Lambrecht ordnet grundlegende Bestandsaufnahme der Bundeswehr an – Strukturplanungen der Vorgängerin gestoppt

Alles auf Anfang: Die mit der Ampelkoalition im Dezember vergangenen Jahres neu ins Amt gekommene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht hat eine grundlegende Bestandsaufnahme von Bundeswehrstruktur und Einsatzbereitschaft bis zum Juni angeordnet. Zugleich stoppte die Amtsspitze die von ihrer Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer eingeleiteten Umstrukturierungen der Streitkräfte.

Im Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart: Die Strukturen der Bundeswehr müssen effektiver und effizienter gestaltet werden mit dem Ziel die Einsatzbereitschaft zu erhöhen. Dazu unterziehen wir Personal, Material und Finanzen einer kritischen Bestandsaufnahme. Darauf bezog sich die neue Staatssekretärin Margarethe Sudhof, die mit Lambrecht ins Ministerium gekommen war, in einem Rundschreiben an Streitkräfte und Behörden der Bundeswehr am (heutigen) Donnerstag.

Nach Sudhofs Anweisung sollen unter Federführung des Stabs Organisation und Revision die Einzelheiten für eine Bestandsaufnahme zusammengetragen werden. Beteiligt werden die Abteilungen Personal für die personelle Einsatzbereitschaft und Führung Streitkräfte für die materielle Einsatzbereitschaft sowie die Haushaltsabteilung. Das Ergebnis der Bestandsaufnahme einschließlich eines Vorschlages zum weiteren Vorgehen ist bis Ende Mai 2022 vorzulegen.

Ausdrücklich nicht weiter verfolgt werden nach Vorgabe der Staatssekretärin die Planungen für Strukturveränderungen, die die vorherige Verteidigungsministerin eingeleitet hatte. Kramp-Karrenbauer hatte im Mai vergangenen Jahres ein Eckpunktepapier für die Bundeswehr der Zukunft vorgelegt, nach denen die Streitkräfte mit einem Umbau der Führungsstruktur vorrangig auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet werden sollten. Dafür sollte sich die Truppe künftig an den Einsatzdimensionen Land, Luft/Weltraum, See und Cyberraum orientieren; die Organisationsbereiche Streitkräftebasis und Zentraler Sanitätsdienst sollten aufgelöst werden und in den anderen Teilstreitkräften aufgehen.

Das Eckpunktepapier scheint inzwischen von der Webseite des Ministeriums gelöscht worden zu sein (wenn es auch in Berichten zur Bundeswehrtagung 2021 erwähnt wird; außerdem gibt es hier eine Sicherungskopie). Sudhoff machte in ihrem Rundschreiben deutlich, dass die darin enthaltenen Überlegungen bis auf Weiteres nicht verfolgt würden:

Während der Bestandsaufnahme sind Veränderungen der Grobstruktur der Bundeswehr ausgesetzt. Entscheidungen zu den in den „Eckpunkten für die Bundeswehr der Zukunft“ postulierten Strukturveränderungen – wie Auflösung von Organisationsbereichen und Neueinrichtung/Verlagerung von Dienststellen – sind nicht getroffen. Im Rahmen der Bestandsaufnahme sind „Leitrationale“ zu entwickeln, an denen Optionen für mögliche strukturelle Veränderungen ergebnisoffen zu bewerten sind.

Auffällig ist bei dieser neuen Bestandsaufnahme, dass zwei für die Strukturen der Bundeswehr zentrale Abteilungen nicht genannt werden: Sowohl die Abteilung Ausrüstung, die dem zweiten beamteten Staatssekretär Benedikt Zimmer unterstellt und für die Rüstungsbeschaffung zuständig ist, als auch die Planungsabbteilung  werden nicht erwähnt. Ebenso, und das ist erst recht auffällig, spielt Generalinspekteur Eberhard Zorn, der im vergangenen Jahr gemeinsam mit der damaligen Ministerin die Strukturüberlegungen vorgelegt hatte, in dieser Bestandsaufnahme keine besondere Rolle.

(Foto: Verteidigungsministerin Christine Lambrecht spricht mit Generalleutnant Martin Schelleis, Inspekteur der StreitkräŠftebasis, und Kommandeurin Oberstleutnant Anja Buresch-Hamann wäŠhrend des ersten Truppenbesuchs beim Logistikbataillon 172 in Beelitz am 14.12.2021 – Maximilian Schulz/Bundeswehr)