Fast doppelt so viele Corona-Infektionen in der Truppe wie vor einem Jahr
Angesichts der rasant steigenden Infektionszahlen in der vierten Welle der Coronavirus-Pandemie kommt in die Debatte über eine Impfpflicht auch für die Streitkräfte zunehmend Bewegung. Unterdessen meldete die Bundeswehr unter den Soldatinnen und Soldaten fast doppelt so viel Infektionsfälle wie vor einem Jahr.
Nach Angaben des Sanitätsdienstes gab es am (heutigen) Dienstag 894 tagesaktuell bestätigte Fälle in der Truppe. Am 17. November 2020 waren es 488 gewesen. Seitdem Anfang November dieses Jahres 356 Infektionen tagesaktuell gemeldet wurden, hat sich innerhalb von gut zwei Wochen die Zahl mehr als verdoppelt. Allerdings war im Frühjahr dieses Jahres, vor dem Beginn flächendeckender Impfungen, die Infektionszahl schon einmal kräftig nach oben geschnellt, am 1. April wurden 713 Fälle registriert.
Vor diesem Hintergrund wird der Ruf lauter, die Impfungen gegen das Coronavirus für Soldatinnen und Soldaten grundsätzlich zur Pflicht zu machen. Nach einer Umfrage der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich die Verteidigungspolitiker einer möglichen künftigen Regierungskoalition, Siemtje Möller (SPD), Tobias Lindner (Grüne) und Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) eindeutig dafür aus.
Derzeit läuft dazu ein Schlichtungsverfahren zwischen den Personalvertretungen und dem Verteidigungsministerium. Entscheidend ist allerdings letztlich das Wort der Ministeriumsspitze, also gegebenenfalls noch der geschäftsführenden Ministerin Annegret Kramp-Karrenbauer oder dann der neuen Ressortchefin oder des neuen Ressortchefs. Da die Impfung bislang nicht verpflichtend ist, darf die Bundeswehr auch keine flächendeckende Statistik zur Impfquote erheben. Die öffentlich genannten Zahlen von 75 bis 80 Prozent sind deshalb nur Schätzungen.
Bislang ist die Covid-Impfung nur in das so genannte Impfschema für die Auslandseinsätze aufgenommen worden; Soldatinnen und Soldaten, in in eine solche Mission gehen, sind also zur Duldung dieser Immunisierung verpflichtet. Seitdem die Impfquote dort 100 Prozent beträgt, wurden auch nur in geringem Maße Infektionsfälle aus dem Einsatz gemeldet: Am 5. November wurde ein Soldat im Kosovo, am 9. und 11. November jeweils drei Soldaten in der UN-Mission in Mali positiv auf das Coronavirus getestet. Keiner dieser Fälle war so schwerwiegend, dass die Betroffenen nach Deutschland ausgeflogen wurden.
Über diese Duldungspflicht für Auslandseinsätze und eben die Nicht-Duldungspflicht im Inland hinaus zeichnet sich allerdings eine neue Entwicklung ab: Am 10. November ordnete der Chef des Kommandos Territoriale Aufgaben, Generalmajor Carsten Breuer, für die Amtshilfe von Bundeswehrsoldaten in der Pandemie an, dass dafür ausschließlich geimpftes Personal abkommandiert werden darf. Damit komme die Bundeswehr ihrer Fürsorgepflicht nach, sagte ein Ministeriumssprecher.
Da in nächster Zeit mit einer weiteren Zunahme von Amtshilfeanträgen an die Streitkräfte zu rechnen ist, plant die Bundeswehr bereits die Aufstockung des Pandemie-Kontingents für diese Einsätze. Nachdem die Zahl der Soldaten, die innerhalb kurzer Zeit dafür abrufbereit zur Verfügung standen, von einst 25.000 auf aktuell 3.000 reduziert wurde, soll diese Reserve in zwei Schritten wieder aufgestockt werden. Aktuell ist allerdings darüber noch keine Entscheidung von Generalinspekteur Eberhard Zorn gefallen.
Wenn es erneut zu einem deutlichen Aufwuchs des Corona-Kontingents kommt, wird auch Voraussetzung für die betroffenen Einheiten, nur geimpfte Soldaten zu schicken, interessant: Ob und inwieweit damit einzelne Einheiten nicht mit diesen Hilfeleistungen beauftragt werden können, wird dann praktisch zu einem Maßstab für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte.
(Wird ggf. ergänzt)
(Archivbild Januar 2021: Eine Soldatin führt im AWO Seniorenheim in Pockau-Lengefeld einen Coronavirus-Schnelltest durch – Anne Weinrich/Bundeswehr)
Sorry Herr Wiegold,
aber den Maßstab für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte legen wir doch nicht in Seniorenheimen und Gesundheitsämtern fest.
Ich sehe auch keinen Grund in Ihrem Blog mehrfach das Thema Impfpflicht-/duldung zu behandeln. Ich diene in einem Verband mit einer Impfquote von 97-99%, die öffentliche Schätzung der Bw geht von 75-80% aus. Und dass wir unserer Verpflichtung in den Auslandseinsatzen nachkommen(mit Impfpflicht) zeigt, dass zumindest die Impfungen nicht die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte beeinflussen.
Einzig interessant finde ich bei der Thematik den „Machtkampf“ zw. Personalvertretung und Ministerium.
Aber auch das hört die Truppe nicht mal als Grundrauschen.
MfG
@d’r Spieß
Mit der Aussage
Sorry Herr Wiegold, aber den Maßstab für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte legen wir doch nicht in Seniorenheimen und Gesundheitsämtern fest.
haben Sie natürlich grundsätzlich Recht – aber genau in der Argumentationslinie könnte ich auch sagen: Vollausstattung im Grundbetrieb? Den Maßstab für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte legen wir doch nicht in den Kasernen in Deutschland fest…
Wie ist die gewerkschaftliche Vertretung (Fgö/Bhg) der österreichischen Soldaten zu bewerten?
Die rufen sogar zu Demos gegen die Coronapolitik von deren Regierung auf.
Wäre das in Deutschland vorstellbar?
@T.Wiegold
Die Aussage
„… Vollausstattung im Grundbetrieb? Den Maßstab für die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte legen wir doch nicht in den Kasernen in Deutschland fest…“
halte ich – vorsichtig ausgedrückt – für GEWAGT.
Denn: DOCH, Herr Wiegold … genau DAS tun wir … oder wir SOLLTEN es zumindest tun, wenn die Truppe denn funktionieren WÜRDE bzw. SOLLTE.
Weil genau DAS seit Jahren und Jahrzehnten nämlich NICHT getan wird, funktioniert ja nichts (mehr) in diesem Laden. Da angeblich ja „immer mehr“ mit „immer weniger“ ging und man halt nur „die Abläufe und Verfahren optimieren“ musste, wurde jahre- und jahrzehntelang von der Substanz gelebt. Das Ergebnis dieses Crashkurses dürfen wir heute personell, materiell und finanziell in all seiner „Pracht“ sozusagen „live und in Farbe“ bewundern.
Ich schätze Ihre trennscharfen Analysen im Regelfall SEHR, Herr Wiegold … ganz ehrlich. Aber HIER haben Sie sich „verhauen“.
Nicht alles was hinkt, ist auch ein Vergleich.
Ich versteh die Aufregung um den o.a. Vergleich nicht.
Ganz klar erfolgt die Festlegung, ob Corona-Pflichtimpfung oder nicht, im BMVg. Vergleichbar mit der Entscheidung, der Truppe in der Ausstattung wieder 100% des Materials zukommen zu lassen.
Beides möchte das BMVg, bekommt aber auch beides nicht (zeitnah) umgesetzt. Beides hat auch Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft und -fähigkeit der Truppe.
Ungeimpfte Soldaten kann man weder im Auslandseinsatz (Impfpflicht), noch im Inlandseinsatz (2G-Regel) im Rahmen von Amtshilfe etc. einsetzen. Diese Soldaten sind z.Zt. nutzlos für den Dienstherrn.
@ Kommentator
17.11.2021 um 11:45 Uhr
Sie Antworten Thomas mit einem Konjunktiv und beachten offensichtlich gar nicht, dass schon die Einlassung von Thomas im Konjunktiv geschrieben war. Ich verstehe Ihre „Argumentation“ echt nicht; wo genau hat sich Thomas denn „verhauen“?
Ich wundere mich sehr über die Aussage, dass mit Corona infizierte Soldaten im Einsatz verblieben sind. Auch wenn die Infektion aymptomatisch verlaufen ist, gibt es ja noch die Weisung des Insp.San, dass jeder Infizierte nach Hause muss. Oder hat sich die Weisungslage verändert?
(@Bernd G – hat sich verändert, symptomlos verbleibt im Einsatz auf Antrag.)
—
Unabhängig davon – die freiwillige Impfung COVID19 ist aktuell in der Truppe durchaus ein Thema, DENN mit der Wsg, nur „2G Personal“ in die Amtshilfe heißt das konkret für die Soldat/innen ohne gültigen Impfschutz (der erlischt gem. Wsg 6 Monate nach der 2. bis Wiederauffrischung), dass sie nicht eingesetzt werden dürfen.
Heißt weiterhin, dass Genosse Oberfeldwebel im Zweifel seine Booster weglässt (ist ja freiwillig) und Weihnachten zu Hause verbringt, anstatt im Altenheim Waldesruh mit der Bettpfanne. Es ist verrückt, wir bestrafen die Geimpften.
Mit dieser E haben wir uns wieder einmal einen Bärendienst erwiesen. Gratulation.
Zitat: Es ist verrückt, wir bestrafen die Geimpften.
Verrückt? Die ‚vollständig‘ Geimpften verlieren nach spätestens 6 Monaten ihren ‚Vollständigkeits-Status‘ und werden genauso degradiert wie die Ungeimpften.
Aber natürlich ergeben diese ganzen Maßnahmen Sinn. Sicherheit vor Freiheit. Als Soldat muß man das natürlich verstehen.
Es gab hier erstaunlicherweise keine Erwiderung auf den Hinweis, daß die Gewerkschaft des österreichischen Bundesheers zur Demonstration und zum Wiederstand gegen Impfpflicht und 2G-Regel aufruft.
An dieser Front will man wohl nicht kämpfen?
[Sie haben das schon richtig verstanden: Die Versuche, dieses Blog gleich mit seinem ersten Kommentar als Impfgegner-Plattform zu missbrauchen, werden gleich gestoppt. Findet nicht statt. T.W.]
@Inkognita
Natürlich bestraft man so die Geimpften. Das wurde entweder von der Führung nicht erkannt oder wird billigend in kauf genommen. Beides völlig inakzeptabel.
Von daher braucht die Bw dringend die Aufnahme der Corona-Impfung als Pflichtimpfung in den Duldungskatalog. Und zwar jetzt!
@Inkognita
Auf welcher Rechtsgrundlage erlischt denn gemäß der von Ihnen angeführten Weisung Nr. 6 ein „gültiger Impfstatus“ bei Soldaten 6 Monate nach der 2. Impfung?
Wenn zudem eine Auffrischung aka Booster für alle unter 70 jährigen seitens STIKO noch nicht einmal offiziell empfohlen wurde, geschweige denn regierungsseitig umgesetzt ist und diese nach aktueller Lesart FRüHESTENS nach Ablauf der 6 Monate überhaupt verabreicht wird (ganz davon ab, dass Termine hierfür deutschlandweit derzeit noch Glücksspielchancen gleichen).
@Fux, Rechtsgrundlage dürfte die Weisung selbst sein. Das gestehe ich der Bundeswehr zu das sie selbst für ihre Zuständigkeit entscheiden kann das Soldaten die nicht nach 6 Monaten die 3. Impfung bekommen haben wie ungeimpfte zu behandeln.
Ob es wirklich so schlau ist mit Blick auf das Timing der Termine zur Nachimpfung das ohne Karenzzeit auf fix 6 Monate zu terminieren und mit Blick auf die Einsatzbereitschaft (Amtshilfe wird nur mit 2G geleistet) ist eine andere Frage. Und auch die Abweichung zur STIKO ( die inzwischen auch ihre Meinung geändert) hat ist plausibel. Die STIKO spricht nur Empfehlungen aus, auch da kann die Bundeswehr für ihre Zuständigkeit mit Blick auf ihre originäre Aufgabe zu einer anderen Einschätzung kommen. Was sie ja auch ist.
Keine Impfpflicht aber auch kein Einsatz für Nicht-Geimpfte? Beides gleichzeitig geht nicht! Ist denn die Führung von allen guten Geistern verlassen? Wenigstens die Bettpfannen leeren, das Heizwerk bewachen (jeweils ohne Kontakt zu anderen) muß angeordnet werden.
Ich verstehe meine Bw nicht mehr:
Wer sich nicht impfen lässt, hat frei, wer geimpft ist geht in den Einsatz?
Unabhängig von meiner Überzeugung dass die Verweigerung einer Impfung eine große Dummheit ist:
Wer erlässt solche Weisungen? Wie kann es zu so dysfunktionalen Regelungen kommen?
Ich hoffe ein neuer BM macht großflächig vom Mittel der vorzeitigen Pensionierung Gebrauch.
@T.W.
Meines Wissen läuft derzeit dazu kein Schlichtungsverfahren zwischen den Personalvertretungen.
Es läuft ein Schlichtungsverfahren zwischen dem BMVg und einem Ausschuss.
[In der Tat, nicht zwischen den Personalvertretungen, aber zwischen BMVg und Personalvertretungen, und dafür gibt’s einen Ausschuss; alles festgelegt in §38 Abs. 4 Soldatenbeteiligungsgesetz:
Kommt in Mitbestimmungsangelegenheiten, die Soldatinnen und Soldaten betreffen, zwischen dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Gesamtvertrauenspersonenausschuss keine Einigung zustande, können diese Mitbestimmungsangelegenheiten einem Schlichtungsausschuss vorgelegt werden. Dieser besteht abweichend von § 23 Absatz 2 aus je drei vom Bundesministerium der Verteidigung und vom Gesamtvertrauenspersonenausschuss bestimmten Beisitzerinnen oder Beisitzern sowie einer oder einem einvernehmlich berufenen unparteiischen Vorsitzenden. Der Schlichtungsausschuss verhandelt nicht öffentlich. Er spricht eine Empfehlung an das Bundesministerium der Verteidigung aus, das auf Grundlage der Empfehlung endgültig entscheidet.
T.W.]
@Pio-Fritz ;18.11.2021 um 18:50 Uhr
Dazu volle Zustimmung!
@Elahan; 19.11.2021 um 14:35 Uhr
Danke für die Belehrung aus dem anderen Faden. Das es wohl kaum die örtliche Personalratsversammlung war, dürfte ja klar sein ;-)
Aha, nun also beschäftigt sich wohl ein eigens eingerichter Ausschuß mit der Tatsache, dass sich aus der Ebene des GVPA (oder was auch immer für einer wichtigen Gruppe) kein Ergebnis generieren lies?
Unter dem Strich stärkt dies meine Ansichten zu dem ganzen Humbug. Alles wird zerredet oder zu Tode debattiert, keiner will eine Entscheidung treffen oder gar „böse“ Befehle erteilen.
Mittlerweile bekomme ich die Ansicht , das die „Salvation Army“ straffer geführt wird als die Arbeitgebermarke Bundeswehr.