Auslandsmissionen der Bundeswehr, Januar 2022: UNIFIL Libanon
Die seit 2006 bestehende maritime Komponente der United Nations Interim Forces in Lebanon (UNIFIL) ist der einzige Marineeinsatz der Vereinten Nationen. Hauptaufgabe ist die Verhinderung von Waffenschmuggel in den Libanon und faktisch die Absicherung der nördlichen Seegrenze Israels. Deutschland ist daran seit 2006 ununterbrochen beteiligt und stellt derzeit mit Flotillenadmiral Andreas Mügge den Kommandeur des maritimen UNIFIL-Anteils.
Mit einer Korvette, derzeit der Braunschweig, Stabspersonal im UNIFIL-Hauptquartier in Naqoura im Libanon und der deutschen Basis auf Zypern stellt die Bundeswehr insgesamt rund 120 Soldatinnen und Soldaten. Darüber hinaus gibt es Ausbildungsabschnitte für die libanesischen Streitkräfte, die allerdings durch die Coronavirus-Pandemie eingeschränkt wurden.
Das aktuelle Mandat (Bundestagsdrucksache 19/29626) ist bis Ende Juni dieses Jahres befristet. Bei der letzten Abstimmung im Juni 2021 stimmten die SPD geschlossen, Grüne und FDP fast geschlossen zu.
Auftrag (Auszug):
Nach Kapitel VII der Charta der Vereinten Nationen ist UNIFIL vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen autorisiert, alle erforderlichen Mittel einzusetzen, um insbesondere folgende Aufträge wahrzunehmen:
– Überwachung der Einstellung der Feindseligkeiten; (…)
– Unterstützung der libanesischen Regierung – auf deren Ersuchen – bei der Sicherung der libanesischen Grenzen und Einreisepunkte mit dem Ziel, das Verbringen von Rüstungsgütern und sonstigem Wehrmaterial in den Libanon ohne Zustimmung der libanesischen Regierung zu verhindern. (…)
Für die beteiligten Kräfte der Bundeswehr ergeben sich daraus unter anderem folgende Aufgaben:
– seegestützte Aufklärung und Überwachung innerhalb des durch die Vereinten Nationen festgelegten Einsatzgebietes von UNIFIL sowie auf Grundlage eines Ersuchens des Libanon an UNIFIL die seegestützte Luftraumüberwachung über dem gesamten Libanon;
– seewärtige Sicherung der libanesischen Küste und Küstengewässer;
– Kontrolle des Seeverkehrs im festgelegten maritimen Einsatzgebiet inklusive Kontrolle der Ladung/Personen an Bord von Schiffen;
– Umleitung von Schiffen im Verdachtsfall;
– maritime Abriegelungsoperationen innerhalb des maritimen Einsatzgebietes;
– Hilfe zur Sicherstellung des Zugangs humanitärer Helfer zur Zivilbevölkerung;
– Lufttransport in das und innerhalb des Einsatzgebietes;
– Eigensicherung und Nothilfe;
– technische Ausrüstungshilfe, militärische Beratung/Ausbildungshilfe für die libanesischen Streitkräfte sowie die Vereinten Nationen;
– Unterstützung bei der Umsetzung und Durchführung der Aufgaben in Stabs-, Führungs -, Verbindungs – und Sicherungselementen sowie in den Bereichen Logistik und Sanität der Mission.
Rechtliche Grundlage:
Die Beteiligung deutscher Streitkräfte erfolgt auf Grundlage von Resolution 1701 (2006) und den Folgeresolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, zuletzt Resolution 2539 (2020) vom 28. August 2020.
(…)
Die libanesische Regierung hat mit Schreiben an die Vereinten Nationen vom 6. September 2006 unter Verweis auf Resolution 1701 (2006) unter anderem um Unterstützung bei der Absicherung der seeseitigen Grenzen des Libanon gebeten.
(Archivbild: Die Korvette Braunschweig läuft im Hafen von Limassol auf Zypern ein – hier allerdings schon im April 2013 – Nicole Griebel/Bundeswehr)
Warum gibt es UNIFIL eigentlich noch? Teilnehmer haben mir versichert, die Mission sei die allergrößte Zeitverschwendung. Mindestens bis 2014 wurde nicht ein einziges Schiff überprüft, und das ist schwerlich seither anders geworden. Weder die Machtgruppen im Libanon, noch die Regierung Israels oder auch nur die ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates wollten eine nur im Entferntesten resolute Operation. Das Ganze kostet nur Geld und verschleißt Mensch wie Schiff.
Na jut, sehen unsere Jungs und Mädels auch mal Zypern. Ist ’ne hübsche Insel.
@muck sagt: 10.01.2022 um 10:56 Uhr
Genau darüber haben wir im Mai 2021 diskutiert:
https://augengeradeaus.net/2021/05/bundeswehr-soll-in-den-einsaetzen-bei-kfor-und-unifil-bleiben/#comments
Die Lage hat sich seitdem nicht verändert, man ist eben dabei.
@muck: Die Antwort ist noch immer die selbe, nämlich damit Israel die Hoheitsgewässer des Libanon in Ruhe läßt.
@Ottone sagt: 10.01.2022 um 12:25 Uhr
Auch die Antwort darauf ist immer noch die selbe, dafür gibt es den Ausbildungsanteil in der Mission. Aber nach 15 Jahren(!) scheint es da keine greifbaren Ergebnisse zu geben. Wenn der libanesische Staat offensichtlich kein Interesse daran hat, die Unversehrtheit seines Staatsgebietes selber zu schützen, dann hat so eine Mission auch keinen Zweck, denn sie hat kein erreichbares Ziel.
Das gilt auch für den Landanteil der Mission, die seit 1978 läuft. Auch die Erweiterung des Mandats 2006
und robustere Mandatierung haben nichts gebracht. Man hat sich eingerichtet.
Umgekehrt wird ein Schuh draus, auch das hatten wir auch schon einmal: Israel würde sich gar nicht über eine wirksame libanesische Marine freuen, die im Zweifel der Hisbollah diente. Abgesehen vom dort mangelnden Geld ist das Grund genug, dem Libanon die für den Schutz von Territorialgewässern und EEZ nötigen Schiff(chen) über den Umweg UN nur zu leihen, inklusive Besatzung. Ohne diese entstünde ein Vakuum welches nicht lange ein solches wäre, mit jeder Menge unerwünschter Folgen.
@Pio-Fritz
Der Libanon ist ein failing state, da gibt es andere Prioritäten als den Küstenschutz (aktuell u.a. Komplettausfall des Stromnetzes).
Bzgl. des Landanteils (und ganz allgemein): da ist Frankreich „gerne“ mit dabei obwohl mir nicht klar ist, welche Interessen heute noch da mitspielen könnten.
@Pio-Fritz
Haben Sie sich mal über die Lage im Libanon informiert? Vor allem seit der Explosion dieser großen Lagerhalle mit beschlagnamtem Nitrat-Dünger?
Der Libanon hat, bei einer Bevölkerung von 6,9 Millionen Menschen, seit 2011 etwa 1,5 Millionen syrische Flüchtlinge aufgenommen. Im Libanon leben auch etwa 400000 aus Israel geflüchtete Palestinänser.
Die Libanon als Staat ist Pleite und konnte sich schon den Wiederaufbau des zerstörten Hafens nicht aus eigenen Mitteln leisten. Politisch ist der Libanon sehr fragil.
Unter dem Aspekt des Waffenschmuggels ist UNIFIL Libanon eine der nutzlosesten UN-Missionen überhaupt. Waffen und Munition für die verschiedenen Extremistengruppen im Land werden auf dem Landweg von Syrien aus in den Libanon geschmuggelt.
Dazu kommt, dass selbst wenn verdächtige Schiffe identifiziert werden, diese nur mit Erlaubnis der Besatzung durchsucht werden dürfen.
Was den Schutz der Seegrenze anbetrifft, so ist die Mission wenigstens zu etwas nütze.
@Schlammstapfer
Ich kenne den Libanon nicht anders als als zerstrittenen Konglomerat von religiösen Volksgruppen. Von denen sich die iranisch unterstützte Hisbollah gerne mit Israel anlegt, einfach so, um Unruhe zu stiften Seit mindestens 40 Jahren aktiver Wahrnehmung.
Da sind ein paar Flüchtlinge mehr oder ein zerstörten Hafen nun wirklich keine herausragenden Ereignisse mehr.
Da kann Unifil noch 50 Jahre dauern, es wird sich nichts ändern, weil kein absoluter Zwang da ist. Die Staatengemeinschaft wird schon helfen. Es ist im Prinzip wie bei Junkies.
How Hezbollah holds sway over the Lebanese state
Hybrid status means power without responsibility
RESEARCH PAPER, 30 JUNE 2021 ISBN: 978 1 78413 480 8
„As a hybrid actor, Hezbollah has risen to become the most influential political organization in Lebanon. It enjoys legitimacy within the Lebanese state, but is able to operate without the accountability required of a state institution and without full responsibility to the Lebanese people.“
https://www.chathamhouse.org/2021/06/how-hezbollah-holds-sway-over-lebanese-state
Ich bin überzeugt davon, dass es den Libanesen ganz gut tut, wenn sich die Hezballah beobachtet fühlt … just my 5 cent.
Denn was vor 10 Jahren galt gilt heute noch, einfach die PP scrollen bis MENA:
Wenn Wasser zum Brandbeschleuniger wird … außen-, sicherheitspolitische und rechtliche Aspekte der globalen Wasserkrise
https://www.studgen.uni-mainz.de/files/2019/02/Barandat_Vortrag_21-04-08.pdf