Sicherheitshalber der Podcast Folge 51: “Hybride Kriegsführung” & “Migration als Waffe” – schwierig! | Der neue Ampel-Koalitionsvertrag
Sicherheitshalber ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 51 sprechen – nein, streiten! – Ulrike Franke, Frank Sauer, Carlo Masala und ich zuerst über die sogenannte hybride Kriegsführung. Woher stammt dieser Begriff? Was bedeutet er – und kann bzw. sollte man so vieles, von Informationen über Gas bis hin zu Migranten, als “Waffen” in diesem “Krieg” einordnen? Die Antworten fallen unterschiedlich, das Gespräch (endlich mal wieder) richtig kontrovers aus. Im zweiten Teil wenden uns dem Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung zu und werfen einen Blick auf einige ausgewählte außen-, sicherheits- und verteidigungspolitische Schlüsselstellen.
Ist schnell besprochen und abgehakt? Denkste! Es gibt einiges zu analysieren und den einen oder anderen kryptischen Formelkompromiss im Detail zu sezieren. Abschließend wie immer der Sicherheitshinweis, der kurze Fingerzeig auf aktuelle, sicherheitspolitisch einschlägige Themen und Entwicklungen – diesmal mit einem italienischen Vorstoß zu FCAS, dem Kauf von EMT durch Rheinmetall, den Auswirkungen des jüngsten russischen Anti-Satelliten-Raketen-Tests und der Duldungspflicht in Sachen Corona-Impfung bei der Bundeswehr (#Impfpflicht).
Hybrid: 00:02:44
KoaV: 00:45:46
Fazit: 01:20:48
Sicherheitshinweise: 01:22:43
Web: https://sicherheitspod.de/
Shop: https://sicherheitshalbershop.myspreadshop.de/
Patreon: https://www.patreon.com/sicherheitspod
Erwähnte und weiterführende Interviews, Literatur und Dokumente:
Intro (in unserer neuen Rubrik “Royales” diesmal…):
Princess Ingrid Alexandra visited special forces and practiced skydiving – The Norway News, 20.11.2021, https://thenorwaynews.com/2021/11/20/princess-ingrid-alexandra-visited-special-forces-and-practiced-skydiving/
Thema 1 – Hybride Kriegsführung
Kelly Greenhill, Weapons of Mass Migration, 2010
https://www.cambridge.org/core/journals/perspectives-on-politics/article/abs/weapons-of-mass-migration-forced-displacement-coercion-and-foreign-policy-by-kelly-m-greenhill-ithaca-ny-cornell-university-press-2010-360p-3500/57CA5EC952869144F00AE50124BFFC41
Mark Leonhard (Herausgeber) Connectivity Wars, 2015 https://ecfr.eu/special/connectivity_wars/
Konstantinos Tsetsos: Neue hybride Bedrohungen, Metis Studie Nr. 26, Juli 2021,
https://metis.unibw.de/de/publications/26-neue-hybride-bedrohungen
Marc Engelhardt, Belarus – Wenn Migration an der EU-Außengrenze zur Waffe wird, DLF Hintergrund, 10.11.2021, https://www.deutschlandfunk.de/belarus-wenn-migration-an-der-eu-aussengrenze-zur-waffe-wird-100.html
Jan Pallokat, Migranten auf der Belarus-Route: Die Krise an der polnischen EU-Außengrenze, DLF Hintergrund, 18.11.2021, https://www.deutschlandfunk.de/migranten-auf-der-belarus-route-die-krise-an-der-polnischen-eu-aussengrenze-dlf-c6a4222d-100.html
Marco Overhaus, Überall Krieg? Warum die Krise an der polnisch-belarussischen Grenze kein hybrider Angriff ist, SWP – Kurz Gesagt, 18.11.2021,
https://www.swp-berlin.org/publikation/ueberall-krieg
Henning Lahmann, Desperate Migrants as “Armed Bands”? A Response to Sari and Hudson, Just Security, 19.11.2021, https://www.justsecurity.org/79284/desperate-migrants-as-armed-bands-a-response-to-sari-and-hudson/
Anrew Higgins et al, How Fake News on Facebook Helped Fuel a Border Crisis in Europe, New York Times, 22.11.2021, https://www.nytimes.com/2021/11/22/world/europe/belarus-migrants-facebook-fake-news.html?smid=tw-share
Bundeszentrale für politische Bildung – Podcast: Netz aus Lügen. Die globale Macht von Desinformation,
https://www.bpb.de/mediathek/340545/netz-aus-luegen
Thema 2 – Koalitionsvertrag SPD/Grüne/FDP (“Ampel”)
Text des Koalitionsvertrages, 24. November 2021
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
Sicherheitshalber Folge 33: Feministische Außenpolitik
https://sicherheitspod.de/2020/09/07/folge-33-feministische-ausenpolitik-flugabwehr-gegen-drohnen-fahigkeitslucke-short-range-air-defense/
Sicherheitshinweise
Carlo: FCAS und Tempest
https://www.reuters.com/markets/europe/fcas-tempest-fighter-jet-programmes-will-merge-italys-air-force-chief-2021-11-23/
Rike: Rheinmetall uebernimmt EMT
https://augengeradeaus.net/2021/11/dronewatch-rheinmetall-uebernimmt-luna-drohnen/
Frank: Russischer Test einer Anti-Satelliten-Rakete
https://www.heise.de/news/Russischer-Satellitenabschuss-Weniger-Truemmer-als-erwartet-Ablauf-wohl-anders-6273600.html
Thomas: Corona-Impfung Bundeswehr
https://web.archive.org/web/20211125133141/https://www.bundeswehr.de/de/aktuelles/meldungen/duldungspflicht-covid-19-schutzimpfung-streitkraefte-5291448
Putin muss nur ein normal begabter Schachspieler sein, da seine Gegenüber schlechte UNO-Spieler sind.
Hier mal noch ein Lesetipp zur russischen Strategie:
http://www.cna.org/CNA_files/pdf/Russian-Military-Strategy-Core-Tenets-and-Operational-Concepts.pdf
Rußland verfolgt eine langfristige Strategie die EU und NATO zu spalten, und seinen cordon sanitaire (insbesondere Belarus und Ukraine) zu erhalten.
Zur Verfolgung dieser Ziele werden mediale, politische, diplomatische, konsularische, wirtschaftliche, militärische, nachrichtendienstliche und weitere Mittel eingesetzt.
Zur Diskussion rundum den Kriegsbegriff:
Daher sprechen andere Beobachter ja von competition.
Wenn man die Logik des anderen Akteurs negiert (oder einem sogar „sch… egal ist“), dann hat man strategisch schon verloren.
Ich bin von der Diskussion auch so „semi-überzeugt“. Man muss natürlich den Begriff hybride Kriegsführung nicht überdehnen, aber man sollte sich schon klar sein, dass Putin Schach in sehr vielen Runden spielt.
Zum Kriegsbegriff, Kriegsbild und der Definition von hybrider Kriegsführung:
https://augengeradeaus.net/2021/01/sicherheitshalber-der-podcast-folge-38-kriegsbild-der-zukunft-frieden-durch-resilienz-brexit-nur-sicherheitspolitisch-kein-fail/#comment-356472
Zur Nomenklaturdebatte ein Bismark Zitat: Lasst uns mit sanften Worten harte Politik machen.
@Memoria
Über all‘ den Diskussionen zur russischen Bedrohung oder was man dafür hält sollte man China nicht außer Betracht lassen. Mein Eindruck ist, daß „die Dienste“ CHN als gefährlicheren Akteur einschätzen, was manches Mal zu einer gewissen Sinophobie führt.
Die Frage ist natürlich, in wie weit sich RUS und CHN in ihrer Positionierung zur NATO und zur EU und in ihren Aktionen abstimmen.
@Hybrid:
Politikwissenschaft = Machtwissenschaft, in der Analyse also die Instrumentalisierung von nicht-militaerischen Faktoren fuer „kriegerische“ (Also den Gegner auch gegen Widerstand zur Erfuellung des eigenen Willens zwingen zu wollen) Zwecke durchaus anerkennen (Dr. Franke), aber in der Bewaeltigung der Herausforderung dem Verursacher/strategischen Wettbewerber die „Reflexive Kontrolle“ verweigern; Resilienz durch eigenes „Framing“ der jew. Herausforderung im Sinne des eigenen strategischen Narrativs (Dr. Sauer).
Die Natur des Krieges bleibt, der Charakter aendert sich: Komplexitaet und Dynamik im menschengemachten Informationsraum (Raum & Zeit nahe null in Sachen Informationsverbreitung) unter der aktuell vorherrschenden „westlichen“ technischen und administrativen Logik ist das Charakteristikum, was aus dem aeltesten Geschaeft der Welt, naemlich alles im strategischen Wettbewerb zu seinen jew. eigenen Gunsten zu instrumentalisieren, eine „Kriegsfuehrung neuster Art“ oder eben den „hybriden Krieg“ macht. Derzeit erlauben wir unseren strategischen Wettbewerbern nahezu uneingeschraenkten Zugriff auf einen absichtlich fuer Nutzer anarchisch-darwinistischen Innformationsraum, in dem das Informationsumfeld von Gruppen und Individuen gezielt mit solchen Botschaften bespielt werden kann, die u.A. prae-existente soziale Konflikte so anheizen, dass ein Staat dadurch ggf. in seiner Lagebilderstellung, politischen Willensbildung und Handlunsgfaehigkeit eingeschraenkt oder als pot. Gegner neutralisiert wird. Wir machen es, auch wegen eigenen ideologischen Selbstbeschraenkungen, die aus einer anderen Epoche stammen („End of history“), unseren Gegnern sehr einfach, sich in unsere Entscheidungsfindungsprozesse einzuschleichen. Fragmentierte Gesellschaften sind anfaellig, siehe auch bei Desinformation rund um COVID-19.
/
@Koalitionsvertrag:
Stimmt: Die Seeheimer denken, uff, nukleare Teilhabe=safe, Trockenknoedel Dr. Muetzenich denkt, uff, Falltuer fuer Ausstieg aus „nuclear sharing“ sauber eingebaut. „Subject to interpretation“. Ich halte allerdings die von Prof. Masala geaeusserte Meinung, so ein Papier waere „nur“ fuer Organisation innerparteiliche Zustimmung in der Phase der Koalitionsbildung interessant, fuer einen Verstoss gegen die Statuten der Anhaenger einer realistischen Repraesentationstheorie, also fuer grob un-politikwissenschaftlich. In einer liberalen repraesentativen Parteiendemokratie ist die sich in den Parteien manifestierende Willensbildung des Volkes doch genau das, was zaehlt. Der Koalitionsvertrag wird weiter Bezugspunkt jeweils innerparteilicher, intra- und interfraktioneller, sowie partei- und ressortuebergreifender Abstimmung, Willensbildung und Entscheidungsfindung fuer die neue Regierung sein.
zu der Diskussion ob Krieg oder nicht: (~ Minute 15:00)
Clausewitz: Krieg als Mittel, um dem Gegner meinen Willen aufzuzwingen.
Migration hier als Mittel, um die Aufhebung der Sanktionen zu erwirken…
Wenn ich mich dann dem Vorredner mit der Einordnung ins 21. Jahrhundert anschließe,
dann lässt sich das Etikett „Hybride Kriegsführung“ schon nicht so ganz leicht vom Tisch wischen…
@Thomas Melber:
Das gesamte Thema nachrichtendienstlicher Aktivität ist weiterhin politisch kaum betrachtet oder verstanden. Obwohl der GRU sogar mitten in Berlin versucht Oppositionelle zu töten.
China ist natürlich auch in diesem Bereich ein Problem. Die Kooperation auch in diesem Bereich wird immer enger.
Insgesamt befinden wir uns in einer Konfliktphase, wie in manchen Hochzeiten des Kalten Krieges, in der Rußland und China versuchen den Westen zu spalten und zu schwächen.
Ob man das nun Krieg nennt oder anders, mag man diskutieren. Entscheidend ist aber die Lage zu verstehen und Antworten darauf zu haben. Das ist dann schon mehr als Resilienz, da diese zumeist reaktiv oder gar passiv ist.
Die Antwort auf diese hybride Kriegsführung ist eine stringente und entschlossene Sicherheitspolitik.
Davon sind wir sehr weit entfernt.
Das müsste erstmal verstanden werden.
Auch eine Sicherheitsstrategie wird daran nicht wirklich was ändern, da die notwendige Mentalität und das Bewusstsein in Politik, Verwaltung und auch weitgehend der Bundeswehr fehlt.
Schön, dass ihr mit 3D-Schach auch diesmal wieder ein bisschen Star Trek habt einfließen lassen. Vllt. wäre mal eine 1-Themen-Folge um den Konflikt zwischen der Förderation und dem Klingonischen Reich möglich. Auch hier geht es (wird es gehen) ja teilweise recht hybrid zu :-)
Ansonsten wieder sehr informative Folge.
Das rappelte aber prima im Karton. Ich spürte sowohl eine voyeuristische Erregung, als auch eine peinliche Berührtheit. Aber letztlich kommt das ja in den besten Familien vor. Ich freu mich schon auf Weihnachten…
Am Ende zählt nur, dass niemand gestorben ist und alle noch heute leben.
Ich finde alle Argumenten stichhaltig und entscheide mich trotzdem für Dr. Frank Sauers Standpunkt. Einfach weil ich es möchte, und daran glaube.
@Memoria
Zu Ihrem ersten Kommentar: Ich glaube um Frank Sauer zu verstehen, muss man sich die Frage stellen was er im Kontext dieser Aussage unter Eigenlogik versteht. Wenn man zu der Eigenlogik eines Gegners Aspekte wie dessen kurzfristige wie langfristige strategischen Ziele zählt, muss man sich natürlich darin hineinversetzen. Ich glaube Dr. Sauer meinte hier allerdings das Bild das Belarus und Russland von der EU und ihrem Mitgliedsländern haben. Belarus glaubt offensichtlich, dass die EU wahnsinnig Angst davor hat oder davor haben müsste Migranten aufzunehmen, beziehungsweise das Migration für die EU schlecht ist und die EU deswegen gar keine andere Wahl hat als sich dafür zu fürchten, aber das ist nicht per se so!
Die Eigenlogik des Gegners zu negieren bedeutet doch in dem Fall nicht den Fehler zu begehen sich von ein paar Strategen in Minsk einreden zu lassen, dass die EU gar keine andere Wahl hätte als zwischen den zwei Optionen zu wählen: A) Die Lage zu eskalieren, die Migranten zurückzutreiben und so belarussischen und russischen Medien hervorragendes Propagandamaterial zu liefern mit denen sie zukünftig auf die vermeintlichen moralischen Doppelstandards des Westen hinweisen können oder aber B) die Migranten aufzunehmen und sich so als vermeintlich „schwach“ zu erweisen, weil es in der Logik von Belarus undenkbar ist, dass die EU die von ihnen geschleusten Migranten einfach nur deswegen aufnimmt, weil sie keine Angst davor haben muss und keine Angst hat Migranten zwecks Stellung eines Asylantrages aufzunehmen und für die Dauer des Verfahrens zu beherbergen.
Das funktioniert aber nur, wenn man die implizite Grundannahme Belarus teilt, dass es für die EU grundsätzlich schlecht wäre Migranten aufzunehmen. Dass die polnische Regierung in den Migranten eine Bedrohung sieht liegt aber allein daran, dass sie auf ihr eigenes xenophobes Weltbild hereinfällt, demnach Menschen aus muslimischen Länder und oder Nahost pauschal eine Bedrohung sind und entsprechend auch jede Migration von solchen Menschen als Bedrohung angesehen werden muss. Ich persönlich kann keine Bedrohung in ein paar Tausend Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien erkennen und ich sehe auch nicht ein warum ich mich davon bedroht fühlen muss nur weil Lukaschenko das von mir möchte.
Ich glaube was Dr. Sauer damit sagen wollte: Nur weil man in Belarus glaubt, dass es die größte strategische Priorität der EU wäre Migration abzuwehren, muss man sich seitens der EU nicht entsprechend verhalten. Welche strategischen Prioritäten die EU hat, wird immer noch in Brüssel und nicht ins Minsk entschieden.
Wenn sich die EU also dafür entscheidet, dass sie in der Situation weiterhin mehr wert darauf legen möchte, dass keine Migranten die EU-Außengrenze überschreiten und das im Moment auch als wichtiger erachtet als den humanitären Notstand an der Grenze zu beenden, dann kann sie das natürlich. Es ist aber einfach nicht sehr klug, weil sie andernfalls sehr viel Glaubwürdigkeit bewahren und hinzugewinnen könnte und im Gegenzug fast nichts zu verlieren hat. Dass diese Option besteht, und sie mit sehr vielen Vorteilen verbunden ist, wird in der Debatte meiner Ansicht nach aber kaum wahrgenommen. Ich glaube die Situation an der Grenze als Krieg zu bezeichnen trägt mit dazu bei.
Ganz allgemein sehe ich auch nicht was in dem Lenken von Menschenmassen in Richtung eines so reichen Kontinent wie Europa, der keinerlei Schwierigkeiten hätte damit fertig zu werden, eine kriegerische Handlung sein soll. Bei der Blendung polnischer Soldaten und der Bewaffnung der Migranten mit Tränengas ist der Sachverhalt nochmal anders. Aber die Gesamtsituation ist hauptsächlich durch die Versuche der Menschen geprägt es über die Grenze zu schaffen und nicht von den vereinzelten Angriffen belarussischer Soldaten auf die polnischen Grenzschützer.
Zum Krieg hier mal Clausewitz:
„Krieg ist ein Kampf zwischen zwei Gegnern, die einander ihren Willen aufzwingen wollen. Nie ist er Selbstzweck, sondern bleibt immer Mittel zu einem politischen Ziel.“
Die Mittel sind heutzutage halt andere als Kanonen oder Panzer.
@TK:
Die Entscheidungen werden nicht in Minsk getroffen, sondern in Moskau.
Die Migranten sind auch nicht einfach so an der Grenze, sondern wurden gezielt vom belarussischen KGB angeworben und dorthin gebracht.
Sie mögen in weiterer Migration kein Problem sehen, in Osteuropa wird das anders bewertet, nicht nur in den Regierungen.
Da schließt sich der Kreis zu meinem Kommentar: Es geht darum Europa zu spalten und das geht sehr gut mit dem Thema Migration.
Diese Strategie sollte man erkennen und verstehen. Deswegen muss man nicht alles Krieg nennen, aber es ist eben eine breite Varianz von Mitteln die eben eine große Grauzone umfasst.
Die auch von Dr. Sauer vorgenommene enge Definition von Krieg nach unserem Verständnis verkennt den Gesamtansatz.
Dies ist ein wesentliches Problem, da wir aufgrund von Denkblockaden (weil nicht sein kann…) nicht mehr nachvollziehen können welches Spiel gespielt wird (Schach vs. UNO).
Die Nutzung von Migranten als politisches Druckmittel ist übrigens nicht neu:
s/www.rbb24.de/politik/beitrag/2021/11/berlin-brandenburg-flughafen-schoenefeld-ddr-gefluechtete-berlin.htm/
Über diese Wege erreichten auch die ersten Mitglieder des Remmo-Clans Deutschland.
@Trevor Faith:
Aktuell zeigt Rußland mit den außergewöhnlichen Truppenansammlungen in der Nähe der Ukraine, dass auch klassische militärische Mittel zum Portfolio gehören.
Unser Verständnis der russischen Strategie ist schlichtweg sehr naiv bzw. unterentwickelt.
Daher finde ich auch die Aussage in der obigen Diskussion alldies könne nicht strategisch koordiniert sein für fragwürdig.
Natürlich ist das dort auch nicht immer genial orchestriert, aber es wird ein langfristiger Plan verfolgt – mit sehr vielen unterschiedlichen Mitteln.
Dass es sowas gibt und es funktionieren kann scheint in Deutschland mittlerweile schon grundlegend fragwürdig zu sein.
Das sagt vielleicht mehr über uns als über andere Staaten.
Aber wenn sich nichtmal die Herren Professoren einig sind ob dass was da grade im Osten stattfindet unter Kriegstaktik fällt oder nicht. Wie soll das denn der otto normal Heiko seiner Oma erklären? Ist aber ein tolles Thema für den Stammtisch. Wäre im übrigen mal ne nette Idee sowas 1 mal im Monat in Bln in einer beliebigen Kneipe unter 2G einzurichten. LG
„Migration als Waffe“ – 2021 auf allen Kanälen – vom Podcast bis zur EU. Also als AfD-Stratege könnte ich mein Glück kaum fassen.
@Dr Franke : Sie haben sich gefragt, warum im letzten Koalitionsvertrag Frankreich oft erwähnt wurde, im jetzigen aber nicht.
Das muss man im historischen Kontext sehen. Der Vertrag stammt aus Ende 2017/Anfang 2018.
Damals war D. Trump Präsident der USA, und GB hatte den Austritt aus der EU erklärt. Man erinnere sich an Trumps „Diplomatie“ und britische hin- und her Taktiken.
Da gab es für Deutschland nur noch Frankreich als zuverlässigen Partner.
Weiterhin wurde der Vertrag von Martin Schulz verfasst, der als Europapolitiker eine andere Sichtweise hat.
Danke für die intensive Folge!
Ich teile im ersten Teil die Auffassung von Frank Sauer: Sprache schafft Bewusstsein. Zwei Argumente lagen dabei noch nicht auf dem Tisch:
1. Die Sprachregelung entscheidet auch über Zuständigkeiten. Wird von flüchtenden Menschen als Waffe gesprochen, ist das Verteidigungsministerium zuständig. Nennt man es eine humanitäre Krise, sind Katastrophenschutz, Gesundheitsministerium, Familienministerium oder welche polnische Behörde auch immer zuständig. Und davon hängt natürlich maßgeblich ab, wie auf die Situation reagiert wird.
2. Die Sprache wirkt in die öffentliche Debatte, außerhalb der sicherheitspolitischen Fachkreise. Flüchtende Menschen als Waffe und als damit als tödliche Bedrohung zu bezeichnen, stärkt das rechte Narrativ immer weiter. Hier haben wir eine große Verantwortung, das dürfen wir nicht unterstützen.
Zum zweiten Teil möchte ich eine Korrektur anmelden. ODA steht für Official Development ASSISTANCE (nicht aid), auf deutsch sprechen wir von EntwicklungsPOLITIK oder -ZUSAMMENARBEIT (nicht Hilfe). Auch hier schafft Sprache Bewusstsein: Entwicklungspolitik – besonders in Krisen- und Kriegsländern – ist hochkomplex und sehr politisch. Es geht nicht einfach um unreflektiertes, unkonditioniertes, naives Helfen. Leider wird an dieser Stelle deutlich, dass selbst so ein Expertenteam wie Ihr den Sicherheitsbegriff noch sehr eng auslegt und einen wichtigen Akteur im vernetzten Ansatz nicht mal richtig benennen kann. Würde mich freuen, wenn Ihr darauf achten könntet (Frank Sauer sagte mehrmals korrekt Entwicklungszusammenarbeit).
Viele Grüße!
@ TK
Die Europäische Union ist nicht der Kontinent Europa. Aber das lernt man in Brüssel ja auch nie.
„Memoria sagt: 27.11.2021 um 23:09 Uhr
@Trevor Faith:
Aktuell zeigt Rußland mit den außergewöhnlichen Truppenansammlungen in der Nähe der Ukraine, dass auch klassische militärische Mittel zum Portfolio gehören.“
Ich wollte damit auch nicht andeuten, daß die „klassischen“ Mittel überflüssig werden, sondern daß das Ziel die Mittel bestimmt. Im Fall Ukraine / Russland ist das die Eroberung von Territorium. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche. IMHO: Meine Befürchtung ist, daß wir eine konzertierte Aktion mit China im Hinblick auf Taiwan erleben werden. Zwei Krisen können die USA nicht stemmen und die Europäer haben weder den Willen noch die Mittel dazu.
@Louise:
Sie übertragen das deutsche Ressortdenken auf Polen.
Die baltischen Staaten und Polen wollen mit dem Begriff hybrider Krieg vorallem betonen, dass diese Vorgänge keine Zufälle sind sondern ein integraler Teil der aggressiven russischen Außenpolitik.
Diese Kernbotschaft zielt aus meiner Sicht besonders auf Deutschland, ein Land das bis hoch zur Kanzlerin die Ansicht vertritt, dass NordStream 2 ein rein wirtschaftliches Projekt ist – ohne Bezug zur Sicherheitspolitik.
Auf taktischer Ebene kommt es zudem auch zu aktiven Maßnahmen der belarussischen Sicherheitskräfte (Blenden von polnischen Soldaten, Hilfe bei Durchbrüchen der Migranten).
Alldas ist dann eben auch mehr als ein Thema für humanitäre Hilfe. Es ist aber auch kein klassischer Krieg.
Es ist eben eine Grauzone, es hilft weder dies als klassischen Krieg zu bezeichnen noch hilft es die deutsche Logik von Appeasement, Zuständigkeiten, wissenschaftlichem Wunschdenken usw zum internationalen Maßstab zu machen.
Die Flüge nach Belarus sind seit Juli 2021 presseöffentlich (!) bekannt, was haben denn die angeblich auf Prävention und Vernetzung angelegten deutschen Ressorts gemacht?
Das Hauptproblem ist doch, dass man in DEU nicht zur Kenntnis nehmen will, dass man selbst die Ursache für das Problem darstellt.
Ohne die, im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern, viel zu üppige Alimentierung für Migranten im deutschen Sozialsystem, verbunden mit der Gewissheit gerade in DEU, dass man mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit bleiben kann, wenn man es geschafft hat, reinzukommen, würden sich die Migranten erst gar nicht auf den Weg machen.
Es würde höchstwahrscheinlich schon reichen, an der deutschen Grenze zu Polen zurückzuweisen, wie das auch FR an der Grenze zu IT macht und was völlig der gegebenen Gesetzeslage entsprechen würde.
Im Koalitionsvertrag fehlt übrigens auch ein Bekenntnis zu FCAS im Gegensatz zur Tornado- Nachfolge. Der Industrie- Vertrag konnte auch bis jetzt nicht abgeschlossen werden. Ich nehme mal an, wie auch bei MGCS wird das noch platzen.
[Danke, damit haben wir auch die hybride Kriegführung aus der rechten Ecke hier in Deutschland berücksichtigt und erledigt. Sie haben vergessen zu erwähnen, dass es in Großbritannien alles noch schlimmer ist, sonst hätten wir nicht die derzeitigen Versuche, über den Kanal zu kommen. Diese Argumentation hätten wir damit abgehakt. T.W.]
Als jemand, der Franks Analyse in der Regel sehr schätzt, finde ich, seine Argumentation greift hier viel zu kurz. Rike hat es doch wunderbar auf den Punkt gebracht, wenn sie sagt wir können die Situation in Belarus/Polen doch nicht NUR als „Problem“ oder „humanitäre Katastrophe“ bezeichnen, die Migranten sind ja nicht vom Himmel gefallen – diese humanitäre Katastrophe ist doch das Ergebnis von etwas. Die Taktik, der wir begegnen müssen ist, dass Lukaschenko, Putin und co hier Migranten instrumentalisieren. Und das kann man – muss man – auch so nennen, weil das nun mal passiert. Wenn wir jetzt, weil uns das als Taktik nicht gefällt, oder weil wir „die Argumentation der Gegenseite“ nicht übernehmen wollen, nicht anerkennen, haben wir doch nichts anderes getan, als die Realität verweigert.
Was mich an Frank Sauers Argumentation etwas irritiert, ist die geradezu martialische Forderung (hauen ihm auf die Birne etc.) nach Sanktionen gegen Weißrussland und Russland, wohl wissend, dass die Menschen, die unter diesen Sanktionen leiden, nun einmal nicht die Führungsfiguren sind, sondern weitgehende Teile der Bevölkerung. Das ist ja nun gerade das, was Grasimov unter anderem als hybride Kriegsführung bezeichnet hat. Zu sagen, wir entziehen uns argumentativ dem Gedanken des hybriden Kriegs, um als direkte Antwort darauf mit einem Wirtschaftskrieg zu reagieren – sorry, erschließt sich mir nicht, was wir damit gewonnen haben.
2015 gab es übrigens durchaus Hinweise darauf, dass die Russen durch gezielte Attacken auf Krankenhäuser etc. Flüchtlingsströme nach Europa als Form der hybriden Kriegsführung verwenden. Müsste sich via Google leicht finden lassen.
Aus historischer Sicht verwundern mich ebenfalls die Kommentare zur russischen Strategie. Es ist ein Allgemeinplatz, dass Strategien auf Staatenebene keine zentral geführten, ins Detail geplanten und in allen Wechselwirkungen vorher bestimmten Schachzüge quasi halb göttlicher Führer sind. Aber das ändert freilich natürlich nichts daran, dass gewisse Konfliktlinien formuliert und dann über alle Bereiche, die zur Verfügung stehen, entsprechende Vorstöße gemacht werden. Und dass es das Ziel der aktuellen russischen Führungselite ist, möglichst breit Unruhe in die Welt zu tragen und möglichst viele Konflikte zu erzeugen, die letztendlich nur Lösungen finden können, indem man sich mit Russland an einen Tisch setzt und seine entsprechende Machtstellung anerkennt, kann nun wirklich nicht mehr bezweifelt werden, ebenso wenig wie das russische Bestreben die NATO zu schwächen.
Interessant finde ich in diesen Kontext den Gedanken, dass Russland mit Flüchtlingen in Weißrussland arbeitet, um Truppenaufmärsche an der Grenze zur Ukraine zu verschleiern. Wieso sollten sie denn? Die europäische Politik und auch die Presse hat den Zustand doch schon längst klaglos akzeptiert und bis auf ein paar immer mal wieder aufflammende Schlagzeilen zu ignorieren gelernt.
Abschließend zum Thema Krieg und was er ist:
https://www.bundestag.de/resource/blob/494606/1e69675dfb469de68e2ba1d507324395/WD-2-175-07-pdf-data.pdf
Ich danke Ihnen für den Podcast. Ich bin immer wieder, immer noch überrascht wie wenig die Debatte über solche Themen in Deutschland Raum und Rahmen bekommt. Um so mehr muss man immer wieder Thomas Wiegolds Leistungen herausstellen.
1994, also vor über 25 Jahren, stand im Weißbuch die Herausforderungen, wie sie sich, zumindest abstrahiert, auch als Terminus „hybride Kriegsführung“ bezeichnen lassen:
„Die Risikoanalysen über künftige Entwicklungen müssen von einem weiten Sicherheitsbegriff ausgehen. Sie dürfen sich nicht auf Europa beschränken, sondern müssen die Interdependenz von regionalen und globalen Entwicklungen berücksichtigen.
Sie müssen gesellschaftliche, ökonomische und ökologische Tendenzen einbeziehen und in Beziehung setzen zur Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten.
Künftig gilt es, alle Faktoren in einer umfassenden politischen und strategischen Lagebeurteilung in Rechnung zu stellen. […]
Deutschland ist aufgrund seiner Interessen, seiner internationalen Verflechtungen und Verpflichtungen vom gesamten Risikospektrum betroffen.
[…] Es ist ein Ansatz erforderlich, der für den konkreten Einzelfall politische, wirtschaftliche, gesellschaftliche, soziale, ökologische sowie militärische Aspekte berücksichtigt“ https://de.m.wikipedia.org/wiki/Wei%C3%9Fbuch_(Bundeswehr)
Auf die Kleine Anfrage dreier Abgeordnete wurde seinerzeit noch selbstbewusst geantwortet:
„Stabilitätsorientierte Außen- und Sicherheitspolitik muß Krisen und Konflikten vorbeugen oder sie am Ort ihres Entstehens eindämmen – in erster Linie mit politischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Mitteln.
Im Rahmen einer solchen Politik kann auch der Einsatz militärischer Mittel erforderlich werden…“ https://www.google.com/url?q=http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/13/051/1305181.pdf&sa=U&ved=2ahUKEwizmM3pzbv0AhWhQuUKHbcqC8EQFnoECAoQAg&usg=AOvVaw0b7RB1u8viHSeJ7VVFffAA
Was mich an dem Einsatz von Flüchtlingen in der hybriden Kriegsführung am meisten ärgert, ist, dass die armen Leute, die da in der Kälte an der polnischen Grenze sind, denen, die sich ihrer zur Erreichung ihrer Ziele zu bedienen suchen, völlig egal sind.
Lukaschenko produziert deren Elend, welches dann innerhalb der EU den entsprechenden medialen Druck aufbauen soll, mit voller Absicht. Er missbraucht diese Menschen und ihre Notsituation als Druckmittel. Er droht den Flüchtlingen selbst mit Abschiebung wenn sie nicht nach Ablauf ihres „Touristenvisums“ das Land verlassen haben und wenn sie an der Grenze nicht durchgelassen werden, also gewissermaßen zwischen der Notwendigkeit, Weißrussland zu verlassen und dem Unwillen der Polen, einfach jeden reinzulassen, zerquetscht werden, zeigt er mit dem Finger auf Polen und sagt zynisch: „Ihr könntet ja nachgeben!“
Es gibt sogar weißrussische Akteure, die sich inzwischen sogar entblöden, Polen und Litauen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorzuwerfen, weil diese an der Grenze Menschen abweisen, die überhaupt erst durch weißrussische Initiative dorthin gekommen sind… in heuchlerischer Umkehr der eigentlichen Verantwortlichkeiten für deren Situation.
Lukaschenko lässt die Leute in ihrem Heimatland offensiv zur Reise über Weißrussland einladen.
Lukaschenko lässt sie dafür abkassieren und sie an die Grenze fahren, wodurch sie, gepaart durch das polnische Dichtmachen der Grenze in eine humanitär zunehmend unhaltbare Lage gebracht werden. Dabei wäre er selbst der Erste, der bei einer ähnlichen Lage das Recht Weißrusslands, seine Grenzen als souveräner Staat gegen unkontrollierte Einwanderung zu sichern, in Anschlag bringen würde. Wir wissen folglich alle, was in Weißrussland mit den Flüchtlingen geschähe, würden sie stattdessen dort Asyl beantragen wollen.
Es gibt nun einmal kein völkerrechtlich verbrieftes Recht, souveräne Staaten gegen deren Willen zu betreten und sich dort auf Dauer niederzulassen. Auch dann nicht, wenn es einem zuhause nicht so gut geht, wie man gern hätte.
@Trevor Faith: Ihre Interpretation liefert so ziemlich das Gegenteil dessen was Clausewitz mE gesagt hat denn nimmt man Sie beim Wort kommen wir zum Ergebnis, dass eigentlich immer Krieg ist weil ja alle politischen Dimensionen/Felder/Strukturen zum Militärdienst einberufen werden können („. . . Mittel sind heutzutage halt andere als Kanonen . . .“). Clausewitz ging es m.E. aber um das exakte Gegenteil, nämlich den hinter der von Ihnen skizzierten Auffassung stehenden Größenwahn zu bekämpfen, zu dem die Folgerung „alles ist Krieg“ führen muss, etwa mit der Warnung in der Vorrede vor dieser Überinterpretation. Militär als Instrument und der Krieg als Verfahren sind nur ein Punkt unter vielen anderen Mitteln der Politik.
Überspitzt steht gegeneinander Clausewitz´ These „Krieg ohne übergreifende politische Konzeption ist schwachsinnig“ und Ihre „Krieg ist ist immer“ womit Sie die Feldwebel und Drill-Sergeants zu den „masters of universe“ machen. Dieses Zurechtstutzen des Selbstbildes der Militärs ist einer der Gründe, warum Clausewitz in Preussen so verhaßt war.
„Zivi a.D. sagt: 29.11.2021 um 10:06 Uhr Militär als Instrument und der Krieg als Verfahren sind nur ein Punkt unter vielen anderen Mitteln der Politik.“
Ich sehe, Sie haben exakt verstanden, was ich meint habe: Krieg als Anwendung von militärischen Mittel ist eine Möglichkeit politische Ziele zu erreichen; unterhalb dieser militärischen Schwelle gibt es weitere Mittel, z.B. die Lenkung von Flüchtlingsströmen.
Eins noch, als konstruktive Kritik: ich fand die Auseinandersetzung spannend, aber Franks Ton teils unangenehm agressiv den anderen gegenüber. Gut, dass da Thomas manchmal den Dampf rausgenommen hat. Vielleicht da ein bisschen vorsichtig sein.
Emil Linke sagt:
28.11.2021 um 15:01 Uhr
„Als jemand, der Franks Analyse in der Regel sehr schätzt, finde ich, seine Argumentation greift hier viel zu kurz. Rike hat es doch wunderbar auf den Punkt gebracht, wenn sie sagt wir können die Situation in Belarus/Polen doch nicht NUR als „Problem“ oder „humanitäre Katastrophe“ bezeichnen, die Migranten sind ja nicht vom Himmel gefallen – diese humanitäre Katastrophe ist doch das Ergebnis von etwas.“
Ich meine, es war doch Frank Sauer, der dankenswerter Weise darauf hingewiesen hat, wie ‚vollkommen egal‘ in Wahrheit die eigentliche Tatsache des Missbrauchs von Flüchtlingen und Migranten ist, wenn wir uns die Reaktion auf einen vergleichbaren Vorgang durch die Türkei vor Augen führen.
Diese sind nichtsdestotrotz ‚Geschätzter Verbündeter‘ und lt. Koalitionsvertrag der Ampel auch ‚wichtiger Nachbar der EU und Partner der Nato‘ obwohl die Türkei als Bonus auch noch in Syrien und Irak interveniert haben.
Geht ganz selten wirklich um Migranten und Flüchtlinge.
M.E. krankt die Situation an ganz oder gar nicht- Lösungen.
Eine Zusage von D: Wir nehmen Frauen und Kinder auf zzgl. Zahlung der Bus-Tickets nach Bialystok plus Zugtickets Bialystok-Frankfurt/Oder wäre ein Zeichen von Mitgefühl an die Flüchtlinge gewesen.
Aktuell sind wohl 2021 ca. 100.000 Flüchtlinge nach D eingewandert, da ist noch Platz bis zur Obergrenze von 200.000.
Die Polen hätten kene weitern Flüchtlinge.
Und Lukaschenko darf sich mit den Männern rumschlagen.
Stattdessen nur alle ode keinen. schwarz oder weiss, aber keine Grautöne
Ich glaube die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte. Ich stimme Frank zu, dass ein zu einseitiges Framing auf hybrid-kriegerischer Angriff die Perspektive verengt und somit die zur Auswahl stehenden Reaktionsmittel unbewusst eingegrenzt werden. Wenn das Problem zum Nagel wird, dann greift man eben zum Hammer. In meinen Augen ist es auch extrem lächerlich, dass sich die EU so leicht erpressen lässt und wegen einer mittleren vierstelligen Zahl Flüchtlinge in völlige Schockstarre verfällt. Insofern wäre die Auflösung dieses Dilemmas in der EU (und sei es durch eine Koalition der Willigen) dringend notwendig, weil diese bisherige Haltung uns im Spiel der Möchte sehr leicht ausrechnen lässt. Willst Du was von Europa drohe mit Flüchtlingen – so einfach darf man es fremden Mächten nicht machen.
Carlo und Rike haben aber auch recht: Lukaschenko und letztlich auch Putin, da er es zumindest duldet, verfolgen damit eine klare Intention: Peaceful Coexsistence scheint es nicht zu sein. Insofern sollte man diese Versuche auch als solche benennen und eine Klare Haltung in der Beantwortung finden. Die angesprochene Resilienz scheint mir ein guter Weg zu sein.
Vielen Dank für die hochinteressante Diskussion im Podcast! Ich finde es okay, wenn es auch mal Kontroversen gibt und durchaus zu spüren ist dass Emotionen drin sind. Nach meinem Gefühl hat die Auseinandersetzung die Sachebene nicht verlassen, es war lediglich ein ein bisschen wilder und lauter ;-) Leider wird dann im Eifer des Gefechts auch mal ins Wort gefallen und unterbrochen – ist aber eben auch ein Problem von Videocalls, da man das Gegenüber auch nicht immer so gut „lesen“ kann…
@Trevor Faith: Genau die von Ihnen hier reproduzierte Überdehnung der Begriffe meinte ich. „Krieg ist ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen“ ist der maßgebliche Bezugspunkt. Wir werden ja nicht alles, was uns nicht passt und als unseren Zielen entgesetzt („feindselig“) ansehen automatisch zu einem „Akt der Gewalt“ stilisieren können. Selbst die von Lukaschenko an der Grenze zusammengekarrten Migranten sind allenfalls ein Problem der Polizei bei der Durchsetzung des innerstaatlichen Gewaltmonopols. Wo aber die Gewalt (-androhung) fehlt, ist demnach auch kein Krieg, wenn auch vielleicht ein diplomatischer, wirtschaftlicher, ethnischer, ziviler . . . Konflikt.
Das hysterische Geschrei aus Polen in diesem Zusammenhang sollte man nicht allzu ernst nehmen, es sagt eher etwas darüber, wie sehr sich die PiS-Regierung im Konflikt (!) mit der Mehrheit der EU in eine selbstverschuldete Sackgasse manövriert hat, die mittlerweile auch wirtschaftlich richtig teuer kommt. Dieser Konflikt ist für Polen mittlerweile sehr viel gefährlicher, als das Migrantenproblem, wenn man dem PiS-Mann und Notenbankchef Adam Glapinski Glauben schenkt. Die polnischen Soldaten an der Grenze zu Belarus sollen von diesem Problem und dem was sonst so in Polen tatsächlich vorgeht ablenken und einen gewaltigen Popanz aufblasen. Wenn das so genannte Verfassungsgericht jetzt sogar die Menschrechtskonvention als „verfassungswidrig“ einstuft, dann ist das eine relevante Bedrohung – aber auch kein Krieg.
Mein erster Beitrag hier bei Augen geradeaus, weil ich mich dazu im Podcast eingeladen fühlte.
Es wurde ja sehr kontrovers darüber debattiert, ob man die Instrumentalisierung der Flüchtlinge als Kriegsführung / Waffen bezeichnen sollte aus Sorge, dass daraus eine Denkweise in militärischen Kategorien entsteht und alternative Lösungen humanitären Charakters dadurch nicht bedacht werden. Ich halte aber eine andere Lesart für möglich: es besteht aus verschiedenen, meist innenpolitischen Gründen, bei den maßgeblichen europäischen Akteuren der Wille zu einer starren, abschottenden Haltung, und das Framing als militärisches Szenario wird gerne aufgegriffen und verbreitet, um den gewählten Umgang mit dem Problem zu legitimieren und folgerichtig darzustellen. Also nicht das Framing hat bestimmte Handlungen zur Folge, sondern aus der Wahl einer bestimmten Reaktionsweise ergibt sich die Wahl des Framings.
Persönlich hielte ich die im Podcast favorisierte Lösung für die beste. Im besten Fall werden durch härtere Sanktionen dann noch die Gelder, die die staatlichen Schlepper einkassiert haben, abgeschöpft. (dream on…)
Und erfreulich, dass die Diskussion auf Einladung Herrn Wiegold – gemessen an der Zahl von T.W. kommentierten Beiträgen – weniger Moderationsarbeit macht als so manche uneingeladene Diskussion hier.
Gedankenexperiment:
Wenn mir eine Person Blumen schickt, und es als Mordanschlag meint, weil sie annimmt, dass ich allergisch sei, ist die Blume dann eine Waffe?
Selbstverständlich ist mir die Person feindlich gesinnt, ohne Zweifel. Aber die Blume wird nur zur Waffe, wenn sie mir tatsächlich schaden kann.
Wir führen hier zwei Diskussionen:
1. Wie ist mit Lukaschenko umzugehen? Hierzu argumentierten Rike und Carlo.
2. Wie ist mit den Menschen umzugehen? Hierzu argumentierte Frank.
Das sind zwei grundverschiedene Fragen, die auch aufgrund eigenständiger Begründungen beantwortet werden sollten.
Und jetzt noch zwei letzte Gedanken:
1. Die Blume kann nichts dafür.
2. Die EU hier die *WAHL* ob sie allergisch ist, oder nicht.