Die (gar nicht so) neue Debatte: Mehr Geld für die Bundeswehr, mehr Schlagkraft?

Der russische Krieg gegen die Ukraine hat in Deutschland die Debatte über den Ausrüstungsstand und die Schlagkraft der Bundeswehr neu aufflammen lassen – und über die Frage, wie es mit dem deutschen Verteidigungshaushalt weitergehen soll. Eine – unvollständige – Übersicht (auch damit die Diskussion über den Ukraine-Krieg nicht von diesem nationalen Thema überlagert wird):

• Gleich am ersten Tag des Krieges hatte am (gestrigen) Donnerstag Heeresinspekteur Alfons Mais den, pardon, Startschuss für diese Debatte gegeben. Mit unmissverständlicher Aussage auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn:

Vor allem die Aussage Und die Bundeswehr, das Heer, … steht mehr oder weniger blank da ist das öffentliche Eingeständnis des Chefs der größten Teilstreitkraft der Bundeswehr, dass die deutschen Streitkräfte auf vieles vorbereitet sind, aber nicht auf den Ernstfall.

Nun ist in Kreisen der Bundeswehr, aber auch in der interessierten (!) Öffentlichkeit diese Erkenntnis nicht neu. Schon im vergangenen Jahr hatte das Generalinspekteur Eberhard Zorn auf die Formel gebracht, die Truppe sei geplant einsatzbereit – mit langem Zeitvorlauf zum Beispiel in den Auslandseinsätzen. Schon die Vorbereitung auf den Einsatz als NATO-Speerspitze im vergangenen Jahr, bei dem Deutschland den Kern der so genannten Very High Readiness Joint Task Force (VJTF) stellen wird, hatte gezeigt: Ohne langfristige Planung und ohne das Zusammenleihen von Ausrüstung bei anderen Einheiten ist ein solcher Verband nicht einsatzbereit.

Deshalb, hatte Zorn im vergangenen Jahr im so genannten Eckpunktepapier für eine neue Bundeswehr aufgeschrieben, müsse die Truppe ohne lange Vorlaufzeiten auf eine Konflikteskalation zu reagieren [können], d.h. „Kräfte der ersten Stunde“ insbesondere an den Außengrenzen des Bündnisses einzusetzen. Dafür sei abgestuft eine Kaltstartfähigkeit, eine hohe Reaktionsfähigkeit sowie Durchsetzungsfähigkeit gegen vorhandene gegnerische „Anti-Access/Area Denial (A2/AD)“ Architekturen erforderlich – und damit auch eine hohe Einsatzbereitschaft bereits in Friedenszeiten.

Das ist auch, aber längst nicht nur eine Frage des Geldes. Deshalb ist auch noch offen, ob das offensichtlich gewandelte Bewusstsein in der Bundesregierung reicht, dass die Finanzplanung für den Verteidigungshaushalt der kommenden Jahre überdacht werden muss. Am (gestrigen) Donnerstagabend sagte der FDP-Chef und vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner in der ARD-Sendung Maischberger,  die Bundeswehr sei seit Jahren auf Verschleiß gemanagt worden, und vor allem: Sinkende Verteidigungsausgaben passen nicht mehr in die Zeit.

Das ist vor allem vor dem Hintergrund der Zeitplanung für die Aufstellung des nächsten Bundeshaushalts von Bedeutung. In dieser Woche sollen die Gespräche des Finanzministeriums mit den anderen Ressorts abgeschlossen werden; am 9. März will das Bundeskabinett die Eckpunkte für die aktuelle Haushaltsplanung und für die Finanzplanung der kommenden Jahre festlegen. Absehbar scheint schon jetzt, dass die Forderungen aus dem Finanzministerium von Anfang des Jahres mit Einsparungen im Verteidigungshaushalt so nicht Bestand haben werden.

Aber es geht eben nicht ums Geld allein. Ausstattungprobleme sind ein wesentlicher Teil, schon die können auch mit mehr Geld voraussichtlich nicht kurzfristig, sondern erst über die nächsten Jahre gelöst werden. Die Kaltstartfähigkeit und die hohe Reaktionsfähigkeit, die der Generalinspekteur gefordert hat, hängt sehr stark von den Strukturen und Abläufen in Ministerium und Bundeswehr selbst ab.

Wenn voraussichtlich in den nächsten Tagen die Ankündigung kommt, dass die Bundeswehr im Rahmen der NATO-Unterstützung für die östlichen Mitglieder der Allianz zusätzlich eine verstärkte Kompanie auf den Weg bringt… dann hat schon das einen gewissen Aufwand erfordert, diese gut 100 Soldatinnen und Soldaten zusätzlich zu den ohnehin vorhandenen Verpflichtungen für die NATO Response Force und das NATO-Bataillon in Litauen zu finden, die Abfrage im Heer ging auch nicht über Nacht. Um es mit den Worten von Mais zu sagen: Die Bundeswehr steht mehr oder weniger blank da.

(Foto: Paradeaufstellung beim Besuch von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht bei der NATO Battlegroup in Rukla/Litauen am 22. Februar 2022 – Jörg Volland/Bundeswehr)