hätten (- Neutralität / Verzicht auf NATO und EU-Beitritt).. – Das sähe dann doch wieder sehr nach “Diktatfrieden” aus, weil man den “Vorteil” des Kompromisses (den Verzicht auf Tod und Zerstörung) ja nun nicht mehr konsumieren kann.
Also wird so lange gekämpft, bis Putin tot ist? Und wenn der Ukraine vorher die Puste ausgeht? Wer springt in die Bresche, um die Schmach eines “Diktatfriedens” zu vermeiden? – Der Böse darf nicht gewinnen, und wenn die Welt darüber zu Grunde geht!
Das Rettende wächst mit der Not? – Mir scheint, die Not ist noch nicht groß genug – weil: ich seh da noch nichts wachsen…
“Eier! Wir brauchen Eier!”
Zu alt sagt:
„Diese Rede war bemüht keine greifbare Aussage zu treffen.“
Genau das macht Scholz seit vielen Jahren aus und ich finde, dass er mit diesem Verhalten der Verantwortung seines Amtes schlicht nicht gerecht wird.
@ Der Realist:
„Millionen sind in ihren Städten und Dörfern, in Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet worden.“
Das Sterben in den Städten und Dörfern mit dem Sterben in den Konzentrations und Vernichtungslagern zu vergleichen. ein einfaches Wort wie „gestorben“ bezüglich der Toten in Städten und Dörfern hätte den Unterschied ausgemacht. Kann auch einfach sein, dass die SPD nur noch Grütze-RedenschreiberInnen hat…..
„Millionen sind in ihren Städten und Dörfern gestorben und noch schlimmer X Mio Menschen in Konzentrations- oder Vernichtungslagern ermordet worden.“ so als Vorschlag, X=6 Mio Juden, wieviele waren es nochmal insgesamt? bitte eintragen.
Schön auf „Bombenholocaust“ Niveau von AFD/NPD in Dresden, die Toten in den Städten/Dörfern mit den Toten in den Konzentrationslagern auf eine Ebene „ermordet“ gebracht.
Vielleicht bin ich auch nur sprachlich zu empfindlich geworden hier im Osten der Nation, aber sowas darf einem deutschen Bundeskanzler in einer Rede an die Nation nicht passieren.
@Zu alt:
Das hat schlichte wirtschaftliche und militärstrategische Gründe. Die Sowjetunion kontrollierte vor ihrem Zerfall eine Reihe wichtiger Einfallstore für fremde Mächte bei einem (angenommenen) Angriff mit Zielrichtung Russland. Die Ukraine ist ein wesentliches davon. Und zwar nicht nur die Ostukraine, sondern auch der Westen, wie bereits der II. WK gezeigt hat. Die Krim hat darüberhinaus auch erhebliche Bedeutung hinsichtlich natürlicher Ressourcen, da die ökonomische Zone der Ukraine (mit Krim) wesentliche vermutete Erdgasvorkommen im Schwarzen Meer beinhalten würde. Wenn es Putin gelänge, die gesamte Ukrainische Küste auf unbestimmte Zeit zu annektieren, dann wäre das alles de-facto russische Wirtschaftszone.
Dass die Ukraine kurzfristig unabhängig von russischem Gas oder Öl wird, wäre für Russlands ohnehin eher siebtklassige Wirtschaft nachhaltig desaströs. Also muss die Ukraine einverleibt werden. Das Baltikum ist im Übrigen ebenfalls für Russland entsprechend strategisch bedeutsam. Dass tatsächlich niemand vorhat, Russland ohne Not anzugreifen und wir eigentlich viel lieber Handel treiben würden, ist dabei offenbar egal. Russland will diese strategische Größe der Sowjetunion über Leichen voran zurück. Deshalb ist der aktuelle Konflikt nur die Vorstufe, über kurz oder lang wird auch das Baltikum zum Ziel russischer Expansion und Aggression werden – mit allen daran hängenden Konsequenzen einer direkten Konfrontation mit der NATO. Russland spielt dabei im Wesentlichen auf Zeit. Und solange diese Strategie nicht aufgegeben wird (unabhängig von der Person Putins, m.E., der ja auch nicht unendlich im Sattel bleiben wird).
Die jetzige Konzentration auf den ukrainischen Osten ist im Übrigen nur eine dem militärischen Misserfolg geschuldete Finte, weil die eigentlichen Kriegsziele aktuell nicht mehr erreicht werden können. Jeder Frieden, der wie auch immer russischen Einfluss auf die dortigen Gebiete festschriebe, wäre auch nur ein vorübergehender Zustand und für Russland Atempause zur Vorbereitung einer späteren, endgültigen Annexion der gesamten Ukraine (aus besagten strategischen Beweggründen). Und in der Folge die weitere Expansion.
Scheibchenweise wird das russische Großreich wieder errichtet. Ohne Rücksicht auf die Interessen der umliegenden Länder.
@Dominik
an dem Punkt den Vergleich mit der rechten Rethorik zu ziehen finde ich seltsam. Es sollte doch eigentlich klar sein, dass Scholz damit die Morde außerhalb der Lager mit einbezogen hat (Erschießungen durch Einsatzgruppen direkt vor Ort, Vergeltungsmaßnahmen an der Zivilbevölkerung usw….) und keinen Bezug auf die Bombardierung deutscher Städte genommen hat.
Alles in allem war dier Rede in Ordnung. Er hat nochmal klargemacht, dass Deutschland sich seiner Verantwortung bewusst ist, und dass man den Weg, zusammen mit der Ukraine und den Partnern, bis zum Ende durchziehen wird. International ist die Rede scheinbar auch durchweg positiv aufgenommen worden.
@ Dominik
Ich glaube Sie haben da falsche Bezüge herausgelesen. Sie müssen den Folgesatz mit betrachten. Mit den „ermordeten“ in den Städten und Dörfern bezieht sich Scholz m .M. n. auf die Opfer deutscher Kriegsverbrechen oder zumindest des skrupellosen Vorgehens während des verbrecherischen Eroberungsfeldzuges insbesondere auch in der Ukraine und Russland. Dieses von Deutschen begangene Menschheitsverbrechen nimmt er nämlich zum Ausgangspunkt für seine Aussagen zur deutschen Verantwortung für die Nachkriegsordnung in Europa, für die enge Abstimmung mit den Verbündeten, das von ihm quasi als Staatsräson postulierte „Nie wieder!“ etc.. Insofern halte ich seine Begrifflichkeit für im Sinne der Rede zutreffend und die Rede als ganzes für nachvollziehbar durchstrukturiert. Er hat alle wesentlichen Felder der öffentlichen Debatte angesprochen und die Grundlagen für das Handeln und die Entscheidungen seiner Regierung benannt, ohne sich dabei in Details und Einzelfragen zu verlieren, so wie ich es dem Rahmen einer solchen Rede für angemessen erachte.
@ Dominik
Ich glaube, Sie verwechseln da etwas.
Die Schuld bezieht sich auf andere Länder und die Bürger die dort durch deutsche Hand oder Befehl ermordet wurden. Hier seien z.B. die unrühmlichen Einsätze der Waffen SS und der Wehrmacht in den östlichen Staaten genannt, bei den man die Bewohner ganzer Dörfer ermordet hat, um Platz für deutsche unfreiwillige Siedler zu schaffen. Stichwort deutsche Kornkammer.