Deutsche Panzerhaubitzen für die Ukraine (Zusammenfassung)

Gemeinsam mit den Niederlanden will Deutschland der Ukraine die ersten gepanzerten Waffensysteme aus westlicher Produktion liefern. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht kündigte an, dass die Ukraine sieben Geschütze des Typs Panzerhaubitze 2000 aus Deutschland erhalten soll. Zuvor hatten bereits die Niederlande fünf solcher Systeme zugesagt. Die Ausbildung soll gemeinsam bei der Bundeswehr erfolgen.

Die deutsche Bereitschaft zur Lieferung der Panzerhaubitzen hatte sich bereits seit Tagen abgezeichnet, auch wenn nach Lambrechts Worten noch am vergangenen Mittwoch keine Entscheidung gefallen war. Am (heutigen) Freitag gab die deutsche Ministerin die Planung bei einem gemeinsamen Besuch mit ihrer niederländischen Kollegin Kajsa Ollongren in der Slowakei bekannt:

Lambrecht PzHaubitze2000 06mai2022     

 

Die Niederlande hatten ihre Absicht bereits am 26. April öffentlich bestätigt. Dabei war auch klar, dass die Ausbildung der Ukrainer an diesen Geschützen in Deutschland erfolgen sollte, da die niederländischen Streitkräfte dafür keine eigene Ausbildungseinrichtung haben und auch ihre Artilleristen an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein ausbilden.

Die Ausbildung soll nach Angaber der Ministerin in der kommenden Woche beginnen. In den vergangenen Tagen hatten die Streitkräfte dafür nach Soldat*innen mit ukrainischen oder russischen Sprachkenntnissen gesucht, da das Bundessprachenamt dafür nicht genügend Dolmetscher bereitstellen kann.

Formal kommen die sieben deutschen Panzerhaubitzen nicht aus dem Verfügungsbestand der Truppe, sondern aus dem Pool der Geschütze, die derzeit bei der Heeresinstandsetzungslogistik zur Instandsetzung stehen. Das Heer nutzt derzeit 112 Panzerhaubitzen; die sieben waren eigentlich dafür vorgesehen, die so genannte Zielgröße von 119 dieser Geschütze in der Truppe zu erreichen.

Mit der Entscheidung über die Abgabe der Panzerhaubitze geht Deutschland einen weiteren Schritt bei der Unterstützung der Ukraine. Bisher hatte die Bundesregierung keine schweren Waffensysteme aus dem Bestand der deutschen Streitkräfte zur Verfügung gestellt – die ebenfalls zur Lieferung anstehenden Flugabwehrkanonenpanzer Gepard gehören nicht der Bundeswehr, sondern werden von der Industrie geliefert.

Bereits zuvor hatte die Ukraine bei der deutschen Industrie Interesse am Kauf der Panzerhaubitze 2000 angemeldet. Allerdings könnten diese neuen Geschütze voraussichtlich erst in mehr als zwei Jahren geliefert werden.

Unklar ist bislang, wie viel und vor allem welche Munition die Ukraine mit den dann zwölf Systemen der niederländischen Streitkräfte und des Deutschen Heeres erhalten wird. Auch wird voraussichtlich eine wichtige Frage, wie die Haubitzen in die Feuerleitung der ukrainischen Streitkräfte eingebunden werden können: Ein wesentliches Merkmal dieser selbstfahrenden Geschütze ist die Einbindung in Datennetze, die die Effektivität deutlich erhöht.

Die Panzerhaubitzen sind nicht die ersten Geschütze, die die Ukraine aus dem Westen erhält: Allein die USA hatten 90 Haubitzen zugesagt, von denen ein großer Teil bereits in die Ukraine geliefert worden sein soll. Dabei handelt es sich allerdings nicht um selbstfahrende, gepanzerte Systeme, sondern um Geschütze, die mit einem anderen Fahrzeug gezogen werden müssen. Die Ausbildung daran hatten die USA bereits auf dem Übungsplatz Grafenwöhr in Bayern begonnen.

Zur Ergänzung die Aussagen dazu in der Bundespressekonferenz, von Kapitän z.S. David Helmbold für das Verteidigungsministerium:

Frage: Ihre Ministerin hat angekündigt, dass sieben Systeme der Panzerhaubitze 2000 aus Beständen der Bundeswehr, die sich aber in der Instandsetzung befinden, an die Ukraine geliefert werden sollen. Können Sie etwas zum Zeithorizont sagen, bis diese Systeme in der Ukraine zur Verfügung stehen könnten, vorausgesetzt, dass die Ausbildung bis dahin abgeschlossen sein wird?

Helmbold: Wie Sie richtig sagen, befinden sich die Systeme im Moment bei der HIL Heeresinstandsetzungslogistik GmbH. Sobald die Instandsetzung abgeschlossen sein wird, können sie abgegeben werden. Parallel werden wir gemeinsam mit den Niederlanden mit der Ausbildung in Idar-Oberstein beginnen. Das wird nach Klärung letzter Details voraussichtlich nächste Woche geschehen. Das heißt, dass wir die Prozesse in dem Augenblick parallelisieren können. Darüber, wie es mit Waffenlieferungen am Ende genau aussehen wird, kann ich Ihnen im Moment keine Informationen geben.

(…)

Frage: Mir geht es wieder um die Panzerhaubitzen. Ich würde mich der Frage des Kollegen anschließen. Kann man einen Zeithorizont nennen, wie lange etwa die Ausbildung daran dauert? Das hängt ja auch ein bisschen von dem Ausbildungsstand der auszubildenden Rekruten ab.
Sie sagten gerade, glaube, ich, auch auf die Frage des Kollegen, einen Zeithorizont, wann das dann alles einsatzbereit in der Ukraine ist, gäbe es noch nicht, also auch nicht in etwa, ob das eher ein Monat oder ein halbes Jahr ist. Kann man da irgendetwas sagen?

Helmbold: Zunächst zur Ausbildung: Ich will Ihnen nicht verheimlichen, dass es diesbezüglich Größenordnungen gibt. Wie Sie richtig sagen, kommt es darauf an, mit welchen Vorkenntnissen man kommt. Wir haben auch eine besondere Situation. Das bedeutet, dass man natürlich alles daran setzen wird, solche Ausbildungen möglichst zügig durchführen zu können. Aber eine Größenordnung beträgt bei uns, wenn wir damit ausgebildet haben, in etwa 40 Tage. Dann wird man rund um diese Zahl sehen können, ob man gegebenenfalls beschleunigen kann oder ob gegebenenfalls noch andere Erfordernisse vorhanden sind.
Mit Blick auf Lieferungen und Ähnliches kann ich im Moment keine Details geben. Ich bitte dafür um Verständnis. Bezogen auf die Information werden wir weiterhin vorsichtig sein. Insgesamt sind wir international sehr stark abgestimmt vorgegangen. Aber wenn es um konkrete Lieferungen einzelner Dinge geht, werde ich mich weiterhin bedeckt halten.

Frage: Inwieweit steigt nach Einschätzung des Ministeriums die Wahrscheinlichkeit dafür, dass Deutschland mit dieser Lieferung als Kriegspartei wahrgenommen wird?

Helmbold: Auch bezogen auf die Frage der Kriegsparteien haben wir uns hier schon mehrfach geäußert, sowohl unser Ressort als auch andere. Wir sind weiterhin der Auffassung, dass wir damit keine Kriegspartei werden. Dabei bleiben wir weiterhin.
Die Auffassung ist, denke ich, rechtlich relativ eindeutig. Mit Blick auf subjektive Wahrnehmungen ist das eine andere Fragestellung, die wir hier nicht beantworten. Wir versuchen, uns an Recht und Gesetz zu halten. Das tun wir und werden wir auch weiterhin tun. Da ist, glaube ich, die Aussage relativ klar und wird auch von der gesamten Regierungsbank so vertreten.

Frage: Was bedeutet die Abgabe der Panzerhaubitzen für die Bundeswehr? Wann hätten Sie zum Beispiel aus der Instandsetzung zur Truppe zurückkommen sollen? Wird das, was dadurch dann fehlt, langfristig durch Neubeschaffungen ersetzt?
Wird bei der Instandsetzung anderer Geräte irgendetwas verändert, sodass etwas schneller repariert wird oder zurückkommt? Wie sieht es da aus?

Helmbold: Was Sie ansprechen, ist genau richtig. Die Bundeswehr benötigt ihr Gerät selbst sehr dringend. Die Panzerhaubitze ist auch für uns ein sehr wertvolles Asset; das ist ganz klar. Wir müssen die Landes- und Bündnisverteidigung gewährleisten. Gleichzeitig gilt es, die Ukraine so wirkungsvoll wie möglich zu unterstützen. Dabei gilt es natürlich, eine entsprechende Balance zu wahren.
Wenn Sie sich die Seite der Landes- und Bündnisverteidigung noch einmal genauer ansehen wollen, empfehle ich heute das Video, das Sie auf unseren Seiten finden, mit Oberstleutnant Andrä, der aus der internationalen Battlegroup in Litauen berichtet. Er beschreibt den Anteil der Bündnisverteidigung mit sehr, sehr vielen Dingen.
Mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine halten wir es für richtig und angemessen, jetzt mit sieben Panzerhaubitzen zu unterstützen. Dass wir überlegen müssen, wie wir dafür mittelfristig Ersatz schaffen, ist ganz klar. Aber im Moment präferieren wir dafür diejenigen Systeme, die im Moment bei der Industrie sind und also nicht unmittelbar aus dem einsatzfähigem Bestand der Bundeswehr kommen. Das ist insgesamt eine ausgewogene und sinnvolle Lösung, um sowohl die Landes- und Bündnisverteidigung zu gewährleisten als auch dem größten Druck, der im Moment in der Ukraine besteht, gerecht zu werden.

Zusatzfrage: Wann hätten diese Panzerhaubitzen zur Bundeswehr zurückkehren sollen?

Helmbold: Dazu habe ich im Moment keine Details für Sie.

(Ein Hinweis für alle, die ganz genau hinschauen: Ja, die USA haben gepanzerte M113-Truppentransporter zugesagt; die Formulierung ‚die ersten gepanzerten Waffensysteme aus westlicher Produktion‘ halte ich dennoch für gerechtfertigt.)

(Archivbild September 2013: Eine Panzerhaubitze 2000 bei der ersten gemeinsame Informations- und Lehruebung (ILÜ) von Heer und Streitkraeftebasis der Bundeswehrr in Munster – Michael Gottschalk/ photothek.net )