AKK verurteilt Bundeswehr-Exzesse in Litauen: „Unsoldatisch und unkameradschaftlich“
In scharfer Form hat Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer die Vorfälle beim deutsch geführten NATO-Bataillon in Litauen kritisiert, wo Bundeswehrsoldaten mit Exzessen bis hin zu sexueller Nötigung und extremistische Liedgut aufgefallen sein sollen. Ein unsoldatischeres und unkameradschaftliches Verhalten sei kaum vorstellbar, sagte die Ministerin bei einer Grundsatzrede an der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg.
In den vergangenen Tagen war bekannt geworden, dass etliche Panzergrenadiere im enhanced Forward Presence-Einsatz der Bundeswehr in Rukla in Litauen mit zum Teil strafwürdigem Verhalten aufgefallen sein sollen. Das Verteidigungsministerium sprach von einem Anfangsverdacht auf Verstöße gegen die Kameradschaftspflicht, Gehorsamspflicht und Pflicht zum treuen Dienen, aber auch auf Straftaten wie sexuelle Nötigung, Beleidigung, ggf. mit rassistischer Konnotation und Nötigung sowie auf extremistische Verhaltensweisen. Ein kompletter Panzergrenadierzug wurde deshalb in dieser Woche nach Deutschland zurückverlegt.
Kramp-Karrenbauer, die die Vorfälle an den Beginn ihrer sicherheitspolitischen Grundsatzrede am (heutigen) Freitag stellte, warf den unter Verdacht stehenden Soldaten vor, sie seien ihren Kameraden, aber auch der politischen Führung und dem Parlament in den Rücken gefallen. Ihr Verhalten sei nicht nur angesichts der politischen Lage im Baltikum und der deutschen Geschichte problematisch, sondern treffe die deutsche Verteidigungspolitik in einer Zeit, in der sie als Ministerin um mehr Geld für die Bundeswehr kämpfe. Sie sei davon tief enttäuscht.
Die Aussagen der Ministerin dazu zum Nachhören*:
Am Vortag hatte sich bereits Heeresinspekteur Alfons Mais bei seinem litauischen Kollegen für die Vorfälle entschuldigt, wie er auf Twitter mitteilte:
„Conference of European Armies“ in Wiesbaden. Gelegenheit genutzt, mich vor 40 Heereschefs (v.a. bei BG Vaikšnoras) für die unerträglichen und beschämenden Vorgänge um unseren PzGrenZg in Litauen zu entschuldigen. Absolut inakzeptabel! Ahndung mit aller Härte! #WIRSINDDASHEER! pic.twitter.com/DnG0QkWoc0
— Inspekteur des Heeres (@Inspekteur_Heer) June 17, 2021
Unterdessen wurde bekannt, dass es bereits im vergangenen Jahr Beschwerden über rassistische oder extremistische Verhaltensweisen von deutschen Soldaten in diesem NATO-Einsatz gegeben hatte – allerdings längst nicht auf dem Niveau der jetzt untersuchten Vorfälle. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linken im Bundestag zu rechtsextremistischen Vorgängen in den Streitkräften im vergangenen Jahr listete das Verteidigungsministerium zwei Fälle aus Rukla auf:
• Am 4. Januar 2020 soll ein Berufssoldat einen Kameraden wegen seiner Hautfarbe mehrfach beleidigt haben. In diesem Fall ermittelt inzwischen die Staatsanwaltschaft.
• Am 31. Juli 2020 soll ein deutscher Soldat einen französischen Soldaten dunkler Hautfarbe unter anderem mit Nachahmungslauten von Tiergeräuschen beleidigt haben. Allerdings wurde das von einem anwesenden weiteren französischen Soldaten nicht bestätigt, es konnte kein Täter ermittelt werden. Der Fall wird von der Bundeswehr nicht weiter verfolgt.
*Die vollständige Rede der Ministerin stelle ich in einem späteren Beitrag zum Nachhören ein.
@ sputo.di.rospo: Mit ihren Punkten haben sie recht, aber sie interpretieren zuviel hinein. Gemeinsam feiern derart, einmal im Jahr, Disziplin wurde an jeder Stelle gelebt.
Dadurch kannten gerade die altgedienten Soldaten die Jungen und es war ihnen möglich, menschenorientiert zu führen. Der Soldat öffnete sich, lies sich hinter die Stirn blicken. War dann überrascht wenn die Heimschläfer auch mal nach Dienst an der Liegenschaft waren und militärische Ordnung herstellten.
Und eben die von ihnen angemahnten Aspekte der alten Zeit vermissen die alten Hasen. Gelebte Verantwortung, Orientierung der jungen Menschen und Erziehung. Und die jungen Ksmeraden suchen eben auch das bei der Truppe, was sie zu Hause womöglich nicht hatten, aber das ist meine private Einschätzung.
@Koffer
Falsch! Ich habe gefordert, das man begründet warum ein DV nicht mindestens unehrenhaft entlassen wird, wenn dieser nicht versucht (hat?) seiner Fürsorge – Dienstaufsichtspflicht richtig nachzukommen.
Im vorliegenden Fall scheinen rassistische und sexistische Übergriffe keine Einzelfälle gewesen zu sein.
Das man Einzelfälle nicht wirklich immer verhindern kann ist klar, es fahrlässig „dauerhaft“ einreißen zu lassen, tolerieren oder gar zu dulden ist ist eine ganz andere Sache
@sputo.di.rospo sagt:
21.06.2021 um 13:15 Uhr
AoR sagt: 18.06.2021 um 12:52 Uh
Ich vermute hier reden sie aneinander vorbei.
Die erste Regel beim trinken.
Nicht mehr als ein Gentleman vertragen kann
Kompanie kommt von Brotgemeinschaft, das gemeinsame Trinken ist so ziemlich das älteste mir bekannte Ritual der Verbundenheit in den Sagas.
Irgendein britisches Regiment macht das IIRC heute noch mit dem Nachttopf Joseph Bonapartes.
Nebenbei der Zapfenstreich war die Aufgabe der Lagerwache aka Militärpolizei
@ThoDan sagt: 21.06.2021 um 14:15 Uhr
„Falsch! Ich habe gefordert, das man begründet warum ein DV nicht mindestens unehrenhaft entlassen wird, wenn dieser nicht versucht (hat?) seiner Fürsorge – Dienstaufsichtspflicht richtig nachzukommen.“
Durch ihre Beweislastumkehr haben Sie faktisch die unehrenhafte Entlassung des KpChefs gefordert, obwohl Sie gar keine Kenntnisse über den Chef, Rahmenbedingungen oder die tatsächlichen Vorfälle haben.
„es fahrlässig „dauerhaft“ einreißen zu lassen, tolerieren oder gar zu dulden ist ist eine ganz andere Sache“
Womit glauben Sie als total Außenstehender belegen zu können, dass hier a) etwas „dauerhaft eingerissen ist“ und b), dass jemand dies „fahrlässig“ hat einreißen lassen, es toleriert hat oder gar geduldet hat.
Sie spekulieren hier über real existierende Menschen ohne Faktenkenntnis.
@Koffer: Stimmt, Spekulation, mir blutet das Herz.
Dennoch, es ist doch so oft ein Muster und Organisation so gut praxisorientierte erforscht. Und da ist wieder dieses Ventilverhalten bei innerer Anspannung was so sehr auf Seele und Zustand schließen lässt. Vor allem dann auch auf innerlich verkrustete Vorbilder und Menschenbilder der Betroffenen…
Hier diskutieren viele Juristen oder nur aus juristischer Sicht.
Ich habe keineswegs für die Abschaffung der Inneren Führung oder die Bindung an das Recht plädiert.
Mein Schwerpunkt ist anders: Menschenführung und Qualität militärischen Führens.
Militärische Führung handelt ins Ungewisse, nicht nur unter Risiko (mit bewerteten Wahrscheinlichkeiten).
Das ist fundamentaler Unterschied zu allen anderen Entscheidungssituationen. Deshalb galt die Führung lange als Kunst! Dehalb stand in den älteren TF der Satz: „Zögern belastet mehr, als ein Fehlgreifen in der Wahl der Mittel.“
Menschenführung erschöpft sich nicht im Disziplinar- oder Strafrecht. Wenn der Anführer zu diesen Mitteln greifen muß ist das Kind schon im Brunnen. Gute militärische Führer kennen Ihre Soldaten und wissen, was sie Ihnen zutrauen können und wie sie reagieren. Sie greifen (vorher!) ein.
All das ist anscheinend nicht erfolgt und es hat sich eine negative „tribal culture“ (S.Neitzel) oder „Führung von unten“ (Niklas Luhmann) etabliert.
Deshalb bitte meinen Post nicht so verstehen, dass Diszis erfolgen sollten, bevor ausermittelt wurde. Das verstieße gegen das Rechtsstaatsprinzip.
Eine Ablösung ist keine Diszi. Eine Rückverlegung aus dem Einsatz ebenfalls nicht. Aber eine Maßnahme, die erzieherisch wirken kann und geeignet ist den Schaden in der Öffentlichkeit zu begrenzen.
Aus eigener Erfahrung kann ich mir ohne Weiteres vorstellen dass an diesen Berichten etwas dran ist.
Um die Innere Führung bzw. die Qualität der Kameradschaft ist es an einigen Orten nicht gut bestellt.
Eigene Erfahrungen während des Wehrdienstes: Einige ältere Kameraden machten sich einen Spaß daraus mich zu mobben bzw. zu mißhandeln. Etliche andere Kameraden beobachteten diese Vorgänge. Soweit ich mich recht erinnere meldete ich einen besonders argen Vorgang an den entsprechenden UvD.
Jetzt würde man erwarten dass die Kameraden aus dem Zug mit viel Diensterfahrung (OSG, StUffz etc.) den Mobbenden so gründlich Bescheid stossen würden dass sie davon in Zukunft absehen würden.
Doch nichts dergleichen passierte.
Ein weiteres Beispiel wäre ein erfahrener StUffz der einen Fahrauftrag während einer Übung mit einem derartigen Restalkohol durchzuführen versuchte dass es auffiel und er abgelöst wurde.
Ein weiteres Beispiel wäre ein erfahrener StUffz der während einer Manöverübung auf einem Truppenübungsplatz es für eine gute Idee hält mit dem G3 Blödsinn anzustellen, vor einer größeren Gruppe an Soldaten.
Alles Hinweise bzw. Indizien dafür dass es eine dramatische Überarbeitung und Wiedereinführung korrekter Innerer Führung und korrekter Kameradschaft braucht.
Der Einsatz einer Armee die diesen beiden grundlegenden Säulen entbehrt sind sonst zeitlich sehr enge Grenzen gesetzt, da das intakte „Immunsystem“ zur Erhaltung der Wehrkraft entweder fehlt oder schwer beschädigt ist.
@AoR sagt: 21.06.2021 um 15:53 Uhr
„Dennoch, es ist doch so oft ein Muster und Organisation so gut praxisorientierte erforscht. Und da ist wieder dieses Ventilverhalten bei innerer Anspannung was so sehr auf Seele und Zustand schließen lässt. Vor allem dann auch auf innerlich verkrustete Vorbilder und Menschenbilder der Betroffenen…“
Absolut, das ist eine denkbare Erklärung für den Fall, dass die Vorwürfe sich so zugetragen haben wie es der Spiegel berichtet.
Mein Punkt von Anfang an war ja nicht, dass es nicht so ist, sondern vielmehr meine Mahnung, dass Korrelation nicht mit Kausalität gleichgesetzt werden darf und vor allem, dass Führung nicht monokausal verantwortlich ist für das Verhalten von Untergebenen.
Ich rufe hier einfach die Vorfälle in Pfullendorf oder in Illkirch in Erinnerung. Einiges davon was hier im Blog spekuliert wurde traf zu, aber vieles erwies sich im Nachhinein eben auch als Unfug.
Differenzierte Betrachtung sollte daher mEn wo immer möglich angewandt werden. Vor allem aber wenn es um reale Kameraden und nicht nur um abstrakte Fallstudien geht!
@Koffer
Wiederum Nein, ich habe eine Begründung gefordert warum eine derartige Reaktion nicht erfolgt.
Ich habe auch nicht gefordert das dies ohne Beweis geschieht, noch wenn ein DV ehrlich versucht hat dieser Pflicht nachzukommen.
Zustimmung an @Koffer.
Durch die Unsitte die Sau medial virtuell und emotional durchs Dorf zu jagen und gejagt zu haben bevor klar vielfach als Folge ein, dass der reale Ausgang der Geschichte kaum jemanden noch interessiert. Dann sind es gefühlt nämlich „Old News“, die ganze Aufregerei hat ja schon stattgefunden, und der Gesprächsbedarf war ja schon vorher aufgesogen. Fördert irgendwie die Abkoppelung der wahrgenommenen von der realen Welt, was ich für ungut halte.
Noch wirklich nirgendwo habe ich ein „Es steht fest, dass XY passiert ist“. oder „Beweise haben ergeben, dass“ oder „Maßnahme XY wurde verhängt“ vernommen. was ich allerdings vor dem Hintergrund, dass der Vorfall mittlerweile zwei Monate zurückliegt, irgendwie seltsam finde.
„Geburtstagsstänchensinger“, „Anpimmler“, Schläger und Beleidiger können von mir aus im Übrigen stets sehr gern mit allen anwendbaren gerechten Sanktionen bedacht, bestraft und diszipliniert werden.
Wobei mich tatsächlich interessiert, Achtung, Fachfrage an juristisch bzw. WDO sehr bewanderte Forenteilnehmer, ehrliches Interesse:
– Ist so ein ekliges „Geburtstagsständchen“ an sich strafbar?
– Legen die anderen ekligen berichteten Dinge nahe, dass rechtlich zulässig Entfernung aus dem Dienstverhältnis verhängt werden kann?
@Chukk Beslowair sagt: 21.06.2021 um 17:07 Uhr
Anekdotische Evidenz ist alleine deswegen schon schwierig, weil sie sich durch gegenteilige Anekdoten leicht Wiederlegen lässt.
Diese noch dazu auf (lange) vergangen Ereignisse zu stützen und daraus dann Schlussfolgerungen für einen konkreten Fall zu ziehen halte ich für mehr als nur problematisch.
@Karl Mohr sagt: 21.06.2021 um 16:44 Uhr
„Wenn der Anführer zu diesen Mitteln greifen muß ist das Kind schon im Brunnen. Gute militärische Führer kennen Ihre Soldaten und wissen, was sie Ihnen zutrauen können und wie sie reagieren. Sie greifen (vorher!) ein.“
Dem stimme ich zu.
Aber warum gehen Sie davon aus, dass dies hier nicht bereits geschehen ist?
Ich kann mir multiple Szenare vorstellen, in denen der KpChef alles richtig gemacht hat und (zumindest ein Teil) der vorgeworfenen Vorfälle sich dennoch ohne jegliche Zweifel hätte ereignen können.
Wenn Sie also in abstrakten, akademischen Reflexionen sprechen, dann kann ich Ihnen weitgehend, vielleicht sogar weitestgehend in Ihren Aussagen folgen.
Wenn Sie aber behaupten, dass sich diese im konkreten Fall widerspiegeln und das sich deswegen X, Y oder Z konkret schließen lässt widerspreche ich Ihnen.
@ThoDan sagt: 21.06.2021 um 17:53 Uhr
Auch aus Ihren erneuten und bekräftigen Aussagen könnte man das Gegenteil herauslesen.
Aber ich bin froh, dass ich Sie hier offensichtlich (scheinbar) falsch verstanden habe.
@Landmatrose3000 sagt: 21.06.2021 um 18:15 Uhr
„– Ist so ein ekliges „Geburtstagsständchen“ an sich strafbar?“
Das liegt natürlich ein bisschen am gesungen Lied, aber wenn es ein normales Geburtstagslied war, sehe ich keine Strafbarkeit.
Ein Dienstvergehen aber natürlich.
„– Legen die anderen ekligen berichteten Dinge nahe, dass rechtlich zulässig Entfernung aus dem Dienstverhältnis verhängt werden kann?“
Auch hier ist es sehr stark von den Details abhängig. 1. Was genau ist passiert und 2. im wievielten Dienstjahr war der Täter und ist er bereits vorher schonmal disziplinar aufgefallen und wenn ja mit was.
Abhängig davon den Details liegt hier die Spannbreite zwischen „auf gar keinen Fall reicht das“ bis „locker und sehr schnell“.
@Koffer: Und sie erinnern sich, da ging ich mit ihnen in trauter Einigkeit. Nur „die Preußen schießen nicht so schnell“. Zeigt die IBuK hier tatsächlich ein „Verhaltensmuster“, oder hat sie bereits erste Meldungen entgegen genommen und handelt sehr bewusst mehr wissend.
Daher mein Verdacht zur Stimmigkeit.
@Koffer
Bedaure, aber das war wirklich nicht meine Absicht.
Was ich nicht nachvollziehen kann, wieso das Dienstalter bei der Entlassung wegen entsprechender Übergriffe eine Rolle spielen kann oder darf?
Wie man das den Soldaten die Opfer solcher Übergriffe gegenüber rechtfertigt und jenen die dann mit diesen zusammen Dienst tun sollen?
@AoR sagt: 21.06.2021 um 19:34 Uhr
„Zeigt die IBuK hier tatsächlich ein „Verhaltensmuster“, oder hat sie bereits erste Meldungen entgegen genommen und handelt sehr bewusst mehr wissend.“
Möglicherweise (vermutlich sogar) handelt sie auf der Basis von deutlich weitergehendem Wissen als wir spekulieren ;)
@ThoDan sagt: 21.06.2021 um 19:56 Uhr
„Was ich nicht nachvollziehen kann, wieso das Dienstalter bei der Entlassung wegen entsprechender Übergriffe eine Rolle spielen kann oder darf?“
Weil der Gesetzgeber in Übereinstimmung lange gefestigter Rechtssprechung bei längeren Dienstzeiten eine gefestige Dienst- und Lebensstellung des Soldaten annimmt, die eines höheren Schutzes bedarf.
Hier gibt es viele Feinheiten, aber die Kernregel (für SaZ) ist:
Innerhalb der ersten vier Jahre ist eine fristlose Entlassung durch Verwaltungsakt gem. Soldatengesetz möglich. Danach geht das nur noch durch truppendienstgerichtliches Verfahren.
Für das erstere reicht nahezu jedes beliebige Dienstvergehen eines Soldaten aus solange das „Verbleiben in seinem Dienstverhältnis die militärische Ordnung oder das Ansehen der Bundeswehr ernstlich gefährden würde.“
Beim letzteren hingegen benötigen Sie ein Dienstvergehen in der Schwere dass es eine sogenannte „reinigende Maßnahme“ verlangt. Viel (!) höhere Maßstäbe.
Das erstere schaut also eher auf die Bundeswehr und das letztere eher auf den Soldaten.
@ Landmatrose3000: „ Wobei mich tatsächlich interessiert, Achtung, Fachfrage an juristisch bzw. WDO sehr bewanderte Forenteilnehmer, ehrliches Interesse:
– Ist so ein ekliges „Geburtstagsständchen“ an sich strafbar?
– Legen die anderen ekligen berichteten Dinge nahe, dass rechtlich zulässig Entfernung aus dem Dienstverhältnis verhängt werden kann?“
Also, zumindest zu dem, was sie so lapidar als „anpimmeln“ bezeichnen, kann ich Ihnen sagen, dass es sich hierbei um sexuelle Nötigung/versuchte Vergewaltigung handelt. Das kommt jetzt auf den konkreten Fall an, wird allerdings wohl auch gut aufzuklären sein, denn anscheinend hat ein anderer Soldat davon eine Bildaufnahme gemacht (was wiederum mindestens unterlassene Hilfeleistung ist).
Wir reden hier also sehr wohl von Straftaten.
Ich will jetzt hier niemanden etwas unterstellen, aber vielleicht liegt die Problematik eben auch darin, dass man Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (und andere Straftaten) irgendwie lustig findet und die Täter mit so netten Worten wie „Anpimmler“ verharmlost. Das ist zumindest absolut empathielos dem Opfer gegenüber. Und ich erwarte eben auch und gerade von Soldaten eine gewisse Empathie und nicht den mitleidlosen „harten Kerl“ der sogar die eigenen Kameraden missbraucht und im Stich lässt.
@Koffer
Entsprechende Übergriffe erfordern keine reinigende Maßnahme?
@BesorgteBürgerin
Nein, das ist keine unterlassene Hilfeleistung, unterlassene Hilfeleistung wäre es nicht zu versuchen Hilfe zu leisten wenn praktikabel zumutbar.
Also mindestens versuchen Vorgesetzte, Wache etc zügig zu informieren.
@ThoDan sagt: 22.06.2021 um 1:09 Uhr
„Entsprechende Übergriffe erfordern keine reinigende Maßnahme?“
Das ist die Frage was tatsächlich vorgefallen ist.
Die Vorwürfe sind ja seit vielfältig von „einfachen“ sexistischen Beleidigungen, über rassistische/fremdenfeinliche/unkamerschaftliche Einlassungen bis hin zu Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung.
Wenn wir nicht wissen, was sich genau ereignet hat, können wir auch keine Schlussfolgerungen ziehen.
Ich hatte hier weiter oben bereits kommentiert „Abhängig davon den Details liegt hier die Spannbreite zwischen „auf gar keinen Fall reicht das“ bis „locker und sehr schnell“.“
„Nein, das ist keine unterlassene Hilfeleistung, unterlassene Hilfeleistung wäre es nicht zu versuchen Hilfe zu leisten wenn praktikabel zumutbar.“
Es wäre auf jeden Fall (wenn es sich so zugetragen hat!) auch ein Verstoß gegen die Kameradschaftspflicht.
Aber auch hier wissen wir ja nicht, was sich zugetragen hat.
Alles Spekulationen ohne Basis.
Das Filmen der Aktion könnte sogar eine Hilfeleistung sein wenn der Kamerad das Video dem „angep…“ Kameraden und nur Ihm direkt im Nachgang zur Verfügung gestellt hätte. Als Beweismittel für die Anzeige der Belästigung.
Nur liest es sich so als ob dieses Video nicht mit dieser Intention gedreht wurde.
@BesorgteBürgerin: Was sich da womöglich zugetragen hat, ist grausam. Ich kann es auch nicht nachvollziehen, denn die Kameraden die ich kennen wären da mehr als nur dazwischen gegangen. Da hätte ich mir um den Täter mehr sorgen gemacht.
Denn Kameradschaft ist in meinem Verständnis auch das Wissen darum, dass wenn man von hinten getroffen wird, der Buddy, also z.B die Kameradin schon schwer verletzt oder gar tot ist.
Sie ahnen, wie bitter der Vorfall , der sich dort ereignet haben soll, für das Selbstbild aller ~180.000 ihrer Kameradinnen und Kameraden ist.
@Koffer
Danke für die Erklärung.
Beinhaltet die Pflicht zur Kameradschaft eine entsprechende Pflicht zur Tapferkeit?
Ich werfe mal etwas
– durchaus schwer lesbares,
– aber die „Leitplanken“ vorgebendes,
– und vor allem: disziplinar höchstrichterliches
in die Runde:
Bundesverwaltungsgericht, 2. Wehrdienstsenat, Urteil vom 18. Juni 2020, Az. BVwerG 2 WD 17/19,
Unter diesem zu finden über die einschlägigen Suchmaschinen bzw. auf der homepage des BVerwG.
Dieses ist disziplinar der Massstab. Was hierunter zu subsumieren ist, fällt erst recht – weil niedrigere Masstäbe – unter den Entlassungstatbestand des § 55 Abs. 5 Soldatengesetz und ggf. auch unter das Strafrecht.
Das ist die rechtliche Seite, als weiteres Führungsinstrument.
Natürlich möge sich der DiszVorg glücklich schätzen, der darauf nicht zurück zu greifen braucht. Genauso sollte er es aber nutzen, wenn die Sache aus dem Ruder gelaufen ist. Viele derjenigen, die heute zur Bw wollen und genommen werden müssen, lassen sich auch durch noch so viel goodwill und PolBil nicht an die „ganz normalen“ Verhaltensmassstäbe heran bringen.
@ThoDan sagt: 22.06.2021 um 14:12 Uhr
„Beinhaltet die Pflicht zur Kameradschaft eine entsprechende Pflicht zur Tapferkeit?“
Technisch nein (es ist nicht „beinhalted“), aber praktisch für das was sie vermutlich wissen wollen ja.
@ AoR sagt: 22.06.2021 um 13:47 Uhr
„Was sich da womöglich zugetragen hat, ist grausam.“
Mal rein interessehalber, wenn das grausam gewesen sein sollte, wie würden Sie dann Vergewaltigungsexzesse, gezielte Tötung von unbeteiligten,… bezeichnen.
Nichts für ungut, aber eine rein binäre Betrachtungsweise (etwas ist in Ordnung oder Skandal), ich übertreibe mit Absicht, wird nur über kurz oder lang darin enden, dass am Ende jeder einzelne Vorfall sofort zu einem Fall für den/die IBUK wird. Damit ist niemandem geholfen. Wir haben nicht umsonst die unterschiedlichen Disziplinarebenen, damit man entsprechend der Schwere des Vergehens angemessen eskalieren kann.
Es wäre auch ratsam, wenn die Leitung des BMVg es schnellstmöglich der Truppe erklärt, und ich meine damit der ganzen Truppe, wieso man sich der Sache „persönlich“ angenommen hat. Es gibt ja durchaus politische Gründe die dafür sprechen. Ich habe aber das ungute Gefühl, dass man bei der ganzen Kommunikation nach außen, das erklären nach Innen (und zwar Zielgruppengerecht) vergisst. Dort gehen in solchen Fällen nämlich sehr schnell Scheisshausparolen umher, die man nur schwer wieder einfangen kann und das macht das Führen von Soldaten nicht gerade einfach.
Zu dem konkreten Fall, mir ist da auch nicht mehr bekannt als in der Presse steht, aber aus der persönlichen Erfahrung mit „Skandaldynamiken“ heraus, würde ich die Vermutung anstellen, dass das da nicht alles auf einen Vorfall zurückzuführen ist. Meist ist es so, dass da einer wegen einem vergleichsweise einfachen Vergehen eins zwischen die Hörner verpasst bekommen soll und dieser fragt dann plötzlich aus Unverständnis für die Maßregelung wieso er denn für eine „Lappalie“ bestraft wird, wenn doch Meier, Müller, Schulze mit deutlich schwerwiegenderen Taten ungestraft davonkommen. Und dann geht das Fingerzeigen los. Ich vermute hier war es ähnlich.
@Wa-Ge: Ich kann ihren Einwand verstehen, denn wie kann man dann noch Worte finden wenn eben das von ihnen als Beispiele aufgeführte passiert?
Lassen sie mich in ihrem Sinne präzisieren. Aus Perspektive der Kameradschaft ist der Missbrauch einer hilflosen Kameradin grausam. Aus Perspektive der Kameradschaft ist Filmen des Vorfalls anstelle Eingreifens grausam.
Und die öffentliche Wahrnehmung und Debatte zeigt wieder, wie wenig Ahnung die Öffentlichkeit von Truppe hat und wie schlimm das für Soldaten ist. @ D‘r Spieß deutet es ja an.
Wa-Ge sagt: 22.06.2021 um 21:42 Uhr
„[…] wenn das grausam gewesen sein sollte, wie würden Sie dann […]“
Mal interessehalber, wie würden Sie (@Wa-Ge) denn das Geschehene in Litauen bezeichnen?
Lustig? Anormal? Skurril? Also mir grauts bei dem Gedanken, ich bekomme schlafend einen fremden Penis vor den Mund gehalten und diese Szene wird „dokumenarisch nachgehalten“ (warum und wofür auch immer).
„[…] wieso man sich der Sache „persönlich“ angenommen hat.“
Wer hat das zu seiner persönlichen Sache gemacht? Die IBUK als höchste Disziplinarvorgesetzte? Wenn „nur“ der KtgtFhr als Disziplinarvorgesetzter ermitteln würde, würden Sie die Frage dann auch so stellen?
Nur weil eine „Person“ in seiner Dienststellung als Disziplinarvorgesetzter handelt, heißt das nicht, dass die sich der Sache „persönlich“ angenommen hat oder es heißt eben es immer. Dann ist es ganz gewöhnlich und nicht „persönlich“.
@sputo.di.rospo sagt: 23.06.2021 um 11:49 Uhr
Die IBUK hat zu der Thematik mehrmals Stellung genommen, damit ist es ja wohl unbestritten, dass AKK sich persönlich in die Sache eingeschaltet hat. Ich habe nirgends geschrieben, dass diese persönlich ermittelt hat.
„Mal interessehalber, wie würden Sie (@Wa-Ge) denn das Geschehene in Litauen bezeichnen?“
Mir würden da viele Bezeichnungen einfallen aber sicherlich nicht grausam, bspw. ekelerregend. Grausam würde ich dann in diesem Bereich doch eher für Vergewaltigungen, Verstümmelungen,… reservieren.
Es ist ja wohl unbestritten, dass die Brisanz der Vorgänge in Litauen in erster Linie mit dem Ständchen für Hitler und dem Tatort zusammenhängen.
OK, ich sehe gerade, dass BILD bereits am Montag und SPON gestern konkreteres über die Konsequenzen zu berichten hatten:
„Nach intensiven Ermittlungen hat die Bundeswehr bereits sechs Verfahren an die zivile Staatsanwaltschaft übergeben. In diesen Fällen wird gegen Soldaten nun wegen des Verdachts verfassungsfeindlicher Äußerungen und sexueller Übergriffe ermittelt. Zwei Soldaten wurden in einem Schnellverfahren bereits aus der Bundeswehr entlassen, gegen fünf weitere wurde ein Dienstverbot verhängt.“
https://www.spiegel.de/politik/deutschland/bundeswehr-in-litauen-annegret-kramp-karrenbauer-besetzt-panzergrenadier-zug-neu-a-69450e9d-6bde-4f53-929e-f72af2ea3286
Bzw. in der BILD unter der Überschrift „AKK greift gegen Randale-Soldaten durch“
Damit scheinen sich die Vorwürfe gegen 7 von 30 Angehörigen des Zuges verfestigt zu haben.
Und für diejenigen, die nicht so firm in Fragen des Disziplinarrechts sind, die zwei im „Schnellverfahren“ Entlassenen dürften unter vier Jahren Dienstzeit gehabt haben und deswegen gem. § 55 (5) SG fristlos entlassen worden sein.
Das geht relativ schnell, kann aber von den Betroffenen natürlich vor einem Verwaltungsgericht angefochten werden. Wobei die Verwaltungsgerichte aber der Bw bei ansehensschädigenden Dienstvergehen hier im Regelfall recht weitgehenden Spielraum einräumen.
Und bei den fünf Soldaten gegen die „Dienstverbote“ verhängt wurden, dürfte es sich um Soldaten mit mehr als vier Jahren Dienstzeit handeln, gegen die jetzt ein truppendienstgerichtliches Verfahren eingeleitet wurde.
Ob hier das Ziel die der Entfernung aus dem Dienstverhältnis ist oder eine geringere Maßnahme lässt sich aus der Ferne nicht erkennen (das wäre anders, wenn auch gleichzeitig die Kürzung der Bezüge angeordnet worden wäre, aber weder BILD noch SPON berichten das). Möglich ist es, aber es kann auch z.B. auf Degradierung oder Beförderungsverbot oder Gehaltskürzung rauslaufen…
Da sich diese fünf Verfahren vermutlich auch mit den sechs eingeleiteten Strafverfahren überschneiden und zudem truppendienstgerichtliche Verfahren leider häufig Jahre dauern, dürften hier die abschließenden Urteil noch eine Weile auf sich warten lassen. Aber wenn die Einleitungsbehörde ein Dienstverbot ausspricht, dann ist das zumindest mal ein Anzeichen dafür, dass die Beweislage nicht allzu schlecht ist.
@Koffer: Herzlichen Dank für die Einordnung. Damit ist klar, was man aus der öffentlcihen Berichterstattung entnehmen kann und vor allem, was nicht.